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HRR-Strafrecht
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Juni 2003
4. Jahrgang
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1. Gemäß Art. 5 Abs. 1 EMRK muss eine Inhaftierung das nationale Recht wahren und dieses selbst muss darüber hinaus dem Zweck des Art. 5 EMRK entsprechen, namentlich den einzelnen vor Missbrauch schützen.
2. Die in Art. 5 Abs. 1 EMRK aufgezählten Gründe für eine Freiheitsentziehung sind abschließend und mit Blick auf das Ziel des Art. 5 EMRK, gegen willkürliche Freiheitsentziehungen zu schützen, eng auszulegen.
3. Eine Freiheitsentziehung nach Art. 5 Abs. 1 lit. b EMRK umfasst nur die Sicherung der Erfüllung einer bestehenden rechtlichen Verpflichtung. Hierzu muss zumindest eine offene rechtliche Verpflichtung der betroffenen Person bestehen und die Freiheitsentziehung selbst darf nicht der Bestrafung sondern allein der Erfüllung der rechtlichen Verpflichtung dienen. Sobald die zu erfüllende Verpflichtung erfüllt wurde, entfällt die Grundlage für eine nach Art. 5 Abs. 1 lit. b EMRK rechtmäßige Freiheitsentziehung.
4. Zwischen der Bedeutung der sofortigen Erfüllung der Verpflichtung und der Bedeutung des Rechts auf Freiheit der Person muss ein Ausgleich hergestellt werden. Die Dauer der Freiheitsentziehung ist dabei ein relevanter Faktor in dieser Abwägung.
5. Jeder Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens und des Familienlebens stellt eine Verletzung des Art. 8 EMRK dar, es sei denn er basiert auf einem Gesetz im Sinne der EMRK, verfolgt ein gemäß Art. 8 II EMRK legitimes Ziel und ist in einer demokratischen Gesellschaft notwendig. Die Notwendigkeit im Sinne des Art. 8 EMRK impliziert, dass der Eingriff einem dringenden Bedürfnis der Gesellschaft dient und in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Ziel steht. Bei der Prüfung dessen bezieht der EGMR das Umsetzungsermessen der Vertragsstaaten und die Umstände des gesamten Falles mit ein.
6. Normale Einschränkungen und Beschränkungen bei einer Inhaftierung, die der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Sicherheit während einer rechtmäßigen Inhaftierung dienen, stellen grundsätzlich keine Eingriffe in das Privatleben und das Familienleben dar oder sind gerechtfertigt.
7. Zu einer Verletzung des Rechts auf Achtung des Familienlebens durch eine unverhältnismäßige Restriktion des Kontakts mit Familienangehörigen.