HRR-Strafrecht

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Mai 2001
2. Jahrgang
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Hervorzuhebende Entscheidungen des BGH

I. Materielles Strafrecht

1. Schwerpunkt Allgemeiner Teil des StGB


Entscheidung

BGH 4 StR 453/00 - Urteil v. 8. März 2001 (LG Stendal)

Beihilfe; Hilfeleisten; Neutrale Handlungen; Totschlag; Kausalität; Beihilfe zur Beihilfe; Straflose Mitwirkung; Solidarisierung; Förderung

§§ 27, 212, 224 StGB (a.F.)

1. Die Mitwirkung bei der Erstellung der Befehle zur Grenzsicherung der früheren DDR ist für sich allein noch keine strafbare Beihilfe zu der an der Grenze erfolgten Tötung und Verletzung von Personen durch die dort verlegten Minen. (BGHR)

2. Gehilfe ist, wer vorsätzlich dem Täter zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe leistet (§ 27 Abs. 1 StGB). Hierbei leistet auch derjenige dem Täter Hilfe, der seinerseits die Tatförderung eines (weiteren) Gehilfen unterstützt (sog. "Beihilfe zur Beihilfe"). (Bearbeiter)

3. Als Hilfeleistung im Sinne des § 27 StGB ist grundsätzlich jede Handlung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolges durch den Täter in irgendeiner Weise objektiv gefördert hat, ohne daß sie für den Erfolg ursächlich gewesen sein muß (st. Rspr.). Die Hilfeleistung muß auch nicht zur Ausführung der Tat selbst geleistet werden, es genügt schon die Unterstützung bei einer vorbereitenden Handlung. (Bearbeiter)

4. Es ist anerkannt, daß nicht jede Handlung, die sich im Ergebnis objektiv tatfördernd. auswirkt, als (strafbare) Beihilfe gewertet werden kann. Vielmehr bedarf es insbesondere in Fällen, die sog. "neutrale" Handlungen betreffen, einer bewertenden Betrachtung im Einzelfall. (Bearbeiter)

5. Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen und weiß dies der Hilfeleistende, so ist sein Tatbeitrag in jedem Fall als strafbare Beihilfehandlung zu werten. Unter diesen Voraussetzungen verliert sein Tun stets den "Alltagscharakter"; es ist als "Solidarisierung" mit dem Täter zu deuten. Anderenfalls kommt straflose Mitwirkung in Betracht. (Bearbeiter)

6. Haben die kausalen Beiträge jeweils eine eigenständige Bedeutung, bleiben sie auch ohne die strafbaren Handlungen der Haupttäter "sinnvoll", so können sie hiervon losgelöst rechtlich beurteilt werden, mit der Folge, daß sich bei der gebotenen bewertenden Betrachtungsweise das Verhalten dieser Angeklagten nur als straflose Mitwirkung darstellt. (Bearbeiter)


Entscheidung

BGH 3 StR 48/01 - Beschluß v. 14. März 2001 (LG Kleve)

Unmittelbares Ansetzen (Weiterer Willensentschluß); Versuchter Diebstahl

§ 23 StGB; § 22 StGB; § 242 StGB

1. Zu einem unmittelbaren Ansetzen ist es nicht erforderlich, daß der Täter bereits ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht. Es genügt, daß er Handlungen vornimmt, die nach seinem Tatplan der Erfüllung eines Tatbestandsmerkmals vorgelagert sind und unmittelbar in die tatbestandliche Handlung einmünden. Das Versuchsstadium erstreckt sich deshalb auf Handlungen, die in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen sollen oder die in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen. Dies ist der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum "jetzt geht es los" überschreitet und objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so daß sein Tun ohne Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbestandes übergeht (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 26, 201, 202 ff.).

2. An einem unmittelbaren Ansetzen fehlt es, wenn der Angeklagte die Tatausführung noch davon abhängig macht, daß sich eine entsprechende Gelegenheit bietet. (Erforderlicher weiterer Willensentschluß des Angeklagten nach Eintritt einer ihm für die Tatausführung geeignet erscheinenden Situation).

2. Schwerpunkt Besonderer Teil des StGB


Entscheidung

BGH 4 StR 79/01 - Beschluß v. 20. März 2001 (LG Magdeburg)

Beischlaf ähnliche, mit einem Eindringen in den Körper verbundene sexuelle Handlungen (Vergewaltigung); Vorherige Durchführung gegen Entgelt; Regelbeispiel des besonders schweren Falles der sexuellen Nötigung nur bei weiteren entwürdigende Umstände; Verwenden eines gefährlichen Werkzeuges durch Drohung; Sexuelle Selbstbestimmung der Prostituierten

§ 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB; § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB

1. Erzwingt der Täter nur solche dem Beischlaf ähnliche, mit einem Eindringen in den Körper verbundene sexuelle Handlungen (Vergewaltigung), zu deren Durchführung sich das Tatopfer zuvor gegen Entgelt freiwillig bereit erklärt hatte, ist das Regelbeispiel des besonders schweren Falles der sexuellen Nötigung nur erfüllt, wenn weitere entwürdigende Umstände die "besondere Erniedrigung" des Opfers durch die sexuellen Handlungen ergeben (im Anschluß an BGH NJW 2000, 672). (BGHR)

2. Für das Verwenden eines gefährlichen Werkzeuges genügt es, daß der Angeklagte das gefährliche Werkzeug (hier Messer) bei der Tat als Drohmittel einsetzt (BGH StV 1998, 487). Das gilt jedenfalls dann, wenn der Täter aufgrund der Nähe zum Opfer diesem jederzeit ohne weiteres mit dem gefährlichen Werkzeug Verletzungen beibringen kann. (Bearbeiter)

3. § 177 StGB schützt in erster Linie das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung; deshalb ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats die grundsätzliche Bereitschaft des Tatopfers zu sexuellen Handlungen regelmäßig ein für die Beurteilung des Schuldgehalts der nach § 177 StGB qualifizierten Tat bestimmender Umstand. Der entscheidende Grund dafür, in Fällen der vorliegenden Art das Verhalten des Täters milder zu beurteilen, liegt darin, daß das Schwergewicht des Tatunrechts nicht in der Verletzung des sexuellen Selbstbestimmungsrechts des Tatopfers liegt, sondern in den weiter verwirklichten Straftatbeständen, mit deren Hilfe der Täter zum Vollzug der sexuellen Handlung gelangen will (BGH StV 1996, 26, 27). (Bearbeiter)

4. Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung, das auch Prostituierten uneingeschränkt zusteht, bleibt davon unberührt. Davon zu trennen ist aber die im Rahmen der Strafzumessungsregel des § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB zu erörternde Frage, ob die sexuellen Handlungen das Opfer "besonders erniedrigen". Vollzieht deshalb der Täter nur diejenigen sexuellen Handlungen, zu deren Durchführung sich das Tatopfer gegen Entgelt freiwillig bereit erklärt hatte, so fehlt es regelmäßig an dem Anhalt, daß das Opfer - worauf es ankommt - gerade die sexuellen Handlungen als entwürdigend empfindet (vgl. Lackner/Kühl aaO). (Bearbeiter)

5. Daß sich der Täter dabei der Nötigungsmittel des § 177 StGB in der Absicht bedient, seine sexuellen Ziele ohne Zahlung des vereinbarten Dirnenlohns zu erreichen, führt für sich allein nicht zu einer anderen Bewertung, sofern nicht weitere entwürdigende Umstände hinzutreten. Anders verhält es sich dagegen, wenn der Täter das Tatopfer zu anderen als den vereinbarten Sexualpraktiken zwingt. (Bearbeiter)


Entscheidung

BGH 2 StR 488/00 - Urteil v. 23. März 2001 (LG Frankfurt am Main)

BGHSt; Auskunft aus polizeilicher Datensammlung (keine Einträge) als Verletzung des Dienstgeheimnisses; Hepolis; Inpol-Datennetz; Zevis; Personenbezogene Daten; Geheimnis; Beamtenrechtliche Verschwiegenheitspflicht (bei dienstpflichtwidriger Erlangung der Informationen); Vereinbarkeit mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung; Geheimhaltungsbedürfnis; Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen in § 353 b Abs. 1 StGB; (Gefahrenabwehr); Vorsatz und Fahrlässigkeit bei § 353b StGB; Auskunftsanspruch

§ 353 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB; § 75 HBG; § 1 Abs. 4 HSOG; § 15 StGB

1. Die Auskunft, daß in einer polizeilichen Datensammlung keine Einträge vorhanden sind, kann eine Verletzung des Dienstgeheimnisses sein. (BGHSt)

2. Geheimnisse sind tatsächliche Gegebenheiten an denen ein Geheimhaltungsbedürfnis besteht und deren Kenntnis wegen der beschränkten Zugriffsmöglichkeit auf das Informationssystem nicht über einen begrenzten Personenkreis hinausgeht (BGH NStZ 2000, 596, 598; BGHSt 10, 108). (Bearbeiter)

3. Das Wissen darüber, daß in dem System keine polizeilichen Erkenntnisse gespeichert sind, kann im Einzelfall beispielsweise für Personen, die Straftaten planen oder bereits begangen haben oder die für eine polizeipflichtwidrige Gefahrenlage verantwortlich sind, im Hinblick auf ihr weiteres Verhalten von erheblicher Bedeutung sein. Insbesondere der Auf- und Ausbau organisierter krimineller Strukturen wie hier im "Rotlicht-Milieu" kann durch Informationen über bislang fehlende polizeiliche Erkenntnisse wesentlich gefördert werden, weil es den Beteiligten die Möglichkeit eröffnet, das Kontroll- und Aufdeckungsrisiko zu minimieren. Schon diese abstrakte Möglichkeit begründet ein hinreichendes Geheimhaltungsbedürfnis. (Bearbeiter)

4. Weitere Anforderungen sind an ein Geheimnis im Sinne des § 353 b Abs. 1 StGB nicht zu stellen. Der erfährt Geheimnisbegriff insbesondere durch das Erfordernis der Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen in § 353 b Abs. 1 StGB keine inhaltliche Einschränkung. Bei dem Erfordernis der Interessengefährdung handelt es sich um ein selbständiges Tatbestandsmerkmal, welches die Strafbarkeit des unbefugten Offenbarens von Geheimnissen auf Fälle beschränkt, in denen ein hierdurch verursachter tatbestandlich näher umschriebener Gefährdungserfolg eintritt. (Bearbeiter)

5. Die Vorschrift des § 353 b Abs. 1 Satz 2 StGB verlangt im subjektiven Tatbestand Vorsatz hinsichtlich des Vorliegens eines Geheimnisses, während für die Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen Fahrlässigkeit ausreicht. (Bearbeiter)

6. Diese Interessenbewertung steht im Einklang mit dem als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleisteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Bei auf verfassungsgemäßer gesetzlicher Grundlage erfolgender Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten ist die für die Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben grundsätzlich erforderliche Geheimhaltung gespeicherter Informationen ohne weiteres mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung vereinbar. Die Geheimhaltung wird lediglich durch den in den Datenschutzgesetzen des Bundes und der Länder oder in bereichsspezifischen Sondervorschriften näher geregelten Auskunftsanspruch des Betroffenen beschränkt. (Bearbeiter)


Entscheidung

BGH 5 StR 68/01 - Urteil v. 4. April 2001 (LG Cottbus)

Rechtsgut bei der Rechtsbeugung (DDR-Taten); Überdehnung von Strafgesetzen; Jahresgrenze; Erlöschen des Notaramtes; Strafrahmenwahl; Strafrahmenverschiebung; "Verurteilung zur Bewährung" nach StGB-DDR; Wiedergutmachung; Täter-Opfer-Ausgleich bei Rechtsbeugung?; Vergleich (Milderes Gesetz)

§ 339 StGB; § 47 Nr. 4, § 49 BNotO i.V.m. § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BRRG; § 46a Nr. 1 StGB; § 49 Abs. 1 StGB; § 33 StGB-DDR; § 2 Abs. 3 StGB; Art. 315 Abs. 1 EGStGB

1. Geschütztes Rechtsgut des § 339 StGB ist die Rechtspflege; ein Schutz für die benachteiligten rechtsunterworfenen Bürger erfolgt nur mittelbar als "Reflexwirkung" der Norm.

2. Der fünfte Strafsenat neigt dazu, § 46a Nr. 1 StGB auf Delikte der Rechtsbeugung für unanwendbar zu halten.

3. Einzelfall einer ausnahmsweise gebotenen Strafzumessung nach dem § 33 StGB-DDR bei Rechtsbeugung zur Vermeidung unverhältnismäßiger Tatfolgen in Anbetracht der Besonderheiten des Einzelfalles (Erlöschen des Notaramtes).


Entscheidung

BGH 3 StR 532/00 - Urteil v. 28. März 2001 (LG Duisburg)

Körperverletzung mit Todesfolge (Hirnblutung nach Angriff); Hinterlistiger Überfall; Tatbestandsspezifischer Gefahrzusammenhang; Objektive Zurechnung (Eigentümliches Risiko); Vorhersehbarkeit der Todesfolge (Beeinträchtigung durch vorangegangenen Alkoholgenuß); Erschöpfende Beweiswürdigung; Überzeugungsbildung; Strafzumessung; Außertatbestandliche verschuldete Folgen (Aspekt der Vorhersehbarkeit)

§ 227 StGB; § 226 StGB a.F.; § 223 StGB; § 222 StGB; § 18 StGB; § 261 StPO; § 46 Abs. 2 StGB

1. Des Verbrechens der Körperverletzung mit Todesfolge macht sich schuldig, wer eine vorsätzliche Körperverletzungshandlung begeht, der das Risiko eines tödlichen Ausganges anhaftet, sofern sich das der Handlung eigentümliche Risiko im Eintritt des Todes des Angegriffenen verwirklicht (st. Rspr.; s. nur BGHSt 31, 96, 99) und dem Täter hinsichtlich der Verursachung des Todes zumindest Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist (§ 18 StGB).

2. Der Täter handelt schon durch die schuldhafte Verwirklichung eines der Grunddelikte der §§ 223 bis 226 StGB stets objektiv und subjektiv pflichtwidrig. Alleiniges Merkmal der Fahrlässigkeit hinsichtlich der qualifizierenden Tatfolge ist folglich die Vorhersehbarkeit des Todes des Opfers (BGHSt 24, 213, 215; BGH NStZ 1982, 27). Hierfür ist entscheidend, ob vom Täter in seiner konkreten Lage nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten der Eintritt des Todes des Opfers - im Ergebnis und nicht in den Einzelheiten des dahin führenden Kausalverlaufes - vorausgesehen werden konnte (BGHR StGB § 226 Todesfolge 6). Dabei ist eine mögliche Beeinträchtigung der kognitiven Fähigkeiten des Angeklagten aufgrund vorangegangenen Alkoholgenusses zu berücksichtigen (BGHR StGB § 226 Todesfolge 6 und 7).

3. Ist die Unrechtseinsicht des Täters trotz erheblicher Alkoholisierung jedoch uneingeschränkt erhalten geblieben, so kann dies darauf hindeuten, daß auch die Fähigkeit zur zutreffenden Wahrnehmung und Bewertung der Umstände des Tatablaufs nicht wesentlich herabgesetzt ist. Die Annahme, der Täter habe möglicherweise dennoch die schweren Folgen seines Tuns alkoholbedingt nicht voraussehen können und müssen, bedarf daher näherer Begründung (vgl. auch BGHSt 24, 213, 215).

4. Da es für den Vorwurf fahrlässiger Herbeiführung der Todesfolge gerade nicht auf die Einzelheiten des zum Tod des Opfers führenden Kausalverlaufs ankommt, ist allein entscheidend, ob für den Angeklagten voraussehbar war, daß die Körperverletzungshandlung in irgendeiner nicht außerhalb jeder Lebenserfahrung liegenden Weise den Tod des Angegriffenen herbeiführen könnte. Die diesbezügliche Prüfung der Vorhersehbarkeit darf nicht auf den konkreten Geschehensablauf verengt werden, wie er tatsächlich zum Tod des Geschädigten führte.

5. Gemäß § 46 Abs. 2 StGB dürfen dem Angeklagten nur verschuldete Auswirkungen seiner Tat straferschwerend angelastet werden. Außertatbestandliche Folgen der Tat können daher nur dann strafschärfend bewertet werden, wenn er sie zumindest voraussehen konnte und sie ihm vorzuwerfen sind (vgl. nur BGHSt 37, 179, 180).

6. Eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung aufgrund der Tatbestandsalternative eines hinterlistigen Überfalls (§ 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB) kommt nicht schon dann in Betracht, wenn der Täter für den Angriff auf das Opfer das Moment der Überraschung ausnutzt. Hinterlist setzt vielmehr voraus, daß der Täter planmäßig in einer auf Verdeckung seiner wahren Absicht berechneten Weise vorgeht, um dadurch dem Gegner die Abwehr des nicht erwarteten Angriffs zu erschweren und eine Vorbereitung auf die Verteidigung auszuschließen (BGHR StGB § 223 a Abs. 1 Hinterlist 1 m.w.Nachw.).


Entscheidung

BGH 4 StR 558/00 - Beschluß v. 6. März 2001 (LG Bochum)

Vergewaltigung; Sexuelle Nötigung; Regelbeispiel; Strafrahmenprüfung; Strafzumessung (Verteidigungsverhalten und Ehre des Belastungszeugen; Nachtatverhalten); Beleidigung; Falsche Verdächtigung

§ 177 Abs. 2 StGB; § 193 StGB; § 164 StGB

1. Ein Angeklagter darf im Rahmen seiner Verteidigung einen Belastungszeugen als unglaubwürdig hinstellen, ohne für den Fall des Mißerfolgs schon deshalb eine schärfere Bestrafung befürchten zu müssen. Inwieweit dabei Angriffe auf die Ehre eines Zeugen erlaubt sind, beurteilt sich nach § 193 StGB (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 1, 14). Der Vorwurf der uneidlichen falschen Aussage ist, da er inhaltlich zugleich das Leugnen belastender Tatsachen bedeutet, durch den Verteidigungszweck gerechtfertigt (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 14).

2. Bestreitet der Angeklagte die ihm vorgeworfenen Taten bestritten, kann von ihm in der Hauptverhandlung ein anderes Verhalten, etwa das Zeigen von Mitgefühl gegenüber der ihn - nach seiner Darstellung fälschlicherweise belastenden - Zeugin, nicht erwartet werden (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 6).

3. Bei Vorliegen eines Regelbeispiels des § 177 Abs. 2 StGB ist bei der Strafrahmenwahl zunächst zu prüfen ist, ob trotz Vorliegens des Regelbeispiels wegen anderer erheblich schuldmindernder Umstände der Strafrahmen des § 177 Abs. 2 StGB nicht anzuwenden, sondern von dem Normalstrafrahmen des Absatzes 1 auszugehen ist. Erst bei Annahme eines solchen Falles kann - in extremen Ausnahmefällen - eine weiter gehende Milderung des Normalstrafrahmens und die Bemessung der Strafe aus dem Rahmen für den minder schweren Fall (§ 177 Abs. 5 StGB) in Betracht zu ziehen sein.


Entscheidung

BGH 4 StR 31/01 - Beschluß v. 1. März 2001 (LG Offenburg)

Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr und Abgrenzung von einem gefährlichen Verhalten im Straßenverkehr; Gefährliche Körperverletzung; Freiheitsberaubung; Bedingter Vorsatz

§ 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b StGB; § 239 Abs. 1 StGB; § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB

1. Zwar kann eine Gewaltanwendung gegen eine Mitfahrerin, die das Fahrzeug verlassen möchte, als anderer, ebenso gefährlicher Eingriff im Sinne dieser Vorschrift aufzufassen sein. Voraussetzung ist jedoch, daß das Fahrzeug dabei zweckwidrig in verkehrsfeindlicher Einstellung eingesetzt, es also nicht seiner Zweckbestimmung entsprechend als Fortbewegungsmittel gebraucht, sondern zweckfremd als Mittel zur Gefährdung oder Verletzung eines Menschen mißbraucht wird (vgl. BGHR StGB § 315 b Abs. 1 Nr. 3 Eingriff 2; Eingriff, erheblicher 4).

2. Ein gefährliches Verhalten im Straßenverkehr stellt noch keinen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr dar (vgl. BGHR StGB § 315 b Abs. 1 Nr. 3 Eingriff 2, 4).


Entscheidung

BGH 1 StR 28/01 - Beschluß v. 8. März 2001 (LG Traunstein)

Betrug; Täuschungshandlung und Eheversprechen, Freundschaftsversprechen (Mitbestimmung); Kausalität zwischen Täuschung und Irrtum; Künftige Zahlungsfähigkeit; Darlehen; Täuschung über den Verwendungszweck

§ 263 Abs. 1 StGB

1. Bei der darlehensweisen und ungesicherten Hingabe von Geldbeträgen kommt eine Täuschung entweder unter dem Gesichtspunkt fehlender Leistungsfähigkeit oder nicht gegebener Leistungswilligkeit in Betracht. Hohe Erwartungen des Darlehensgebers, etwa hinsichtlich einer Freundschaft oder gar des Zustandekommens einer Heirat, begründen für sich gesehen keinen durch Täuschung hervorgerufenen Irrtum. Geht der Darlehensgeber mit der Geldhingabe in Kenntnis der in hohem Maße zweifelhaften Fähigkeit des Darlehensnehmers zur Rückzahlung bewußt ein entsprechendes Risiko ein oder nimmt er dieses in Kauf, so ist er insoweit - wenn nicht besondere Umstände hinzutreten - nicht getäuscht und irrt nicht. Anders kann es sich verhalten, wenn der Darlehensrückzahlungsanspruch deshalb minderwertig ist, weil der Darlehensnehmer den Darlehensgeber über einen für die Beurteilung seiner künftigen Leistungsfähigkeit wichtigen Umstand bewußt falsch informiert und so täuscht.

2. Jenseits der Frage der Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit des Darlehensnehmers kommt grundsätzlich eine Täuschung auch unter dem Gesichtspunkt des vom Darlehensnehmer angegebenen Verwendungszwecks in Betracht. Insoweit genügt es im Blick auf den erforderlichen Kausalzusammenhang, wenn die etwaige Täuschung über den Verwendungszweck für die Vermögensverfügung des Geschädigten wenigstens mitbestimmend war; ein solcher Beweggrund des Darlehensgebers büßt seine rechtliche Bedeutung nicht deswegen ein, weil daneben ein anderer bestand, der von dem Irrtum nicht berührt wurde und für sich allein zu demselben Entschluß des Darlehensgebers geführt hätte (BGH wistra 1999, 419, 420). Unerheblich wäre das Vorgetäuschte für die Vermögensverfügung nur dann, wenn der Geschädigte die Verfügung auch ohne den daraus folgenden Irrtum vorgenommen hätte. Die Angabe eines falschen Verwendungszwecks ist mithin dann unmaßgeblich, wenn der Zweck den Darlehensgeber nicht