HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 414
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 409/15, Urteil v. 18.02.2016, HRRS 2016 Nr. 414
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts München I vom 1. April 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist.
Auf die Revision der Nebenklägerin wird das vorgenannte Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte vom Vorwurf des Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge freigesprochen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt und aus tatsächlichen Gründen vom Vorwurf eines weiteren Diebstahls und eines Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge freigesprochen. Die auf die Freisprüche beschränkten Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin (insoweit beschränkt auf den Freispruch vom Mordvorwurf) haben mit der jeweils näher ausgeführten Sachrüge Erfolg.
1. Dem Angeklagten liegt gemäß der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage hinsichtlich der Freisprüche Folgendes zur Last: Zwischen dem 4. und 10. Oktober 2013 soll er die 69-jährige Rentnerin W., eine Wohnungsnachbarin seiner Mutter, getötet haben. Er habe sich unter einem Vorwand den Zugang zur Wohnung der Nachbarin erschlichen um in einem unbeobachteten Moment im Schlafzimmer Schmuckstücke zu entwenden. Hierbei habe ihn die Geschädigte überrascht und zur Rede gestellt. Er habe sodann in Tötungsabsicht unvermittelt mit einem stumpfen Gegenstand der Geschädigten auf den Kopf geschlagen, bis sie zu Boden gegangen sei, um sie sodann mit einem schmalen Strangulationswerkzeug zu erdrosseln. Motiv hierfür sei gewesen, die Aufdeckung seiner Tat (und früherer Diebstahlstaten) zu verhindern und die Entwendung von Schmuckgegenständen fortsetzen zu können. Zudem habe der Angeklagte zwischen dem 7. und 9. November 2013 in einem Hotel als Reinigungskraft aus dem Zimmer eines Hotelgastes eine ca. 8.000 Euro teure Armbanduhr entwendet, um sie für sich zu verwenden.
2. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
a) Der Angeklagte zog 2011 von Tschechien nach Deutschland, wo er zunächst zusammen mit seiner Mutter in deren Wohnung in der C. straße in M. wohnte. Unmittelbare Wohnungsnachbarin war die Rentnerin W. Diese war finanziell abgesichert, sie hatte u.a. im Jahr 2007 100.000 Euro bei einer Lotterie gewonnen. Während W. zunächst zu dieser Zeit noch ihren bettlägerigen Ehemann pflegte, starb dieser im Laufe des Jahres 2011. Bei der Pflege ihres Ehemanns und nach dessen Tod nahm W. mehrfach die Hilfe des Angeklagten und zweier seiner Brüder in Anspruch. Der Angeklagte half mindestens einmal, den Ehemann umzulagern, nach dessen Tod strich er mit seinen Brüdern gegen eine geringfügige Entlohnung die Wände der Wohnung, baute in der Wohnung mehrere Möbel im Schlafzimmer auf und reparierte Möbelstücke, zuletzt alleine im Sommer 2013 eine Kommode im Schlafzimmer. Aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse des Angeklagten erfolgte die Kontaktaufnahme dabei über die Mutter des Angeklagten oder den in einer anderen Wohnung auf derselben Etage des Hauses wohnenden Bruder L. Anfang Januar 2013 zog der Angeklagte mit seiner Lebensgefährtin und der gemeinsamen Tochter in ein Haus seiner Mutter in G. Weil er zu dieser Zeit bei einer Reinigungsfirma angestellt war und in Hotels in M. als „Roomboy“ eingesetzt wurde, übernachtete er auch teilweise bei seiner Mutter in M. Auch hierdurch kam es - neben den Reparaturen - zu Zusammentreffen des Angeklagten mit der später Getöteten. Als „nicht ausschließbar“ hat die Strafkammer angesehen, dass es anlässlich der Begegnungen zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten bei der Begrüßung bzw. der Verabschiedung zu freundschaftlichen Umarmungen gekommen ist.
Die Geschädigte wurde am 10. Oktober 2013 auf dem Bauch liegend tot im Schlafzimmer ihrer Wohnung gefunden. Es fehlten Schmuckstücke und der Wohnungsschlüssel. Der Tod trat im Zeitraum zwischen dem 4. und dem 8. Oktober 2013 ein, wobei ein genauerer Todeszeitpunkt nicht feststellbar war. Der Angeklagte hielt sich zumindest teilweise zwischen dem 4. und 10. Oktober 2013 bei seiner Mutter in der Nachbarswohnung der Geschädigten auf, vom 5. bis 7. Oktober 2013 war er allerdings mit Verwandten in Tschechien. In der Wohnung und an der Leiche der Geschädigten wurden 1.220 Spuren sichergestellt. Bei 20 dieser Spuren wurde im Rahmen von DNA-Mischspuren die vollständige DNA des Angeklagten gefunden; der Großteil hiervon betraf die Kleidung der Geschädigten.
Schon im Jahr 2011 war bei der Geschädigten eingebrochen und Schmuck entwendet worden. Sie wechselte daraufhin das Schloss der Wohnungstür, wurde zunehmend vorsichtiger und verschloss die Wohnungstür manchmal auch, wenn sie sich in der Wohnung aufhielt. Einer Freundin gegenüber verdächtigte sie jedenfalls zeitweise den Angeklagten und seine Brüder in Bezug auf den Einbruch.
b) Zwischen November 2012 und Ende Januar 2013 entwendete der zu diesem Zeitpunkt als „Roomboy“ zu Reinigungsarbeiten in Hotelzimmern eingesetzte Angeklagte in dem Hotel „S.“ aus dem Zimmer eines Hotelgastes eine Digitalkamera im Wert von ca. 500 Euro nebst Speicherkarte, um diese für sich zu behalten. Speicherkarte und Kamera wurden bei einer Durchsuchung der Sachen des Angeklagten aufgefunden (rechtskräftige Verurteilung wegen Diebstahls).
c) Am Morgen des 9. November 2013 verstaute ein Gast des Hotels „P.“ eine Armbanduhr im Wert von ca. 8.000 Euro in der Seitentasche seiner Sporttasche, die er neben dem Bett im Hotelzimmer abstellte; am Abend war diese Uhr verschwunden. Zu dieser Zeit war der Angeklagte mit Reinigungsarbeiten in den Zimmern des genannten Hotels betraut, er reinigte am 9. November 2013 genau dieses Zimmer. Allerdings war auch ein anderer Mitarbeiter, der für mehrere Diebstähle in dem Hotel (auch während der Einsatzzeit des Angeklagten) verantwortlich ist, an diesem Tag in dem Zimmer des bestohlenen Hotelgastes gewesen. Obwohl der Angeklagte einen auf sechs Monate befristeten Arbeitsvertrag hatte, erschien er ab dem 10. November 2013 nicht mehr zur Arbeit. Bei einer Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten wurde keine derartige Uhr gefunden (Freispruch vom Vorwurf eines weiteren Diebstahls).
3. Zur Beweiswürdigung des Landgerichts:
Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung und als Beschuldigter im Ermittlungsverfahren geschwiegen. Im Rahmen einer Zeugenvernehmung, über deren Verwertbarkeit Streit besteht, hatte er angegeben, zuletzt eineinhalb Monate vor der Tat in der Wohnung der Geschädigten gewesen zu sein. Bei Begrüßungen habe man lediglich „Hallo“ gesagt und sich weder die Hand gegeben noch hierbei oder bei sonstigen Gelegenheiten umarmt. Langjährig bekannte Freunde der Geschädigten und ihr Patensohn berichteten, dass sie von ihr bei der Begrüßung umarmt worden seien. Der Bruder des Geschädigten und seine Mutter sagten aus, dass die Geschädigte ihnen bei der Begrüßung die Hand gegeben und freundschaftlich auf die Schulter geklopft oder einen Klaps mitgegeben habe.
Zu den aufgefundenen DNA-Mischspuren, in denen sich die vollständige DNA des Angeklagten fand, hat die Sachverständige, deren Einschätzung die Kammer gefolgt ist, u.a. angegeben, dass bei der Spur am Telefon die Hauptkomponente der Merkmalsmischung dem Angeklagten zuzuordnen sei, im Übrigen der Geschädigten. Es handele sich bei den Spuren um - was das Landgericht nicht näher erläutert hat (vgl. insoweit die Allgemeine Empfehlung der Spurenkommission zur Bewertung von Mischspuren, NStZ 2007, 447) - „Typ-C Spuren“. Die von ihr untersuchten Spuren hätten sehr geringe Mengen DNA lediglich im stochastischen Bereich (also im unteren Grenzbereich) aufgewiesen. DNA-Spuren seien bei trockener Lagerung unter Raumtemperatur unbegrenzt haltbar. DNA-Material an Kleidungsstücken werde nicht notwendiger Weise durch Waschen entfernt, entscheidend sei, mit welcher Temperatur und welchem Waschmittel das Kleidungsstück gewaschen werde. Es könne nicht festgestellt werden, wann, auf welche Weise und durch welche Art des Kontakts die jeweiligen Spuren gesetzt worden seien. So könne DNA-Material durch Hautoberflächenzellen bei einfachem Kontakt wie etwa beim Umarmen oder Anfassen übertragen werden. Ein Sekundärtransfer von DNA sei grundsätzlich möglich, jedoch umso unwahrscheinlicher, je häufiger Merkmale von einer Person an einem Gegenstand zu finden seien.
Die Strafkammer hat die Spurenlage wie folgt bewertet: Es sei nicht gänzlich auszuschließen, dass der Angeklagte im Zuge berechtigter Arbeiten in der Wohnung auch Schränke ausgeleert und hierbei Kleidungsstücke der Geschädigten angefasst habe, auch wenn der Schlafzimmerschrank nicht bewegt worden sei. Hinsichtlich der Spur am Telefon sei davon auszugehen, dass der Angeklagte diese Spur bei früheren Aufenthalten berechtigt gesetzt habe, denn es seien keine Gründe für die Nutzung im Zusammenhang mit der Tat ersichtlich. Den Sekretär habe der Angeklagte selbst zusammengebaut, weshalb die dort gefundene Spur als berechtigt gesetzt anzusehen sei. Bezüglich der Spuren am Schlafzimmerschrank und an den beiden im Schlafzimmer liegenden Stofftäschchen sowie an der schwarzen Stofftasche an der Garderobe sei nicht auszuschließen, dass diese unabhängig von der Tat gesetzt worden seien. Im Schlafzimmer habe der Angeklagte Möbelstücke aufgebaut, bei der Umhängetasche spreche gegen eine Verursachung im Zusammenhang mit der Tat, dass die Wohnung der Geschädigten nicht durchwühlt worden sei. Bei sämtlichen Spuren handele es sich um DNA-Mischspuren, die überwiegend auch auf weitere Verursacher zurückzuführen seien.
Bezüglich der an der Kleidung der Getöteten gefundenen und auf den Angeklagten hindeutenden Spuren hätten sich diese überwiegend im Seiten- und Rückenbereich der Weste, an der Rückseite und am Ärmel des Shirts, an Rück- und Vorderseite der Hose und an der Rückseite des Slips gefunden, was auch mit dem von dem Sachverständigen als möglich erachteten Tötungsszenario vereinbar sei, dass sich der Täter zum Drosseln auf den Rücken der Geschädigten gekniet habe. Die Spur an der Vorderseite der Hose lasse sich damit nur schwerlich in Einklang bringen. Zudem sei zu berücksichtigen, dass nur sehr geringe Mengen DNA des Angeklagten gefunden worden seien, wobei fraglich sei, inwieweit dies mit einem massiven Kontakt vereinbar sei. Zudem gelte auch bei den Spuren an der Kleidung, dass diese ganz überwiegend auf mehrere Verursacher zurückzuführen seien, weshalb mit einer Ausnahme mindestens noch eine weitere Person Kontakt mit den entsprechenden Stellen der Kleidung der alleine lebenden Geschädigten gehabt habe. All dies lasse Zweifel daran aufkommen, dass die von dem Angeklagten verursachten Spuren im Rahmen der Tötung der Geschädigten gesetzt worden seien. Dies gelte umso mehr, als der Angeklagte öfter Kontakt zur Geschädigten hatte und die Kammer nicht ausschließen könne, dass er die Geschädigte etwa bei einer Begrüßung auch umarmt oder im Rahmen der von ihm durchgeführten Arbeiten auch sonst deren Kleidung berührt habe. Bei mehreren Spuren seien auch die Brüder des Angeklagten als Verursacher nicht auszuschließen, die auch Gelegenheit zur Tat gehabt hätten. Schließlich lasse sich letztlich eine Sekundärübertragung etwa beim Wenden oder Entkleiden der Leiche nicht ausschließen.
Der Angeklagte, der zur Tatzeit gearbeitet und monatlich ca. 1.100 bis 1.400 Euro verdient habe sowie gelegentlich von seiner Mutter unterstützt worden sei und in deren Haus mietfrei habe wohnen dürfen, habe auch kein überzeugendes Motiv für die Tat gehabt. Zudem passe das von der Anklage gezeichnete Tatszenario, wonach der Angeklagte beim Durchwühlen des Kleiderschranks von der Geschädigten überrascht worden sei, nicht zur vorgefundenen Spurenlage. Die Wohnung sei nicht durchwühlt worden und zum überwiegenden Teil sei der Schmuck der Geschädigten noch vorhanden gewesen.
Hinsichtlich des Vorwurfs des Diebstahls der Uhr aus dem Hotelzimmer habe der Angeklagte - wie hinsichtlich einer Entwendung von Schmuck bei der später getöteten W. - kein Motiv gehabt. Die Uhr sei bei einer Durchsuchung nicht gefunden worden. Während der Zeit, in der der Angeklagte im Hotel eingesetzt worden sei, habe es auch Diebstähle durch einen anderen Mitarbeiter gegeben, der am Tattag auch im Zimmer des bestohlenen Gastes gewesen sei. Es komme nach den Angaben der für den Angeklagten verantwortlichen Objektleiterin auch öfter vor, dass Angestellte ohne Angaben von Gründen nicht mehr zur Arbeit erscheinen.
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin haben Erfolg.
1. Die Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Insbesondere ist es ihm verwehrt, die Beweiswürdigung des Tatrichters durch seine eigene zu ersetzen. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich somit darauf, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind.
Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, etwa hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes, wenn sie lückenhaft ist, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden. Insbesondere ist die Beweiswürdigung auch dann rechtsfehlerhaft, wenn die Beweise nicht erschöpfend gewürdigt werden oder sich den Urteilsgründen nicht entnehmen lässt, dass die einzelnen Beweisergebnisse in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. Senat, Urteil vom 10. August 2011 - 1 StR 114/11, NStZ 2012, 110 f. mwN). Weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst ist es geboten, zugunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 18. August 2015 - 5 StR 78/15, NStZ-RR 2015, 349). Rechtsfehlerhaft ist auch die Anwendung des Zweifelssatzes auf einzelne Indizien. Bei dem Grundsatz „in dubio pro reo“ handelt es sich um eine Entscheidungsregel, nicht um eine Beweisregel. Diese Regel hat das Gericht erst dann zu befolgen, wenn es nach abgeschlossener Beweiswürdigung nicht die volle Überzeugung von der Täterschaft zu gewinnen vermag. Auf einzelne Elemente der Beweiswürdigung ist die Regel grundsätzlich nicht anzuwenden (Senat, Urteil vom 5. November 2014 - 1 StR 327/14, NStZ-RR 2015, 83).
b) Diesen Maßstäben genügt die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht.
aa) Es fehlt schon an einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren umfassenden Bewertung der in der Wohnung der Getöteten aufgefundenen DNA-Spuren. Die unübersichtliche Darstellung der einzelnen Spuren, die DNA des Angeklagten enthalten, lässt nicht erkennen, welche Aussagekraft das Landgericht den einzelnen, auf den Angeklagten hindeutenden Spuren vor dem Hintergrund der Gesamtspurenlage beigemessen und wie es die Einzelspuren zueinander in Beziehung gesetzt hat. Entscheidend kommt es bei einer solchen Spurenlage auf das Gesamtbild der dem Angeklagten zurechenbaren Spuren im Verhältnis zu den sonst aufgefundenen Spuren an. Den Urteilsgründen sind zwar einzelne relativierende Bewertungen von DNA-Spuren des Angeklagten zu entnehmen, aber nicht die notwendige umfassende Gesamtbetrachtung.
bb) Soweit die Schwurgerichtskammer die Beweiskraft der an der Kleidung des Opfers gefundenen DNA-Spuren des Angeklagten mit der Erwägung relativiert, es sei nicht auszuschließen, dass diese von einer Umarmung oder sonstigen Berührungen herrühren, findet diese Erwägung keine Grundlage in den im Urteil geschilderten Beweisergebnissen. Der Angeklagte hat selbst gesagt, die Geschädigte habe ihn nicht berührt oder umarmt; weder seine Mutter noch seine Brüder haben von Umarmungen oder Berührungen gesprochen außer dem Schütteln der Hände oder einem „Klaps“ auf die Schulter durch die Geschädigte. Beide Kontaktformen sind für eine Antragung von Spuren auf dem Rücken und einem Slip ungeeignet. Lediglich langjährige Freunde - wozu der Angeklagte nicht zählte (die Geschädigte stellte den Kontakt zu ihm aufgrund von Sprachschwierigkeiten zudem nur über seine Verwandten her) - und der Patensohn berichteten von Umarmungen beim Begrüßen der Geschädigten. Ob - wie die Verteidigung vorträgt - die selbstbelastenden Angaben des Angeklagten in seiner Zeugenvernehmung einem Verwertungsverbot unterliegen, ist in der neuen Hauptverhandlung zu klären. Aus systematischen Gründen vermag der Senat der Erwägung der Verteidigung, sie könne zur Prüfung der Beruhensfrage insoweit eine „hypothetische“ Verfahrensrüge erheben, nicht zu folgen.
cc) Die Argumentation der Kammer, der Angeklagte habe weder aus finanziellen noch aus sonstigen Gründen ein überzeugendes Motiv für den Mord an W. und den Diebstahl der Uhr gehabt, erweist sich als lückenhaft. Nicht berücksichtigt hat sie dabei, dass sie den Angeklagten einer anderen Diebstahlstat an einem teuren Gegenstand aus einem Hotelzimmer für überführt erachtet. Auch wird die Erwägung der Kammer, der Angeklagte habe durch seine Berufstätigkeit ein Auskommen gehabt, dadurch relativiert, dass der Angeklagte zu den jeweils angeklagten Tatzeiten von seinem monatlichen Verdienst in Höhe von 1.100 bis 1.400 Euro offensichtlich sein Kind und seine nicht berufstätige Lebensgefährtin unterhielt.
dd) Die Verurteilung wegen Diebstahls der Kamera findet auch im Übrigen an keiner Stelle des Urteils bei der Überzeugungsbildung hinsichtlich der beiden anderen angeklagten Taten Erwähnung, obwohl es auch dort um die Entwendung von fremden Gegenständen geht. Damit erweisen sich die den Freisprüchen zugrunde liegenden Gesamtwürdigungen des Landgerichts insgesamt als lückenhaft, weil sie einen wesentlichen Umstand außen vor lassen, der die Überzeugungsbildung zu Lasten des Angeklagten beeinflussen kann.
ee) Eine weitere Lücke in der Beweiswürdigung hinsichtlich des Tatvorwurfs der Tötung von W. zwecks Entwendung von Wertgegenständen ergibt sich aus folgendem Umstand: Bei der Beweiswürdigung hinsichtlich der zweiten Diebstahlstat stellt die Strafkammer fest, dass sich aufgrund der im Rahmen der Telefonüberwachung protokollierten Gespräche des Angeklagten sowie weiterer Familienmitglieder hinreichende Erkenntnisse dahingehend ergeben haben, dass der Angeklagte die Uhr entwendet hat. An einer Verwertung dieser Erkenntnisse hat sich die Kammer nach § 477 Abs. 2 Satz 2 StPO gehindert gesehen, weil es sich bei dem Vorwurf des Diebstahls der Uhr nicht um eine Katalogtat handele, hinsichtlich derer eine Telefonüberwachung nach § 100a StPO hätte angeordnet werden können, und weil der Angeklagte der Verwertung der Angaben widersprochen habe. Wie sich aus den Urteilsgründen selbst ergibt, hat die Strafkammer die angeführten Erkenntnisse aber auch nicht im Rahmen ihrer Überzeugungsbildung hinsichtlich des Vorwurfs des Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge verwertet, obwohl insoweit ein Verwertungsverbot nach § 477 Abs. 2 Satz 2 StPO fernliegt.
2. Auf den aufgezeigten Rechtsfehlern beruht das Urteil hinsichtlich beider Freisprüche, denn es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei richtiger Rechtsanwendung zu einem verurteilenden Erkenntnis gelangt wäre (vgl. zum Bezugspunkt der Beruhensprüfung bei Freispruch BGH, Urteil vom 19. Juli 1995 - 2 StR 758/94, NJW 1995, 2933, 2936; vgl. zum Beruhen insgesamt: Niemöller, NStZ 2015, 489 ff.; missverständlich daher Senat, Urteil vom 2. Dezember 2015 - 1 StR 292/15 Rn. 11). Die Sache bedarf daher in diesem Umfang insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 414
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede