HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Dezember 2014
15. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Ohne freien Willen – aber schuldfähig?

Von Rechtsanwalt Hans Meyer-Mews, Bremen

I. Einleitung

§ 104 BGB regelt die Voraussetzungen der Geschäftsunfähigkeit, während § 827 BGB die Voraussetzungen für die Deliktsunfähigkeit zum Gegenstand hat. Beide Vorschriften stehen in Beziehung zu § 20 StGB, der die Voraussetzungen der Schuldunfähigkeit regelt.

Nachfolgend werden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Geschäfts- und Deliktsunfähigkeit einerseits und den Voraussetzungen und Eingangsmerkmalen der Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB andererseits untersucht. Dies dient der Klärung der Frage, ob jemand einerseits zwar geschäfts- und/oder deliktsunfähig sein kann, ohne dass andererseits aber zugleich seine Schuldfähigkeit beeinträchtigt ist.

Zur Verdeutlichung der hier zu behandelnden Problematik seien exemplarisch zwei Beispiele aus der Praxis vorangestellt:

  1. Dem Angeklagten A. legt die Anklage Handel und Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in mehreren Fällen zur Last. Auf Anregung der Verteidigung beauftragt die Kammer einen Sachverständigen mit einem Gutachten zur Schuldfähigkeit des A. Der A. steht seit fast 14 Jahren unter Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt. In den die Betreuung anordnenden Beschlüssen vorausgehenden Gutachten wird der Angeklagte A. mit einer lange zurückliegenden Ausnahme als geschäftsunfähig [§ 104 Nr. 2 BGB] eingestuft. Der Sachverständige, dem die Betreuungsakte vorlag, kommt zu dem Schluss, A. sei weder schuldunfähig noch vermindert schuldfähig.[1]
  2. Das Landgericht hatte die Unterbringung des Herrn B. in der Maßregel gem. § 63 StGB angeordnet. Daneben stand Herr B. unter Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt. Auf Betreiben von Herrn B. überprüfte das Vormundschaftsgericht die Voraussetzungen für die Fortdauer der Betreuungsanordnung und beauftragte einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens. Der Sachverständige kam zu dem Schluss, dass Herr B. nicht länger unter Betreuung stehen müsse, auch sei er geschäftsfähig. In diesem Zusammenhang wies der Sachverständige darauf hin, dass auch die Maßregelvollzugsklinik, in der Herr B. untergebracht ist, Herrn B. schon vor Jahren für geschäftsfähig gehalten habe. Daraufhin wurde die Betreuung aufgehoben. Nach Kenntnis dieser Entscheidung hat die Klinik die bedingte Entlassung des Herrn B. aus der Maßregel befürwortet.[2]

Wenn die Gleichung § 104 BGB = § 827 BGB = § 20 StGB aufgestellt werden könnte, hätte dies zur Folge, dass der Angeklagte A. im ersten Beispiel entweder 14 Jahre rechtswidrig der Betreuung unterstellt worden ist oder dass er für eine Tat verurteilt worden ist, für die er strafrechtlich nicht verantwortlich war. Wenn die oben aufgestellte Gleichsetzung der Geschäftsfähigkeit mit der Schuldfähigkeit zuträfe, dann wäre das Vorliegen der Voraussetzungen im zweiten Beispiel für die Maßregel bei Herrn B. zumindest zweifelhaft.

II. Vergleich der Voraussetzungen der Geschäftsunfähigkeit und der Deliktsunfähigkeit mit den Voraussetzungen der Schuldunfähigkeit

1. Voraussetzungen der Geschäftsunfähigkeit gem. § 104 BGB

Geschäftsunfähig ist nach § 104 Nr. 2 BGB, wer sich in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern der Zustand seiner Natur nach nicht nur vorübergehend ist.

Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts war der freie Wille ausgeschlossen, wenn er nicht mehr durch beherrschbare Erwägungen bestimmt wird, sondern an die Stelle der Selbstentschließung ein Unterliegen unter nicht mehr durch den Willen kontrollierbare Triebe und Vorstellungen tritt.[3] Nach dem an § 20 StGB angelehnten Maßstab des BGH ist der Ausschluss der freien Willensbildung zu bejahen, wenn der Betroffene nicht imstande

ist, (1.) seinen Willen frei und unbeeinflusst von einer vorliegenden Geistesstörung zu bilden [Einsichtsfähigkeit] oder (2.) nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln[4] [Steuerungsfähigkeit], wobei weniger die dem Betroffenen mögliche Verstandesleistung als die Freiheit der Willensausübung ausschlaggebend[5] ist. Der BGH stellt mithin gleichermaßen auf die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Betroffenen ab. Diese Auslegung des § 104 Nr. 2 BGB entspricht der Konzeption des § 20 StGB, wonach ohne Schuld handelt, wer aufgrund der in § 20 StGB genannten Eingangsmerkmale nicht in Lage ist, (1.) das Unrecht der Tat einzusehen oder (2.) nach dieser Einsicht zu handeln.

