HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

März 2015
16. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Das heimliche Verschwinden der Appellfunktion des Straftatbestandes und die unheimliche Kriminalisierung des Bürgers

Ist in der komplexen Lebenswirklichkeit jedes strafrechtliche Verbot allein mit gesundem Menschenverstand klar erkennbar?

Von Dr. iur. Maximilian Gaßner, Präsident des Bundesversicherungsamtes, und Jens M. Strömer, LL.M. (Medizinrecht), Referent im Bundesversicherungsamt, Bonn[*]

I. Die Appellfunktion des Straftatbestandes

Der Gedanke einer Appellfunktion des Straftatbestandes[1] ist ein wichtiger Aspekt der ethischen Legitimation des staatlichen Strafanspruchs. Er besagt, dass sich aus den äußeren Umständen einer strafbaren Handlung für den Täter der Unwertgehalt einer Tat unmittelbar aus dem gesunden Menschenverstand ("common sense[2] ") ergibt und er vor der Begehung der Tat von selbst ein inneres Warnsignal, einen "Appell", erfährt.[3] Die herkömmliche Strafrechtsdogmatik[4] geht insofern davon aus, dass allein die Sozialwidrigkeit eines bestimmten Verhaltens einen Menschen daran erinnert, dass ein bestimmtes Verhalten verboten sein könnte und daher zu unterlassen ist. Hieraus zieht die Gesellschaft u. a. die ethische Berechtigung, dass ein Täter für eine Handlung auch dann bestraft werden kann, wenn er seine Handlung nicht juristisch exakt unter die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen des entsprechenden Strafgesetzes subsumieren kann.[5] Insoweit ist der Gedanke der Appellfunktion des Tatbestandes auch Ausdruck einer naturrechtlichen Vorstellung, wonach es unabhängig von den jeweiligen kulturellen Einflüssen und der Kenntnis der konkreten staatlichen Gesetze selbstverständlich ist, dass manche Handlungen besonders verwerflich und daher strafwürdig sind. In nahezu allen Kulturen und nahezu allen Rechtsordnungen war zu allen Zeiten anerkannt, dass es verboten ist, andere Menschen grundlos zu töten, andere Menschen grundlos zu verletzen oder anderen Menschen etwas zu stehlen. Insoweit ist der Gedanke einer Appellfunktion des Tatbestandes auch Ausdruck eines ethischen Grundkonsenses der Gesellschaft bzw. sogar der gesam-

ten Menschheit. Bei manchen Delikten gibt es zwar unterschiedliche kulturelle Bewertungen des Unwertgehaltes, jedoch werden im deutschen Kernstrafrecht i. d. R. nur solche Handlungen strafrechtlich sanktioniert, deren gesellschaftlicher Unwertgehalt grundsätzlich jeder unmittelbar erfassen kann, selbst wenn nicht jeder den gesellschaftlichen Grundkonsens unserer Gesellschaft teilt. Für extreme Grenzfälle gibt es die Rechtsfigur des unvermeidbaren Verbotsirrtums (§ 17 S. 1 StGB).[6]

Derzeit ist bei der strafrechtlichen Sanktionspraxis eine bemerkenswerte Entwicklung zu beobachten. Einerseits kommt es im Bereich der Gewaltkriminalität nach wie vor dazu, dass die Justiz bisweilen die "Banalität des Bösen" unterschätzt und für Straftaten mit schwerwiegenden körperlichen und seelischen Folgen für das Opfer trotz erwiesener Schuld des Täters verhältnismäßig niedrige Strafen verhängt werden, obwohl die eindeutigen Umstände der Tat dem Täter unmittelbar einen starken strafrechtlichen Appell vermittelt haben (Stichwort "U-Bahn-Schläger"). Dies ist insoweit nichts Neues. Neu ist aber die Entwicklung, dass im Bereich des Vermögens- und Steuerstrafrechts zunehmend auch für solche Delikte außerordentlich schwere Strafen verhängt werden, bei denen ein Täter bei der Tatbegehung den Unrechtsgehalt seiner Tat allenfalls mit Mühe richtig erfassen kann. Insbesondere im Bereich des Vermögens- und Steuerstrafrechts gibt es eine Reihe von Situationen, in denen ein Täter zwar alle maßgeblichen Tatsachen noch einigermaßen richtig erfasst,[7] in denen er aber infolge der stets komplexer werdenden Lebenswirklichkeit und der ebenfalls stets komplexer und intransparenter werdenden rechtlichen Rahmenbedingungen kaum noch von einem strafrechtlichen Appell erreicht wird. Wenn aber ein Täter kaum noch von einem nennenswerten strafrechtlichen Appell erreicht wird, ist gerade eine harte Sanktionspraxis rechtsethisch besonders zu hinterfragen.

Der Gedanke der Appellfunktion des Straftatbestandes wird gerne von Strafrechtsdogmatikern in akademischen Beiträgen abstrakt reflektiert, während praktisch tätige Juristen nach unserer Einschätzung im forensischen Alltag eher selten mit ihm argumentieren. Wir halten es aber für wichtig, seine Bedeutung für die Praxis zu veranschaulichen, damit er in Rechtsprechung und Gesetzgebung nicht aus dem Blickfeld gerät. Daher stellen wir im Folgenden ausgesuchte Einzelbeispiele aus verschiedensten Bereichen der Lebenswirklichkeit dar, die wir nach abnehmender Erkennbarkeit des strafrechtlichen Verbots geordnet haben. Jedes Beispiel halten wir cum grano salis für repräsentativ für einen bestimmten Lebensbereich.

