HRRS-Nummer: HRRS 2007 Nr. 961
Bearbeiter: Stephan Schlegel
Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 1681/07, Beschluss v. 31.08.2007, HRRS 2007 Nr. 961
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund nicht gegeben ist (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Ihr kommt grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung nicht zu, und sie dient auch nicht der Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten des Beschwerdeführers; denn sie hat keine Aussicht auf Erfolg.
1. Soweit sich der Beschwerdeführer dagegen wendet, dass Mitarbeiter des Unternehmens m. GmbH als so genannte Sachverständige an der Durchsuchung teilgenommen haben, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig. Denn insofern hat der Beschwerdeführer den Rechtsweg nicht erschöpft (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG). Er richtet sich mit dieser Rüge gegen die Teilnahme bestimmter Beteiligter und damit gegen Art und Weise der Durchsuchung. Hiergegen kann der Beschwerdeführer gemäß § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO die gerichtliche Entscheidung herbeiführen. An einer diesbezüglichen Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts fehlt es (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 18. Dezember 2002 - 2 BvR 1910/02 -, NJW 2003, S. 1513 f.).
2. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet.
a) Es liegt kein Verstoß gegen Verfassungsrecht darin, im Rahmen des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens so genannte Sachverständige bei der Auswertung von ärztlichen Abrechnungsunterlagen einzusetzen.
Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet in Verbindung mit dem allgemeinen Freiheitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) dem Beschuldigten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Strafverfahren (vgl. BVerfGE 64, 135 <145>). Hierzu gehört auch, dass das Strafverfahren in gesetzmäßiger und objektiver Weise durchgeführt wird. Staatsanwaltschaft und Gerichte haben die Aufgabe der Justizgewährung; sie sind hierbei an das Legalitätsprinzip (vgl. BVerfGE 20, 162 <222>; 46, 214 <223>) gebunden. Die Grenzen der einzubeziehenden Personen und die Grenzen der ihnen übertragbaren Aufgaben ergeben sich aus Aufgabe und Stellung, die den Ermittlungsbehörden im gesetzlich geordneten Strafverfahren zukommt.
Aus dieser vom Legalitätsprinzip geprägten besonderen Stellung folgt, dass an die Anklagebehörde und die Personen, deren Hilfe sie sich bedienen, hohe Anforderungen hinsichtlich ihrer Unparteilichkeit zu stellen sind. Gemessen an diesem Maßstab ist die Einbeziehung der Mitarbeiter der m. GmbH in die Auswertung von Abrechnungsunterlagen im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren in der konkreten Art nicht zu beanstanden. Die Tätigkeit der als "Sachverständige" bezeichneten Mitarbeiter der Firma m. GmbH bestand darin, die ihnen zur Verfügung gestellten Unterlagen des Beschwerdeführers auf Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung zu untersuchen und den eventuell entstandenen Schaden zu berechnen. Dass sie hierfür als Sachverständige vergütet wurden, spricht nicht gegen ihre Teilnahme am Ermittlungsverfahren. Denn es wird nicht dargelegt, dass die Höhe und die Modalitäten der Vergütung dazu führen, dass die gefertigten Gutachten parteiisch wären, und damit in verfassungsrechtlich relevanter Weise Zweifel an der Objektivität der Strafverfolgung entstehen könnten. Insbesondere die Behauptung des Beschwerdeführers, dass das Ergebnis des Ausgangsgutachtens von der Aussicht auf Folgeaufträge geleitet gewesen sei, vermag keine grundlegenden Zweifel an der Unparteilichkeit der beauftragten Mitarbeiter der m. GmbH zu begründen. Denn diese nehmen keine rechtlichen Wertungen hinsichtlich eines möglicherweise vorliegenden Betrugstatbestandes vor, insbesondere treffen sie keine konkreten Aussagen zum Kenntnisstand der Mitarbeiter des Beschwerdeführers, die im Rahmen der Beurteilung des subjektiven Tatbestandes verwertet werden könnten. Die rechtliche Bewertung der festgestellten Tatsachen oblag damit allein der Staatsanwaltschaft. Die Tatsachenaufbereitung versetzte die Staatsanwaltschaft in die Lage zu entscheiden, ob das Verfahren fortgeführt werden soll und inwiefern weitere Ermittlungsmaßnahmen notwendig seien. Keine dieser Entscheidungen wurde jedoch vorweggenommen, die Hoheit über den Fortgang der Ermittlungen lag nach wie vor in den Händen der hierfür von der Strafprozessordnung bestimmten Strafverfolgungsbehörden. An der Objektivität der Strafverfolgung bestehen hier keine begründeten Zweifel.
b) Auch ein Verstoß gegen den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes durch die Einbeziehung der Mitarbeiter der m. GmbH liegt nicht vor. Dieser fordert unter anderem, dass in den Bereichen, in denen für die Grundrechtsentfaltung wesentliche Belange des Einzelnen berührt sind, eine gesetzliche Grundlage für hoheitliches Handeln vorliegen muss (vgl. BVerfGE 47, 46 <78 f.>; 83, 130 <151 ff.>; 95, 267 <307 f.>). Die Mitarbeiter der m. GmbH selbst haben keine in die Grundrechte des Beschwerdeführers eingreifenden strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen im eigenen Ermessen angeordnet, sondern waren im Bereich der Vorbereitung derselben in tatsächlicher Hinsicht nach Weisung tätig, ohne damit Entscheidungen für den Fortgang des Ermittlungsverfahrens vorwegnehmen zu können. Es ist nichts dagegen zu erinnern, dass die Staatsanwaltschaft sich zur Durchdringung des komplexen Gebiets des ärztlichen Abrechnungswesens besonderer Sachkunde bediente (vgl. Krause, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl. 2003, vor § 72 Rn. 4). Damit war die Einordnung der Mitarbeiter als Sachverständige im Sinne der §§ 72 ff. StPO durch die Staatsanwaltschaft nach verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht zu beanstanden. Eine spezielle, über die allgemeine Ermittlungsbefugnis der Staatsanwaltschaft aus § 161 Abs. 1 StPO hinausgehende gesetzliche Grundlage, die gemäß §§ 161a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit §§ 72 ff. StPO auch die Bestellung Sachverständiger umfasst, ist für ihr Handeln nicht erforderlich.
c) Auch der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts und seine Bestätigung durch den Beschluss des Landgerichts verstoßen nicht gegen Grundrechte, insbesondere nicht gegen Art. 13 Abs. 1 GG. Zwar greift eine Durchsuchung in die durch Art. 13 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützte Lebenssphäre, in der dem Einzelnen zur freien Entfaltung der Persönlichkeit ein elementarer Lebensraum gewährleistet wird, schwerwiegend ein (vgl. BVerfGE 42, 212 <219 f.>; 59, 95 <97>; 96, 27 <40>; 103, 142 <150 f.>). Dem Gewicht dieses Eingriffs entspricht es, dass Art. 13 Abs. 2 GG die Anordnung einer Durchsuchung grundsätzlich dem Richter vorbehält; es verlangt eine eigenverantwortliche richterliche Prüfung der Eingriffsvoraussetzungen. Die richterliche Durchsuchungsanordnung ist keine bloße Formsache (vgl. BVerfGE 57, 346 <355>). Gemessen an diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen ist der Durchsuchungsbeschluss nicht zu beanstanden. Es entspricht der in der Strafprozessordnung vorgesehenen Aufgabenteilung, dass der Richter auf die bisherigen Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft zurückgreifen kann, um eine eigene Entscheidung zu treffen. Der Beschwerdeführer legt nicht dar, woraus zu entnehmen sein könnte, dass keine eigenständige richterliche Überprüfung vorgenommen wurde. Allein die Tatsache, dass die Vorgaben des Antrags der Staatsanwaltschaft zu großen Teilen übernommen wurden, schließt eine solche Prüfung nicht aus.
Erforderlich zur Rechtfertigung eines Eingriffs in die Unverletzlichkeit der Wohnung ist darüber hinaus jedenfalls der Verdacht, dass eine Straftat begangen worden sei. Das Gewicht des Eingriffs verlangt Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen. Ein Verstoß gegen diese Anforderungen liegt vor, wenn sich sachlich zureichende plausible Gründe für eine Durchsuchung nicht mehr finden lassen (vgl. BVerfGE 59, 95 <97>). Dies ist hier nicht der Fall. Dass die Staatsanwaltschaft angenommen hat, dass die Mitarbeiter der P. Kenntnis von dem Fehlen bestimmter Abrechnungsvoraussetzungen hatten, ist keine völlig sachfremde, willkürliche Bewertung der ihnen vorliegenden Tatsachen. Interne Absprachen zwischen Arzt und Abrechnungsunternehmen können strafrechtlich relevantes Verhalten des Beschwerdeführers zu Lasten Dritter nicht rechtfertigen; auch geht aus den Aussagen des Beschwerdeführers selbst hervor, dass seinen Mitarbeitern Unregelmäßigkeiten aufgefallen seien, die sie jedoch nach Absprache mit dem behandelnden Arzt ignoriert hätten.
Schließlich war der Durchsuchungsbeschluss auch nicht unverhältnismäßig. Eine Begrenzung der aufzufindenden Unterlagen auf die Unterlagen von Frau Dr. N. war nicht erforderlich. Der Anfangsverdacht im konkreten Ermittlungsverfahren ging zwar auf eine Aussage von ihr zurück. Der Schluss der Staatsanwaltschaft, dass auch bei anderen Ärzten Unregelmäßigkeiten in den Abrechnungen vorliegen könnten, die von der P. trotz besseren Wissens bearbeitet würden, entbehrte jedoch nicht jeglicher Grundlage.
d) Die Verfassungsbeschwerde ist ebenfalls unbegründet, soweit der Beschwerdeführer sich gegen die Beschlagnahme des elektronischen Datenbestandes sowie weiterer geschäftlicher Unterlagen wendet. Die Durchsuchung und die Beschlagnahme sind getrennte Entscheidungsgegenstände; das Gesetz stellt kein grundsätzliches Beschlagnahmeverbot für fehlerhafte Durchsuchungen auf, die zur Sicherstellung von Beweisgegenständen führen. Wird mit einer Verfassungsbeschwerde ein Verwertungsverbot geltend gemacht, muss der Beschwerdeführer daher substantiiert darlegen, ob ein ebenso geltend gemachter formaler Fehler bei der Durchsuchung die Beweiserlangung bei hypothetisch rechtmäßiger Vorgehensweise gehindert hätte und ob dies verfassungsrechtlich zu beanstanden wäre (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. Oktober 2003 - 2 BvR 1707/02 -, NStZ 2004, S. 216). Hierzu hat der Beschwerdeführer nichts Erhebliches vorgetragen. Insbesondere wird aus seinem Vortrag nicht deutlich, welche Aufgaben die Mitarbeiter der m. GmbH bei der Durchsuchung der Geschäftsräume des Beschwerdeführers wahrgenommen haben, die möglicherweise einen so schwerwiegenden Fehler bei der Untersuchung darstellen, dass er auf die Beschlagnahme durchschlagen könnte.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
HRRS-Nummer: HRRS 2007 Nr. 961
Bearbeiter: Stephan Schlegel