Überdies erstreckt der BGH die Fälle der Geschäftsunfähigkeit über den Wortlaut des § 104 Nr. 2 BGB hinaus auf alle Fälle einer Geistesstörung, womit auch die nicht krankhaften Geistesstörungen erfasst sind. Somit können neben einer psychischen Erkrankung auch Schwachsinn und schwere andere seelische Abartigkeiten zur Annahme der Geschäftsunfähigkeit führen. Diese weite Auslegung der Voraussetzungen des § 104 Nr. 2 BGB kann sich auf § 105 II BGB stützen, wonach eine Willenserklärung, die im Zustand der Bewusstlosigkeit oder im Zustand vorübergehender Störung der Geistestätigkeit abgegeben wird, nichtig ist.[6] Auch die nichtkrankhafte Störung der Geistestätigkeit führt also zur Nichtigkeit einer Willenserklärung, wenn die Störung vorübergehender Natur ist. An die nichtkrankhafte dauerhafte Störung der Geistestätigkeit kann aber schlechthin keine geringere Rechtsfolge geknüpft sein, als die für die vorübergehende nichtkrankhafte Störung der Geistesstörung nach § 105 II BGB vorgesehene Rechtsfolge.

Eine "verminderte Geschäftsfähigkeit" gibt es im Unterschied zu § 21 StGB [verminderte Schuldfähigkeit] im bürgerlichen Recht nicht. Die psychische Krankheit oder die geistige oder seelische Behinderung des freien Willens muss überdies feststehen[7], die Entscheidungsregel in dubio pro reo gilt im Zivilverfahren daher nicht. Allerdings wird diese Einschränkung durch die Anforderungen an die Darlegungslast relativiert. Danach ist es für die Frage der Darlegungslast ohne Bedeutung, wie wahrscheinlich der Parteivortrag ist.[8] Der Vortrag unterliegt selbst dann der freien Beweiswürdigung des Gerichts, wenn er nicht wahrscheinlich ist, auch dann kann das Gericht die Geschäftsunfähigkeit feststellen.

Bei der die Geschäftsunfähigkeit begründenden Störung muss es sich um eine dauerhafte Störung handeln. Dagegen muss die Steuerungsfähigkeit, bzw. die Fähigkeit das Unrecht der Tat einzusehen nach § 20 StGB lediglich bei Begehung der Tat aufgehoben sein.

Zu den i.S.d. § 104 Nr. 2 BGB schwersten chronischen krankhaften Störungen der Geistestätigkeit gehören unbestritten Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis. Gleichwohl führt nach der restriktiven Rechtsprechung der Strafsenate des Bundesgerichtshofs selbst die Diagnose einer Schizophrenie für sich gesehen noch nicht unbedingt zur Feststellung der Aufhebung der Steuerungsfähigkeit.[9] Diese Rechtsprechung entspricht nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft. Die Annahme der Voraussetzungen des § 20 StGB ist danach bei Schizophrenie in jedem Fall gerechtfertigt.[10] Eine vergleichbare, der überwiegenden fachwissenschaftlichen Meinung entgegenstehende, Zurückhaltung der Gerichte ist für die Fälle, in denen es um die Feststellung der Geschäftsunfähigkeit geht, nicht bekannt.[11]

Der § 104 Nr. 2 BGB erfasst, wie vorstehend dargelegt, auch die nicht krankhaften Störungen der Geistestätigkeit. So genügt etwa die unter das Eingangsmerkmal Schwachsinn des § 20 StGB fallende Debilität bereits bei einem Intelligenzquotienten von unter 60 u.U. für die Feststellung der Geschäftsunfähigkeit[12], während im Strafrecht erst bei Imbezillität, also bei einem Intelligenzquotienten von unter 50 die Annahme der Schuldunfähigkeit in Betracht kommen soll.[13] Da jedoch im Strafrecht die Schuldunfähigkeit, anders als die Geschäftsfähigkeit, nicht feststehen muss, ist zutreffenderweise in dubio eher von Schuldunfähigkeit als von Geschäftsunfähigkeit auszugehen. Gleichwohl sind die Anforderungen der Rechtsprechung an die Annahme der Schuldunfähigkeit wegen Schwachsinns im Strafverfahren strenger als die Anforderungen an die Feststellung der Geschäftsunfähigkeit in der zivilrechtlichen Praxis.

Auch für das Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit in § 20 StGB finden sich Entsprechungen in der zivilrechtlichen Rechtsprechung. Die unter das Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit fallende Alkoholabhängigkeit kann zur Geschäftsunfähigkeit führen. Das soll u.a. dann der Fall sein, wenn der Missbrauch zu hirnorganischen Veränderungen geführt hat und es infolge dessen zu einem Abbau der Persönlichkeit gekommen ist.[14] Unter den gleichen Voraussetzungen führt der Alkoholabusus zum Ausschluss der Schuldfähigkeit wegen einer schweren anderen seelischen Abartigkeit.[15] Ferner kann eine querulatorische Störung, die ebenso unter das Eingangsmerkmal schwere andere seelische Abartigkeit fällt[16], zumindest zur Feststellung einer partiellen Geschäftsunfähig-

keit führen.[17] Die Geschäftsunfähigkeit ist vor allem in jenen Fällen nicht 1:1 auf die Feststellung der Schuldunfähigkeit übertragbar, in denen eine nur partielle Geschäftsunfähigkeit besteht. Hierfür ist allerdings die querulatorische Störung nicht exemplarisch, denn der Querulant neigt erfahrungsgemäß zu querulatorisch begründeten Straftaten.[18]

Sowohl die Voraussetzungen – fehlende Unrechtseinsicht oder Aufhebung der Steuerungsfähigkeit – als auch die Eingangsmerkmale des § 20 StGB entsprechen denen des § 104 Nr. 2 BGB. Das Eingangsmerkmal der tiefgreifenden Bewusstseinsstörung, das vorübergehender Natur ist, ist im Zivilrecht in den §§ 105 II, 827 BGB berücksichtigt.

2. Voraussetzungen der Deliktsunfähigkeit gem. § 827 BGB

Deliktsunfähig i.S.d. § 827 BGB ist, wer im Zustand der Bewusstlosigkeit oder in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand krankhafter Störungen einem anderen Schaden zufügt. Es fällt auf, dass der Regelungsgehalt der §§ 104 Nr. 2, 827 BGB, soweit in den Vorschriften auf den Ausschluss der freien Willensbildung abgestellt wird, identisch ist.[19] Der Deliktsunfähige ist mithin zum Tatzeitpunkt zugleich auch geschäftsunfähig. Allerdings muss der Zustand der Deliktsunfähigkeit im Unterschied zur Geschäftsunfähigkeit nicht dauerhaft, sondern nur zum Zeitpunkt der Schadenszufügung vorliegen.[20] So ist etwa der Schädiger, der im Affektsturm[21] gehandelt hat, u.U. deliktsunfähig, nicht aber zugleich geschäftsunfähig. Umgekehrt wäre nur vorstellbar, dass der dauernd Geschäftsunfähige in einem lichten Moment eine unerlaubte Handlung i.S.d. §§ 823 ff BGB begeht[22], für die er deliktsrechtlich (§§ 823 ff. BGB) voll verantwortlich wäre. Das Vorliegen der Deliktsunfähigkeit ist daher auch bei einem Geschäftsunfähigen zu prüfen, dies gilt insbesondere für die Fälle partieller Geschäftsunfähigkeit. Jedoch begründet die Geschäftsunfähigkeit eine starke Vermutung für die Deliktsunfähigkeit.[23] In der Praxis bedeutet das Fehlen der Deliktsfähigkeit daher durchweg auch das Fehlen der Geschäftsunfähigkeit und umgekehrt.[24]

Wer sich in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand (§§  104 Nr. 2, 105 II, 827 BGB) befindet, kann das Unrecht seines Handelns nicht einsehen, bzw. nicht nach dieser Einsicht handeln. Auch § 20 StGB stellt darauf ab, dass der Täter das Unrecht seines Handelns nicht einsehen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann. Die dem § 20 StGB zur Schuldunfähigkeit zu entnehmenden Eingangsmerkmale gelten daher nach h.M. entsprechend für § 827 BGB.[25] Die Kommentierungen zu § 827 BGB verweisen folgerichtig durchweg auf die Eingangsmerkmale des § 20 StGB.[26] Dabei ist aber zu bedenken, dass Deliktsunfähigkeit anders als die Schuldunfähigkeit nicht vorliegt, wenn die Verantwortlichkeit lediglich nicht sicher ausgeschlossen werden kann.[27] Gemessen an den gesetzlichen Voraussetzungen und unter Berücksichtigung der Entscheidungsregel in dubio pro reo ist einem Täter mithin eher die Schuldunfähigkeit als die Deliktsunfähigkeit zu attestieren. Die Praxis hält sich an diese Abstufung freilich nicht.

Der Wortlaut des § 827 BGB erfasst im Gegensatz zum § 20 StGB zwar nur die pathologischen Störungen, also die krankhafte seelische Störung i.S.d. § 20 StGB. Insoweit ist der Wortlaut des § 827 BGB ebenso wie der des § 104 Nr. 2 BGB restriktiver als der Wortlaut des § 20 StGB. Gleichwohl berücksichtigt die zivilrechtliche Rechtsprechung aber bei der Prüfung der Deliktsfähigkeit auch die nicht krankhaften Störungen, soweit sie den Fallgruppen des § 20 StGB zuzuordnen sind.[28]

Der akute Alkohol- oder Drogenrausch kann wegen seiner toxischen Beeinträchtigung der Hirntätigkeit zu einer krankhaften seelischen Störung (i.S.d. ersten Eingangsmerkmals des § 20 StGB) führen.[29] Er fällt damit auch unter die Voraussetzungen der Deliktsunfähigkeit gem. § 827 BGB.

Für die Beurteilung der Frage, ob ein Alkoholrausch eine die Deliktsunfähigkeit begründende Bewusstseinseintrübung darstellt, ist nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte nicht allein der Blutalkoholspiegel maßgeblich.[30]

Die Kommentierung zu § 827 BGB von Oechsler im Staudinger zeigt, wenn man bedenkt, dass die Schuldunfähig-

keit im Strafrecht wegen der Entscheidungsregel in dubio tendenziell eher gegeben ist, als die Deliktsunfähigkeit, bemerkenswerte Unterschiede zur im Strafrecht herrschenden Meinung auf:

"Wichtigstes Indiz für eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung ist die Blutalkoholkonzentration (BAK). Allerdings existiert keine allgemein maßgebliche BAK, die stets den Schluss auf eine fehlende Zurechnungsfähigkeit zuließe (…), weil die Alkoholtoleranz individuell sehr unterschiedlich ausfallen kann (…). Selbst bei zurückgerechneten 2,93 %o steht daher der Beweis für die Schuldunfähigkeit noch nicht fest, wenn beim Täter jahrelanger Alkoholmissbrauch voranging, der zu erheblicher Alkoholtoleranz führte (…). – auch eine BAK von 3 %o lässt nicht zwingend auf Schuldunfähigkeit schließen (…), wobei indes das ältere Schrifttum dazu neigt, hier im Zweifel von den Voraussetzungen des § 827 S 1 auszugehen (…). Der Bundesgerichtshof hatte zunächst bei 2,26 %o (…) bzw. 2,5 %o (…) die fehlende Zurechnungsfähigkeit bejaht. In einer weiteren Entscheidung verschärft das Gericht indes die Anforderungen mit folgender Begründung: Die Erkenntnis, dass die Führung eines Kfz grob fahrlässig sei, sei mittlerweile so sehr in das Bewusstsein der Verkehrsteilnehmer eingedrungen, dass sich die entsprechende Hemmschwelle stark erhöht habe; folglich sei auch bei einem hohen Grad der Alkoholisierung im Zweifel die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit noch zu bejahen (…). Umgekehrt sind die Voraussetzungen des § 827 S 1 unterhalb der Schwelle von 2 %o im Zweifel nicht anzunehmen (…)."[31]

Für die Feststellung der Deliktsunfähigkeit kann in seltenen Ausnahmefällen sogar ein Blutalkoholwert von weniger als 2,5 %o ausreichen.[32]

