Alle Ausgaben der HRRS, Aufsätze und Anmerkungen ab dem Jahr 2000.
HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
September 2005
6. Jahrgang
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Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
die HRRS-Ausgabe September informiert insbesondere über neuere Rechtsprechung des BVerfG und des BGH zu den §§ 26a bzw. 27 StPO. Sie wird in dem HRRS-Praxishinweis Absoluter Revisionsgrund und Besorgnis der Befangenheit bei Überdehnung des § 26a StPO durch den Richter in eigener Sache zusammengefasst und kritisch besprochen.
Weitere Schwerpunkte bilden BGHSt-Entscheidungen zum Maßregelrecht, insbesondere zur Sicherungsverwahrung. Bemerkenswert ist auch das Urteil des EGMR in der Sache Storck gegen Deutschland, mit dem Deutschland wegen unhaltbarer Zustände in der privat betriebenen Psychiatrie verurteilt worden ist.
Diverse weitere Entscheidungen des BVerfG und natürlich des BGH lohnen das Studium dieser Ausgabe.
Mit freundlichen Grüßen für die Redaktion
Karsten Gaede
1. Die Vertragsstaaten einschließlich ihrer Gerichte sind verpflichtet, nationales Recht im Sinne der von der EMRK geschützten Menschenrechte auszulegen und anzuwenden. Dabei ist zu beachten, dass die EMRK darauf abzielt, Rechte zu gewährleisten, die nicht nur theoretisch oder illusorisch bleiben, sondern praktizierbar und wirksam sind.
2. Eine Person wird dann nicht ihre Freiheit im Sinne des Art. 5 I EMRK entzogen, wenn sie der ihr widerfahrenden Behandlung wirksam zugestimmt hat. Das Recht auf Freiheit gemäß Art. 5 EMRK ist aber zu bedeutsam, als dass eine vorgeblich psychiatrisch behandlungsbedürftige Person allein deshalb den Schutz des Rechts verlieren könnte, weil sie sich zunächst der Unterbringung gebeugt hat. Versucht eine in einer privaten Psychiatrieklinik inhaftierte Person zu fliehen, kann nicht mehr von ihrer Zustimmung zur Unterbringung ausgegangen werden.
3. Zu den möglichen Gründe für die Zurechnung einer unfreiwilligen Unterbringung in einer privaten Psychiatrieklinik zum Staat.
4. Die Vertragsstaaten sind nach Art. 5 Abs. 1 EMRK verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, die schutzbedürftigen Personen einen effektiven Schutz vor unrechtmäßigen Freiheitsentziehungen bieten. Dieser Schutz umfasst angemessene Maßnahmen, die Freiheitsentziehungen verhindern, von denen die staatlichen Behörden wissen oder von denen sie hätten wissen können. Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, private Psychiatrieeinrichtungen regelmäßig und kompetent zu überwachen und zu kontrollieren. Die Existenz von Strafdrohungen allein macht die Überwachung nicht entbehrlich.
5. Ein Staat kann sich seiner Verpflichtungen nach der EMRK nicht vollständig entledigen, indem er sie privaten Einrichtungen oder Personen überträgt. Die Verantwortlichkeit der Vertragsstaaten ist gegeben, wenn die Verletzung eines von der EMRK gewährten Rechts oder einer von ihr gewährten Freiheit das Ergebnis einer Missachtung der Verpflichtungen darstellt, welche die Staaten gemäß Art. 1 EMRK übernommen haben, um jene Rechte und Freiheiten jedermann innerhalb ihrer Jurisdiktion zu sichern. Art. 2 und Art. 8 EMRK verlangen dem Vertragsstaat nicht nur ab, sich aktiver Eingriffe in die danach gewährten Rechte und Freiheiten zu enthalten, sondern sie verlangen auch, dass der Vertragsstaat Schritte unternimmt, um einen Schutz gegen Beeinträchtigungen zu bieten, die von staatlichen Stellen oder von Privatbürgern ausgehen.
1. Da § 26 a StPO nur echte Formalentscheidungen ermöglichen oder einen offensichtlichen Missbrauch des Ablehnungsrechts verhindern will, ist er eng auszulegen. In Fällen, in denen die Frage der Unzulässigkeit nicht klar und eindeutig zu beantworten ist, wird es nahe liegen, das Regelverfahren nach § 27 StPO zu wählen, um jeden Anschein einer Entscheidung in eigener Sache zu vermeiden. Auf Fälle "offensichtlicher Unbegründetheit" des Ablehnungsgesuchs darf das vereinfachte Ablehnungsverfahren wegen des sonst vorliegenden Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht ausgedehnt werden.
2. Mit Blick auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist es verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar, wenn das Revisionsgericht auch in den Fällen, in denen ein Ablehnungsgesuch willkürlich und unter Verletzung des grundrechtsgleichen Anspruchs des Angeklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs im Ablehnungsverfahren als unzulässig verworfen worden ist, lediglich prüft, ob das Ablehnungsgesuch in der Sache erfolgreich gewesen wäre. Das Revisionsgericht hat in solchen Fällen nicht über die hypothetische Begründetheit des Ablehnungsgesuchs zu entscheidenden, sondern vielmehr darüber, ob die Grenzen der Vorschrift des § 26 a StPO, die den gesetzlichen Richter gewährleistet, eingehalten wurden. Jedenfalls bei einer willkürlichen Überschreitung des von § 26 a StPO gesteckten Rahmens hat das Revisionsgericht die angegriffenen Entscheidungen aufzuheben und an das Tatgericht zurückzuverweisen, damit dieses in der Zusammensetzung des § 27 StPO über das Ablehnungsgesuch entscheidet.
3. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass ein Ablehnungsgesuch, dessen Begründung aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung eines Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet ist, einem Ablehnungsgesuch ohne Angabe eines Ablehnungsgrundes gleich steht. Im Rahmen der Anwendung dieses Prüfungsmaßstabs ist das Gericht allerdings in besonderem Maße verpflichtet, das Ablehnungsgesuch seinem Inhalt nach vollständig zu erfassen und gegebenenfalls wohlwollend auszulegen, da es andernfalls leicht dem Vorwurf ausgesetzt sein kann, tatsächlich im Gewande der Zulässigkeitsprüfung in eine Begründetheitsprüfung einzutreten. Überschreitet das Gericht die ihm gezogenen Grenzen, so kann dies die Besorgnis der Befangenheit begründen.
4. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet dem Einzelnen das Recht auf den gesetzlichen Richter. Ziel der Verfassungsgarantie ist es, der Gefahr einer möglichen Einflussnahme auf den Inhalt einer gerichtlichen Entscheidung vorzubeugen, die durch eine auf den Einzelfall bezogene Auswahl der zur Entscheidung berufenen Richter eröffnet sein könnte (vgl. BVerfGE 17, 294, 299; 95, 322, 327). Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verpflichtet den Gesetzgeber dazu, eine klare und abstrakt-generelle Zuständigkeitsordnung zu schaffen, die für jeden denkbaren Streitfall im Voraus den Richter bezeichnet, der für die Entscheidung zuständig ist. Die Gerichte sind bei der ihnen obliegenden Anwendung der vom Gesetzgeber geschaffenen Zuständigkeitsordnung verpflichtet, dem Gewährleistungsgehalt und der Schutzwirkung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG angemessen Rechnung zu tragen.
5. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG auch einen materiellen Gewährleistungsgehalt. Die Verfassungsnorm garantiert, dass der Rechtssuchende im Einzelfall vor einem Richter steht, der unabhängig und unparteilich ist und der die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet (vgl. BVerfGE 10, 200, 213 f.; 89, 28, 36). Diese materiellen Anforderungen verpflichten den Gesetzgeber dazu, Regelungen vorzusehen, die es ermöglichen, einen Richter, der im Einzelfall nicht die Gewähr der Unparteilichkeit bietet, von der Ausübung seines Amtes auszuschließen.
6. Die Grenzen zum Verfassungsverstoß sind durch ein Gericht jedenfalls dann überschritten, wenn die Auslegung einer Zuständigkeitsnorm oder ihre Handhabung im Einzelfall willkürlich oder offensichtlich unhaltbar ist oder wenn die richterliche Entscheidung Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennt (vgl. BVerfGE 82, 286, 299). Dies kann nur anhand der besonderen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden.
1. Der Verschärfung des schon in Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG enthaltenen Gesetzesvorbehaltes durch Art. 104 Abs. 1 GG, der noch unterstützt wird durch die Formalgarantien des Art. 104 Abs. 2 GG, ist zu entnehmen, dass es dem Grundgesetz im Bereich der Freiheitsentziehungen auf eine besonders rechtsstaatliche, förmliche Regelung ankommt (vgl. BVerfGE 29, 183, 195 f.). Der Gesetzgeber soll gezwungen werden, Freiheitsentziehungen in berechenbarer, messbarer und kontrollierbarer Weise zu regeln. Aus diesem Grunde scheidet auch Gewohnheitsrecht oder eine richterliche Rechtsfortbildung als "gesetzliche Grundlage" aus. Nur der Gesetzgeber soll nach Art. 2 Abs. 2 und Art. 104 Abs. 1 GG darüber entscheiden, in welchen Fällen Freiheitsentziehungen zulässig sein sollen (vgl. BVerfGE 29, 183, 196).
2. Mit der Zielsetzung des Art. 104 Abs. 1 GG ist ein wie auch immer geartetes "Wiederaufleben" eines bereits durch ein rechtskräftiges Urteil gegenstandslos gewordenen Haftbefehls im Wege haftrichterlicher Rechtsfortbildung unvereinbar, selbst wenn die Rechtskraft des Urteils durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durchbrochen wird. Ein einmal gegenstandslos gewordener Haftbefehl bleibt gegenstandslos.
3. Wenn der Gesetzgeber für den Fall der Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumens der Frist für die Einlegung der Revision ein "Wiederaufleben" eines bereits gegenstandslos gewordenen Haftbefehls will, so muss er dies vor dem Hintergrund der durch Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG vermittelten Gewährleistungen - ungeachtet der gegen ein solches Vorhaben bestehenden rechtsstaatlichen Bedenken - gesetzlich anordnen. Dem Richter jedenfalls ist eine solche Rechtsfortbildung von vornherein verwehrt.
1. Dem Gewicht des schwerwiegenden Eingriffs in die Unverletzlichkeit der Wohnung und der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Schutzes der räumlichen Privatsphäre entspricht es, dass Art. 13 Abs. 2 GG die Anordnung einer Durchsuchung grundsätzlich dem Richter vorbehält. Der gerichtliche Durchsuchungsbeschluss dient auch dazu, die Durchführung der Eingriffsmaßnahme messbar und kontrollierbar zu gestalten.
2. Bei einer Kanzleiräume betreffenden Durchsuchung, insbesondere der dortigen Computeranlage, ist der hiermit verbundenen Gefahr eines Zugriffs auf verfahrensunerhebliche, auch objektiv-rechtlich geschützte und vertrauliche Daten von Mandanten in erster Linie im Verfahren der Durchsicht gemäß § 110 StPO Rechnung zu tragen. Hierbei muss die Gewinnung überschießender und vertraulicher, für das Verfahren aber bedeutungsloser Informationen im Rahmen des Vertretbaren vermieden werden. Eine Zuordnung der Daten nach ihrer Verfahrensrelevanz kann unter Umständen mit Hilfe geeigneter Suchbegriffe oder Suchprogramme gelingen.
3. Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen; er garantiert vielmehr auch die Effektivität des Rechtsschutzes. Der Bürger hat einen substanziellen Anspruch auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 35, 382, 401 f.; 101, 397, 407). Legt ein Gericht den Verfahrensgegenstand in einer Weise aus, die das vom Betroffenen erkennbar verfolgte Rechtsschutzziel ganz oder in wesentlichen Teilen außer Betracht lässt, so liegt darin eine Rechtswegverkürzung, die den Rechtsschutzanspruch des Betroffenen nach Art. 19 Abs. 4 GG verletzt (BVerfG NJW 2002, 2699, 2700).
4. Allein der Umstand, dass sich auf sichergestellten Datenträgern auch Kanzleidaten befinden, gebietet von Verfassungs wegen keine Freigabe der Beweismittel. Von Bedeutung ist hierbei, dass sich neben den unter Umständen auf den Datenträgern abgelegten Kanzleidaten auch andere, gegebenenfalls verfahrenserhebliche Daten auf den sichergestellten Datenträgern befinden. Zudem gibt es - mit Ausnahme der Evidenz - keine Pflicht zur ungeprüften Herausgabe von Gegenständen, welche angeblich nicht verfahrenserheblich sind oder die einem Beweisverwertungsverbot unterfallen sollen.
5. Mit Blick auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist es verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar, wenn das Beschwerdegericht auch in den Fällen, in denen Ablehnungsgesuche willkürlich im Ablehnungsverfahren als unzulässig verworfen worden sind, lediglich prüft, ob die Ablehnungsgesuche in der Sache erfolgreich gewesen wären. Das Beschwerdegericht hat in Fällen wie dem hier zu entscheidenden nicht über die hypothetische Begründetheit des Ablehnungsgesuchs, sondern vielmehr darüber zu entscheiden, ob die Grenzen der Vorschrift des § 26 a StPO, die den gesetzlichen Richter gewährleistet, eingehalten wurden. Bei einer willkürlichen Überschreitung
des von § 26 a StPO gesteckten Rahmens hat das Beschwerdegericht die angegriffenen Entscheidungen aufzuheben und an das Ausgangsgericht zurückzuverweisen, damit dieses in der Zusammensetzung des § 27 StPO über das Ablehnungsgesuch entscheidet.
6. Nicht jede fehlerhafte Anwendung der Zuständigkeitsregeln und die Handhabung des Ablehnungsrechts im Einzelfall, stellt auch eine "Entziehung" des gesetzlichen Richters dar. Die Grenzen zum Verfassungsverstoß sind aber jedenfalls dann überschritten, wenn die Auslegung einer Zuständigkeitsnorm oder ihre Handhabung im Einzelfall willkürlich oder offensichtlich unhaltbar ist oder wenn die richterliche Entscheidung Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennt (vgl. BVerfGE 82, 286, 299). Dies kann nur anhand der besonderen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden.
7. Beruht das konkrete Ablehnungsgesuch ausschließlich und ohne weiteres erkennbar auf tatsächlichen Umständen, welche aktenkundig oder gerichtsbekannt sind, so bedarf es keiner Glaubhaftmachung.
8. Die Rechtskraft der Verwerfung des Ablehnungsgesuchs bewirkt eine Heilung des Verstoßes gegen das Wartegebot des § 29 Abs. 1 StPO.
1. Nach deutschem Verfassungsrecht gehört es zu den elementaren Anforderungen des Rechtsstaats, dass niemand zum bloßen Gegenstand eines ihn betreffenden staatlichen Verfahrens gemacht werden darf. Daraus ergibt sich insbesondere für das Strafverfahren das zwingende Gebot, dass der Beschuldigte im Rahmen der von der Verfahrensordnung aufgestellten, angemessenen Regeln die Möglichkeit haben und auch tatsächlich ausüben können muss, auf das Verfahren einzuwirken, sich persönlich zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu äußern, entlastende Umstände vorzutragen und deren umfassende und erschöpfende Nachprüfung und gegebenenfalls auch Berücksichtigung zu erreichen (vgl. BVerfGE 41, 246, 249; 63, 332, 337 f.).
2. Der wesentliche Kern dieser Gewährleistungen gehört von Verfassungs wegen zum unverzichtbaren Bestand der deutschen öffentlichen Ordnung, wie auch zum völkerrechtlichen Mindeststandard, der über Art. 25 GG einen Bestandteil des in der Bundesrepublik Deutschland innerstaatlich geltenden Rechts bildet (vgl. BVerfGE 63, 332, 338).
3. Eine Auslieferung zur Vollstreckung eines ausländischen, in Abwesenheit des Verfolgten ergangenen Strafurteils ist von Verfassungs wegen unzulässig, sofern der Verfolgte weder über die Tatsache der Durchführung und des Abschlusses des betreffenden Verfahrens in irgendeiner Weise unterrichtet war, noch ihm eine tatsächlich wirksame Möglichkeit eröffnet ist, sich nach Erlangung dieser Kenntnis nachträglich rechtliches Gehör zu verschaffen und sich wirksam zu verteidigen (vgl. BVerfGE 63, 332, 338).
Die Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, wonach Zufallserkenntnisse über eine Nichtkatalogtat aus einer rechtmäßig durchgeführten Maßnahme gemäß § 100a StPO zwar nicht als Beweismittel verwertet werden können, aber Grundlage weiterer Ermittlungen in einem anderen gegen den Beschuldigten geführten Verfahren wegen dieser Nichtkatalogtat sein dürfen, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes fordert die angemessene Beschleunigung des Strafverfahrens. Eine von den Strafverfolgungsorganen zu verantwortende erhebliche Verzögerung verletzt den Beschuldigten in seinem Recht auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren (vgl. BVerfGE 63, 45, 69).
2. Die Feststellung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung zwingt die Strafverfolgungsbehörden dazu, sie bei der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs zu berücksichtigen. Diese haben im Falle eines mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht in Einklang stehenden überlangen Verfahrens zu prüfen, ob und mit welchen Mitteln der Staat gegen den Betroffenen (noch) strafrechtlich vorgehen darf. Belastende Folgen staatlich
verschuldeter Verzögerung sind von den Strafverfolgungsbehörden von Verfassungs wegen ebenso zu berücksichtigen wie die Umstände, die den Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot begründet haben (vgl. BVerfGK 2, 239, 247 m.w.N.).
3. Ein Verfassungsverstoß liegt nicht vor, wenn ein Fachgericht welches nur noch eine Gesamtstrafe festzusetzen hatte, unter Würdigung der sonstigen zu Gunsten des Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte zunächst eine fiktive Strafe für den Fall nicht gegebener Verfahrensverzögerungen bildet, welche es sodann wegen der festgestellten Verstöße gegen das Beschleunigungsgebot beträchtlich herabsetzt.