II. Die Erkennbarkeit strafrechtlicher Appelle in der Lebenswirklichkeit

1. Beispiele für Situationen mit gut erkennbarem strafrechtliche n Appell

Jeder geistig gesunde Mensch, der einen anderen Menschen grundlos tötet, körperlich verletzt oder ihm grundlos etwas wegnimmt, weiß, dass er damit ein Strafgesetz verletzt. Dies gilt auch dann, wenn er nicht die genauen juristischen Tatbestandsmerkmale von Mord und Totschlag bzw. von Diebstahl, Raub und Unterschlagung kennt.[8] Aus den hier typischerweise eindeutigen Umständen ergibt sich in der Regel ein sehr eindeutiger und ausgeprägter strafrechtlicher Appell, solche Taten nicht zu begehen. Den meisten Menschen wird es auch noch klar sein, dass es wohl verboten sein dürfte, im Auftrag eines vorbestraften Bekannten neue originalverpackte iPads für 50 € auf einem Autobahnparkplatz gegen Provision zu verkaufen. Die äußeren Umstände vermitteln hier in deutlicher Ausprägung den strafrechtlichen Appell "hilf nicht bei der Verwertung von Sachen, die aus einer Straftat herrühren". Zwar werden die wenigsten Menschen die genauen Tatbestandsmerkmale des Hehlereiparagraphen (§ 259 StGB) kennen, jedoch werden doch viele anhand der äußeren Umstände in einer Parallelwertung in der Laiensphäre mühelos erkennen oder jedenfalls vermuten, dass die iPads aus Straftaten herrühren und ihre Verwertung verboten ist.

2. Beispiele für Situationen mit schwieriger zu erkennendem strafrechtlichen Appell

Schwieriger sieht die Sachlage jedoch bereits aus, wenn einem arbeitssuchenden Menschen bei der Lektüre einer Internet-Jobbörse ein Stellenangebot für eine Tätigkeit als "Warenagent", "Versandmitarbeiter" oder "Logistikassistent" unterkommt. Arglosen Arbeitssuchenden wird in solchen Stellenangeboten üblicherweise vorgegaukelt, die vorgesehene Arbeit bestehe lediglich darin, an ihre Privatadresse versendete Pakete entgegenzunehmen, sie auf Beschädigungen zu prüfen, dann mit einem Aufkleber zu versehen und anschließend an eine andere Adresse weiterzuschicken. Tatsächlich rühren diese Pakete auch in diesen Fällen typischerweise aus Straftaten her.[9] Daher handelt es sich bei den beworbenen Tätigkeiten um eine strafbare Beteiligung an einer Hehlerei (§ 259 StGB) bzw. Geldwäsche (§ 261 StGB), was den Betroffenen in dem "Stellenangebot" natürlich nicht direkt mitgeteilt wird. Vielmehr erwecken die "Arbeitgeber" bei der weiteren Kontaktaufnahme durch einen Bewerber den Eindruck eines echten Arbeitsverhältnisses, indem sie für die Aufnahme der Tätigkeit die Mitteilung der Sozialversiche-

rungsnummer, Angaben zur Krankenversicherung, Steuernummer, etc. einfordern. Dass der strafrechtliche Appell "Hilf nicht bei der Verwertung von Sachen, die aus Straftaten herrühren" hier Bedeutung erlangt, ist anfänglich nicht leicht erkennbar. Allerdings dürfte auch in diesen Fällen den meisten Menschen zumindest nach einigen Überlegungen der Verdacht aufkommen, dass die Pakete aus Straftaten herrühren und es tatsächlich um kriminelles Verhalten gehen könnte. Menschen, die auf diese Stellenangebote eingehen, dürften zwar anfänglich nur schwach von einem strafrechtlichen Appell erreicht werden, der kriminelle Charakter der Tätigkeit wird sich aber in den meisten Fällen später deutlicher zeigen. Daher ist es in vielen Fällen durchaus zu Verurteilungen von "Warenagenten" gekommen.

