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HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 1098

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 183/18, Beschluss v. 19.09.2018, HRRS 2018 Nr. 1098


BGH 1 StR 183/18 - Beschluss vom 19. September 2018 (LG Stuttgart)

Ausschluss der Einziehung des Tatertrages oder des Wertersatzes (Erlöschen des dem Verletzten aus der Tat erwachsenen Anspruchs).

§ 73e Abs. 1 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten L. wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 27. Oktober 2017 im Ausspruch über die Einziehungsanordnung mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision des Angeklagten L. und die Revision des Angeklagten La. werden als unbegründet verworfen.

4. Der Angeklagte La. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten L. wegen Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt, wovon drei Monate wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten. Ferner hat es gegen ihn die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 415.285 Euro angeordnet. Den Angeklagten La. hat die Strafkammer wegen Betruges in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt und ebenfalls drei Monate der Freiheitsstrafe wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung für vollstreckt erklärt. Die von den Angeklagten jeweils mit der Sachrüge geführten Revisionen bleiben zum Schuld- und Strafausspruch ohne Erfolg. Das Rechtsmittel des Angeklagten L. führt jedoch zur Aufhebung der gegen ihn angeordneten Einziehungsentscheidung.

1. Nach den Urteilsfeststellungen schlossen die Geschädigten mit der vom Angeklagten La. geführten M. GmbH im April 2011 jeweils einen Vertrag über ein partiarisches Darlehen in Höhe von 2,5 Millionen Euro bzw. 2 Millionen Euro. Die jeweilige Einlage sollte dazu dienen, einen Goldkontrakt zwischen der M. GmbH und der T. Ltd. zweckgebunden zu finanzieren. Die Geschädigten überwiesen die Anlagesummen absprachegemäß auf ein Treuhandkonto des als Rechtsanwalt tätigen Angeklagten L., der die Gelder an einen „Treuhänder“ der T. Ltd. weiterleitete. Das Landgericht vermochte nicht festzustellen, ob die T. Ltd. die eingenommenen Gelder in Goldgeschäfte anlegte oder nicht. Eine Rückzahlung der Anlagebeträge durch die T. Ltd. an die M. GmbH erfolgte jedenfalls nicht. Die M. GmbH erhielt jedoch Mitte Juni 2011 von der T. Ltd. 2011 eine Zahlung in Höhe von 830.570,93 Euro, die die Angeklagten entsprechend einer von vornherein getroffenen Absprache vorrangig vor einer an die Geschädigten zu zahlende Rendite in Höhe von 15 % des Anlagebetrages als ihren „Gewinn“ untereinander aufteilten. Der Angeklagte La. überwies daher vom Konto der M. GmbH dem Angeklagten L. 305.753,58 Euro und führte für die von diesem zu zahlende Kapitalertragsteuer in Höhe von 109.531,42 Euro an das Finanzamt ab.

Die Geschädigten führten gegen den Angeklagten L. jeweils Zivilprozesse, in denen sie ihn auf Rückzahlung der Anlagesummen in Anspruch nahmen. Im August 2016 einigten sie sich mit dem Angeklagten jeweils auf einen Vergleichsbetrag, den er anschließend zahlte.

2. Im Rahmen der Einziehungsanordnung führt das Landgericht aus, dass eine Einziehung hinsichtlich der von den Geschädigten an den Angeklagten L. gezahlten Anlagesummen nach § 73e Abs. 1 StGB ausgeschlossen sei, weil der Angeklagte die vereinbarten Geldbeträge aus dem jeweiligen Vergleich an die Geschädigten geleistet habe. Deren Rückzahlungsansprüche seien daher erloschen. Die Mitte Juni 2011 von der T. Ltd. an die M. GmbH überwiesenen 830.570,93 Euro hätten nach den Plänen der Angeklagten und nach dem Inhalt der partiarischen Darlehensverträge den Geschädigten jedoch nicht zugestanden. Damit hätten die Geschädigten gar keinen Anspruch auf die Auszahlung dieser Summe beanspruchen können. Ein Verzicht der Geschädigten auf diesen Betrag sei daher in dem mit dem Angeklagten geschlossenen Vergleich rechtlich nicht möglich gewesen, so dass dessen Gewinnanteil in Höhe von 415.285 Euro nicht von diesem Vergleich umfasst sei. Dies habe zur Folge, dass nach § 73e Abs. 1 StGB keine Erlöschenswirkung eingetreten sei. Eine Einziehung dieses Betrages sei mithin nach § 73 Abs. 1, § 73c StGB anzuordnen.

