HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 525
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 119/18, Beschluss v. 05.04.2018, HRRS 2018 Nr. 525
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München II vom 6. September 2017 im Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit (vorsätzlicher) Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und zwei Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Revisionsangriff gegen den Schuldspruch und die Nichtanordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) hat aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ausgeführten Gründen keinen Erfolg.
2. Der Strafausspruch hat hingegen keinen Bestand, weil die Strafkammer das Verteidigungsverhalten des Angeklagten im Rahmen der Strafzumessung zu Unrecht als - wenn auch nicht erheblich ins Gewicht fallenden - Strafschärfungsgrund angesehen hat.
a) Nach den Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte gegenüber dem ihn explorierenden psychiatrischen Sachverständigen den Tatvorwurf bestritten und dabei angegeben, „dass die Geschädigte lüge, weil sie Geld von ihm wolle“ (UA S. 11). Das Landgericht sieht darin - ohne nähere Ausführungen - eine über das Leugnen eigener Schuld hinausgehende Ehrverletzung der Geschädigten als Tatopfer, obgleich der Angeklagte sich für seine Äußerung in der Hauptverhandlung entschuldigt und hierdurch die Geschädigte von dem „latenten Vorwurf der Falschaussage befreit“ hat (UA S. 42).
b) Entgegen der Wertung der Strafkammer belegen die Feststellungen nicht hinreichend eine über das Leugnen der eigenen Schuld hinausgehende Ehrverletzung des Tatopfers. Soweit vom Landgericht auf den „latenten Vorwurf der Falschaussage“ abgestellt wird, weil der Angeklagte die Nebenklägerin der Lüge bezichtigt hat, handelt es sich um zulässiges Verteidigungsverhalten des die Tat zunächst bestreitenden Angeklagten, das nicht strafschärfend bei der Strafzumessung berücksichtigt werden darf. Auch die vom Angeklagten gegenüber dem Sachverständigen für die behauptete Falschbelastung durch die Geschädigte abgegebene Erklärung belegt ohne nähere Feststellungen zum Kontext des Äußerungsinhalts noch keine Ehrverletzung.
3. Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Da es sich lediglich um einen Wertungsfehler handelt, können die Feststellungen bestehen bleiben. Weitergehende Feststellungen sind möglich, soweit sie nicht zu den bisherigen in Widerspruch stehen.
Der Senat weist zudem darauf hin, dass die von der Strafkammer als Strafmilderungsgrund gewertete angebliche „gewisse Leichtsinnigkeit und Naivität“ im Verhalten der Geschädigten gleichfalls von den Feststellungen nicht getragen wird.
HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 525
Externe Fundstellen: StV 2019, 189
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede