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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Mai 2013
14. Jahrgang
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Von Dr. Till Zimmermann, Passau
Das Recht der Sicherungsverwahrung befindet sich an einem Neuanfang. Nachdem der Gesetzgeber die Anwendbarkeit dieses "drakonischen"[1] Sanktionsinstruments ab 1998 "ohne erkennbare Systematik"[2] beständig ausgeweitet und dadurch ein kaum noch überschaubares Labyrinth aus Zurechtstutzungsentscheidungen durch BVerfG, EGMR und BGH provoziert hatte, hat ihn das BVerfG in seiner Entscheidung vom 4. Mai 2011 ultimativ zur Neuordnung der Materie bis spätestens zum 1. Juni 2013 aufgefordert.[3] Bundes- und Landesgesetzgeber sind dieser Aufforderung nachgekommen und haben das Institut der Sicherungsverwahrung teilweise reformiert. Dieser Beitrag bietet zunächst eine kursorische Übersicht zur Geschichte der Sicherungsverwahrung in Deutschland, ohne welche die Debatten der jüngsten Vergangenheit unverständlich wären (II.). Anschließend wird die zum Stichtag geltende neue Rechtslage vorgestellt und daraufhin analysiert, ob diese den Anforderungen von GG und EMRK genügt (III). Die maßgeblichen Entscheidungen von BVerfG und EGMR werden hierbei als hinzunehmende Tatsachen behandelt; Lamentos über deren "miserable Qualität"[4] oder die Verfehltheit der ihnen zugrunde liegenden Rechtsauffassungen bleiben daher ungeachtet ihrer etwaigen Begründetheit weitgehend unberücksichtigt. Aus Platzgründen außen vor bleibt zudem die Neuregelung der Sicherungsverwahrung im JGG.[5]
Die nach über hundertjähriger Debatte[7] mit dem Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung vom 24. November 1933 (GewVerbrG)[8] eingeführte Sanktionenkategorie der Maßregeln der Sicherung und Besserung (seit 1975: der Besserung und Sicherung) sah in §§ 42a ff. i.V.m. § 20a StGB i.d.F. d. GewVerbrG die Möglichkeit einer zeitlich prinzipiell unbegrenzten (§ 42f Abs. 3 S. 1 StGB), d.h. ggf. lebenslangen Sicherungsverwahrung für "gefährliche Gewohnheitsverbrecher" vor.
Nach dem Krieg blieb die Sicherungsverwahrung zunächst unangetastet; betroffen waren von dieser Maßregel überwiegend gewaltlose Eigentums- und Vermögenstäter, nur zu einem geringen Teil hingegen Gewalt- und Sexualtäter.[9] Auch das 1. StrRG[10] (mit Wirkung zum 1. April 1970) rührte nicht an der zeitlichen Unbegrenztheit der Sicherungsverwahrung (§ 42f Abs. 1 S. 2 StGB i.d.F. d. 1. StrRG);[11] lediglich der Begriff "Gewohnheitsverbrecher" wurde durch die Bezeichnung "Hangtäter" ersetzt[12] und die Anordnungsvoraussetzungen restriktiver gefasst.
Mit dem Inkrafttreten des 2. StrRG[13] zum 1. Januar 1975 trat insofern eine bedeutende Änderung ein, als bei
erstmaliger Anordnung der Sicherungsverwahrung diese fortan durch eine Zehn-Jahres-Höchstfrist begrenzt war (§ 67d Abs. 1 S. 1 StGB i.d.F. d. 2. StrRG); eine buchstäblich lebenslange Sicherungsverwahrung war für Erstverwahrte nunmehr nicht mehr möglich. Diese partielle Entschärfung der Sicherungsverwahrung wurde durch das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (SexBG)[14] allerdings wieder rückgängig gemacht; auch die erstmalige Unterbringung in der Sicherungsverwahrung war damit grundsätzlich wieder unbefristet möglich (§ 67d Abs. 3 S. 1 StGB i.d.F. d. SexBG). Gem. § 2 Abs. 6 StGB i.V.m. Art. 1a Abs. 3 EGStGB i.d.F. d. SexBG wurde überdies eine rückwirkende Entfristung der laufenden Erstsicherungsverwahrungen angeordnet; eine gegen die rückwirkende Gesetzeskraft gerichtete Verfassungsbeschwerde blieb insbesondere deshalb erfolglos, weil das BVerfG die Sicherungsverwahrung nicht als Strafe i.S.d. Art. 103 Abs. 2 GG betrachtete.[15]
Mit dem Gesetz zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung vom 21. August 2002 (SichVEG)[16] wurde die im Urteil lediglich vorbehaltene Sicherungsverwahrung eingeführt (§ 66a StGB i.d.F. d. SichVEG).
Das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 23. Juli 2004 (SichVNachtrEG)[17] brachte zudem die Möglichkeit einer nachträglich angeordneten Sicherungsverwahrung für den Fall, dass neue Tatsachen (sog. nova) Hinweise auf die erhebliche Gefährlichkeit eines bereits Verurteilten erbringen (§ 66b StGB i.d.F. d. SichVNachtrEG);[18] entsprechende Vorstöße auf Länderebene (z.B. das Bayerische Gesetz zur Unterbringung von besonders rückfallgefährdeten hochgefährlichen Straftätern vom 24. Dezember 2001 – Bay-StrUBG[19]) waren zuvor aus kompetenzrechtlichen Gründen für verfassungswidrig erklärt worden.[20] Auch dieses (Bundes-)Gesetz wurde gem. § 2 Abs. 6 StGB i.V.m. Art. 1a EGStGB i.d.F. d. SichVNachtragEG mit rückwirkender Kraft ausgestattet, sodass bereits Verurteilte ab diesem Zeitpunkt mit einer nachträglichen Sicherungsverwahrungsanordnung rechnen mussten;[21] auch in diesem Fall blieb die rückwirkende Gesetzeskraft verfassungsgerichtlich unbeanstandet.[22]
Mit seinem Urteil vom 17. Dezember 2009 erklärte allerdings der EGMR[23] die rückwirkende Entfristung der Sicherungsverwahrung durch das SexBG insbesondere mit dem Argument für konventionswidrig, die Sicherungsverwahrung in ihrer konkreten Ausgestaltung sei aus Sicht der Betroffenen dermaßen "strafähnlich", dass Art. 7 Abs. 1 EMRK zur Anwendung komme und mithin das Rückwirkungsverbot verletzt sei; zudem erfülle eine rückwirkende Verlängerung nicht die eine Freiheitsentziehung legitimierenden Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. a oder c EMRK. Dasselbe habe, so der EGMR wenig später, auch für die rückwirkende nachträgliche Sicherungsverwahrung zu gelten.[24]
Der Gesetzgeber reagierte hierauf mit Korrekturmaßnahmen: Mit dem Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (SichVNOG)[25] wurde u.a.[26] die nachträgliche Sicherungsverwahrung für zukünftige Fälle weitgehend abgeschafft (für vor dem Jahr 2011 begangene Anlasstaten galt altes Recht, insbes. § 66b Abs. 1, 2 StGB a.F., hingegen fort, Art. 316e Abs. 1 EGStGB i.d.F. d. SichVNOG). Für die infolge der Straßburger Urteile aus der Sicherungsverwahrung bereits oder noch zu entlassenen Verwahrten (sog. Parallelfälle) wurde eigens das Therapieunterbringungsgesetz (ThUG) geschaffen,[27] wonach wenigstens diejenigen von der Rückwirkung Betroffenen weiterhin aus Sicherheitsgründen ihrer Freiheit entzogen werden konnten, bei welchen eine "psychische Störung" eine hohe Wahrscheinlichkeit schwerer Straftaten erwarten ließ (§ 1 ThUG). Mithilfe dieser Konstruktion beabsichtige der Gesetzgeber einerseits die Normierung eines Festnahmegrundes gem. Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. e EMRK ("Freiheitsentziehung bei psychisch Kranken"), andererseits durch die therapeutische Ausgestaltung der Unterbringung die zur Anwendbarkeit von Art. 7 Abs. 1 EMRK führende Strafähnlichkeit zu beseitigen.
Noch während sich der BGH auf der Basis einer ad hoc geschaffenen Divergenz-Vorlagepflicht (§ 121 Abs. 2 Nr. 3 GVG[28]) um eine Vereinheitlichung der unklaren
Rechtslage[29] in den Parallelfällen bemühte,[30] erklärte das BVerfG am 4. Mai 2011 weite Teile des Sicherungsverwahrungsrechts (insbes. die §§ 66, 66a, 66b a. und n.F. sowie 67d Abs. 3 S. 1 StGB) für mit dem GG unvereinbar und lediglich unter sehr restriktiven Voraussetzungen und längstens bis Ende Mai 2013 weiterhin anwendbar.[31] Kern der Vorgaben für ein verfassungskonformes Sicherungsverwahrungsrecht war dabei die Einhaltung des sog. Abstandsgebots. Hinsichtlich der rückwirkenden Entfristung sowie der nachträglich-rückwirkend angeordneten Sicherungsverwahrung konstatierte das Gericht zudem – anders noch als 2004 – einen besonders gesteigerten Vertrauensschutz der Betroffenen.[32]
Die Maßregel der Sicherungsverwahrung ist als solche weder verfassungs-[33] noch konventionswidrig.[34] Auch ergibt sich weder aus dem GG noch aus der EMRK eine zeitliche Höchstfrist;[35] insbesondere verstößt auch die ggf. lebenslange Erstsicherungsverwahrung nicht gegen die Menschenwürde.[36] Zudem sind die ganz groben formellen Anordnungsvoraussetzungen des gegenwärtigen Rechts, d.h. das Vorliegen zumindest einer Verurteilung wegen einer im Zustand der Schuldfähigkeit begangenen schweren Anlasstat (ohne gewaltlose Eigentums- oder Vermögensdelikte) zu einer zeitigen Freiheitsstrafe[37], insoweit nicht zu beanstanden.[38]
Entscheidende Voraussetzung für das Gelingen einer verfassungskonformen Neuregelung des Sicherungsverwahrungsrechts ist die Einhaltung des vom BVerfG – in Abkehr zu seiner frühen Rspr.[39] – postulierten Abstandsgebots.[40] Was verbirgt sich hinter dieser aus Art. 2 Abs. 2 S. 2 i.V.m. Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG hergeleiteten "Zauberformel"[41]? Das BVerfG verwendet den Begriff erstmals – vage[42] und eher beiläufig – in einer Entscheidung aus dem Jahr 2004. "Abstand" zwischen normalem Strafvollzug und dem "privilegierten" Vollzug der Sicherungsverwahrung bedeute z.B., Langzeitverwahrten "zusätzliche Vergünstigungen" und "einen Rest an Lebensqualität" zu gewährleisten.[43] Eine Verletzung dieses Gebots stellte das Gericht indes (noch) nicht fest.
Im wahrsten Wortsinne entscheidende Bedeutung gewinnt das Abstandsgebot dann im Urteil vom 4. Mai 2011: Nur wenn das gesamte System der Sicherungsverwahrung "in deutlichem Abstand zum Strafvollzug" so ausgestaltet ist, dass, entsprechend dem Resozialisierungsgebot, "die Perspektive der Wiedererlangung der Freiheit sichtbar die Praxis der Unterbringung bestimmt" und zudem erhebliche therapeutische Anstrengungen zur Gefährlichkeitsminderung des Verwahrten unternommen werden, sei der Verwahrvollzug verfassungskonform.[44] Eine entsprechende Ausgestaltung sei jedoch gegenwärtig nicht feststellbar, mithin das gegenwärtige System verfassungswidrig[45] und insoweit dringender Änderungsbedarf gegeben. Zur Verdeutlichung des erforderlichen "freiheitsorientierten und therapiegerichteten Gesamtkonzepts"[46] postuliert das BVerfG sieben Gebote bzw. Prinzipien:[47]
Die praktische Umsetzung des Abstandsgebots und seiner Sub-Gebote ist trotz dieser detaillierten Vorgaben nicht einfach. Nicht zu Unrecht haben verschiedene Autoren darauf hingewiesen, dass es sich bei der verfassungsgerichtlich eingeforderten Therapie- und Freiheitsorientierung des Maßregelvollzugs weitgehend um eine bloße Reformulierung der auch für den modernen Strafvollzug geltenden Prinzipien handelt[55] (eine Ausnahme bilden freilich das Ultima-ratio- und das räumliche Trennungsgebot). Vor diesem Hintergrund ist wiederholt die Befürchtung geäußert worden, die Herstellung des geforderten Abstands könne auch durch eine Herabsenkung der Strafvollzugsstandards erzielt werden;[56] mithin ginge das Abstandsgebot letztlich zu Lasten der Strafhäftlinge, ohne aber die Situation für den Maßregelvollzug zu verbessern. Eine weitere Konsequenz eines solcherart wörtlich genommenen Abstandsgebots läge in der Unmöglichkeit einer maximalen Optimierung von Straf- und Maßregelvollzug. "Zugespitzt formuliert: eine Verletzung des ‚Abstandsgebots‘ wäre auch dann gegeben, wenn sowohl Freiheitsstrafe als auch Sicherungsverwahrung in mustergültiger, aber gleicher Weise ‚freiheits- und therapieorientiert‘ ausgestaltet wären."[57]
Das BVerfG hat diesen dem Abstandsgebot inhärenten Konflikt im Ansatz auch erkannt – ist darüber jedoch mit einer lapidar-substanzlosen Bemerkung hinweggegangen.[58] Dennoch kann weder davon ausgegangen werden, dass das Gericht sich mit einer Abstandsherstellung "nach unten" zufrieden geben würde, noch, dass Resozialisierungsbemühungen im Strafvollzug künftig bewusst suboptimal gehalten sein müssen. Aufschluss über das vom BVerfG tatsächlich Gemeinte gibt die vom Gericht bemühte Herleitung des Abstandsgebots. Dieses beruhe, so das BVerfG, auf den "kategorial unterschiedlichen Legitimationsgrundlagen und Zwecksetzungen des Vollzugs der Freiheitsstrafe und des Vollzugs der Sicherungsverwahrung".[59] Während nämlich der repressive Strafvollzug eine Reaktion auf die vorwerfbare Begehung einer Straftat darstellt, beruhe das Präventionsinstrument der Sicherungsverwahrung allein auf dem Prinzip des überwiegenden Interesses. Werde aber ein als weiterhin hochgefährlich eingeschätzter Verurteilter nach Verbüßung seiner Strafe allein aufgrund eines überwiegenden Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit in seinen Freiheitsinteressen beschränkt, verlange der Staat dem solcherart Verwahrten ein "Sonderopfer" ab.[60] Diesem Umstand müsse im Gegenzug mit einem privilegierten Vollzug Rechnung getragen werden.
Diese verfassungsgerichtlichen Erwägungen sind durchaus plausibel: Während der zu Freiheitsstrafe verurteilte Straftäter, gleichsam einem rechtswidrig Angreifenden, die Reaktion der Rechtsordnung sich selbst zuzuschreiben hat, wird der Sicherungsverwahrte zur Gefahrenabwehr herangezogen, ohne dass ihm sein mutmaßliches So-(gefährlich-)sein vorgeworfen werden könnte. D.h. während die Strafhaft eher einer lediglich vom Erforderlichen und von der Menschenwürde begrenzten Notwehr ("zur Verteidigung der Rechtsordnung", § 47 Abs. 2 StGB) entspricht, wird der Sicherungsverwahrte im Mo-
dus des Defensivnotstands in Anspruch genommen.[61] Eine Inanspruchnahme des Gefahrurhebers nach den Grundsätzen des Defensivnotstands darf im Vergleich zur Notwehr aber nur im viel engeren Rahmen einer Interessenabwägung und begrenzt durch Solidaritätspflichten erfolgen.[62]
Dies berücksichtigend, gewinnt das Abstandsgebot an dogmatischer Kontur: Das dem Sicherungsverwahrten abverlangte Opfer ist immens; die von ihm erlittene Interessenbeeinträchtigung ist gegenüber den dadurch abgewehrten Gefahren u.U. gar die höherwertige (man vergleiche nur die Strafdrohung in § 239 Abs. 3 Nr. 1 StGB mit denjenigen der von § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB ins Auge gefassten Delikte). Hinzu tritt das hinlänglich bekannte Prognoseproblem. Nach unterschiedlichen Schätzungen ist davon auszugehen, dass es sich jedenfalls bei mehr als der Hälfte der Sicherungsverwahrten um "Prognoseopfer" in dem Sinne handelt, dass die prognostizierte Rückfall-wahrscheinlichkeit in Wahrheit gar nicht besteht.[63] Mithin fällt der für die Interessenabwägung bedeutsame Faktor des Gefahrengrades (vgl. § 34 Satz 1 StGB) regelmäßig zugunsten des Sicherungsverwahrten aus.
Aus alledem folgt, dass das Instrument der (unbefristeten) Sicherungsverwahrung überhaupt nur dann zur Anwendung kommen darf, wenn die Beeinträchtigungen der Freiheit des Gefahrurhebers zumindest in qualitativer Hinsicht so gering, d.h. so erträglich, wie irgend möglich gestaltet sind. Das Abstandsgebot ist demnach vor allem als eine Art Mindestkomfort- und -fürsorgegebot zu interpretieren.[64] M.a.W., was Strafgefangenen durchaus noch zugemutet werden kann (bspw. eine Haftraumgröße von 7 m²[65]), ist gegenüber einem Sicherungsverwahrten womöglich bereits illegitim.[66] Mithin geht es nicht um einen unter allen Umständen einzuhaltenden Abstand zwischen den Vollzugsformen, sondern um die Gewährleistung eines unterschiedlichen Mindestniveaus an Lebensqualität und Resozialisierungsbemühungen.[67] Eine Verletzung dieses Gebotes liegt aber auch dann nicht vor, wenn in einer Welt unbeschränkter Ressourcen beide Vollzugsformen maximal optimiert und infolgedessen äußerlich ununterscheidbar ausgestaltet sind. Demgegenüber kann eine Herstellung des geforderten Mindestniveaus des Verwahrvollzugs durch eine bloße Absenkung der Strafvollzugsstandards nicht hergestellt werden.[68]
Das BVerfG hat eine Umsetzung des Abstandsgebots auf mehreren Ebenen gefordert. Während der Bundesgesetzgeber die "wesentlichen Leitlinien" vorzugeben habe, seien die Länder zur Schaffung entsprechender Vollzugsregeln aufgerufen.[69]
Der Bundesgesetzgeber hat auf den verfassungsgerichtlichen Auftrag mit dem Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung vom 5. Dezember 2012 reagiert.[70] Zentralnorm für die Grundsätze des Sicherungsverwahrungsvollzugs ist nunmehr der mit "Ausgestaltung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung und des vorhergehenden Strafvollzugs" überschriebene § 66c StGB. Die Norm beschränkt sich im Wesentlichen auf die Wiedergabe der Vorgaben des BVerfG. § 66c Abs. 1 Nr. 1 StGB enthält die Grundsätze des Motivierungs- sowie des Individualisierungs- und Intensivierungsgebots, Nr. 2 regelt in enger Anlehnung an § 2 ThUG die Kernvorgaben des Trennungsgebots[71] und Nr. 3 soll die Einhaltung
des Minimierungsgebots gewährleisten. Absatz 2 normiert die verfassungsrechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Gefährlichkeitsminimierung des Täters bereits während des vorhergehenden Strafvollzugs und dient damit der Umsetzung des Ultima-ratio-Prinzips. Eine zusätzliche Absicherung erfahren die Vorgaben des § 66c Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 StGB durch die neugeschaffenen Aussetzungsgründe in § 67c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und § 67d Abs. 2 S. 2 StGB. Danach ist die Vollstreckung der Unterbringung aus Verhältnismäßigkeitsgründen zwingend zur Bewährung auszusetzen, wenn dem Täter bzw. dem Untergebrachten eine abstandsgebotsmäßige Betreuung auch nach einer gerichtlichen Abhilfe-Fristsetzung nicht zuteil geworden ist.[72] Bezüglich der Entscheidung gem. § 67c Abs. 1 StGB ist das Gericht gem. § 119a Abs. 7 StVollzG n.F. überdies an die vorhergehenden regelmäßigen Kontrollentscheidungen der Strafvollstreckungskammer gebunden. Zwecks Umsetzung des Rechtsschutz- und Unterstützungsgebots sind zudem hinsichtlich der v.g. gerichtlichen Entscheidungen in § 109 Abs. 3 StVollzG n.F. sowie in § 463 Abs. 3 S. 5, Abs. 8 StPO n.F. Pflichten zur Beiordnung eines Rechtsbeistands normiert worden. Der Umsetzung des Kontrollgebots dient die Änderung in § 67e Abs. 2 StGB, wonach die Prüfung des weiteren Vorliegens der Vollstreckungsvoraussetzungen nicht mehr zweijährlich, sondern jährlich bzw. nach dem Vollzug von zehn Jahren der Unterbringung spätestens alle neun Monate zu erfolgen hat.[73]
In verfassungsrechtlicher Hinsicht dürfte der Bundesgesetzgeber damit die Vorgaben des BVerfG in ausreichendem Maße umgesetzt haben.[74] Konventionsrechtliche Bedenken sind ebenfalls nicht angebracht; man wird sogar annehmen können, dass bei Einhaltung v.g. Leitlinien der EGMR die Sicherungsverwahrung künftig nicht mehr als Strafe i.S.d. Art. 7 EMRK qualifizieren wird.[75]
Die nähere Ausgestaltung der in § 66c StGB geregelten Vorgaben – und mithin das Schwergewicht der Anstrengungen zur Etablierung eines verfassungsmäßigen Zustands – obliegt kraft der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung den Landesgesetzgebern. Beispielhaft sei an dieser Stelle das Bemühen des Landes Bayern analysiert.
Der Landesgesetzgeber hat, in Abkehr von der bisherigen Lösung (scil. Sondervorschriften im BayStVollzG), eine vollständige Neuregelung des Verwahrvollzugs in einem eigenen Gesetz (Gesetz über den Vollzug der Sicherungsverwahrung – BaySvVollzG) beschlossen.[76] Art. 1 Abs. 2 dieses Gesetzes bestimmt, dass die Sicherungsverwahrung in Bayern in einer besonderen Abteilung einer JVA vollzogen wird.[77] Der Vollzug erfolgt jedoch grundsätzlich getrennt vom Vollzug anderer Freiheitsentziehungen (Art. 85 Abs. 1 BaySvVollzG)[78] und bewegt sich damit im Rahmen der verfassungsgerichtlichen Vorgaben.[79] Die in Art. 2 und 3 genannte Zielrichtung und Gestaltung des Vollzugs wiederholt insbesondere die verfassungsgerichtlichen und bundesrechtlichen Leitlinien; zusätzlich bestimmt Art. 2 Abs. 2 BaySvVollzG das Resozialisierungsgebot zum Vollzugsziel. Interessanterweise ist das in Art. 3 Abs. 3 S. 1 BaySvVollzG genannte Angleichungsgebot nicht wie in Art. 5 BayStVollzG als Soll-, sondern als Ist-Vorschrift ausgestaltet. Art. 4 BaySvVollzG konkretisiert das Motivierungsgebot unter Erwähnung eines Vergünstigungssystems,[80] Art. 9 BaySvVollzG setzt die verfassungsgerichtlichen Vorgaben[81] für die Gestaltung individueller Vollzugspläne um. Das geforderte Angebot an (sozialtherapeutischen) Behandlungen ist in den Art. 10 f. BaySvVollzG geregelt.[82]
Wesentliche Abweichungen gegenüber dem Strafvollzug betreffen die Form der Unterbringung (Trennungsgebot). Die Sicherungsverwahrung erfolgt zwar im geschlossenen Vollzug (Art. 13 BaySvVollzG), jedoch besteht außerhalb der Nachtruhe prinzipiell Bewegungsfreiheit innerhalb der Einrichtung sowie auf einem Außenbereich im Freien (Art. 15 Abs. 1 BaySvVollzG). Die Sicherungsverwahrten leben dabei in geschlechtergetrennten (Art. 85 Abs. 3 BaySvVollzG) Wohngruppen mit wohnlich eingerichteten Gruppen- und Besuchsräumen (Art. 84 Abs. 1, 3 BaySvVollzG). Jeder Verwahrte erhält zudem ein Zimmer zum Wohnen und Schlafen zur alleinigen Nutzung, dessen Größe einschließlich des baulich abgetrennten Sanitärbereichs mindestens 15 m² betragen muss (Art. 16 BaySvVollzG). Ob besagte Zimmergröße dem Abstandsgebot ausreichend Rechnung trägt, war in
der oberlandesgerichtlichen Rspr. kontrovers beurteilt worden.[83] Angesichts einer durchschnittlichen Zimmergröße von 13 m² in bayerischen Studentenwohnheimen[84] erscheint die Regelung des Art. 16 Abs. 1 S. 4 BaySvVollzG aber durchaus noch im Bereich des verfassungsrechtlich Zulässigen angesiedelt. Weitere Privilegierungen der Sicherungsverwahrten betreffen die Möglichkeit der Selbstverpflegung (Art. 19 Abs. 2 BaySvVollzG), die Nutzung von eigener Kleidung, Wäsche und Bettzeug (Art. 18 BaySvVollzG)[85] sowie der Gestattung eines anstaltsinternen Tauschhandels mit geringwertigen Sachen (Art. 17 Abs. 3 BaySvVollzG).
Des Weiteren sind den Untergebrachten erweiterte Rechte zu Außenkontakten zu gewähren. Neben der Gestattung vermittelter Telefongespräche (Art. 25 Abs. 1 BaySvVollzG) sowie der Nutzung anderer Formen der Telekommunikation (Art. 30 BaySvVollzG, bspw. E-Mail-Verkehr und Bildtelefonie) haben die Sicherungsverwahrten gem. Art. 22 Abs. 1 BaySvVollzG das Recht, mindestens zwölf Stunden im Monat Besuch zu empfangen.[86] Abs. 2 des Artikels sieht darüber hinaus bei geeigneten Sicherungsverwahrten mehrstündige, behandlerisch begleitete Besuche zur Förderung familiärer, partnerschaftlicher oder ähnlicher Kontakte vor. Ob damit, wie der Gesetzgeber meint, Intimbesuche per se ausgeschlossen sind,[87] mag bereits angesichts des offenen Normwortlauts bezweifelt werden. In jedem Fall aber wäre ein kategorisches Intimbesuchsverbot als mit Erforderlichkeitserwägungen kaum begründbare Schikane mit dem Gebot eines minimalinvasiven Freiheitsentzugs unvereinbar;[88] der ggf. lebenslange Entzug von Sexualkontakten ist insoweit unzumutbar und unterschreitet das Erfordernis eines bestimmten Mindestlebensqualitätsniveaus in der Sicherungsverwahrung. Immerhin sind im System "vollzugsöffnender Maßnahmen" (Art. 54 BaySvVollzG) – der Begriff ist § 66c Abs. 1 Nr. 3 lit. a StGB entlehnt – auch Langzeitausgänge von bis zu zwei Wochen vorgesehen. Können entsprechende Maßnahmen aus Sicherheits- oder anderen zwingenden Gründen nicht gewährt werden, hat der Sicherungsverwahrte Anspruch auf eine mindestens viermal im Jahr erfolgende Ausführung. Weitere Unterschiede zum Strafvollzug bestehen schließlich in der signifikant erhöhten Vergütung für beschäftigte Verwahrte (gem. Art. 39 Abs. 3 S. 1 BaySvVollzG i.V.m. § 18 SGV IV derzeit 2,52 € Stundenlohn statt 1,42 € im Strafvollzug) sowie in der Ergänzung des Disziplinarmaßnahmenkatalogs um Mechanismen gütlicher Streitbeilegung (Art. 78 Abs. 5 BaySvVollzG).
Insgesamt lässt sich sagen, dass das BaySvVollzG, von den im Text angesprochenen Problempunkten abgesehen, den verfassungs- und sonstigen bundesrechtlichen Vorgaben zum Abstandsgebot Genüge tut. Es steht zu erwarten, dass der Sicherungsverwahrvollzug in Bayern aus Sicht der Betroffenen künftig spürbare Erleichterungen gegenüber dem Strafvollzug bereithält.
a) Die anfängliche (auch: primäre[89] oder originäre[90]) Sicherungsverwahrung gem. § 66 StGB bleibt hinsichtlich der formellen und materiellen Voraussetzungen unverändert. Erforderlich sind im Wesentlichen mindestens zwei schwere Vortaten, eine bzw. mehrere Vorverurteilungen sowie eine negative Prognose dahingehend, der Täter werde auch in Zukunft infolge seines Hangs zu erheblichen Straftaten eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen. Auf eine nähere Aufzählung der Voraussetzungen im Einzelnen wird hier verzichtet.[91]
b) Unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ist die Beibehaltung des "alten" § 66 StGB nicht zu beanstanden. Denn das Verdikt der Verfassungswidrigkeit beruhte allein auf der Verletzung des Abstandsgebots beim Vollzug.[92] Ferner war es, entgegen Hörnle,[93] auch nicht erforderlich, die Vorschriften zur Anordnung der Sicherungsverwahrung – hier: § 66 StGB – in unveränderter Form erneut zu verabschieden.[94] Das BVerfG hat die fragliche Norm nämlich gerade nicht für nichtig (also rechtlich inexistent), sondern lediglich für mit der Verfassung unvereinbar erklärt.[95] Demgemäß handelt es sich "nur" um eine Normbeanstandung, welche eine Anwendungssperre bewirkt.[96] Repariert der Gesetzgeber das Anwendungshindernis – hier: mittels Wahrung des Abstandsgebots durch § 66c StGB i.V.m. den Landesgesetzen über den Vollzug der Sicherungsverwahrung –, steht der Wiederanwendbarkeit der alten Norm nichts im Weg.[97] Gleichwohl hat sich der Gesetzgeber immerhin dazu veranlasst gesehen, "zur Klarstellung" in Art. 316f Abs. 1
EGStGB eine "Anwendbarkeitserklärung im Sinne einer ‚Normbestätigung‘" zu implementieren.[98]
c) Gleichfalls keine Zweifel bestehen an der Konventionskonformität der anfänglichen Sicherungsverwahrung.[99] Eine bereits im Urteil zusätzlich zur Kriminalstrafe angeordnete und im Anschluss an deren Verbüßung vollstreckte Sicherungsverwahrung als präventive Form der Unterbringung stellt eine kausal auf die Verurteilung zurückzuführende und deshalb von Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. a EMRK gedeckte Freiheitsentziehung dar.[100] Eine Rechtfertigung gem. Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. c EMRK ist dagegen in Bezug auf alle im StGB vorgesehenen Formen der Sicherungsverwahrung ausgeschlossen, da es insoweit ganz regelmäßig am Erfordernis einer hinreichend konkreten und spezifischen drohenden Straftat mangelt.[101]
a) Der unverändert fortbestehende § 66a StGB[102] ermöglicht dem erkennenden Gericht, im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorzubehalten, wenn zwar nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar, aber aufgrund der Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten doch wahrscheinlich ist, dass der Täter infolge seines Hangs zu erheblichen Straftaten zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.[103] Über die endgültige Anordnung der Sicherungsverwahrung entscheidet das Gericht des ersten Rechtszugs gem. § 275a StPO in einer neuen Hauptverhandlung spätestens sechs Monate vor der vollständigen Vollstreckung der Freiheitsstrafe ("zeitlich aufgespaltene Hauptverhandlung"[104]).
b) Sub specie Verfassungsrecht bestehen keine Bedenken hinsichtlich der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung. Auch in Bezug auf § 66a StGB bezog sich die Unvereinbarerklärung durch das BVerfG allein auf die – nunmehr behobene – Missachtung des Abstandsgebots.[105]
c) Umstritten ist indes die Vereinbarkeit mit der EMRK. Auch für die vorbehaltene Sicherungsverwahrung kommt als Rechtfertigungsgrund für den Freiheitsentzug allein Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. a EMRK in Betracht. Problematisch erscheint vor dem Hintergrund der gespaltenen Hauptverhandlung das vom EGMR postulierte Erfordernis eines "ausreichenden Kausalzusammenhangs" zwischen Verurteilung und Freiheitsentziehung.[106] Da als Verurteilung i.S.d. Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. a EMRK nur die eine Schuldfeststellung beinhaltende gerichtliche Freiheitsentzugsanordnung angesehen wird,[107] kommt die Anordnungsverhandlung nach § 275a StPO – also der zweite Teil der Hauptverhandlung – als Verurteilung i.S.d. EMRK nicht in Betracht.[108] Denn in diesem Verfahren geht es nicht mehr um die Schuldfrage bzgl. der Anlasstat, sondern ausschließlich um die Voraussetzungen der Sicherungsverwahrungsanordnung (insbes. die Prognose künftiger Gefährlichkeit). Mithin kommt als den Freiheitsentzug rechtfertigende Verurteilung allein das die Sicherungsverwahrung vorbehaltende Urteil – also der erste Teil der Hauptverhandlung – in Betracht.
In diesem Zusammenhang stellt sich nun die Frage, ob nicht durch die u.U. lange Zeitspanne zwischen Sicherungsverwahrungsvorbehalt und der tatsächlichen Anordnung sowie durch das "Dazwischentreten" des zweiten Hauptverhandlungsteils der geforderte Kausalzusammenhang unterbrochen oder doch zumindest zu sehr ausgedünnt wird. Teilweise wird diese Frage bejaht.[109] Die weitaus besseren Argumente sprechen jedoch für die Gegenauffassung.[110] In den Kategorien der Kausalitätslehre gesprochen, handelt es sich beim vorbehaltenden Urteil ohne Zweifel um eine conditio-sine-qua-non der späteren Anordnung; vorbehaltende und anordnende Hauptverhandlung sind somit für den Freiheitsentzug kumulativ kausal. Da letztere auf ersterer aufbaut bzw. inhaltlich an diese anknüpft, kann auch von einem "überholenden Zweitereignis"[111] keine Rede sein. Normative Restriktionen, bspw. unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, sind ebenfalls nicht geboten, da alle Beteiligten bereits im ersten Urteil erfahren, "woran sie sind"[112]. Schließlich gelangt auch das BVerfG im Rahmen einer ausführlichen Analyse der EGMR-Rspr. zum Merkmal der Verurteilung zu dem Ergebnis eines ausreichenden Kausalzusammenhangs.[113]
Als nachträglich wird bezeichnet die Sicherungsverwahrung, welche weder in der die Anlasstat betreffenden Entscheidung angeordnet noch vorbehalten worden ist. Diese Form der Sicherungsverwahrung wird auch in der
Zukunft eine Rolle spielen. Es ist allerdings zu differenzieren zwischen vor dem 1. Januar 2011 begangenen Taten (Altfälle) und nach diesem Stichtag begangenen Taten (Neufälle).
aa) Für Neufälle ist die nachträgliche Sicherungsverwahrung nur noch in den von § 66b StGB i.d.F. d. SichVNOG erfassten Fällen möglich, § 2 Abs. 6 StGB i.V.m. Art. 316e Abs. 1 S. 1, 316f Abs. 1 EGStGB.[114] Danach kommt eine nachträgliche Sicherungsverwahrungsanordnung zum Tragen, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 StGB für erledigt erklärt worden ist, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende (§ 20 StGB) oder vermindernde (§ 21 StGB) Zustand, auf dem die Unterbringung nach § 63 StGB beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, und von dem Betroffenen mit hoher Wahrscheinlichkeit die Begehung erheblicher Straftaten zu erwarten ist, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.[115]
bb) Bereits unter genuin verfassungsrechtlichen Aspekten ist § 66b StGB eine heikle Vorschrift. Zwar ist die konkrete Ausgestaltung der Anordnungsvoraussetzungen vom BVerfG zunächst gar nicht[116] und in der Entscheidung vom 4. Mai 2011 dann nur insoweit beanstandet worden, als der Vollzug der nachträglichen Sicherungsverwahrung das Abstandsgebot nicht einhalte.[117] Konkret hat das Gericht, anders als bei § 66b Abs. 1, 2 StGB a.F., eine Verletzung des allgemeinen Vertrauensschutzgebots (Art. 2 Abs. 2 S. 2 i.V.m. 104 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG) durch die nachträgliche Sicherungsverwahrungsanordnung verneint. Zur Begründung führte es aus, es handele sich bei § 66b StGB im Kern lediglich um die Überweisung von einer Maßnahme (Krankenhausunterbringung) in die andere (Sicherungsverwahrung).[118] Unter dem Eindruck der jüngsten EGMR-Rspr. zu § 66b Abs. 3 StGB a.F. (siehe unten) hat das BVerfG diese Argumentation indes aufgegeben und obiter dictu angemerkt, "dass die Anwendung von § 66b Abs. 3 StGB[gemeint ist: § 66b StGB n.F.]auch in Neufällen Vertrauensschutzbelange tangiert."[119] Für eine verfassungskonforme Anwendung von § 66b StGB ist es daher notwendig, die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung in Neufällen einstweilen nur unter denselben restriktiven Voraussetzungen, wie sie für Altfälle erforderlich sind, als verhältnismäßig i.S.d. § 62 StGB zu betrachten. D.h. die Erledigungserklärung gem. § 67d Abs. 6 S. 1 StGB ist mit der Feststellung des (Fort-)Bestehens einer psychischen Störung i.S.d. § 1 ThUG sowie einer hochgradigen Gefahr der Begehung schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten zu koppeln.[120]
cc) § 66b StGB ist an und für sich teilweise konventionswidrig.[121] Als Rechtfertigungsgrund der Freiheitsentziehung durch die Anordnung der Sicherungsverwahrung gem. § 66b StGB i.V.m. § 275a StPO kommt primär Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. a EMRK in Betracht – lit. e scheidet regelmäßig deshalb aus, weil eine psychische Krankheit gerade nicht (mehr) besteht. Die Rechtfertigung nach lit. a setzt allerdings eine Verurteilung, d.h. die gerichtliche Feststellung einer schuldhaft begangenen Tat voraus. Beruhte die ursprüngliche Unterbringungsanordnung gem. § 63 StGB auf einer lediglich geminderten Schuldfähigkeit i.S.d. § 21 StGB, ist das Verurteilungserfordernis insoweit erfüllt;[122] eine Durchbrechung des erforderlichen Kausalzusammenhangs zwischen der Verurteilung bzgl. der Anlasstat und der zeitlich nachfolgenden Sicherungsverwahrungsanordnung ist aus denselben Gründen wie bei der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung nicht anzunehmen.
Jedoch kann § 66b StGB, wie bereits ein Umkehrschluss aus dessen Satz 2 ergibt[123], auch dann zur Anwendung kommen, wenn der ursprünglichen Unterbringung nach § 63 StGB eine im Zustand der Schuldunfähigkeit begangene Anlasstat zugrunde lag.[124] In diesen Fällen ist der gem. § 66b StGB Sicherungsverwahrte zu keinem Zeitpunkt i.S.d. Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. a EMRK "verurteilt" worden – während nämlich beim ersten Urteil gerade keine Schuldfeststellung erfolgte (§ 20 StGB!), kommt es im zweiten Verfahren nach § 275a StPO[125] allein auf die künftige Gefährlichkeit des Täters, nicht aber auf die Feststellung einer schuldhaft begangenen Tat an. Eine Möglichkeit zur konventionskonformen Ausgestaltung des § 66b StGB in den § 20 StGB-Fällen hätte allenfalls darin bestanden, die Erledigungserklärung gem. § 67d Abs. 6 S. 1 StGB mit der Feststellung des (Fort-)Bestehens einer psychischen Störung i.S.d. § 1 ThUG zu verbinden – und auf diese Weise eine Legitimation auf der Basis von Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. e EMRK zu erreichen. Berücksichtig man allerdings im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung gem. § 62 StGB die soeben aufgeführten verfassungsrechtlichen Vorgaben zum Vertrauensschutzgebot, kommt § 66b StGB ohnehin nur noch in diesen konventionsrechtlich unbedenkliche(re)n Fällen zur Anwendung.
aa) Unweit komplizierter stellt sich die Situation für vor dem 1. Januar 2011 begangene Anlasstaten dar. In diesen Fällen besteht neben der für die Neufälle genannten Möglichkeit des "Maßnahmetauschs" (gem. § 66b Abs. 3 StGB i.d.F. d. SichVNachtrEG) nach Art. 316e Abs. 1 S. 1 EGStGB unter bestimmten Umständen die Möglichkeit einer nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 1, 2 i.d.F. d. SichVNachtrEG. Die Anordnungsvoraussetzungen hierfür sind sehr komplex und nicht leicht durchschaubar. Erforderlich ist zunächst das Vorliegen der Voraussetzungen von § 66b Abs. 1 oder 2 StGB a.F., also neben der Verurteilung wegen einer spezifischen schuldhaft begangenen Anlasstat das vor Vollzugsende erfolgende Bekanntwerden neuer Tatsachen, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten hinweisen und eine Gesamtwürdigung der Vortaten des Verurteilten und ergänzend seine Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit schwere Straftaten begehen wird. Auf die zahlreichen und im Einzelnen heftig umstrittenen Detailprobleme dieser Vorschrift kann an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden.[126]
Neu hinzugekommen ist, dass neben diesen Voraussetzungen die Anordnung (bzw. Fortdauer) einer solchen nachträglichen Sicherungsverwahrung gem. Art. 316e Abs. 1 S. 2 EGStGB (Anlasstat vor dem 1. Januar 2011) bzw. Art. 316f Abs. 2 S. 1 EGStGB (Anlasstat zwischen dem 1. Januar 2011 und dem 31. Mai 2013), jew. i.V.m. Art. 316f Abs. 2 S. 2 EGStGB, nur dann erfolgen darf, wenn beim Betroffenen zusätzlich eine psychische Störung vorliegt und aus konkreten Umständen in seiner Person oder seinem Verhalten eine hochgradige Gefahr abzuleiten ist, dass er infolge dieser Störung schwerste Gewalt- oder Sexualstraftaten begehen wird. Diese zusätzlichen Voraussetzungen bereiten unter verschiedenen Gesichtspunkten erhebliche Schwierigkeiten. Ein Problem besteht zunächst darin, in welchem Verhältnis die nach § 66b Abs. 1, 2 StGB a.F. erforderlichen nova zu dem Erfordernis der psychischen Störung und den konkreten gefahrbegründenden Umständen stehen.[127] Ganz besondere Schwierigkeiten bereitet zudem der "unbestimmte Rechtsbegriff"[128] der psychischen Störung, auf welchen im Folgenden näher eingegangen sei.
bb) Den Begriff der psychischen Störung hat der Gesetzgeber aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 ThUG übernommen; ihm soll in Art. 316f Abs. 2 S. 2 EGStGB dieselbe Bedeutung zukommen.[129] Diese Feststellung hilft für sich genommen aber kaum weiter, da auch im Zusammenhang mit dem ThUG "[n]iemand so recht[weiß], was eine[solche]Störung ist"[130]. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers handelt es sich bei der psychischen Störung um einen Defektzustand unterhalb der Schwelle zur (teilweisen) Dekulpation nach § 21 StGB.[131] Mithin gibt es nach der Vorstellung des Gesetzgebers nunmehr fünf Täterkategorien: (1) Schuldunfähige, (2) vermindert Schuldfähige, (3) Schuldfähige, aber zugleich psychisch Gestörte, (4) "bloße" Hangtäter und (5) "gewöhnliche" Straftäter. Die intendierte Neuschaffung der Kategorie (3) ist zunächst insofern nachvollziehbar, weil im Falle des Vorliegens einer die Zurechnungsfähigkeit berührenden Störung als Präventionsinstrumente die Unterbringung nach § 63 StGB bzw. landesrechtlichen Gesetzen zur Unterbringung psychisch Kranker (z.B. gem. Art. 1 Abs. 1 S. 1 BayUnterbrG) einschlägig wären, der Gesetzgeber jedoch gerade Personen im Blick hat, bei denen diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Als potentiell erfasste Personengruppe verweist die Gesetzesbegründung auf die Diagnoseklassifikationssysteme ICD-10 und DSM-IV und nennt bspw. Menschen mit dissozialen Persönlichkeitsstörungen oder Störungen der Sexualpräferenz (z.B. Pädophilie).[132] Ob der Begriff "psychische Störung" aber überhaupt im Sinne der Täterkategorie (3) analytisch rekonstruiert werden kann – d.h. denklogisch möglich ist –, ist umstritten.
Teilweise wird dies verneint.[133] Insbes. seitens der Psychiatrie wird die Auffassung vertreten, eine psychische Störung gehe stets und notwendig mit einer zumindest verminderten Schuldfähigkeit einher. Dabei wird argumentiert, in der psychiatrischen Wissenschaft werde der Begriff der "psychischen Störung" nun einmal so verstanden, dass es über die in den genannten Klassifikationssystemen aufgeführten Diagnosen hinaus einer zusätzlichen Krankheitswertigkeit, also einer Autonomiebeeinträchtigung sowie eines vom Betroffenen gefühlten Leidensdrucks, bedarf[134] (sodass etwa ein lebensfroher Psychopath mit klarem Verstand nicht als gestört gilt[135]); eine isolierte Heranziehung der Diagnosemanuale ICD-10 oder DSM-IV stehe darum Juristen nicht zu und komme einem Missbrauch psychiatrischer Diagnosen gleich.[136] Im Übrigen würde ein solchermaßen amputierter Störungsbegriff zu dem befremdlichen Ergebnis führen, dass etwa 10-20% der Bevölkerung und über 70% der Strafgefangenen als in diesem Sinne gestört zu gelten hätten; das Ziel, allein besonders gefährliche Täter zu erfassen, werde mithin dramatisch verfehlt.[137]
Beide Argumente sind jedoch nicht stichhaltig. Letztgenannter Einwand ist schon insofern unrichtig, als dass eine nachträgliche Sicherungsverwahrungsanordnung kumulativ das Vorliegen einer Störung und eine spezifische Gefährlichkeitsprognose erfordert; das eine Merk-
mal muss also unabhängig vom anderen bestimmt werden.[138] Im Übrigen käme ja auch niemand auf die Idee, aus neuen empirischen Befunden über die weite Verbreitung schwerer seelischer Abartigkeiten Rückschlüsse auf die Anwendungsvoraussetzungen des § 20 StGB in dem Sinne ableiten zu wollen, dass fortan als zurechnungsfähig zu gelten habe, wer zuvor noch als schuldunfähig galt. Was das erstgenannte Argument anbetrifft, überschätzt diese Ansicht die Bedeutung psychiatrischer Lehrmeinungen für die Auslegung von Rechtsbegriffen. Dass die eine Wissenschaftsdisziplin einen Begriff in einem speziellen Sinne verwendet, muss eine andere Disziplin nicht binden. D.h. der Begriff der psychischen Störung in Art. 316f Abs. 2 S. 2 EGStGB und § 1 Abs. 1 ThUG braucht nicht im psychiatrischen Sinne verstanden, sondern kann auch autonom ausgelegt werden. Ob eine solchermaßen autonome Interpretation i.S.d. Vorstellung des Gesetzgebers möglich ist, muss dabei interdisziplinär entschieden werden; gefragt sind, neben Rechtswissenschaft und Psychiatrie, auch die Kriminologie[139] und die Rechtsphilosophie.[140]
Richtigerweise ist die aufgeworfene Frage zu bejahen.[141] Die psychische Störung kann sinnvollerweise als Zwischenkategorie zwischen verminderter Schuldfähigkeit und einem bloßen Hang zu Straftaten konstruiert werden. Die Schuldunfähigkeit gem. § 20 StGB hat zwei vom Täter zu erfüllende Voraussetzungen: Als biologischen Befund eine Abweichung vom körperlich-seelischen Normalzustand, und als psychologische Komponente eine darauf beruhende Einsichts- oder Steuerungsunfähigkeit.[142] Während die erste Voraussetzung mess- und feststellbar ist, ist die zweite Voraussetzung normativ geprägt (und demnach, insbesondere vor dem Hintergrund des Willensfreiheitsproblems,[143] mit Unsicherheiten belastet). Versteht man das psychologische Element des § 20 StGB kontraktualistisch,[144] kommt es darauf an, ob es einem Durchschnittsbürger, der sich qua gedankenexperimentellem Rollentausch in den Körper des betroffenen Delinquenten hineinversetzt, plausibel erscheint, unter diesen biologischen Voraussetzungen nicht mehr klar urteilen oder autonom handeln zu können.[145] Diese Voraussetzung ist bspw. beim Vorliegen eines Vollrauschs oder eines Hirntumors, welcher einen zwanghaften Drang zu pädophilem Verhalten auslöst,[146] unproblematisch erfüllt.
Demgegenüber sind aber ohne weiteres auch Fälle denkbar, in denen zwar ebenfalls eine messbare Anomalie – eine gedankenexperimentell erfahrbare "Störung" – zu finden ist, der Betreffende aufgrund einer nur geringen Beeinträchtigung sich aber so weit unten auf der "offenen ‚Schwere‘-Skala psychischer Störungen"[147] befindet, dass er gleichwohl als normativ ansprechbar gilt.[148] Dieser Befund wird vom Wortlaut des § 20 StGB vorausgesetzt (schwere seelische Abartigkeit),[149] ist in Rspr. und Schrifttum anerkannt[150] und im Übrigen rechtsphilosophisch plausibel: Begeht ein zu jeglicher Empathie unfähiger, aber intelligenter dissozial-Persönlichkeitsgestörter in Kenntnis der ethisch-moralischen Verhaltensanforderungen Straftaten zur Befriedigung "normaler" egoistischer Interessen,[151] so kann dessen Empfindungsunfähigkeit zwanglos als messbarer, sich nicht in einer bloßen Charaktereigenschaft erschöpfender Defekt charakterisiert werden (Empathiefähigkeit hat man[oder hat man nicht]– ob man, will, oder nicht).[152] Trotz dieser "moralischen Sehbehinderung"[153] braucht aber von einer Schuldunfähigkeit oder -minderung nicht die Rede zu sein. Empathie und Altruismus sind keine Voraussetzungen für das Gelingen von Normbefolgung.[154] Tatsächlich besteht der Witz kontraktualistischer Normbegründungsmodelle gerade darin, allein am Eigeninteresse "radikaler Egois-
ten" anzusetzen[155] und auf diese Weise gar, so die berühmte Sentenz von Kant, ein "Volk von Teufeln (wenn sie nur Verstand haben)"[156] zur Regelbefolgung anleiten zu können. In gleicher Weise lässt sich sagen, dass auch ein Pädophiler mit seinen Neigungen zwar zu kämpfen hat, diese aber im Einzelfall wirksam zu unterdrücken im Stande sein kann.[157] Kurz: Psychopathen und Pädophile können problemlos als "psychisch gestört, aber nicht krank" bezeichnet werden.[158] Ferner ist auch ein Unterschied zum nicht-gestörten Hangtäter erkennbar;[159] denn dessen Hang braucht nicht auf einer messbaren Störung, sondern kann auf anderen dispositionellen Gründen beruhen. Nach alledem ist jedenfalls eine analytische Rekonstruktion des Merkmals der psychischen Störung entsprechend der gesetzgeberischen Vorstellung möglich (ob sie darüber hinaus rechtspolitisch geboten ist, braucht hier nicht beurteilt zu werden[160]).
cc) Eine ganz andere Frage geht dahin, ob Art. 316f Abs. 2 EGStGB verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Dies ist zu bejahen. Unbegründet ist der Einwand Ullenbruchs, dem Begriff der psychischen Störung mangele es an Bestimmtheit i.S.d. Art. 103 Abs. 2 GG.[161] Das Merkmal ist sinnvoll interpretierbar (dazu oben) und wird vom BVerfG auch ausdrücklich im Sinne dieser Interpretation verstanden.[162] Der generellen Vertrauensschutzproblematik der nachträglichen Sicherungsverwahrung wird die Norm gerecht, indem sie zusätzlich das vom BVerfG vorgegebene Kriterium der hochgradigen Gefährlichkeit enthält.
dd) Schwieriger zu beantworten ist die Frage nach der Konventionskonformität. Eine Rechtfertigung gem. Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. a EMRK scheidet aus, da die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung in einer anlasstatunabhängigen Entscheidung erfolgt; mithin mangelt es an einer Verurteilung im Sinne von lit. a. Grundlage kann deshalb allein lit. e sein. Fraglich ist allerdings, ob der Begriff der psychischen Störung vom Rechtfertigungsgrund der Freiheitsentziehung "bei [einem]psychisch Kranken" gedeckt ist. Dieser Punkt wird äußerst kontrovers beurteilt.[163] Teilweise wird argumentiert, eine psychische Krankheit i.S.v. lit. e erfordere mindestens einen Zustand verminderter Schuldfähigkeit i.S.d. § 21 StGB[164] – womit das soeben skizzierte Konzept der psychischen Störung unter konventionsrechtlichen Gesichtspunkten hinfällig wäre. Eine gewisse Stütze findet diese Auffassung zum einen darin, dass der Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. e EMRK ("krank") näher an § 20 StGB als an Art. 316f Abs. 2 S. 2 EGStGB zu liegen scheint, zum anderen in dem Umstand, dass die bisherige EGMR-Rspr. eine Aussage des Inhalts, "psychisch krank" könne auch sein, wer voll schuldfähig ist, nicht enthält.[165] Indes ist die Rspr. des EGMR in diesem Punkt insoweit uneindeutig, als ihr eine gegenteilige Aussage ebenfalls nicht entnommen werden kann;[166] die Frage ist folglich offen.[167] Für die Konventionskonformität des Störungs-Konzepts spricht immerhin ein Vergleich mit der letztgenannten Variante des lit. e: Wenn sogar die ohne Verurteilung erfolgende Freiheitsentziehung von "Landstreichern" gerechtfertigt sein kann,[168] erscheint es wenig plausibel, die präventive Verwahrung psychisch gestörter Gewalttäter per se für Unrecht zu erklären.[169]
Besondere Schärfe erhält das Instrument der Sicherungsverwahrung in jenen Altfällen, bei denen der Freiheitsentzug auf der Basis eines im Zeitpunkt der Anlasstat noch nicht bestehenden Gesetzes erfolgt. Die damit verbundene Rückwirkungsproblematik betrifft alle der bisher erörterten Formen der Sicherungsverwahrung: Die anfängliche (durch den rückwirkenden Wegfall der Zehn-Jahres-Höchstfrist), die vorbehaltene (wenn die Anlasstat vor Inkrafttreten des SichVEG begangen worden ist) und die nachträgliche (bei Anwendung auf vor dem Inkrafttreten des SichVNachtragEG Verurteilte). Diese Fallgruppen werden mit Blick auf die Entscheidungen des EGMR zum Rückwirkungsverbot gem. Art. 7 Abs. 1 EMRK bei strafähnlicher Sicherungsverwahrung als "Parallel-
fälle" bezeichnet.[170] Die rechtliche Situation hinsichtlich der Parallelfälle ist uneinheitlich.
aa) Eine spezielle Altfallregelung gilt zunächst für jene (wenigen) Parallelfälle, in denen die unsichere Rechtslage nach der am 10. Mai 2010 bestandskräftig gewordenen Entscheidung des EGMR dazu geführt hat, dass eine Person auf Grund einer rechtskräftigen Gerichtsentscheidung aus der Sicherungsverwahrung entlassen worden ist (§ 1 Abs. 2 ThUG), entlassen werden sollte (§ 1 Abs. 1 ThUG) oder trotz erstinstanzlicher Anordnung (gem. § 275a Abs. 6 StPO) die Verwahrung gar nicht erst vollzogen worden ist (Art. 316e Abs. 4 EGStGB[171]). Materielle Anordnungsvoraussetzungen einer Therapieunterbringung sind u.a. das Vorliegen einer psychischen Störung sowie die Gefahrprognose, dass die Person infolge der Störung mit hoher Wahrscheinlichkeit Leib, Leben, persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung eines anderen erheblich beeinträchtigen wird (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 ThUG). Zuständig für eine Unterbringungsanordnung sind die Zivilkammern der Landgerichte (§ 4 Abs. 1 S. 1 ThUG); diese entscheiden gem. § 3 ThUG nach den Verfahrensvorschriften des FamFG.
bb) Gegen die Verfassungsmäßigkeit des ThUG bestehen erhebliche Bedenken.[172] Unproblematisch ist dabei zunächst die Verwendung des Merkmals der psychischen Störung (dazu oben). Auch unter dem Gesichtspunkt des Abstandsgebots ist die Unterbringung nach ThUG nicht zu beanstanden. Denn wie sich aus § 2 Abs. 1 und insbes. Abs. 2 ThUG ergibt, müssen die für die Therapieunterbringung geeigneten Einrichtungen mindestens denselben Anforderungen genügen wie eine für den Sicherungsverwahrungsvollzug geeignete Unterbringung. In der Praxis wird es daher künftig mutmaßlich so aussehen, dass Therapieuntergebrachte und Sicherungsverwahrte gemeinsam untergebracht werden.
Verfassungsrechtliche Schwierigkeiten bereitet allerdings die gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 ThUG erforderliche Gefahrprognose, nach welcher lediglich die "hohe Wahrscheinlichkeit" einer "erheblichen Beeinträchtigung" hochrangiger Rechtsgüter vorzuliegen braucht. Damit liegt die Anordnungsschwelle des ThUG nach herkömmlicher Lesart etwas unterhalb derjenigen, welche das BVerfG als Voraussetzung einer zulässigen rückwirkenden Sicherungsverwahrung aufgestellt hat ("hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten"[173]).[174] Mithin sind Fälle denkbar, in welchen zwar eine rückwirkende Anordnung (oder Fortdauer) der Sicherungsverwahrung gem. Art. 316f Abs. 2 S. 2 EGStGB mangels hochgradiger Gefahr nicht möglich ist, der psychisch gestörte Verurteilte sich anschließend jedoch aufgrund einer Unterbringungsanordnung nach ThUG in genau derselben Verwahreinrichtung wiederfindet, in der er nach Sicherungsverwahrungsrecht nicht untergebracht werden darf.[175] Dieser Widerspruch kann keinen Bestand haben.[176]
Zwei Auswege sind denkbar: Entweder man erklärt das ThUG insoweit für verfassungswidrig, oder aber man begnügt sich mit einer verfassungskonform-restriktiven Auslegung.[177] Die letztgenannte Möglichkeit ist überzeugender. Zum einen ist das ThUG älter als die fragliche BVerfG-Entscheidung (und mithin kann dem Gesetzgeber ein bewusstes Abweichen von dessen Vorgaben nicht unterstellt werden), zum anderen bewegt es sich durchaus noch im Rahmen des sprachlich vertretbaren, die hohe Wahrscheinlichkeit einer erheblichen Beeinträchtigung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, persönlicher Freiheit oder sexueller Selbstbestimmung mit einer hochgradigen Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten gleichzusetzen.[178]
Schwerste Bedenken hinsichtlich der Grundgesetzkonformität des ThUG sind jedoch unter dem Gesichtspunkt der Gesetzgebungskompetenz zu konstatieren. Der Bundesgesetzgeber hat sich auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG ("Strafrecht") berufen.[179] Die Inanspruchnahme dieses Kompetenztitels ist insofern problematisch, als es sich bei der Präventivverwahrung (ehemaliger) Straftäter der Sache nach um eine Maßnahme des materiellen Polizeirechts handelt[180] – und die Materie insofern eigentlich in die Zuständigkeit der Länder fällt. Dennoch hat das BVerfG hinsichtlich der Regeln über die Sicherungsverwahrung einen so engen Zusammenhang mit der Regelungsmaterie des Strafrechts ausgemacht, dass von einer Annexkompetenz des Bundesgesetzgebers auszugehen sei.[181] Ausschlaggebend sei dabei vor allem der enge Zusammenhang zwischen der (präventiven) Unterbring-
ungsanordnung und der (repressiven) Ahndung der Anlasstat. Letztere bilde nicht bloß den äußeren Anlass für die Unterbringung, sondern bilde darüber hinaus kraft ihrer Indizwirkung die inhaltliche Basis der Gefährlichkeitsprognose[182] – bspw. spreche § 66 StGB Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB ausdrücklich von einer "Gesamtwürdigung des Täter und seiner Taten". Entsprechend verneinte das Gericht die Länderzuständigkeit zur Regelung der Unterbringung von besonders rückfallgefährdeten hochgefährlichen Straftätern mit dem Argument, die erforderliche Prognose stelle entscheidend auf das Kriterium des "Rückfalls" – und mithin auf die Würdigung einer Anlasstat – ab;[183] zudem war nach den für verfassungswidrig erklärten Ländergesetzen jeweils eine Strafvollstreckungskammer zuständig.
Misst man das ThUG anhand dieser Maßstäbe, bleibt von den die bundesrechtliche Annexkompetenz begründenden Faktoren nicht mehr viel übrig. So ist nicht nur die Anknüpfung an das Strafrecht nur noch rudimentär ausgeprägt (es genügt eine Verurteilung wegen einer der in § 66 Abs. 3 StGB genannten Straftaten),[184] auch die erforderliche Gefahrprognose kreist vornehmlich um das Merkmal der psychischen Störung, statt an eine Vortatwürdigung oder eine Rückfallprognose anzuknüpfen[185] (denkbar ist sogar, dass die psychische Störung, auf welcher die Gefährlichkeit "im Sinne einer Kausalität" beruhen muss[186], erst nach der Anlasstat entstanden ist[187]). Nimmt man die dezidiert zivilrechtliche Ausgestaltung des ThUG hinzu, so verfehlt das Gesetz sämtliche der vom BVerfG aufgestellten Kriterien zur Begründung eines ausreichenden Sachzusammenhangs zwischen Präventivunterbringung und Strafrecht. Folglich ist das ThUG aus kompetenzrechtlichen Gründen verfassungswidrig.[188]
cc) Nicht zu beanstanden ist das ThUG hingegen unter konventionsrechtlichen Aspekten. Geht man – wie hier – einmal davon aus, dass das Merkmal der psychischen Störung den Anforderungen an die Entziehung der Freiheit eines psychisch Kranken i.S.d. Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. e EMRK genügt, bleibt als letzte Hürde das Rückwirkungsverbot gem. Art. 7 Abs. 1 EMRK. Da die Therapieunterbringung jedoch das Abstandsgebot wahrt, entfällt die zur Anwendung von Art. 7 Abs. 1 EMRK notwendige Strafähnlichkeit.[189]
Für die nicht in den formellen Anwendungsbereich des ThUG fallenden Parallelfälle verbleibt es bei der rückwirkenden Anwendbarkeit des Sicherungsverwahrungsrechts. Da in Art. 316f Abs. 2 S. 2 (bzgl. der rückwirkenden Entfristung bzw. rückwirkend-nachträglichen Anordnung) und S. 3 (rückwirkender Vorbehalt) EGStGB als zusätzliche Anordnungsvoraussetzungen das Vorliegen einer psychischen Störung sowie einer hochgradigen Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten statuiert sind, bewegt sich die Norm im Rahmen der verfassungsgerichtlichen Vorgaben zur Einhaltung des Vertrauensschutzgebots. Dies, in Verbindung mit der Einhaltung des Abstandsgebots, lässt die rückwirkende Sicherungsverwahrung in Altfällen sowohl unter verfassungs- als auch unter konventionsrechtlichen Gesichtspunkten unproblematisch erscheinen.
Das neue Recht der Sicherungsverwahrung ist überwiegend gut gelungen. Die verfassungsgerichtlichen Vorgaben zum Abstandsgebot sind sowohl bundesgesetzlich (§ 66c StGB) als auch auf Landesebene umgesetzt. In konventionsrechtlicher Hinsicht bereitet lediglich die nachträgliche Sicherungsverwahrung nach der Erledigung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 66b StGB) Schwierigkeiten. Größere Bedenken bestehen hinsichtlich des Umgangs mit Alt- und Parallelfällen. Ob das gesetzgeberische Konzept, mithilfe des Merkmals der psychischen Störung (Art. 316f Abs. 2 S. 2 EGStGB; § 1 Abs. 1 Nr. 1 ThUG) eine Legitimation des Freiheitsentzugs nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. e EMRK zu erreichen, aufgeht, ist offen. Darüber hinaus ist das für bestimmte Parallelfälle entwickelte Konzept der Therapieunterbringung aus kompetenzrechtlichen Gründen akut vom Verdikt der Verfassungswidrigkeit bedroht. Probleme mit dem Rückwirkungsverbot gem. Art. 7 EMRK stehen indes nicht zu erwarten.
Die vorgenannten Rechtsprobleme sollten ob der Endlichkeit des Altfallreservoirs in praktischer Hinsicht nicht überschätzt werden.[190] Interessanter ist die Frage, ob das Instrument der Sicherungsverwahrung infolge der rechtlichen Neuerungen mittelfristig zurückgedrängt werden wird. Dafür spricht neben den "unjuristischen" Gründen der Ökonomie und Ressourcenschonung,[191] dass mit der elektronischen Aufenthaltsüberwachung (§ 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 12 StGB, § 463a Abs. 4 StPO)[192] inzwischen ein
Führungsaufsichtsinstrument zur Verfügung steht, das als deutlich milderes Mittel gegenüber dem eingriffsintensiven Freiheitsentzug dennoch eine Überwachung des Entlassenen ggf. "auf Schritt und Tritt" ermöglicht[193] – und daher vielleicht, auch rechtspolitischen Zwängen zum Trotz, künftig eine echte "Freiheitsorientiertheit" der Sicherungsverwahrung ermöglicht.[194] Allerdings erscheint zukünftig auch eine Renaissance der nunmehr nahezu abgeschafften nachträglichen Sicherungsverwahrung denkbar; neuerliche Begehrlichkeiten der Bundesländer sind im Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung des Abstandsgebots bereits deutlich zu Tage getreten.[195] Sollte das Konzept der psychischen Störung, wie hier vermutet, vor dem EGMR Bestand haben, stünde einer Wiedereinführung aus rechtlicher Perspektive wenig entgegen.[196]
Eine gänzliche Abschaffung der Sicherungsverwahrung, wiewohl rechtlich zulässig, erscheint auch auf lange Sicht extrem unwahrscheinlich.[197] Zu erwarten steht vielmehr eine ganz andere Fundamentaldebatte. Nach der Binnenlogik des Präventionsgedankens ist der Zusammenhang zwischen schuldhaft begangener Anlasstat und vorbeugendem Freiheitsentzug keine Notwendigkeit.[198] Es ist nicht in Stein gemeißelt, dass Sicherungsverwahrung zwingend eine Anlasstat voraussetzte.[199] Zwar hat das BVerfG in seiner Entscheidung zur Unterbringung gefährlicher Rückfalltäter nach Landesrecht ausgeführt, es sei "gerade und ausschließlich das schwerwiegende und dem Betroffenen zurechenbare Indiz der Anlasstaten, welches den Staat berechtigt, die Gefährlichkeit seiner Bürger zu überprüfen und auf das Ergebnis dieser Überprüfung eine langfristige schuldunabhängige Freiheitsentziehung zu gründen"; eine Ausdehnung darüber hinaus sei bei psychisch Gesunden "unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit[…]nicht vertretbar."[200] Diese Behauptung ist aber an zwei Stellen brüchig. Was die indizielle Bedeutung der Anlasstat anbetrifft, hängt diese offenkundig von der Qualität sachverständiger Prognosen ab. Sollten daher z.B. die bildgebenden Verfahren der Neurowissenschaftler eines Tages auch ohne Vorliegen einer Anlasstat bessere Vorhersagen über delinquentes Verhalten abgeben können,[201] als es die – wenig präzisen[202] – Prognosen der psychiatrischen Wissenschaft heute unter Berücksichtigung einer Anlasstat tun, dann ist die argumentative Validität insoweit dahin. Zum anderen ging das BVerfG seinerzeit ersichtlich von der Differenzierung psychisch krank/schuldunfähig einerseits und psychisch gesund/ schuldfähig andererseits aus; nur bezüglich der letzteren Personengruppe bedürfe es zwingend einer Anlasstat. Inwieweit das verfassungsgerichtlich bereits gebilligte Konzept einer die Schuldfähigkeit unberührt lassenden psychischen Störung am zwingenden Erfordernis einer Anlasstat rüttelt, bleibt einstweilen offen.
[1] Landau/Greven ZRP 2002, 324 ("Die Sicherungsver-wahrung ist die drakonischste aller Rechtsfolgen, die unser Strafrecht kennt."). Übereinstimmend Singelnstein ZJS 2012, 128 ("schärfste Sanktion").
[2] Bartsch Forum Strafvollzug 2011, 267. Siehe auch Schöch GA 2012, 14 ("eher von medialem Druck als von rationaler Abwägung geprägt.").
[3] BVerfGE 128, 326, 404 Tz. 167 = HRRS 2011 Nr. 488.
[4] Hörnle NStZ 2011, 488, 490; dies., in: Festschrift für Rissing-van Saan (2011), S. 239, 242 ff.; Renzikowski ZIS 2011, 531, 532 (jew. zum EGMR).
[5] Dazu Ostendorf, in: Ostendorf, JGG, 9. Aufl. (2013), § 7 Rn. 18-31; § 107 Rn. 7; Leipold NJW-Spezial 2012, 760. Siehe auch Eisenberg StV 2011, 480 ff.
[6] Umfassendere Darstellungen bei Ullenbruch/Drenkhahn/ Morgenstern, in: Münchener Kommentar, StGB, 2. Aufl. (2012), § 66 Rn. 16-27; Höffler/Kaspar ZStW 124 (2012), 87, 89 ff.; Schöch NK 2012, 47 ff.; ders., in: Festschrift für Roxin II (2011), S. 1193, 1196 ff.; Laubenthal ZStW 116 (2004), 703, 711 ff.
[7] Ausf. dazu Steinberg StV 2013, 227 ff.; Henkel ZStW 57 (1938), 702, 709-770.
[8] RGBl. I, S. 995. Dazu aus zeitgenössischer Perspektive Exner ZStW 53 (1934), 629 ff.
[9] Schöch NK 2012, 47.
[11] Laubenthal ZStW 116 (2004), 703, 713. Siehe auch Fuchs (Hrsg.), StGB 1871-2013 – historisch-synoptische Edition, 14. Aufl. (2013), S. 184. Unzutreffend Höffler/Kaspar ZStW 124 (2012), 87, 89; Schöch NK 2012, 47, wonach die Einführung einer Sicherungsverwahrungshöchstfrist bereits im 1. StrRG enthalten gewesen sei.
[12] Dessecker ZIS 2011, 706, 712. Unrichtig Fischer, StGB, 60. Aufl. (2013), § 66 Rn. 3, wonach der Begriff bereits 1933 eingeführt worden sei.
[14] BGBl. I, S. 160.
[15] BVerfGE 109, 133, 167 Tz. 127 = HRRS 2004 Nr. 166.
[16] BGBl. I, S. 3344.
[17] BGBl. I, S. 1838.
[18] Forderungen nach der Einführung einer nachträglichen Sicherungsverwahrung waren seinerzeit freilich nichts Neues, vgl. Henkel ZStW 58 (1939), 167, 195. Auch das GewVerbrG kannte bereits eine rückwirkend-nachträgliche Sicherungsverwahrung für Altfälle, Laubenthal ZStW 116 (2004), 703, 711 f.
[19] BayGVBl. S. 978.
[20] BVerfGE 109, 190, 211 Tz. 81 = HRRS 2004 Nr. 169. A.A. zuvor OLG Bamberg NStZ 2002, 502; Würtenberger/ Sydow NVwZ 2001, 1201, 1203. Näher dazu Rissing-van Saan/Peglau, in: Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl. (2008), § 66b Rn. 25 ff.
[21] Zusätzlich abgesichert wurde die Rückwirkung der nachträglichen Sicherungsverwahrung mit dem Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13. April 2007 (BGBl. I, S. 513). Nunmehr konnte gem. § 66b Abs. 1 S. 2 StGB die nachträgliche Sicherungs-verwahrung auch in den neuen Bundesländern angeordnet werden. Dazu Höffler/Kaspar ZStW 124 (2012), 87, 91.
[22] BVerfGK 9, 108, 111 = HRRS 2006 Nr. 804; BVerfGK 14, 357, 364 = HRRS 2008 Nr. 1148. Näher Rissing-van Saan/Peglau (Fn. 20), § 66b Rn. 32 ff.
[23] EGMR NJW 2010, 2495 (M./Deutschland) = HRRS 2010 Nr. 65. Dazu etwa Klesczewski HRRS 2010, 394 ff.
[24] EGMR NJW 2011, 3423 (Haidn/Deutschland) = HRRS 2011 Nr. 277. Zur Übertragbarkeit des zum BayStrUBG ergan-genen Urteils auf § 66b StGB Ullenbruch/Drenkhahn, in: Münchener Kommentar, StGB, 2. Aufl. (2012), § 66b Rn. 37.
[25] BGBl. I, S. 2300.
[26] Nicht im direkten Zusammenhang mit der EGMR-Entscheidung stand die sog. Konsolidierung der anfänglichen Sicherungsverwahrung gem. § 66 StGB, mit welcher u.a. gewaltlose Vermögens- und Eigentumsdelikte aus dem Katalog der Anlasstaten gestrichen wurden. Die nach altem Recht infolge entsprechender Anlasstaten Verwahrten waren gem. Art. 316e Abs. 3 EGStGB bis zum Juli 2011 zu entlassen, näher dazu Pollähne ZJS 2011, 216 ff.
[29] Exemplarisch OLG Frankfurt NStZ-RR 2010, 321 versus OLG Celle NStZ-RR 2010, 322. Zur damaligen Kontroverse Greger NStZ 2010, 676 ff; Gaede HRRS 2010, 329 ff.
[30] Dazu Drenkhahn/Morgenstern ZStW 124 (2012), 132, 175 ff.
[32] Dazu ausf. Payandeh/Sauer Jura 2012, 289, 292 ff.
[33] Ullenbruch/Drenkhahn/Morgenstern (Fn. 6) § 66 Rn. 34. Vgl. auch BVerfGE 128, 326, 327 Ls. 3 b) ("Die Sicherungsverwahrung ist[…]zu rechtfertigen, wenn der Gesetzgeber bei ihrer Konzeption[…]dafür Sorge trägt, dass …"); BVerfG NStZ-RR 1996, 122.
[34] Vgl. Hörnle NStZ 2011, 488, 492 ("Der EGMR äußerte jenseits von Altfällen keine Einwände."). Ebenso Kinzig NJW 2011, 177, 178 Fn. 10; Satzger StV 2013, 243.
[35] BVerfGE 109, 133, 189 Tz. 199. Vgl. auch EGMR NJW 2012, 1707, 1709 (Schmitz/Deutschland).
[36] BVerfGE 109, 133, 149 Tz. 70. A.A. G. Merkel/Roth HFR 2010, 250, 273 Rn. 58; Eschelbach, in: Matt/Renzikowski, StGB (2013), § 66 Rn. 29; Streng JZ 2011, 827, 830.
[37] Der Gesetzeswortlaut (§ 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB) stellt zwar seit 2002 nicht mehr auf das Vorliegen einer zeitigen Freiheitsstrafe ab. Weil aber ein zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilter ohnehin nur dann auf Bewährung entlassen werden kann, sofern er keine Gefährdung (mehr) für die Allgemeinheit darstellt (§ 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 i.V.m. § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB), wäre die Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung funktionslos, BVerfGE 117, 71, 93 Tz. 81 = HRRS 2007 Nr. 643; BGH HRRS 2013 Nr. 234, Tz. 5 f.; Birkhoff ZRP 2002, 324 ; Kett-Straub GA 2009, 586 ff.; Kreuzer ZRP 2011, 7, 9; Ba rtsch Forum Strafvollzug 2011, 267, 274; Schöch, in: Engländer/Fahl/Satzger/Swoboda (Hrsg.), Strafverteidi-gung – Grundlagen und Stolpersteine. Symposion für Werner Beulke (2012), S. 117, 119.
[38] Vgl. Anders JZ 2012, 498, 500.
[39] BVerfGE 2, 118, 119 Tz. 4 ("Die Art und Weise, wie die Sicherungsverwahrung durchzuführen ist, ist verfassungs-mäßig nicht gewährleistet."). Für ein Unterscheidungsgebot aber bereits Henkel ZStW 58 (1939), 167, 168.
[40] Vgl. Hörnle NStZ 2011, 488, 490 ("Kernfrage für das gesamte Recht der Sicherungsverwahrung").
[41] So Höffler/Kaspar ZStW 124 (2012), 87, 88.
[42] Vgl. Bartsch Forum Strafvollzug 2011, 267, 270 ("derart allgemein gehalten, dass man hieraus alles und nichts ableiten konnte").
[43] BVerfGE 109, 133, 167 Tz. 126. Dazu Laubenthal ZStW 116 (2004), 703, 731 ff.
[44] BVerfGE 128, 326, 375 Tz. 101.
[45] Krit. zum "Durchschlagen" der grundgesetzwidrigen Ausgestaltung des Vollzugs auf die im StGB geregelten Anordnungsvoraussetzungen Peglau NJW 2011, 1924, 1925.
[46] BVerfGE 128, 326, 381 Tz. 115.
[47] Nachfolgende Darstellung nach OLG Hamm III-1 Vollz (Ws) 299/12, 1 Vollz (Ws) 299/12, Beschluss v. 19. November 2012, Tz. 17-23. Eine etwas umfangreichere Zusammen-fassung bieten Bartsch Forum Strafvollzug 2011, 267, 271 ff.; Dessecker ZIS 2011, 706, 709 f. Krit. zum Detailreichtum der Vorgaben Volkmann JZ 2011, 835, 841 ("es fehlt gerade noch, dass die Baupläne für die künftig zu schaffenden Einrichtungen mitgeliefert werden.").
[48] BVerfGE 128, 326, 379 Tz. 112.
[49] BVerfGE 128, 326, 379 f. Tz. 113.
[50] BVerfGE 128, 326, 380 Tz. 114.
[51] BVerfGE 128, 326, 380 f. Tz. 115.
[52] BVerfGE 128, 326, 381 f. Tz. 116. Eingehend Köhne ZRP 2012, 89.
[53] BVerfGE 128, 326, 382 Tz. 117.
[54] BVerfGE 128, 326, 382 Tz. 118.
[55] Streng JZ 2011, 827, 831.
[56] Vgl. Kreuzer/Bartsch StV 2011, 472, 479; Höffler/Kaspar ZStW 124 (2012), 87, 115 ("Man sollte nicht vergessen: Abstand lässt sich stets in beide Richtungen herstellen."); Singelnstein ZJS 2012, 128, 131. Eschelbach (Fn. 36), § 66b Rn. 18 bezeichnet daher das Abstandsgebot sogar als "seinerseits verfassungswidrig".
[57] Höffler/Kaspar ZStW 124 (2012), 87, 119. Ähnlich Drenkhahn/Morgenstern ZStW 124 (2012), 132, 196.
[58] BVerfGE 128, 326, 377 Tz. 108 ("Dies mag der Ausfüllung des Abstandsgebots gewisse faktische Grenzen setzen.").
[59] Krit. zu dieser Behauptung Kreuzer/Bartsch StV 2011, 472, 473; Höffler/Kaspar ZStW 124 (2012), 87, 111 ff. Hingegen zutreffend den kategorialen Unterschied zwischen Strafe und Maßregel betonend Radtke GA 2011, 636 ff.; Landau NStZ 2011, 537, 538 f.
[60] BVerfGE 128, 326, 374 Tz. 101.
[61] Vgl. Streng JZ 2011, 827, 828; ders. StV 2013, 236, 237 ff.; Radtke GA 2011, 636, 643.
[62] Dazu Engländer, in: Matt/Renzikowski, StGB (2013), § 34 Rn. 47 f.; Zimmermann, Rettungstötungen (2009), S. 163 ff.
[63] Eschelbach NJW 2010, 2499, 2500; Streng JZ 2011, 827, 829; J. Müller NK 2012, 54, 58 f.; Schöch (Fn. 37), S. 123 ff.; ders. GA 2012, 14, 30 ("Zusammenfassend kann gesagt werden, dass, um einen wirklich Gefährlichen zu erfassen, zugleich neun zu Unrecht von Sachverständigen als hochgefährlich eingeschätzte Straftäter inhaftiert werden müssen."); Singelnstein ZJS 2012, 128, 129. Reformvorschläge bei Alex/Feltes/Kudlacek StV 2013, 259 ff.
[64] Ähnlich Streng JZ 2011, 827, 831. Vgl. auch Höffler/Kaspar ZStW 124 (2012), 87, 131 Fn. 182, die vorschlagen, in der Sicherungsverwahrung u.a. die Abgabe geringer Mengen Alkohols, das Halten von Haustieren und das Abonnieren von Sportsendern zu ermöglichen. Eine Analyse von OLG-Entscheidungen zum Thema Unterbringungskomfort bietet Beck HRRS 2013, 9 ff.
[65] Ausf. dazu Arloth, StVollzG, 3. Aufl. (2011), § 144 Rn. 2; Huchting/Pollähne, in: Alternativ-Kommentar-StVollzG, 6. Aufl. (2012), § 144 Rn. 2-5.
[66] Vor dem Hintergrund dieses Arguments erweist sich die Auffassung von LG Marburg StV 2012, 671; Steinhilber, Mord und Lebenslang (2012), S. 130 als verfehlt, wonach die Privilegien des Abstandsgebots auch für den Vollzug der lebenslangen Freiheitsstrafe gelten müssten, wenn die aus Gründen der besonderen Schwere der Schuld festgesetzte Mindestverbüßungszeit abgelaufen ist, aber der Verurteilte aus Gründen der weiteren Gefährlichkeit weiterhin in Haft gehalten wird (sog. Sicherungsüberhang bei lebenslanger Freiheitsstrafe). Der aus Sicherheitsgründen weiterhin Inhaftierte erbringt kein notstandsrechtlich begründetes Sonderopfer, sondern büßt (weiterhin) für eine selbstver-schuldete Tatbegehung. I.E. wie hier Bartsch/Kreuzer StV 2012, 674, 676 f.
[67] So wohl auch Bartsch/Kreuzer StV 2012, 674, 675; Schöch GA 2012, 14, 18.
[68] Zutreffend Höffler/Kaspar ZStW 124 (2012), 87, 118 ("Es leuchtet nicht ein, warum die Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme[Sicherungsverwahrung]davon abhängen sollte, in welcher Relation ihre Ausgestaltung zu einer anderen[Strafe]steht.").
[69] BVerfGE 128, 326, 387 f. Tz. 129 f. Krit. zur Vorgabe einer Rahmengesetzgebung contra constitutionem Hörnle NStZ 2011, 488, 493; Bartsch Forum Strafvollzug 2011, 267, 271; Payandeh/Sauer Jura 2012, 289, 298; Drenkhahn/ Morgenstern ZStW 124 (2012), 132, 193. Eine solche Vorgabe erscheint jedoch insofern sachgerecht, als die Länder überhaupt in groben Zügen wissen müssen, was sie eigentlich vollziehen sollen; ebenso Schöch GA 2012, 14, 16.
[70] BGBl. I, S. 2425. Ausf. dazu Pollähne StV 2013, 249 ff.; Peglau JR 2013, 249 ff. Zu Neuregelungen im StVollzG Lesting StV 2013, 278 ff.
[71] Vor dem Hintergrund der nunmehrigen Ähnlichkeit von Sicherungsverwahrung und Therapieunterbringung bestimmt zudem der neue § 2 Abs. 2 ThUG, dass Therapieuntergebrachte künftig grundsätzlich auch im Sicherungsverwahrungsvollzug untergebracht werden können. Krit. dazu unter konventionsrechtlichen Gesichtspunkten Höffler/Stadtland StV 2012, 239, 245.
[72] Krit. dazu Böttcher Forum Strafvollzug 2011, 281, 283 ("Opferschutz darf[…]nicht davon abhängig gemacht werden, dass gegenüber dem Täter alle Vorgaben des BVerfG erfüllt wurden."); Pollähne StV 2013, 249, 253.
[73] Der ursprüngliche Entwurf der BReg, BT-Drs. 17/9874, S. 6 sah sogar nach Ablauf der Zehnjahresfrist eine halbjährliche Überprüfung vor. Davon wurde im weiteren Gesetzgebungsverlauf unter Hinweis auf die "therapeutische Kontraproduktivität" einer Halbjahresfrist Abstand genommen (BT-Drs. 17/9874, S. 41 i.V.m. BT-Drs. 17/11388, S. 33). Krit. zur Unterschreitung der Jahresfrist Bartsch Forum Strafvollzug 2011, 267, 273.
[74] So auch Leipold NJW-Spezial 2012, 760, 761; Leutheusser-Schnarrenberger DRiZ 2013, 74, 75. Die Neuregelungen begrüßend auch Beck HRRS 2013, 9, 15.
[75] Satzger StV 2013, 243, 248 f. A.A. Renzikowski ZIS 2011, 531, 534. Eine interessante, hier aber nicht weiter zu verfolgende Frage ist, ob der EGMR im Falle einer Angleichung von Straf- und Maßregelvollzug auf das (hohe) Niveau der Sicherungsverwahrung doch wieder eine Strafähnlichkeit derselben annehmen würde.
[76] BayLT-Drs. 16/13834 (abrufbar unter http://www1.bayern.landtag.de/ElanTextAblage_WP16/Drucksachen/Basisdrucksachen/0000008500/0000008907.pdf ), beschlossen am 16. Mai 2013. Vergleichbare Gesetze mit Wirkung zum 1. Juni 2013 sind zuvor in anderen Bundesländern verabschiedet worden, z.B. das Nds. SVVollzG (Nds. GVBl. 2012, S. 566).
[77] Konkret: in einem neuerrichteten Gebäude mit 84 Unterbringungsplätzen innerhalb der Außenmauern der JVA Straubing, BayLT-Drs. 16/13834, S. 3.
[78] (Wenige) Ausnahmen von diesem Grundsatz regelt Art. 85 Abs. 2 i.V.m. Art. 12 Abs. 2 BaySvVollzG, bspw. bei Katastrophen.
[79] Vgl. BVerfGE 128, 326, 380 Tz. 115 ("keine vollständige räumliche Ablösung vom Strafvollzug").
[80] Zur Ausgestaltungsmöglichkeit eines solchen Bartsch Forum Strafvollzug 2011, 267, 272 m.w.N.
[81] BVerfGE 128, 326, 379 f. Tz. 113.
[82] Zum Behandlungskonzept des bayerischen Sicherungs-verwahrungsvollzugs unter Berücksichtigung des Abstands-gebots Endres/Breuer Forum Strafvollzug 2011, 285 ff.
[83] Siehe etwa OLG Naumburg Forum Strafvollzug 2012, 55, 58 (mindestens 20 m²) versus OLG Hamm (Fn. 47), Tz. 26.
[84] Arloth Forum Strafvollzug 2012, 59, 60.
[85] Nach Bartsch Forum Strafvollzug 2011, 267, 270 ist allerdings die Nutzung eigener Kleidung auch in der Strafhaft "vielerorts längst erlaubt".
[86] Zum Vergleich: Nach Art. 27 Abs. 1 S. 2 BayStVollzG beträgt das Besuchsrecht Strafgefangener mindestens eine Stunde im Monat.
[87] BayLT-Drs. 16/13834, S. 38.
[88] Zur Problematik im Bereich des Strafvollzugs siehe Joester/Wegner, in: Alternativ-Kommentar-StVollzG, 6. Aufl. (2012), § 24 Rn. 26.
[89] So Kinzig NJW 2011, 177. Grosse-Bröhmer/Klein ZRP 2010, 172, 174 verwenden den Begriff "ursprüngliche" Sicherungs-verwahrung.
[90] Mosbacher HRRS 2011, 229, 237.
[91] Guter Kurzüberblick bei Esser JA 2011, 727, 733; Mitsch JuS 2011, 785, 787 f.; Kinzig NJW 2011, 177 f. Ein vollständiger Katalog möglicher Anlasstaten findet sich bei Ullenbruch/Drenkhahn/Morgenstern (Fn. 6), § 66 Rn. 61 f.
[92] Hörnle NStZ 2011, 488, 492; Anders JZ 2012, 498, 500.
[93] Hörnle NStZ 2011, 488, 493. Wohl ebenso Bartsch Forum Strafvollzug 2011, 267, 273; Kreuzer/Bartsch StV 2011, 472, 479.
[94] Ebenso BT-Drs. 17/11388, S. 33 f.
[95] BVerfGE 128, 326 Tenor zu II.
[96] Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, 29. EL (Stand 10/2008), § 78 Rn. 56-63.
[97] Vgl. auch Volkmann JZ 2011, 835, 840 ("Nicht durch das, was sie enthalten, verstoßen[die vorhandenen Regelungen]gegen das GG, sondern durch das, was ihnen noch alles fehlt.").
[99] Drenkhahn/Morgenstern ZStW 124 (2012), 132, 148.
[100] Esser, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl. (2012), Art. 5 EMRK/Art. 9, 10, 11 IPBPR Rn. 80; Kinzig NJW 2011, 177, 178 Fn. 10 (jew. m. Nachw. a.d. EGMR-Rspr.).
[101] Esser (Fn. 100), Art. 5 EMRK/Art. 9, 10, 11 IPBPR Rn. 134 m.w.N.; Drenkhahn/Morgenstern ZStW 124 (2012), 132, 151. A.A. wohl Grosse-Bröhmer/Klein ZRP 2010, 172, 173.
[102] Siehe aber Kinzig StraFo 2011, 429, 436, der zuvor für eine Abschaffung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung plädiert hatte.
[103] Esser JA 2011, 727, 728. Zu den Einzelheiten der Anordnungsvoraussetzungen Kinzig NJW 2011, 177, 178 f.
[104] Stuckenberg, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl. (2013), § 275a Rn. 4.
[105] Ausdrücklich klargestellt von BVerfG NJW 2012, 3357, 3358 Tz. 68 = HRRS 2012 Nr. 657.
[106] EGMR NJW 2010, 2495 f. Tz. 87 f. (M./Deutschland); 2012, 1707, 1708 Tz. 36 (Schmitz/Deutschland). Dazu, dass die Redeweise von einer Kausalbeziehung in diesem Zusammenhang verfehlt ist, Hörnle, in: Festschrift für Rissing-van Saan, S. 239, 246 ("Der Sache nach gemeint ist offensichtlich Zurechnung.").
[107] Esser (Fn. 100), Art. 5 EMRK/Art. 9, 10, 11 IPBPR Rn. 68
[108] Esser (Fn. 100), Art. 5 EMRK/Art. 9, 10, 11 IPBPR Rn. 84.
[109] Kinzig NStZ 2010, 233, 239; ders. NJW 2011, 177, 179 (unter Hinweis auf OLG Hamm NStZ-RR 2010, 388 f.); ders. StraFo 2011, 429, 432. Skeptisch auch Hörnle NStZ 2011, 488, 493 a.E. Diff. Esser (Fn. 100), Art. 5 EMRK/ Art. 9, 10, 11 IPBPR Rn. 85.
[110] Kreuzer ZRP 2011, 7, 8 f.; Streng JZ 2011, 827, 834; Bartsch Forum Strafvollzug 2011, 267, 273; Satzger StV 2013, 243, 247.
[111] Wessels/Beulke, Strafrecht AT, 42. Aufl. (2012), Rn. 167.
[112] Kreuzer ZRP 2011, 7, 8.
[113] BVerfG NJW 2012, 3357, 3360 ff. Tz. 92-112 mit abl. Anm. G. Merkel ZIS 2012, 521 ff.
[114] Missverständlich Volkmann JZ 2011, 835, 836, wonach § 66b StGB gestrichen und mithin die nachträgliche Sicherungsverwahrung im Erwachsenenstrafrecht abgeschafft worden sei.
[115] Esser JA 2011, 727, 734.
[116] BVerfGK 16, 98, 106 = HRRS 2010 Nr. 265 m. krit. Anm. Foth NStZ 2010, 267 f. (zum dem heutigen § 66b StGB entsprechenden § 66b Abs. 3 StGB a.F.).
[117] BVerfGE 128, 326, 404 Tz. 166.
[118] BVerfGK 16, 98, 111 (im Anschluss an BGHSt 52, 379, 391 Tz. 35). Krit. hierzu Kinzig NJW 2011, 177, 180; Esser (Fn. 100), Art. 5 EMRK/Art. 9, 10, 11 IPBPR Rn. 86 ("Etikettenschwindel").
[119] BVerfG HRRS 2013 Nr. 228, Tz. 29-41.
[120] Näher zu diesen Voraussetzungen siehe unten IV. 3. b) bb) bzw. Fn. 173.
[121] EGMR JR 2013, 78, 80 f. (S./Deutschland) m. abl. Anm. Peglau. Ebenso i.E. Esser (Fn. 100), Art. 5 EMRK/Art. 9, 10, 11 IPBPR Rn. 86; Stuckenberg (Fn. 104), § 275a Rn. 6; G. Merkel/Roth HFR 2010, 250, 255 Rn. 10; Kinzig NJW 2011, 177, 180; Streng JZ 2011, 827, 833 f.; Renzikowski ZIS 2011, 531, 535. Zweifelnd Kreuzer ZRP 2011, 7, 8.
[122] Esser (Fn. 100), Art. 5 EMRK/Art. 9, 10, 11 IPBPR Rn. 86.
[123] Esser (Fn. 100), Art. 5 EMRK/Art. 9, 10, 11 IPBPR Rn. 86.
[124] Rissing-van Saan/Peglau (Fn. 20), § 66b Rn. 160.
[125] Dazu, dass im Falle der nachträglichen Anordnung gem. § 66b StGB keine gespaltene Hauptverhandlung, sondern vielmehr zwei eigenständige Verfahren erfolgen, Stuckenberg (Fn. 104), § 275a Rn. 5.
[126] Siehe etwa OLG Koblenz NStZ 2005, 97. Ausführlich zu den einzelnen Voraussetzungen Rissing-van Saan/Peglau (Fn. 20), § 66b Rn. 65-156.
[127] Dazu Anders JZ 2012, 498, 501 f.
[128] BVerfG StV 2012, 25, 27 Tz. 39 = HRRS 2011 Nr. 1132; OLG Karlsruhe StV 2012, 228, 229.
[130] Bock HRRS 2010, 533, 534. Ähnlich Höffler/Kaspar ZStW 124 (2012), 87, 103 ("völlig unklar").
[132] BT-Drs. 17/9874, S. 31 i.V.m. BT-Drs. 17/3403, S. 54.
[133] Nußstein NJW 2011, 1194, 1196. Zweifelnd auch Morgenstern ZIS 2011, 974, 978.
[134] J. Müller NK 2012, 54, 55 u. 57. Der Hinweis von Dessecker ZIS 2011, 706, 712 auf den Wortlaut von § 1 Abs. 1 Nr. 1 ThUG ("an einer psychischen Störung leidet" – gegen dieses Argument Nußstein StV 2011, 633, 634) verfängt hier schon deshalb nicht, weil Art. 316f Abs. 2 S. 2 EGStGB nur noch auf das "Vorliegen" einer Störung abstellt.
[135] So i.E. OLG Hamm StV 2011, 681, 686.
[136] J. Müller NK 2012, 54, 56 f.; Satzger StV 2013, 243, 248.
[137] J. Müller NK 2012, 54, 57. Aufgegriffen z.B. von BayLT-Drs. 16/13868, S. 1 (Entschließungsantrag Freie Wähler).
[138] Anders aber Schöch NK 2012, 47, 52, der den Begriff der psychischen Störung von vornherein auf gefährliche Störungen begrenzen will.
[139] Darauf weist hin Bock HRRS 2012, 533 ff.
[140] A.A. Morgenstern ZIS 2011, 974, 980 ("muss[nur]zwischen Juristen und Psychiatern geklärt werden").
[141] So i.E. auch BVerfG StV 2012, 25, 26 f. Tz. 35-40 (obiter dictum); BGHSt 56, 254, 261 Tz. 24 = HRRS 2011 Nr. 977; BGHSt 56, 248, 251 Tz. 7 (obiter dictum) = HRRS 2011 Nr. 637; Schöch NK 2012, 47, 50 u. 52; ders. (Fn. 37), S. 121; ders. JR 2012 173, 175 f.; Klein, in: Beck’scher Online-Kommentar, StPO, Ed. 15 (Stand 10/2012), § 1 ThUG Rn. 27 f.; Schröder/Starke DRiZ 2011, 254, 256 f.
[142] Kindhäuser, Lehr- und Praxiskommentar StGB, 5. Aufl. (2013), § 20 Rn. 1.
[143] Dazu zuletzt Lindemann, in Krüper (Hrsg.), Grundlagen des Rechts, 2. Aufl. (2013), § 13; Weißer GA 2013 26 ff.; Jäger GA 2013, 3 ff.; Herzberg ZStW 124 (2012), 12 ff.; Hirsch ZIS 2010, 62 ff.
[144] Vgl. etwa Hoerster, Muss Strafe sein? (2012), S. 103 ff.
[145] Zum Rollentausch-Gedankenexperiment Zimmermann, in: Ast/Hänni/Mathis/Zabel (Hrsg.), Gleichheit und Universalität. ARSP-Beiheft 128 (2012), S. 195 ff. Auf die Frage des Andershandelnkönnens (i.S.v. echter Willensfreiheit) kommt es dabei nicht an, vgl. Zimmermann (Fn. 62), S. 82 Fn. 270.
[146] Hierzu R. Merkel, Willensfreiheit und rechtliche Schuld (2008), S. 105 f.; G. Merkel, in: Festschrift für Herzberg (2008), S. 3, 18 f.
[147] Fischer (Fn. 12), § 21 Rn. 2.
[148] Drenkhahn/Morgenstern ZStW 124 (2012), 132, 200.
[149] Vgl. Höffler/Stadtland StV 2012, 239, 240 ("Intensitäts-Element").
[150] Exemplarisch BGH NStZ-RR 2008, 70, 71 = HRRS 2008 Nr. 47 ("[D]ie Diagnose ‚dissoziale Persönlichkeitsstörung‘ lässt für sich genommen eine Aussage über die Frage der Schuldfähigkeit eines Täters nicht zu.[…]Eine solche Störung kann immer auch als[…]Spielart menschlichen Wesens einzuordnen sein, die sich noch innerhalb der Bandbreite des Verhaltens voll schuldfähiger Menschen bewegt."); Fischer (Fn. 12), § 20 Rn. 42 ("die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung sagt nichts darüber aus, ob sie iS von §§ 20, 21 ‚schwer‘ ist").
[151] Fallbeispiel bei OLG Hamm StV 2011, 681, 682 ff. Zur Symptomatik Schröder/Starke DRiZ 2011, 254, 256 Fn. 24. Zu den neurobiologischen Hintergründen von Psychopathie G. Merkel/Roth HFR 2010, 250, 266 ff.
[152] Zumindest missverständlich ist deshalb die Auffassung von Mosbacher HRRS 2011, 229, 235, ein Auftragsmord oder Bankraub sei aufgrund seiner "‚rationale[n]‘ Grundlage" nicht geeignet, eine psychische Störung zu indizieren. Denn ob ein Empathieunfähiger zur Befriedigung seiner Lust oder seiner Geldgier handelt, macht insoweit keinen Unterschied.
[153] So LG Bielefeld 3 KLs 66 Js 441/06 – 76/06 – AK 34/06, Urteil v. 12. März 2007, UA 51 (zitiert nach BGH NStZ-RR 2008, 70, 71).
[154] A.A. G. Merkel/Roth HFR 2010, 250, 268 ff.; G. Merkel Betrifft Justiz 2011, 202, 207. Tendenziell ähnlich Höffler/Stadtland StV 2012, 239, 242.
[155] Zsf. R. Merkel, in: Institut für Kriminalwissenschaften Frankfurt a.M. (Hrsg.), Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts (1995), S. 171, 183 ff. Zur bloßen Ergänzungsfunktion genuin altruistischer Interessen in diesem Begründungsmodell Zimmermann (Fn. 62), S. 81.
[156] Kant, Zum Ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf (1796|1795), B 61|A 60. Dazu Engländer, Diskurs als Rechtsquelle? (2002), S. 174 f.
[157] Eindrückliche Schilderung aus Betroffenensicht bei Faller Zeit-Magazin Nr. 44/2012.
[158] So ausdrücklich Fischer (Fn. 12), § 20 Rn. 42 i.V.m. Rn. 41.
[159] A.A. Morgenstern ZIS 2011, 974, 981; Streng JZ 2011, 827, 832; G. Merkel Betrifft Justiz 2011, 202, 205 f.
[160] Mit Recht betont Schöch JR 2012, 173, 174, dass die verbreitete Kritik am Begriff der psychischen Störung – vgl. nur Kreuzer/Bartsch StV 2011, 472, 473 ("Etikettenschwin-del"); Zabel JR 2011, 467, 471 ("Psychiatrisierung"); Kinzig StraFo 2011, 429, 434 ("Umdefinierung") – im Kern rechtspolitischer Natur ist.
[161] Ullenbruch StV 2012, 44, 49. Zweifelnd auch Nußstein NJW 2011, 1194; Morgenstern ZIS 2011, 974, 978 mit Fn. 37; Krehl StV 2012, 27, 29; Anders JZ 2012, 498, 503.
[162] BVerfG StV 2012, 25, 26 Tz. 36.
[163] Für Konventionskonformität BVerfG StV 2012, 25, 26 Tz. 35 ff. (obiter dictum); BGHSt 56, 254, 262 Tz. 26; Schöch NK 2012, 47, 50; dagegen Kreuzer ZRP 2011, 7, 10; ders./ Bartsch StV 2011, 472, 473; Streng JZ 2011, 827, 832; Renzikowski ZIS 2011, 531, 538. Zweifelnd Anders JZ 2012, 498, 503 f.
[164] Ullenbruch StV 2012, 44, 47; Satzger StV 2013, 243, 249 Fn. 77. Ähnlich Höffler/Stadtland StV 2012, 239, 242 f., wonach der Störungsbegriff EMRK-konform dahingehend auszulegen sei, dass jedenfalls eine "erhebliche" psychische Störung mit Krankheitswert i.S.d. biologischen Komponente der §§ 20, 21 StGB vorliegen muss. Schöch JR 2012, 173, 176 empfiehlt, zur konventionsrechtlichen Absicherung de lege ferenda eine "schwere psychische Störung" vorauszusetzen.
[165] Renzikoswki ZIS 2011, 531, 537 f.; Krehl StV 2012, 27, 30; Eschelbach (Fn. 36), § 66b Anh. ThUG Rn. 5.
[166] Morgenstern ZIS 2011, 974, 978 ff.
[167] Esser (Fn. 100), Art. 5 EMRK/Art. 9, 10, 11 IPBPR Rn. 153 Fn. 432.
[168] Dazu Esser (Fn. 100), Art. 5 EMRK/Art. 9, 10, 11 IPBPR Rn. 158.
[169] Ähnliches Argument bei Hörnle NStZ 2011, 488, 490.
[170] Vgl. BT-Drs. 17/3403, S. 19.
[171] Die am 28. Dezember 2012 in Kraft getretene Norm (BGBl. I, S. 2756) war erforderlich geworden, nachdem BGH NJW 2012, 3181 die unter den OLGen zuvor umstrittene Frage der Anwendbarkeit des ThUG in diesen Fällen – siehe etwa OLG Saarbrücken StV 2012, 31, 33 f. versus OLG Nürnberg StV 2012, 233 – verneint hatte. Abl. zur Neuregelung Ullenbruch StV 2013, 268 ff.
[172] BVerfGE 128, 326, 407 Tz. 173 hat die Verfassungs-mäßigkeit des ThUG ausdrücklich offen gelassen (ebenso BGH NJW 2012, 3181, 3182 Tz. 7); krit. dazu Kreuzer/ Bartsch StV 2011, 472, 474. Jedoch ist derzeit eine entsprechende Verfassungsbeschwerde anhängig (2 BvR 2302/11).
[173] BVerfGE 128, 326, 399 Tz. 156. (in Anlehnung an BGHSt 56, 73, 87 Tz. 42 = HRRS 2010 Nr. 1043). Zur Auslegung des Begriffs der hochgradigen Gefahr Mosbacher HRRS 2011, 229, 233 f.; Schöch GA 2012, 14, 29 ff.
[174] OLG Nürnberg StV 2011, 686; Anders JZ 2012, 498, 501; Schöch NK 2012, 47, 51.
[175] Vgl. Nußstein StV 2011, 633, 634.
[176] Kinzig StraFo 2011, 429, 437 ("widersinnig"); Schöch GA 2012, 14, 22. Anders, aber ohne stichhaltige Begründung, OLG Nürnberg StV 2011, 686; Klein (Fn. 141), § 1 ThUG Rn. 6a, 30a. Nicht weiter hilft die Überlegung von Hörnle NStZ 2011, 488, 491, wonach die geringeren Anforderungen an die Gefahrprognose nach § 1 ThUG gegenüber derjenigen für eine rückwirkende Sicherungsverwahrung aufgrund der besseren Unterbringungsbedingungen für Therapieunterge-brachte gerechtfertigt seien. Denn jedenfalls besteht ein solcher Unterschied von Gesetzes wegen nicht (mehr) – § 2 Abs. 2 ThUG n.F.
[177] So Nußstein StV 2011, 633, 634.
[178] Nußstein StV 2011, 633, 634 f.
[179] BT-Drs. 17/3403, S. 19 f.
[180] Grosse-Brömer/Klein ZRP 2010, 172; Klein (Fn. 141), § 1 ThUG Rn. 3; Rosenau, in: Festschrift für Venzlaff (2006), S. 286.
[181] BVerfGE 109, 190, 215 Tz. 95. A.A. zuvor Peglau ZRP 2000, 147, 148 f.
[182] BVerfGE 109, 190, 216 Tz. 98.
[183] BVerfGE 109, 190, 221 Tz. 116 u. S. 225 Tz. 127
[184] Nußstein NJW 2011, 1194.
[185] A.A. Eschelbach (Fn. 36), § 66b Anh. ThUG Rn. 1, wonach das ThUG primär auf eine "Rückfallgefahr" abstelle.
[187] Anders JZ 2012, 498, 502; Klein (Fn. 141), § 1 ThUG Rn. 27a. A.A. wohl Kreuzer/Bartsch StV 2011, 472, 475 (zur Übergangsregelung des BVerfG bzgl. Altfälle).
[188] So i.E. auch G. Merkel/Roth HFR 2010, 250, 272 Fn. 85; Ullenbruch StV 2012, 44, 48. A.A. Klein (Fn. 141), § 1 ThUG Rn. 11.1; Schröder/Starke DRiZ 2011, 254, 256; Eisenberg StV 2012, 235. Zweifelnd OLG Saarbrücken StV 2012, 31 f.; Kinzig NJW 2011, 177, 181; Nußstein NJW 2011, 1194; Höffler/Kaspar ZStW 124 (2012), 87, 127; Anders JZ 2012, 498, 503.
[189] BT-Drs. 17/3403, S. 21; Bartsch Forum Strafvollzug 2011, 267, 274. A.A. Ullenbruch StV 2012, 44, 48.
[190] Nach den Berechnungen von Schöch (Fn. 37), S. 119 können die Altfallregelungen allerdings theoretisch bis ins Jahr 2045 Anwendung finden.
[191] Höffler/Kaspar ZStW 124 (2012), 87, 131 prognostizieren "mit enormen finanziellen Verpflichtungen einhergehende Anstrengungen" bei der praktischen Umsetzung des Abstandsgebots.
[192] Ausführlich dazu Brauneisen StV 2011, 311 ff.; Haverkamp/Schwedler/Wößner NK 2012, 62 ff.; Hochmayr ZIS 2012, 537 ff. Zur Alternative einer polizeirechtlichen Dauerobservation BVerfG NJW-Spezial 2013, 24 f.; VG Freiburg 4 K 1115/12, Urteil v. 14.02.2013; Greve/Lucius DÖV 2012, 97 ff.
[193] Hochmayr ZIS 2012, 537, 541.
[194] Vgl. Drenkhahn/Morgenstern ZStW 124 (2012), 132, 183; Kreuzer ZRP 2011, 7, 9; Streng JZ 2011, 827, 835. Skeptisch indes Grosse-Bröhmer/Klein ZRP 2010, 172, 174.
[195] Siehe BR-Stellungnahme, BT-Drs. 17/9874, S. 37 ff. (zur Einführung einer "nachträglichen Therapieunterbringung"). Dazu Anders JZ 2012, 498 ff.; Schöch NK 2012, 47, 53.
[196] Vgl. Anders JZ 2012, 498, 500.
[197] Vgl. Hörnle NStZ 2011, 488, 492; Streng JZ 2011, 827, 833.
[198] So bereits Henkel ZStW 57 (1938), 702, 722 (im Anschluss an Kleinschrod: "die Sicherungsmaßregel hat eine Verbrechensbegehung nicht notwendig zur Voraussetzung, da es bei ihr ausschließlich auf die künftige Gefährdung der Allgemeinheit ankommt."). Ebenso ders. ZStW 58 (1939), 167, 168 ("nicht wesensnotwendig").
[199] Entsprechende Forderungen auf den Verzicht einer Anlasstat finden sich bereits bei Tittmann, Handbuch der Strafrechtswissenschaft, 2. Aufl. (1822), S. 34 (§ 24) i.V.m. S. 264 (§ 133); v. Liszt MschrKrimPsych 1 (1904/05), 8, 9 (in Bezug auf vermindert Schuldfähige). Vgl. auch Ullenbruch NStZ 2001, 292, 297 f.
[200] BVerfGE 109, 190, 220 Tz. 111. Im Sondervotum wird die Anlasstat zudem als "verfassungsrechtlich unabdingbare Voraussetzung" bzw. "Legitimationsgrundlage" der Unterbringung bezeichnet (S. 254 Tz. 208). Ähnlich Rosenau, in: Festschrift für Venzlaff, S. 292. Zu diesem Gedanken bereits Exner ZStW 53 (1934), 629, 637 ff.
[201] Zur aktuellen Entwicklung siehe Simpson (Hrsg.), Neuroimaging in Forensic Psychiatry – From the Clinic to the Courtroom (2012); Sarkar/Clark/Deeley Advances in Psychiatric Treatment 17 (2011), 191 ff.; McCloskey/ Phan/Coccaro Current Psychiatry Reports 7 (2005), 65 ff.; Blair British Journal of Psychiatry 182 (2003), 5 ff.
[202] Siehe oben Fn. 63.