3. Die Einziehungsentscheidung der Strafkammer begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Der Senat vermag aufgrund der Urteilsfeststellungen nicht zu überprüfen, ob durch den zwischen dem Angeklagten L. und den Geschädigten geschlossenen Vergleich nicht auch nach § 73e Abs. 1 StGB eine Erlöschenswirkung hinsichtlich des von den Angeklagten untereinander aufgeteilten „Gewinns“ eingetreten ist.

a) Es ist schon nicht hinreichend festgestellt, ob es sich bei der Mitte Juni 2011 von der T. Ltd. an die M. GmbH überwiesenen 830.570,93 Euro tatsächlich um Nutzungen aus dem Erlangten im Sinne von § 73 Abs. 2 StGB, nämlich des angelegten Betrages gehandelt hat oder nur um eine Scheinrendite, die aus dem Anlagebetrag selbst zurückgezahlt wurde. Die T. Ltd. war nach dem mit der M. GmbH abgeschlossenen Goldkontrakt verpflichtet, bereits Anfang Juni 2011 einen Renditebetrag in Höhe von 833.333 Euro auf den Anlagebetrag von 2,5 Millionen Euro zurückzuzahlen. Dass die T. Ltd. diesen Betrag tatsächlich als Gewinn erwirtschaftet hat, konnte das Landgericht aber nicht feststellen. Insbesondere die verspätete Zahlung eines etwas geringeren Betrages sowie weitere Umstände aus früheren Geschäften sprachen - auch aus Sicht der Angeklagten - dafür, dass die Einhaltung der Vertragspflichten durch die T. Ltd. in hohem Maße zweifelhaft erschienen. Sollte es sich bei den von der M. GmbH zurückerlangten 830.570,93 Euro jedoch um eine Scheinrendite aus dem Anlagebetrag selbst gehandelt haben, so würde der zwischen den Geschädigten und dem Angeklagten L. geschlossene Vergleich, bei dem sämtliche wechselseitigen Ansprüche als abgegolten und erledigt erklärt wurden (UA S. 63), inhaltlich auch den genannten Betrag als Teil der Anlagesumme umfassen, auch wenn die Angeklagten diesen als ihren „Gewinn ansahen“ (UA S. 26).

b) Das Landgericht hat darüber hinaus nicht geprüft, ob der zwischen den Geschädigten und dem Angeklagten L. geschlossene Vergleich nicht deshalb zum Erlöschen weiterer Ansprüche der Geschädigten geführt hat (§ 73e Abs. 1 StGB), weil jener nach Grundsätzen des Auftragsrechts (§§ 662 ff. BGB) zur Herausgabe des aufgrund des Auftrags bzw. der Geschäftsbesorgung Erlangten (§ 667 BGB) verpflichtet gewesen sein könnte. Nach den Feststellungen waren die Anlagegelder dem Angeklagten zur weiteren zweckgebundenen Verwendung auf ein Treuhandkonto überwiesen worden, so dass dieser grundsätzlich alles, was er aufgrund dieser treuhänderischen Geschäftsbesorgung erlangt, vorliegend aufgrund einer Vereinbarung der Angeklagten, die u.a. eine Ergebnisverteilung aus ihrer Geschäftsbeziehung vorsah (UA S. 6), an den Geschäftsherrn herauszugeben hat (vgl. Palandt/ Sprau, BGB, 77. Aufl., § 667 Rn. 3). Auf diesen Anspruch, der sich aus dem vom Landgericht inhaltlich nicht mitgeteilten Treuhandvertrag ergeben könnte, hätten die Geschädigten beim Vergleichsabschluss wirksam verzichten können.

4. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Einziehungsentscheidung. Der Senat hebt die zugehörigen Feststellungen auf (§ 353 Abs. 2 StPO), um dem neuen Tatgericht in sich widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen.

HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 1098

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede