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HRRS-Nummer: HRRS 2006 Nr. 488

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, NotSt (B) 5/05, Beschluss v. 20.03.2006, HRRS 2006 Nr. 488


BGH NotSt (B) 5/05 - Beschluss vom 20. März 2006

BGHR; Unzulässigkeit der sofortigen Beschwerde, wenn der Notardisziplinarsenat des Oberlandesgerichts den Antrag der Einleitungsbehörde zurückweist, ein bei ihm anhängiges förmliches Disziplinarverfahren fortzusetzen, das wegen eines gegen den Notar gleichzeitig laufenden, noch nicht abgeschlossenen Strafverfahrens ausgesetzt worden war (ausnahmsweise Beschwer bei rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung).

§ 105 BNotO; § 17 BDO; § 19 BDO; § 17 NdsLDO; Art. 6 EMRK; Art. 19 Abs. 4 GG

Leitsatz des BGH

Zur Frage der Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde, wenn der Notardisziplinarsenat des Oberlandesgerichts den Antrag der Einleitungsbehörde zurückweist, ein bei ihm anhängiges förmliches Disziplinarverfahren fortzusetzen, das wegen eines gegen den Notar gleichzeitig laufenden, noch nicht abgeschlossenen Strafverfahrens ausgesetzt worden war. (BGHR)

Entscheidungstenor

Die sofortige Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluss des Senats für Notarsachen bei dem Oberlandesgericht Celle vom 19. Mai 2005 (Not 7/03) wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

Der Beteiligte hat gegen den Notar, der seit 1982 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen ist und 1986 zum Notar bestellt worden war, mit Verfügung vom 14. Mai 2001 das förmliche Disziplinarverfahren eingeleitet. Mit Anschuldigungsschrift vom 20. März 2003 hat der Beteiligte dem Notar als einheitliches Dienstvergehen in erster Linie zur Last gelegt, er habe zwischen dem 31. Januar 1997 und dem 19. April 1999 26 Kaufverträge über den Erwerb von Eigentumswohnungen beurkundet, obwohl ihm bewusst gewesen sei, dass die in den Verträgen niedergelegten Kaufpreise nicht den von den Vertragsparteien tatsächlich vereinbarten Preisen entsprachen. Die unrichtig beurkundeten Kaufpreise hätten dazu gedient, bei den finanzierenden Kreditinstituten eine vollständige Finanzierung der tatsächlichen Kaufpreise und in einer Vielzahl dieser Fälle auch von "Provisionen" (Kick-Back-Zahlungen) zu erlangen, die die Verkäufer (jeweils A. L. oder M. S. beziehungsweise die von diesem vertretene c. GmbH & Co) den Käufern für den Erwerb der Wohnungen zugesagt hatten, was dem Notar ebenfalls bekannt gewesen sei. Bei der Durchführung der Verträge, insbesondere der treuhänderischen Abwicklung der Zahlungen über Notaranderkonto, habe er darüber hinaus vielfach gegen die ihm von den Kreditinstituten erteilten Hinterlegungsanweisungen verstoßen beziehungsweise die Sicherungsinteressen der Kreditinstitute verletzt. Mehrfach habe er darüber hinaus von den Vertragsparteien Verwahrungsanweisungen angenommen, ohne dass die gebotene Schriftform eingehalten worden sei. Die weiteren dem Notar angelasteten, erheblichen Pflichtverletzungen, namentlich das Erwecken des Anscheins der Parteilichkeit und der Abhängigkeit sowie die Vornahme von Barauszahlungen bei Verwahrungsgeschäften in einer Vielzahl von Fällen, wodurch er ebenfalls bei Handlungen mitgewirkt habe, mit denen erkennbar unredliche Zwecke verfolgt worden seien, stehen weit überwiegend mit diesem Hauptvorwurf in engem Zusammenhang.

Mit Beschluss vom 24. Juni 2003 hat das Oberlandesgericht das förmliche Disziplinarverfahren gemäß § 17 Abs. 2 der Disziplinarordnung Niedersachsen (NDO) in der Fassung vom 7. September 1982 (GV Bl. 357) bis zum Abschluss eines bei der Staatsanwaltschaft gegen den Notar geführten Ermittlungsverfahrens und die Dauer des sich etwaig anschließenden Strafverfahrens ausgesetzt; denn dieses Verfahren betreffe Vorgänge, die dem Notar auch in der Anschuldigungsschrift des Beteiligten zur Last gelegt seien. Unter dem 12. Dezember 2003 hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den Notar zum Amtsgericht erhoben wegen Beihilfe zum Betrug in fünf Fällen. Diesen Vorwurf hat sie darauf gestützt, dass der Notar wissentlich fünf Verträge über den Verkauf von Eigentumswohnungen durch A. L. an verschiedene Erwerber beurkundet habe, in denen ein höherer als der tatsächlich vereinbarte Kaufpreis angegeben worden sei, um von der den Kaufpreis finanzierenden Bank ein Darlehen in voller Höhe des tatsächlich vereinbarten Kaufpreises nebst einer von L. mit den Käufern verabredeten Kick-Back-Zahlung zu erlangen und die Bank gleichzeitig über die Solvenz der Käufer zu täuschen. Diese fünf Beurkundungen werden dem Notar auch in der Anschuldigungsschrift als Dienstvergehen angelastet.

Mit Schriftsatz vom 11. April 2005 hat der Beteiligte beim Oberlandesgericht die Fortsetzung des ausgesetzten Disziplinarverfahrens beantragt. Er hat dies damit begründet, dass der Notar wegen der ihm in der Anschuldigungsschrift angelasteten Dienstvergehen bereits am 3. Juli 2001 vorläufig seines Amtes enthoben worden sei und dieser Eingriff in seine grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit wegen der erreichten Dauer des nicht fortgeführten Disziplinarverfahrens bei weiterem Zeitablauf mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Konflikt geraten könne. Diesen Antrag hat das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 19. Mai 2005 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Beteiligten, der das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 15. Juni 2005 nicht abgeholfen hat.

Zwischenzeitlich hat das Amtsgericht den Notar am 8. August 2005 wegen Beihilfe zum Betrug in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Nach den Feststellungen dieses Urteils hat sich der Notar durch die Beurkundung der Kaufverträge zwischen A. L. als Verkäufer und den Eheleuten L. (Zf. 12. der Anschuldigungsschrift) bzw. Frau Dr. L. (Zf. 14. der Anschuldigungsschrift) als Käufer jeweils der Beihilfe zum Betrug zum Nachteil der finanzierenden Kreditinstitute schuldig gemacht. In den übrigen Anklagepunkten (Kaufvertrag L. - Eheleute K., Zf. 2. der Anschuldigungsschrift; Kaufvertrag L. - W. , Zf. 13. der Anschuldigungsschrift; Kaufvertrag L. - I. , Zf. 21. der Anschuldigungsschrift) war dagegen nicht zur Überzeugung des Amtsgerichts nachgewiesen, dass die beurkundeten Kaufpreise von den tatsächlich vereinbarten Kaufpreisen abwichen und Kick-Back-Zahlungen zwischen Herrn L. und den Erwerbern vereinbart worden waren. Gegen dieses Urteil haben sowohl der Notar als auch die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt.

II.

Das Rechtsmittel des Beteiligten ist unzulässig.

Gemäß § 105 BNotO (nunmehr in der Fassung von Art. 1 des Fünften Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung vom 22. Dezember 2005 BGBl. I S. 3679) gelten für die Anfechtung von Entscheidungen der Oberlandesgerichte noch bis zum 1. Januar 2010 die Vorschriften der Bundesdisziplinarordnung (BDO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Juli 1967 (BGBl. I S. 750, 984), zuletzt geändert durch Art. 19 Abs. 3 des Gesetzes vom 29. Juni 1998 (BGBl. I S. 1666), über die Anfechtung von Entscheidungen des Bundesdisziplinargerichts entsprechend. Für die Anfechtung von Entscheidungen der Oberlandesgerichte im Zusammenhang mit der Aussetzung eines förmlichen Disziplinarverfahrens wegen eines gegen den Notar gleichzeitig anhängigen Strafverfahrens gilt daher Folgendes:

1. Nach § 105 BNotO, § 17 Abs. 4 Satz 2 BDO können die Einleitungsbehörde und der Notar gegen die Aussetzung des förmlichen Disziplinarverfahrens durch das Oberlandesgericht Beschwerde zum Bundesgerichtshof einlegen. Dieses gesetzlich gesondert geregelte Rechtsmittel, das innerhalb der Zweiwochenfrist des § 79 Abs. 2 BDO erhoben werden muss (vgl. Senat, Beschluss vom 31. Juli 2000 - NotSt (B) 1/00 = NJW-RR 2001, 498), ist jedoch weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sinn des § 17 Abs. 4 Satz 2 BDO auch gegen einen oberlandesgerichtlichen Beschluss eröffnet, durch den ein Antrag der Einleitungsbehörde oder des Notars auf Fortsetzung des ausgesetzten Verfahrens zurückgewiesen wird. Dies folgt schon daraus, dass ansonsten die Befristung der Beschwerde gegen die Aussetzungsentscheidung ins Leere liefe, da über einen nach Fristablauf gestellten Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens und die Anfechtung des diesen Antrag zurückweisenden Beschlusses trotz Fristversäumnis eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die Verfahrensaussetzung durch das Oberlandesgericht herbeigeführt werden könnte.

Die Statthaftigkeit der Beschwerde gegen einen oberlandesgerichtlichen Beschluss, der einen Antrag auf Fortsetzung eines ausgesetzten förmlichen Disziplinarverfahrens zurückweist, richtet sich daher nach der allgemeinen Vorschrift des § 79 Abs. 1 BDO. Bestätigt wird dies mittelbar dadurch, dass in § 17 Abs. 5 Buchst. b Hs. 2 der - zwischenzeitlich durch das Landesdisziplinargesetz ersetzten - Landesdisziplinarordnung des Landes Nordrhein-Westfalen (LDO NW) in der Fassung vom 1. Mai 1981 (GV. NW. S. 364) ausdrücklich bestimmt war, dass gegen die Ablehnung des Antrags auf Fortsetzung des Disziplinarverfahrens (§ 17 Abs. 5 Buchst. b Hs. 1 LDO NW) Beschwerde nach § 78 LDO NW eingelegt werden konnte. Damit wird deutlich, dass der Landesgesetzgeber in der nach § 17 Abs. 5 Buchst. a LDO NW eröffneten Beschwerde gegen den Aussetzungsbeschluss nicht gleichzeitig das statthafte Rechtsmittel gegen die Ablehnung des Antrags auf Fortsetzung des ausgesetzten Verfahrens gesehen hatte.

2. Gemäß § 79 Abs. 1 BDO ist die Beschwerde hier ebenfalls nicht zulässig. Zwar handelt es sich bei der Entscheidung des Oberlandesgerichts, den Antrag des Beteiligten auf Fortsetzung des ausgesetzten Disziplinarverfahrens zurückzuweisen, um einen nicht endgültigen Beschluss im Sinne dieser Vorschrift. Jedoch beinhaltet er eine Entscheidung, die der Urteilsfällung vorausgeht. Die Beschwerde ist daher nach der ausdrücklichen Regelung des § 79 Abs. 1 BDO ausgeschlossen, denn einer der insoweit ausdrücklich bestimmten Ausnahmefälle (Beschlagnahme, Durchsuchung, Straffestsetzung, Betroffenheit einer dritten Person) liegt nicht vor. Im Einzelnen:

Ob es sich bei der Aussetzung eines förmlichen Disziplinarverfahrens oder der Ablehnung eines Antrags, ein ausgesetztes derartiges Verfahren fortzusetzen, um eine der Urteilsfällung vorausgehende Entscheidung handelt, bestimmt sich nach den für den jeweiligen Beschluss maßgebenden Gründen sowie den von ihm ausgehenden Wirkungen. Dient die Aussetzung des Verfahrens oder die Ablehnung der Fortsetzung des ausgesetzten Verfahrens ausschließlich der Gewinnung entscheidungserheblichen Verfahrensstoffs zur Vorbereitung der Hauptverhandlung, so geht sie der Urteilsfällung voraus. Anders liegt es dann, wenn sie nach ihrem Inhalt oder ihren Wirkungen über eine derartige Vorbereitung der Hauptverhandlung hinausgeht und eine nicht in Bezug zur eigentlichen Urteilsfällung stehende selbständige prozessuale Beschwer enthält oder nur das Verfahren hemmt und das Urteil überflüssig verzögert (vgl. für das Strafverfahren jew. m. w. N.: Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 228 Rdn. 30; Tolksdorf in KK-StPO, 5. Aufl., § 228 Rdn. 14).

Wird ein förmliches Disziplinarverfahren im Hinblick auf ein gegen den Notar wegen desselben Sachverhalts laufendes staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren (§ 17 Abs. 2 BDO/NDO) oder die hiernach erhobene Anklage (§ 17 Abs. 1 BDO/NDO) ausgesetzt, so handelt es sich grundsätzlich um eine der Urteilsfällung vorausgehende Entscheidung; denn wegen der von dem Strafurteil (§ 17 Abs. 5 BDO/NDO) und den hierin enthaltenen Feststellungen (§ 18 Abs. 1 BDO/NDO) ausgehenden Bindungswirkungen für das Disziplinarverfahren dient sie der Gewinnung maßgeblicher Grundlagen für das Urteil. Dies ist der Grund dafür, dass die Anfechtbarkeit der Aussetzungsentscheidung in § 17 Abs. 4 Satz 2 BDO ausdrücklich bestimmt werden musste; denn nach den Maßstäben des § 79 Abs. 1 BDO wäre sie in aller Regel nicht anfechtbar.

Gleiches gilt im Allgemeinen auch für die Entscheidung, das ausgesetzte Disziplinarverfahren entgegen dem Antrag eines Beteiligten nicht fortzusetzen, weil das vorrangige Strafverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Wegen der Bindungswirkung des strafrechtlichen Urteils kann auch hier regelmäßig nicht davon die Rede sein, dass die Ablehnung, das ausgesetzte Disziplinarverfahren fortzusetzen, dieses unnötig hemmt oder das dort zu treffende Urteil in nicht zu rechtfertigender Weise verzögert. Dies gilt - wie das Oberlandesgericht zutreffend ausgeführt hat - grundsätzlich auch dann, wenn das Strafverfahren nur einen Teil der gegen den Notar im Disziplinarverfahren erhobenen Vorwürfe erfasst, die Vorwürfe aber insgesamt gleichgelagert sind, so dass die Beurteilung der angeklagten Taten im Strafverfahren auch für die Überzeugungsbildung der Disziplinargerichte hinsichtlich der weitergehenden Vorwürfe der Anschuldigungsschrift maßgebliche Bedeutung erlangen kann.

Die Zulässigkeit der Beschwerde gegen die Ablehnung der Fortsetzung des ausgesetzten Disziplinarverfahrens lässt sich hier indessen auch nicht daraus herleiten, dass durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts eine selbständige prozessuale Beschwer der Einleitungsbehörde begründet worden sei.

Allerdings kann eine derartige Beschwer im Einzelfall dann entstehen, wenn aufgrund der langen Dauer der Verfahrensaussetzung die Gefahr begründet wird, dass das dem Notar zur Last liegende Dienstvergehen wegen der seit den vorgeworfenen Pflichtverletzungen verstrichenen Zeit nicht mehr angemessen - insbesondere durch dauerhafte Entfernung des Notars aus dem Amt - disziplinarrechtlich geahndet werden kann, weil dem die mangelnde Verfahrensbeschleunigung in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entgegenstünde. Dies ist hier indessen - entgegen der Befürchtungen der Einleitungsbehörde - (noch) nicht der Fall. Hierzu verweist der Senat im Einzelnen auf die Gründe seines am heutigen Tag in dem Parallelverfahren NotSt (B) 4/05 ergangenen Beschlusses.

Da auch eine sonstige gesonderte prozessuale Beschwer des Beteiligten durch den angefochtenen Beschluss nicht ersichtlich ist, erweist sich sein Rechtsmittel danach als unzulässig.

III.

Für das weitere Verfahren sieht der Senat Anlass zu folgendem Hinweis:

Seit der angefochtenen Entscheidung des Oberlandesgerichts ist nunmehr nahezu ein weiteres Jahr verstrichen. Das Strafverfahren gegen den Notar ist immer noch nicht abgeschlossen. Bis wann mit der Erledigung der sowohl vom Notar als auch von der Staatsanwaltschaft eingelegten Berufung gerechnet werden kann, ist nicht absehbar, ebenso wenig, ob sich noch ein Revisionsverfahren anschließen wird. Vor diesem Hintergrund wird bei der vom Oberlandesgericht auch unabhängig von diesbezüglichen Anträgen der Beteiligten zu treffenden - gebundenen - Ermessensentscheidung über die Fortsetzung des Disziplinarverfahrens (§ 17 Abs. 3 Satz 1 Hs. 1 NDO) der auch hier geltende Beschleunigungsgrundsatz verstärkt zu beachten sein. Das Oberlandesgericht wird dabei zu bedenken haben, dass angesichts der Fülle des in vorliegendem Verfahren ermittelten, sich gegenseitig ergänzenden Beweismaterials eine umfassendere Beurteilung des Verhaltens des Notars möglich erscheint als in dem gegen ihn geführten Strafverfahren, das sich auf wenige Einzelfälle aus dem maßgeblichen Gesamtkomplex beschränkt. Im Übrigen darf auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass das Disziplinarverfahren dem Strafverfahren nicht in jeder Hinsicht untergeordnet ist (vgl. § 17 Abs. 5, § 18 Abs. 1 Satz 2 NDO). Zwar ist § 17 Abs. 3 Satz 1 Hs. 1 NDO grundsätzlich eng auszulegen (vgl. BVerwGE 63, 179). Jedoch liegt ihm erkennbar noch die Vorstellung zugrunde, dass Strafverfahren in überschaubaren Zeiträumen abgeschlossen werden. Dies ist jedoch zunehmend nicht mehr der Fall. Bei der Auslegung des § 17 Abs. 3 Satz 1 NDO darf all dies nicht unberücksichtigt bleiben und muss daher auch dem durch verfassungs- (Art. 20 Abs. 3 GG) und konventionsrechtliche (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) Gewährleistungen garantierten Beschleunigungsgrundsatz in einer dem Zweck des Disziplinarverfahren angemessenen Weise Beachtung geschenkt werden. Der Wortlaut der Norm lässt hierfür durchaus hinreichenden Spielraum. Ansonsten stünde zu befürchten, dass trotz ausermittelten Sachverhalts und dringendster Verdachtsgründe schwerste Dienstvergehen, die hier angesichts der Beweislage gegen den Notar im Raum stehen, nicht mehr angemessen disziplinarisch geahndet werden können, nur weil es den Strafverfolgungsbehörden nicht gelingt, Teilaspekte des Verhaltens des Notars in einem überschaubaren Zeitraum abschließend strafrechtlich zu würdigen. Dies wäre nicht hinnehmbar. Wird das strafrechtliche Berufungsverfahren bis Ende Mai dieses Jahres nicht abgeschlossen sein, wird daher kein Weg daran vorbeiführen, das Disziplinarverfahren trotz des noch laufenden Strafverfahrens wieder aufzunehmen; denn zu diesem Zeitpunkt werden seit Einleitung des Disziplinarverfahrens mehr als fünf Jahre verstrichen sein.

HRRS-Nummer: HRRS 2006 Nr. 488

Bearbeiter: Karsten Gaede