3. Beispiele für Situationen mit kaum noch erkennbarem strafrechtlichen Appell

Noch weniger erkennbar dürfte ein strafrechtlicher Appell bei einer bestimmten im Gesundheitswesen bestehenden Konstellation gewesen sein, die im Strafverfahren gegen Prof. Dr. med. B., dem Leibarzt des verstorbenen Bundespräsidenten Johannes Rau, vorgelegen hat. Prof. B. konnte die Überlebenschancen bestimmter schwerkranker Patienten aufgrund seiner besonderen Fähigkeiten dadurch erhöhen, dass er die Operationen persönlich durchführt, anstatt sie seinen Oberärzten oder den Chefärzten anderer Kliniken[10] zu überlassen. Außerdem waren in einzelnen Fällen die Überlebenschancen von Patienten größer, je eher die Operation durchgeführt wurde. Gesetzlich versicherte Patienten hatten grundsätzlich[11] keinen Anspruch auf die persönliche Durchführung der Operation durch Prof. B., selbst wenn sie in seiner Klinik in Behandlung und letal erkrankt waren.[12] Aufgrund eines komplizierten Zusammenspiels von krankenversicherungs-, gebührenordnungs- und krankenhausrechtlichen Rahmenbedingungen verhielt es sich so, dass Prof. B. in seiner Funktion als Chefarzt einer Universitätsklinik gesetzlich versicherte Patienten ohne zusätzliche Bezahlung durch den Patienten hätte persönlich operieren dürfen (rechtmäßige Alternative 1), aber grundsätzlich auch berechtigt war, den Wunsch von gesetzlich versicherten Patienten nach der persönlichen Durchführung der Operation abzulehnen (rechtmäßige Alternative 2).[13] Er hätte die persönliche Durchführung der Operation aber auch ohne weiteres davon abhängig machen dürfen, dass die schwer erkrankten gesetzlich versicherten Patienten im Rahmen einer Wahlleistungsvereinbarung den vollen Satz einer privatärztlichen Behandlung an ihn persönlich zahlen (rechtmäßige Alternative 3).[14] In allen diesen drei Alternativen hätte sich Prof. B. vollkommen rechtmäßig verhalten. In einer Reihe von Fällen hat er sich aber – insbesondere bei finanzschwachen Patienten – für eine vierte Alternative entschieden: Anstatt für die persönliche Durchführung der Operation die volle Höhe des privatärztlichen Satzes für sich persönlich zu fordern, hat er von den gesetzlich versicherten Patienten einen geringeren Geldbetrag – etwa in Höhe eines Drittels bis zur Hälfte des privatärztlichen Satzes[15] – als Spende für die Forschung der Universitätsklinik ("Drittmittel") gefordert und sie als Gegenleistung persönlich operiert. Dies hat das LG Essen u. a. als Nötigung gemäß § 240 Abs.1 StGB und Bestechlichkeit gemäß § 332 Abs. 1 StGB erachtet und ihn zu drei Jahren Haft verurteilt. Hinsichtlich der Nötigung hat das LG Essen besonders darauf abgestellt, dass Prof. B. in drei der dreißig abgehandelten Fälle gesetzlich versicherten Patienten auch ausdrücklich anbot, dass er sie gegen eine Spende nicht nur persönlich behandeln, sondern auch in den Bettenpool der Privatpatienten aufnehmen würde, so dass diese zeitlich früher operiert werden, als wenn sie dem normalen Bettenpool der gesetzlich versicherten Patienten zugeordnet geblieben wären. Den Umstand, dass Wahlleistungspatienten in Krankenhäusern überhaupt zeitlich bevorzugt werden, hat das LG Essen zwar als "deformierte Praxis" bezeichnet,[16] nicht aber schuldmindernd zu Gunsten von Prof. B. berücksichtigt. Wenn aber ein liquidationsberechtigter Chefarzt von einem gesetzlich versicherten Krankenhauspatienten für eine bessere privatärztliche Behandlung einerseits den vollen privatärztlichen Satz für sich selbst verlangen darf, andererseits die Ermäßigung dieser Forderung bei finanzschwachen Patienten auf ein Drittel oder die Hälfte bei gleichzeitiger Umwidmung als fremdnützige Spende als schlimmes mit Haftstrafe zu sanktionierendes Unrecht anzusehen sein soll, dann stellt sich die Frage, wo ihn hier noch ein nennenswerter Appell des Straftatbestandes erreichen soll. Dass der strafrechtliche Appell "Nötige niemand durch Drohung mit einem empfindlichen Übel" in dieser Situation eine Rolle spielen soll, ist jedenfalls vor dem Hintergrund schwer erkennbar, dass in dieser Situation die Forderung eines höheren Geldbetrags bei Einordnung als Wahlleistung wiederum erlaubt ist. Sicherlich war das Verhalten von Prof. B. diskussionswürdig, dies gilt dann aber auch für die krankenversicherungs-, gebührenordnungs- und krankenhausrechtlichen Rahmenbedingungen sowie für die gängige Praxis von Krankenhausträgern, die Terminvereinbarung von Wahlleistungspatienten und Regelleistungspatienten unterschiedlich zu organisieren und hierdurch Privatpatienten i. d. R. im Ergebnis zeitlich zu bevorzugen. Vielleicht hatte Prof. B. schlicht das Pech, dass das LG Essen mit seinem Urteil en passant auch noch einen Beitrag zur rein versor-

gungspolitischen Diskussion um die "Zwei-Klassen-Medizin" leisten wollte.

Ebenfalls schwer erkennbar war ein strafrechtliche Appell im sogenannten "Augsburger Laborfall",[17] in dem Ärzte bestimmte Laborleistungen ("M III / M IV-Leistungen[Speziallabor]) abgerechnet haben, mit deren Durchführung sie dann ein qualifiziertes Fremdlabor beauftragt haben, obwohl sie diese Speziallabor-Leistungen nach § 4 Abs. 2 GOÄ nur abrechnen durften, wenn sie die Laborleistung selbst erbracht haben (und auch erbringen durften) oder sie unter ihrer Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden. Hier ist ein Arzt im Rahmen einer Art "Pilotverfahren" wegen Abrechnungsbetruges verurteilt worden,[18] obwohl das von ihm beauftragte Fremdlabor die Leistung fachlich einwandfrei erbracht hatte und es – nach dem Gedanken des rechtmäßigen Alternativverhaltens – unter keinem Gesichtspunkt zu einem Schaden gekommen ist:[19] Sowohl für den Fall, dass der abrechnende Arzt entsprechend qualifiziert und die Laborleistung selbst erbracht hätte (rechtmäßige Alternative 1), als auch für den Fall, dass der die Laborleistung durchführende Laborarzt selbst die Abrechnung vorgenommen hätte (rechtmäßige Alternative 2), wäre für den Patienten (bzw. dessen Kostenträger) das wirtschaftliche Ergebnis das gleiche wie bei der Wahl der unrechtmäßigen Alternative 3 gewesen, nämlich der Abrechnung im eigenen Namen und Beauftragung eines fachlich qualifizierten Fremdlabors. Die Bedeutung des strafrechtlichen Appells "Verursache keinen Vermögensschaden durch rechtswidrige Täuschung" ist hier schwer erkennbar, weil das wirtschaftliche Ergebnis für den Patienten bzw. Kostenträger bei der unrechtmäßigen Alternative nicht anders als bei den beiden rechtmäßigen Alternativen gewesen ist. Durch die Wahl einer unrechtmäßigen Alternative hat der Arzt zwar gegen eine gebührenordnungsrechtliche Pflicht verstoßen, jedoch ist diese Berufspflichtverletzung in Bezug auf Kostenträger und Patienten vermögensindifferent.[20] Der BGH hat dagegen den Wert der fachlich fehlerfrei erbrachten Laborleistung mit Blick auf den gebührenordnungsrechtlichen Pflichtverstoß und gegen die allgemeine zivilrechtliche Schadensdogmatik im Ergebnis mit Null bewertet.[21] Ein gewisser Appell war zwar dadurch erkennbar, dass das verdeckte "Outsourcen" bestimmter Laborleistungen (Speziallabor) einen Verstoß gegen eine gebührenordnungsrechtliche Pflicht (§ 4 Abs. 2 GOÄ) darstellt. Da aber unter dem Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens gar kein Schaden entstanden ist, dessen Vorliegen aber Voraussetzung für das Vorliegen eines strafbaren Betruges ist, ist auch hier ein strafrechtlicher Appell in Bezug auf die drohende Verwirklichung des Straftatbestandes eines Abrechnungsbetrugs nur extrem schwach ausgeprägt (zumal andere Staatsanwaltschaften in Parallelfällen die Betroffenen nicht angeklagt, sondern die Verfahren wegen fehlenden Schadens eingestellt haben[22] ). Insoweit ist es durchaus bemerkenswert, dass es in dieser Fallkonstellation zu einer Verurteilung zu einer mehrjährigen Haftstrafe gekommen ist.[23]

4. Beispiele für Situationen ohne jeden erkennbaren strafrechtlichen Appell

Schließlich gibt es manche sozialadäquate Verhaltensweisen, in denen beispielsweise der strafrechtliche Appell "Mache bestimmte Angaben beim Finanzamt" dem einfachen Bürger in keiner Weise vermittelt wird,[24] während manche Landesfinanzbehörden dieses Verhalten ohne weiteres als Grundlage für den Vorwurf einer strafbaren Steuerhinterziehung heranziehen. Für den einfachen Bürger stellt es eine bisweilen nicht zu meisternde Herausforderung dar, vorherzusehen, welchen Vorgängen manches Finanzamt noch steuerrechtliche und damit im Ergebnis auch steuerstrafrechtliche Relevanz zumisst; glücklicherweise konnten hier einige Auswüchse der Finanzbehörden vom BFH wieder eingefangen werden. Beispielhaft erwähnt sei der Fall des Paul-Werner S. Paul‑Werner S. engagierte sich in seiner Freizeit ehrenamtlich in einem kirchlichen Verein, dessen Mitglieder sich um das Wohl von Menschen kümmern, die in einer Einrichtung der Behindertenhilfe untergebracht sind. In diesem Zusammenhang betreute er über mehrere Jahre hinweg ehrenamtlich behinderte Menschen, wofür ihm das Amtsgericht eine Aufwandsentschädigung von jährlich gut 300 € pro betreutem Menschen (25 € monatlich) zahlte. Hauptberuflich war Paul-Werner S. Abteilungsleiter in einem Verband und kam vermutlich überhaupt nicht auf die Idee, dass er die geringe Aufwandsentschädigung, die er für seine ehrenamtliche Tätigkeit erhalten hat, in seiner Steuererklärung angeben muss. Dass der Vorwurf der Steuerhinterziehung hier überhaupt in Frage kommen könnte, war für einen Normalbürger – wenn überhaupt – nur mit viel Mühe, einschlägigem Erfahrungswissen und ungesunder Grübelei erkennbar. Allenfalls in der Gedankenwelt mancher Finanzbeamter verhält es sich so, dass jeder Bürger von selbst stets eine innere Pflicht verspürt, jeglichen erhaltenen monetären Bagatellbetrag, jede finanzielle Ermäßigung oder jede sonstige finanzielle Vergünstigung in seiner Steuererklärung an-

geben zu müssen, damit das Finanzamt dann über die Steuerpflichtigkeit befinden kann. Legt man eine solche Vorstellung zugrunde, würde tatsächlich jede unterlassene Angabe in einer Steuererklärung zwangsläufig auf einer bewussten Täuschung des Finanzamtes durch den Bürger beruhen. In der Lebenswirklichkeit hat aber längst nicht jeder rechtstreue Bürger das Bewusstsein, dass jeglicher Erhalt eines Bagatellbetrags oder einer sonstigen finanziellen Vergünstigung stets auch steuerrechtliche Relevanz haben könnte und in diesem Zusammenhang irgendwelche Anzeige-, Buchführungs- und Aufbewahrungspflichten bestehen könnten. Dies gilt erst recht für einen im Geschäftsleben unerfahrenen bzw. steuerrechtlich nicht versierten Normalverbraucher. Der gesunde Menschenverstand alleine vermittelt jedenfalls einem einfachen Durchschnittsbürger keinen klaren Impuls, eine geringe Aufwandsentschädigung in der Steuererklärung angeben zu müssen. Dies gilt insbesondere dann, wenn er die geringe Aufwandsentschädigung für die Ausübung einer sozial erwünschten ehrenamtlichen Tätigkeit erhalten hat, bei der er in wirtschaftlicher Hinsicht noch erheblich "draufgezahlt" hat. Paul-Werner S. jedenfalls hätte es sich wohl nicht ausmalen können, dass anlässlich seiner ehrenamtlichen Tätigkeit jemals gegen ihn wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ermittelt werden würde.

Tatsächlich leiteten Steuerfahnder wegen der ehrenamtlichen Tätigkeit nicht nur ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen ihn ein, sondern führten darüber hinaus bei dem völlig verdatterten Paul-Werner S. sogar noch eine unangekündigte Steuerfahndungsprüfung durch. Zur Angemessenheit der unangekündigten Steuerfahndungsprüfung bei Paul-Werner S. äußerte sich der Vorsitzende Richter am BFH Heinz-Jürgen Pezzer später dahingehend, es komme ihm so vor, als würde die GSG 9 zur Regelung des Straßenverkehrs eingesetzt.[25] Das FG Baden-Württemberg hielt die steuerrechtliche Beurteilung der Steuerfahnder im Fall Paul-Werner S. aber in Anwendung komplizierter steuerrechtlicher Erwägungen für zutreffend und war insofern der Auffassung, dass die Steuerfahnder den Verdacht einer strafbaren Steuerhinterziehung, der zur unangekündigten Steuerfahndungsprüfung bei Paul-Werner S. geführt hat, zu Recht erhoben haben.[26] Erst der BFH stellte fest, dass die Aufwandsentschädigung doch steuerfrei war und die fehlende Angabe der Aufwandsentschädigung in der Steuererklärung durch Paul-Werner S. insoweit gar nicht strafbar war.[27] Damit ist es letztlich allein der Revision des Paul-Werner S. zu verdanken, dass sein sozialadäquates Verhalten bedenkenlos als nicht strafbar angesehen werden darf. Erst durch das Urteil des BFH wurde klargestellt, dass es sich bei dem Paul-Werner S. von den Steuerfahndern zur Last gelegten Verhalten - in der Begrifflichkeit der strafrechtlichen Irrtumslehre - letztlich um ein "umgekehrtes Wahndelikt" gehandelt hat: Ein Verhalten, das die Voraussetzungen eines Straftatbestandes erfüllt, der in dieser Reichweite nur in der Vorstellung der Strafverfolgungsbehörde, nicht aber in der Wirklichkeit existiert. Hier war die Rechtslage bei klarem Sachverhalt selbst für die Strafverfolgungsbehörde zu kompliziert, ohne dass man ihr die fehlerhafte Beurteilung der Rechtslage in besonderer Weise hätte vorwerfen können – denn schließlich hat das FG Baden-Württemberg die (unzutreffende) Rechtsauffassung der Strafverfolgungsbehörde in seinem – nicht rechtskräftig gewordenen – Urteil bestätigt. Dennoch ist der Fall des Paul-Werner S. ein anschauliches Beispiel dafür, dass es in der heutigen Lebenswirklichkeit Situationen geben kann, in denen von dem ursprünglichen Konzept einer Appellfunktion des Straftatbestandes faktisch nichts mehr übrig bleibt. Auch in komplexen Rechtsmaterien wie dem Steuerrecht darf es aber nicht allein vom Zufall abhängen, ob um Rechtstreue bemühte Bürger sich versehentlich strafbar machen oder nicht.

III. Die Auswirkungen einer schwachen ausgeprägten oder fehlenden Appellfunktion

Die vorgenannten Beispiele sollen vor allem folgendes zeigen: Auch dann, wenn ein Täter eines vermögens- oder steuerstrafrechtlichen Deliktes alle objektiven Umstände einer Tat genau kennt, bedeutet dies in unserer stets komplizierter und intransparenter werdenden Lebenswirklichkeit noch lange nicht, dass er auch gut von einem strafrechtlichen Appell erreicht wird. Berücksichtigen Gerichte und Strafverfolgungsbehörden nicht auf angemessene Weise, dass in einem zu beurteilenden Fall ein strafrechtlicher Appell nur sehr schwach ausgeprägt oder überhaupt nicht erkennbar war, wird die Anwendung des Strafrechts für viele Bürger nicht mehr nachvollziehbar. Bereits 1952 hat der Große Strafsenat des BGH ein zunehmendes Schwinden der Erkennbarkeit von Straftatbeständen auf denjenigen Gebieten des Strafrechts konstatiert, in denen Strafgesetze an umfangreiche verwaltungsrechtliche Regelungen bestimmter Lebensbereiche anknüpfen, um den entsprechenden verwaltungsrechtlichen Ge- oder Verboten mit dem Mittel des Strafrechts größeren Nachdruck zu verleihen.[28] 1969 hat der Gesetzgeber in den Materialien zu Strafrechtsreform zum Ausdruck gebracht, dass er bei manchen Tatbeständen des Nebenstrafrechts die Gefahr einer mangelnden Erkennbarkeit von Straftatbeständen sieht.[29] Laut Arzt habe dieses prinzipielle Problem in der Praxis wohl deshalb unter der Decke gehalten werden können, weil im Nebenstrafrecht häufig auch fahrlässiges Handeln mit Strafe bedroht sei und die Strafrahmen von vorsätzlichem und fahrlässigem Handeln sich im Nebenstrafrecht nicht drastisch unterscheiden.[30] Dessen ungeachtet hat Tiedemann bereits 1969 zu Gunsten des juristisch unerfahrenen Normalbürgers anschaulich darauf aufmerksam gemacht, dass demjenigen, der nichts von einer Verpflichtung ahnt, eine bestimmte Anzeige zu erstatten, bestimmte Bücher zu führen oder bestimmte Aufzeichnungen zu machen etc. nicht vorgeworfen werden kann,

dass er ja objektiv die Möglichkeit dazu hatte.[31] Zwischenzeitlich ist die deutsche Rechtswelt aber noch weitaus komplexer und intransparenter geworden. Der Wandel zur Informationsgesellschaft sowie die Zunahme unterschiedlichster interessenpolitischer und finanzpolitischer Konzepte haben zu einer überbordenden Normenflut geführt, die letztlich nur noch durch die Anwendung von Computerprogrammen beherrschbar ist. Wir haben uns längst damit abgefunden, dass wir bei der Inbetriebnahme und Benutzung internetfähiger Geräte juristische Erklärungen abgeben, die wir als Durchschnittsbürger nicht verstehen können ("Endbenutzer-Lizenzvereinbarungen", "Nutzungsvereinbarungen", "Datenschutzvereinbarungen" etc.). Die Benutzung von internetfähigen Geräten können wir aber faktisch nicht vermeiden, weil wir z. B schon durch Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit verpflichtet werden, unsere Steuererklärung nur noch in elektronischer Form abzugeben. Diese uns aufgezwungene alltägliche Komplexität und Intransparenz müssen wir wohl resignierend akzeptieren. Das heißt aber noch lange nicht hier auch strafrechtlich einstehen zu müssen.[32] Auch im Zeitalter der Informationsgesellschaft fordert das Gebot der Rechtsstaatlichkeit und der damit verbundene Vertrauensschutz des Bürgers, dass dieser allein mit seinem gesundem Menschenverstand, einem natürlichen Rechtsgefühl und allgemeiner Lebenserfahrung noch einschätzen kann, was strafrechtlich erlaubt und was verboten ist. Bereits jetzt muss in nicht wenigen vermögens- und steuerstrafrechtlichen[33] Fällen die Frage gestellt werden, wie man von einem Durchschnittsbürger noch in jeder Hinsicht normgerechtes Verhalten verlangen will, wenn selbst ausgewiesene Experten die bestehenden rechtlichen Pflichten nicht mehr oder allenfalls nur noch mit Mühe richtig erfassen können. Als rechtstreue Bürger müssen wir die Verhaltensnormen des Rechts wenigstens erkennen können, damit wir uns für rechtmäßiges Verhalten entscheiden können.[34] Niemand kann ernsthaft wollen, dass wir zur Gewährleistung strafrechtlicher Compliance demnächst bei gewöhnlichen Vorgängen des täglichen Lebens zuvor erst eine entsprechende juristische App auf dem Smartphone zu Rate ziehen müssen.[35] Das Strafrecht soll nicht weniger, aber auch nicht mehr als das "ethische Minimum" gewährleisten. Soweit der "Schutz" des Strafrechts über die sozialethischen Mindeststandards hinausgeht, verschwindet die Appellfunktion des Tatbestandes.[36] Ohne diese steht aber die ethische Berechtigung staatlichen Strafens in Frage. Die immer häufiger anzutreffende Neigung des Gesetzgebers, aber auch einzelner Gerichte oder Strafverfolgungsbehörden, mit der Keule des Strafrechts administrative oder rein interessen- und finanzpolitische Zielsetzungen zu verfolgen, steht im Widerspruch zum fragmentarischen Charakter des Strafrechts.[37]

IV. Fazit

Wer ein rechtskonformes Leben führen will, muss hierzu auch in einer stetig komplexer werdenden Lebenswirklichkeit noch in der Lage sein. In manchen Bereichen des Vermögens- und Steuerstrafrechts stellt dies viele rechtstreue Bürger angesichts komplexer und intransparenter rechtlicher Rahmenbedingungen bereits jetzt vor besondere Herausforderungen. Es darf nicht vom Glück bzw. Zufall abhängen, ob sich ein um Rechtstreue bemühter Bürger versehentlich strafbar macht oder nicht. Das Strafrecht sollte nicht durch Bezugnahmen auf komplexe außerstrafrechtliche Vorschriften und Rahmenbedingungen, denen allein administrative, interessen- oder finanzpolitische Erwägungen zugrunde liegen, überfrachtet werden. Gesetzgeber, Gerichte und Strafverfolgungsbehörden müssen sich bewusst sein, dass das Strafrecht von seinem ursprünglichen Ansatz her Ausdruck des ethischen Minimums ist und nicht als bloßer Kommunikator eines interessen- oder finanzpolitischen Maximums instrumentalisiert werden darf. Andernfalls würgt der Staat die Freiheit des Bürgers ab, die zu schützen und zu sichern gerade eine seiner vornehmsten Aufgaben ist.


[*] Der Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Auffassung der Autoren wieder.

[1] Der Begriff "Appellfunktion des Tatbestandes" dürfte auf den japanischen Strafrechtsdogmatiker Yoshikatsu Naka (1922-1993) zurückzuführen sein, der ihn mit seinem Beitrag Naka JZ 1961, 210 ff. in die deutsche Rechtslehre eingeführt hat (vgl. dazu Hruschka in FS f. Roxin, 2001, S. 441, 447 Fn. 33). Der Gedanke selbst ist aber älter als der Begriff, vgl. Engisch ZStW 70 (1958), 566, 572.

[2] Der im angelsächsischen Bereich verwendete Begriff "common sense" und die angelsächsische Philosophie vermitteln wesentlich klarer das Kernanliegen des Begriffs und die damit verbundene Philosophie als die deutsche philosophische Auseinandersetzung um den Begriff "gesunder Menschenverstand". Insbesondere der Deutsche Idealismus lehnte den Begriff "gesunder Menschenverstand" kategorisch ab. Hegel sieht darin eine Abneigung der Vernunft gegen sich selbst und sein "politischer Stiefsohn" Karl Marx bezeichnet ihn als eine Form historischer Dummheit und – wie sollte es anders sein! – als ein Instrument der herrschenden Klasse (Enzyklopädie [ 1830 ]; § 63). Vollends diskreditiert wurde der Begriff durch seine missbräuchliche und fehlerhafte Weiterentwicklung zum "gesunden Volksempfinden" durch die Rechtslehre des deutschen Nationalsozialismus. Im angelsächsischen Sprachraum genießt der Begriff "common sense" dagegen bis heute hohes Ansehen.

[3] Rengier , Strafrecht Allgemeiner Teil, 6. Aufl. 2014, § 31 Rdnrn. 1 f. S. 273; Dinter, Der Pflichtwidrigkeitsvorsatz der Untreue, 2012, S. 42 Rdnr. 69; Walter, Der Kern des Strafrechts, 2006, S. 393; Arzt ZStW 91 (1979), 857, 859 f.

[4] Gegen die Vorstellung einer Appellfunktion des Tatbestandes aber ausdrücklich z. B. Rinck, Der zweistufige Deliktsaufbau, 2000, S. 84 ff.; kritisch für den Bereich des Nebenstrafrechts z. B. Neumann in Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), StGB, 4. Aufl. 2013 § 17 Rdnrn. 90 ff. In Bezug auf das Nebenstrafrecht hat sogar der Große Senat des BGH die allgemeine Erkennbarkeit strafrechtlicher Verbote in Zweifel gezogen, BGH, Beschl. v. 18.3.1952 – GSSt 2/51, Rdnr. 20, juris = BGHSt 2, 194, 203.

[5] Grundlegend Welzel, Das Deutsche Strafrecht, 11. Aufl. 1969, S. 75 f.; eine Mindermeinung verlangt aber bei strafrechtlichen Blankettgesetzten im Nebenstrafrecht mit Blick auf die hier fehlende Appellfunktion für die Strafbarkeit richtigerweise, dass der Täter Kenntnis von Inhalt und Gültigkeit der blankettausfüllenden Einzelregelungen hat (Puppe in Kindhäuser/Neumann/Paeffgen [Hrsg.], StGB, 4. Aufl., 2013, § 16 Rdnrn. 64 ff.; dies wird von der h. M. aber nicht anerkannt, vgl. Joecks in MünchKomm-StGB, 2. Aufl. 2011, § 16 Rdnr. 74).

[6] Allerdings nimmt die Rechtsprechung einen unvermeidbaren Verbotsirrtum aufgrund ihrer hohen Anforderungen teilweise selbst dann nicht an, wenn ein Bürger gutgläubig einem rechtlichen Rat eines Rechtsanwaltes oder gar einem schriftlich erteilten Rechtsrat eines Hochschullehrers gefolgt ist, wenn dieser aus Sicht des Gerichtes unzutreffend war (Näher dazu Gaede HRRS 2013, 449 f., 454 ff.; Kirch-Heim/Samson wistra 2008, 81 ff.).

[7] D. h. er unterliegt keinem den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum i. S. d. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB.

[8] So bereits Engisch ZStW 70 (1958), 566, 571.

[9] Vgl. beispielhaft die Polizeiliche Kriminalstatistik – Jahresbericht 2013 des LKA Rheinland-Pfalz S. 87; Pressemitteilung des BKA vom 24.11.2008; Büchel/Hirsch, Internetkriminalität: Phänomene – Ermittlungshilfen – Prävention 2014, S. 102 ff.; erwähnt auch im Neunten Zwischenbericht der Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" des Deutschen Bundestages, Bundestags-Drucksache 17/12541, S. 49.

[10] Laut Grosse-Wilde sahen sich teilweise selbst Chefärzte anderer Universitätskliniken nicht in der Lage, entsprechende Operationen wie Prof. B. durchzuführen, Grosse-Wilde MedR 2012, 189 f.

[11] In Ausnahmefällen kann es einen Anspruch eines gesetzlich versicherten Patienten auf persönliche Durchführung der Operation durch den Chefarzt wegen der besonderen Schwierigkeit der Behandlung geben, allerdings lag eine solche Ausnahmesituation in dem vom LG Essen entschiedenen Fall des Prof. B. nicht vor, Grosse-Wilde MedR 2012, 189 f.

[12] LG Essen, Urt. v. 12.3.2010 – 56 KLs 20/08 = MedR 2012, 188; Grosse-Wilde MedR 2012, 189.

[13] Grosse-Wilde MedR 2012, 189.

[14] Grosse-Wilde MedR 2012, 189.

[15] So jedenfalls Grosse-Wilde MedR 2012, 189 unter Bezugnahme auf die vorgetragene Behauptung von Prof. B.; das LG Essen hat sich nur dahingehend geäußert, dass der Vermögensminderung durch die Operation ein angemessener Vermögenszuwachs mit der Folge gegenüberstand, dass kein Schaden entstanden sei, LG Essen, Urt. v. 12.3.2010 – 56 KLs 20/08 = MedR 2012, 188 f.

[16] LG Essen, Urt. v. 12.3.2010 – 56 KLs 20/08 = MedR 2012, 188.

[17] Dazu Wimmer in Frister/Ratzel/Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im Deutschen Anwaltsverein (Hrsg.), Brennpunkte des Arztstrafrechts, 2012, S. 51 ff.

[18] BGH, Beschl. v. 25.1.2012 – 1 StR 45/11, Rdnrn. 45 ff., juris = BGHSt 57, 95, 101 ff. = HRRS 2012 Nr. 313, Rdnrn. 51 ff.

[19] Vgl. Gaßner/Strömer NStZ 2013, 621, 627 f.

[20] Stein MedR 2001, 124, 127; vgl. auch Wimmer in Frister/Ratzel/Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im Deutschen Anwaltsverein (Hrsg.), Brennpunkte des Arztstrafrechts, 2012, S. 51, 54, 58 ff.

[21] BGH, Beschl. v. 25.1.2012 – 1 StR 45/11, Rdnrn. 79 ff., juris = BGHSt 57, 95, 115 ff. = HRRS 2012 Nr. 313, Rdnrn. 95 ff.

[22] Nach Ansicht anderer Staatsanwaltschaften entsteht in einer solchen Sachverhaltskonstellation durch das Verhalten des Arztes kein finanzieller Schaden; vielmehr werde das Vermögen des Patienten hier noch nicht einmal gefährdet (so beispielsweise Einstellungsverfügung der StA Augsburg vom 28.1.2009, Az. 501 Js 146024/08). Insgesamt hat die StA Augsburg über 100 Parallelverfahren eingestellt.

[23] Zugunsten des BGH ist allenfalls festzuhalten, dass der konkrete Arzt in anderen Bereichen wohl sehr bewusst die Appellfunktion des Strafrechts missachtet hat, vgl. BGH, Beschl. v. 25.1.2012 – 1 StR 45/11, juris = BGHSt 57, 95 ff. = HRRS 2012 Nr. 313.

[24] Vgl. bereits Tiedemann, Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht, 1969, S. 374 f.; Walter, Der Kern des Strafrechts, 2006, S. 393.

[25] Finanztest 4/2013, S. 59.

[26] FG Baden-Württemberg, Urt. v. 24.9.2009 – 3 K 1350/08, Rdnrn. 13 ff., juris = EFG 2010, 120 ff.

[27] BFH, Urt. v. 17.10.2012 – VIII R 57/09, Rdnrn. 13 ff., juris = BFHE 239, 261, 263 ff.

[28] BGH, Beschl. v. 18.3.1952 – GSSt 2/51, Rdnr. 20, juris = BGHSt 2, 194, 203.

[29] Bundestags-Drucksache V/4095, S. 9.

[30] Arzt ZStW 91 (1979), 857, 863.

[31] Tiedemann , Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht, 1969, S. 374.

[32] Vgl. Dinter, Der Pflichtwidrigkeitsvorsatz der Untreue, 2012, S. 66 f. Rdnr. 122; vgl. auch Schroth, Vorsatz und Irrtum, 1998, S. 30.

[33] Zur Komplexität des Wirtschaftsstrafrechts im Unterschied zum Kernstrafrecht beispielhaft Ransiek/Hüls ZGR 2009, 157, 162.

[34] Gaede HRRS 2013, 449 f.

[35] Zumal uns selbst dies aus Rechtsgründen nur beschränkt vor einer Strafbarkeit schützen könnte, vgl. oben Fn. 6.

[36] Walter , Der Kern des Strafrechts, 2006, S. 393.

[37] Kritisch z. B. Ransiek/Hüls ZGR 2009, 157, 184 f., 188; Kudlich nimmt ein verfassungsrechtliches Gebot an, laut dem die (mangelnde) Bedeutung der geschützten Rechtsgüter wenigstens auf der Ebene der Angemessenheit der Sanktionsnorm zu berücksichtigen ist, Kudlich JZ 2003, 127, 130.