Während im Zivilverfahren die Deliktsunfähigkeit danach ab einer Blutalkoholkonzentration von mehr als 2,5 %o festgestellt werden kann, kommt es in Strafverfahren immer wieder vor, dass bei Alkoholintoxikationen von deutlich mehr als 3 %o das sachverständig beratene Gericht nur die deutlich verminderte Schuldfähigkeit festzustellen vermag.[33] Argumentativ knüpft die Rechtsprechung der Strafgerichte – zumeist sachverständig beraten – dabei an das durch die Tat zum Ausdruck gekommene Leistungsvermögen des Angeklagten an, das dadurch belegt werde, dass der schwer alkoholisierte Angeklagte zur Begehung komplexer Tathandlungen imstande war.[34] Das ist zumindest zirkelschlüssig.[35] Schuldunfähigkeit ist kein bloß theoretisch denkbarer Zustand, dessen Vorliegen allein durch die Begehung einer zielgerichteten Tat widerlegt wird. Vielmehr bezieht sich der Ausschluss der Schuldfähigkeit regelmäßig auf eine bestimmte, tatsächlich begangene Tat. Nach dem in § 20 StGB zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers kann ausnahmslos jede Straftat im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen werden. Ausschlaggebend sind dabei die Freiheit der Willensentscheidung und die Fähigkeit, danach zu handeln. Das Leistungsvermögen spielt – wenn überhaupt – eine nur untergeordnete Rolle. Der festgestellte Blutalkoholwert ist entgegen der Praxis vieler Instanzgerichte eben nicht von nur untergeordneter Bedeutung, sondern ein gewichtiges Indiz, neben dem die anderen Indizien regelmäßig zurücktreten.[36] Als psychodiagnostische Beurteilungskriterien sind daneben nur solche in Betracht zu ziehen, die aussagekräftige Hinweise darauf geben können, dass trotz Alkoholisierung das Steuerungsvermögen des Täters erhalten geblieben ist.[37] Je höher der festgestellte Blutalkoholwert ist, desto gewichtiger ist seine Indizwirkung, desto mehr treten gegenläufige Indizien in den Hintergrund.[38]

Bei vergleichbarer Auslegung und Anwendung des § 20 StGB und des § 827 S. 1 BGB in dem Sinne, dass vergleichbare Maßstäbe angesetzt werden, müsste unter Beachtung des Zweifelssatzes schon bei einem BAK von um die 2,5 %o i.d.R. nicht ausschließbar vom Ausschluss der Schuldfähigkeit auszugehen sein.

Da somit feststeht, dass die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 104 Nr. 2, 827 BGB – soweit für die hier interessierende Fragestellung von Bedeutung – im Grunde deckungsgleich sind und sich die Feststellung der Deliktsunfähigkeit nach den Eingangsmerkmalen des § 20 StGB richtet, gilt Folgendes: Liegen die Voraussetzungen des § 104 Nr. 2 BGB vor, dann liegen mit der (theoretischen) Ausnahme der Tatbegehung in einem lichten Moment ebenso die Voraussetzungen des § 20 StGB vor.

Die Bindung der Deliktsunfähigkeit und der Schuldunfähigkeit an die gleichen Voraussetzungen ist allein schon deshalb geboten, weil die Rechtsordnung eine Fallkonstruktion, die sich bei identischer Beweislage dadurch auszeichnet, dass etwa ein Betrüger wegen Deliktunfähigkeit gem. § 827 BGB zivilrechtlich nicht haftet, im Strafverfahren gleichwohl als (voll) schuldfähig gilt und entsprechend abgeurteilt wird, nicht vorsieht.[39] Allerdings ist es denkbar, dass der Täter, bei dem die Deliktsunfähigkeit im Tatzeitpunkt nicht sicher festgestellt werden konnte und der deswegen zivilrechtlich zur Verantwortung gezogen worden ist, in dubio i.S.d. § 20 StGB ohne Schuld gehandelt hat und wegen der Straftat, derentwegen er schadensersatzpflichtig ist, strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden kann.

3. Gesetzliche Voraussetzungen für die Anordnung der Betreuung

Kann ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so bestellt das Vormundschaftsgericht gem. § 1896 I BGB auf seinen Antrag oder von Amts wegen für ihn einen Betreuer. Gegen den Willen eines Geschäftsfähigen darf ein Betreuungsverhältnis gem. § 1896 Ia BGB nicht eingerichtet werden. Der psychisch Kranke, der unter Betreuung gestellt werden soll, muss mithin geschäftsunfähig i.S.d. § 104 Nr. 2 BGB sein, damit er gegen seinen Willen unter Betreuung gestellt werden kann. Eine unter einer psychischen Krankheit leidenden Person, die gleichwohl geschäftsfähig ist, müsste der Einrichtung einer Betreuung zustimmen.

Das Vormundschaftsgericht ordnet (soweit dies zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist) an, dass der Betreute zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenkreis des Betreuers betrifft, gem. § 1903 BGB dessen Einwilligung benötigt [Einwilligungsvorbehalt]. Dass psychisch Kranke, bei denen eine Betreuung zwingend erforderlich ist, der Einrichtung einer Betreuung unter Einwilligungsvorbehalt freiwillig zustimmen, wird in der Praxis kaum geschehen. Psychisch Kranke empfinden ihre Erkrankung nämlich häufig nicht als Handicap, sondern schätzen sich als normal ein. Das gilt namentlich für Maniker.[40]

Treten bei dem Betreuten aufgrund der durch den Betreuer veranlassten Therapie Behandlungserfolge mit der Folge ein, dass der Betreute nicht mehr geschäftsunfähig ist, so kann das Betreuungsverhältnis nicht gegen seinen Willen aufrechterhalten bleiben. Das wird, sofern der nicht mehr unter Betreuung stehende Betroffene die Therapie abbricht, oft zu einem Drehtüreffekt führen.

Die Anordnung einer Betreuung (§ 1896 BGB) mit Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 BGB) ist aus den vorgenannten Gründen im Rahmen des § 827 BGB ein wichtiges Indiz für das Vorliegen einer deliktsrechtlichen Unzurechnungsfähigkeit, führt aber nicht geradewegs zur Deliktsunfähigkeit.[41] Die Feststellung der Geschäftsunfähigkeit im Betreuungsverfahren führt – insbesondere wenn die Begutachtung länger zurückliegt – zwar nicht zwangsläufig zur Feststellung der Schuldunfähigkeit, dass Schuldunfähigkeit in derartigen Fällen aber nicht zumindest in dubio vorliegt, wird indessen nur in ganz außergewöhnlich gelagerten Einzelfällen festgestellt werden können. Kommt hinzu, dass die im Betreuungsverfahren festgestellte Geschäftsunfähigkeit zur Diskussion steht, wenn der Betroffene plötzlich wie im ersten Eingangsbeispiel womöglich sogar voll schuldfähig sein soll. Dies könnte zudem Schadensersatz- und/oder Schmerzensgeldansprüche gegen den Gutachter im Betreuungsverfahren auslösen.[42]

4. Kritik

Die Ursachen für die aufgezeigte Ungleichgewichtung der Voraussetzungen der Geschäfts- und Deliktsunfähigkeit einerseits und der Schuldunfähigkeit andererseits sind am ehesten dadurch zu erklären, dass das Recht von Menschen angewendet wird.

Es fängt damit an, dass im Strafverfahren gem. § 73 I 1 StPO das Gericht den Sachverständigen auswählt[43], wobei eine vorherige Anhörung des Beschuldigten gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehen ist. Der Staatsanwalt kann im Ermittlungsverfahren aus eigener Machtvollkommenheit Sachverständige beauftragen. Hierbei soll er allerdings nach Nr. 70 I RiStBV den Beschuldigten bzw. dessen Verteidiger anhören.[44] Die Beauftragung eines Sachverständigen durch den Beschuldigten oder seinen Verteidiger kommt im Grunde nicht vor. Jedenfalls die hauptberuflich gerichtlichen Sachverständigen sind mithin von einer regelmäßigen Bestellung durch Gerichte und Staatsanwälte wirtschaftlich abhängig.[45] Daher kann es auch nicht verwundern, dass manchen Gutachten die Nähe des Sachverständigen zu den Interessen des Auftraggebers anzumerken ist.

Immer dann, wenn die Betreuung eines Betroffenen im Raum steht, ist es ein und derselbe – vom Vormundschaftsgericht bestellte – Sachverständige, der ein Gutachten über die Geschäftsfähigkeit und die Erforderlichkeit der Einrichtung einer Betreuung erstellt. Hält ein Sachverständiger die fürsorgliche Betreuung bei einem widerstrebenden Betroffenen für angezeigt, so wird er

ihm ohne Mühe die erforderliche Geschäftsunfähigkeit bescheinigen. Denn gegen den Willen eines geschäftsfähigen Betroffenen darf die Therapie nicht angeordnet werden, weil das Freiheitsgrundrecht auch das Recht zur Krankheit einschließt.[46] Eine gleichermaßen empathische Beurteilung seiner Persönlichkeit hätte der gleiche Betroffene als Beschuldigter im Strafverfahren, wenn es um seine Schuldfähigkeit geht, zweifellos nicht zu erwarten, und zwar selbst dann nicht, wenn im Strafverfahren der Sachverständige zum Zuge kommt, der schon im betreuungsrechtlichen Verfahren beauftragt worden war.

Aufseiten der Richter ist die Distanz zu privaten Parteien und Beteiligten seit jeher spürbar größer als zu Parteien oder Beteiligten, die dem öffentlichen Sektor oder gar der Justiz angehören. Die hierfür maßgebenden Gründe sind, soweit ersichtlich, rechtstatsächlich noch nicht untersucht worden.

III. Schluss

Der nach § 104 Nr. 2 BGB als geschäftsunfähig geltende Beschuldigte ist i.d.R. zugleich schuldunfähig. Diese Schlussfolgerung beruht darauf, dass einerseits Geschäftsunfähigkeit und Deliktsunfähigkeit an die gleichen Voraussetzungen [Einsichts- und Steuerungsfähigkeit]und Eingangsmerkmale anknüpfen und andererseits darauf, dass die Eingangsvoraussetzungen der Deliktsunfähigkeit denen der Schuldunfähigkeit gem. § 20 StGB entsprechen.

Während aber Geschäftsunfähigkeit und Deliktsunfähigkeit sicher feststehen müssen, liegen die Voraussetzungen der Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB bereits vor, wenn die Tatbegehung im Zustand der Schuldunfähigkeit nicht ausgeschlossen werden kann. Dennoch neigen die Gerichte trotz vergleichbarer Voraussetzungen eher dazu, die Geschäftsunfähigkeit als die Schuldunfähigkeit festzustellen. Die Zurückhaltung bei der Feststellung der Schuldunfähigkeit ist eine rechtstatsächliche Paradoxie.

Eine der gesetzlichen Voraussetzungen für die Einrichtung einer Betreuung ist die psychische Erkrankung des Betreuten. Führt diese Erkrankung nicht zur Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen, so darf eine Betreuung gegen den Willen des Betroffenen gerichtlich nicht angeordnet werden. Ist ein Betreuungsverhältnis eingerichtet, spricht daher viel dafür, dass der Betreute geschäftsunfähig ist.

Hieraus ergibt sich Folgendes:

  • Die festgestellte Geschäftsunfähigkeit eines Beschuldigten oder die Einrichtung einer Betreuung für ihn sprechen indiziell für seine Schuldunfähigkeit.
  • Ist die Geschäftsunfähigkeit des Beschuldigten gutachterlich/gerichtlich festgestellt worden und hält ihn der Psychosachverständige im Strafverfahren gleichwohl für (voll) schuldfähig, so ist wegen der Amtsermittlungspflicht ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen.[47]
  • Die Geschäftsfähigkeit eines in der Maßregel nach § 63 StGB untergebrachten Verurteilten spricht tendenziell dagegen, dass die Voraussetzungen der Maßregel weiterhin vorliegen. Es verbleibt nur noch die Möglichkeit, dass der Sachverständige im Rahmen seiner Legalprognose feststellt, dass der Untergebrachte zukünftig Straftaten im Zustand verminderter Schuldfähigkeit begehen werde. In diesem Fall müssten die Voraussetzungen des § 21 StGB sicher vorliegen.
  • Für eine nur vermindert schuldfähige Person kann eine Betreuung nicht gegen den Willen dieser Person eingerichtet werden, weil es keine "verminderte Geschäftsfähigkeit" gibt und weil Geschäftsunfähigkeit die Voraussetzung für die Einrichtung eines Betreuungsverhältnisses ist, sofern dieses gegen den Willen des Betroffenen errichtet werden soll.

Steht die Frage der Schuldfähigkeit im Raum und erhebt der Nebenkläger Adhäsionsklage, so ist stets auch die Deliktsunfähigkeit zu prüfen. Sofern das Gericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 827 S. 1 BGB bejaht, kommt es um die Anwendung des § 20 StGB bzw. um die Verurteilung nach § 323a StGB i.d.R. nicht herum.


[1] Landgericht Oldenburg, Az.: 1 KLs 25/12.

[2] LG Bremen, Az.: 70 StVK 405/13; AG Bremen; Az.: 44 XVII K 235/13; vgl. zu diesem Fall Meyer-Mews NJ 2011, 369.

[3] Vgl. RGZ 103, 71.

[4] Vgl. BGH WM 1984, 1063, 1064 m.w.N.; BGH NJW 1970, 1680, 1681 m.w.N.; BGH NJW 1996, 918, 919.

[5] Vgl. BGH WM 1984, 1064.

[6] Damit erkennt das Gesetz in § 105 II BGB auch die Fälle vorübergehender Geschäftsunfähigkeit, die dem Eingangsmerkmal der tiefgreifenden Bewusstseinsstörung in § 20 StGB entsprechen, an.

[7] Vgl. BayObLG FamRZ 1994, 720, 721.

[8] Vgl. BGH NJW 1995, 1958, 1959; BGH NJW 1996, aaO (Fn. 4).

[9] Vgl. BGH NStZ-RR 2008, 39 = HRRS 2007 Nr. 1084; BGH, Beschl. v. 31.08.2010 – 3 StR 260/10 = HRRS 2010 Nr. 902; BGH NStZ-RR 2012, 239 = HRRS 2012 Nr. 511.

[10] Vgl. Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung, 3. Aufl. (2000), S. 121.

[11] Nach MüKoBGB/Wagner, 6. Aufl. (2013), § 827, Rn. 9, rechtfertigt Schizophrenie die Feststellung der Deliktsunfähigkeit.

[12] Vgl. OLG Düsseldorf VersR 1996, 1494.

[13] Vgl. Fischer, StGB, 61. Aufl. (2014), § 20 Rn. 35; BGH, Beschl. v. 20.07.2010 – 5 StR 240/10 = HRRS 2011 Nr. 196.

[14] Vgl. OLG Naumburg NJW 2005, 2017, 2018; BayObLG NJW 2003, 216, 219 f.

[15] Vgl. Fischer, StGB, a.a.O. (Fn. 13), § 20, Rn. 41 m.w.N.

[16] Vgl. Fischer, StGB, a.a.O. (Fn. 13), m.w.N.

[17] Vgl. BGHZ 18, 184, ebenso: BVerwG 30, 24 f. Noch nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts konnte Querulantentum zum Ausschluss der Geschäftsfähigkeit führen; vgl. RG SeuffA 51, 89; RG WarnRsp 33, 92; RGZ 162, 233. Diese Rechtsprechung hatte de BGH in BGH NJW 1953, 1342 zunächst fortgeführt, dann aber in BGHZ 18, 184 aufgegeben.

[18] Vgl. hierzu Dinger/Koch, Querulanz in Gericht und Verwaltung (1991), S. 26 f.

[19] Vgl. Soergel/Spickhoff, BGB, 13. Auflage (2005), § 827, Rn. 2; MüKoBGB/Wagner, a.a.O. (Fn. 11), § 827 Rn. 9.

[20] Vgl. MüKoBGB/Wagner, a.a.O. (Fn. 11), Rn. 10.

[21] Der Affekt fällt in § 20 StGB unter das Eingangsmerkmal tiefgreifende Bewusstseinsstörung und kann zur Schuldunfähigkeit führen; vgl. BGH NJW 1958, 266, 267.

[22] Vgl. AnwaltK/Katzenmeier, BGB, 1. Auflage (2005), § 827, Rn. 2 m.w.N.

[23] So schon das Reichsgericht in RG 108, 86, 90; RG JW 1912, 24.

[24] Vgl. RGRK-BGB/Steffen, BGB, 12. Aufl., § 827, Rn. 3.

[25] Vgl. Prütting/Wegen/Weinreich/Schaub, BGB Kommentar, 9. Aufl. (2014), § 827 Rn. 3; AnwK/Katzenmeier, a.a.O. (Fn. 22), § 827 Rn. 2.

[26] Vgl. RGRK-BGB/Steffen, a.a.O. (Fn. 24), § 827, Rn. 6; AnwK/Katzenmeier, a.a.O. (Fn. 22), § 827, Rn. 2; Staudinger/Oechsler, BGB (2009), § 827, Rn. 16: "Dieser zweite Tatbestand des § 827 S. 1 entspricht in seinen Voraussetzungen § 104 Nr. 2; auf die Kommentierung sowie die strafrechtliche Literatur zu § 20 StGB (…) kann hier verwiesen werden." Andererseits zweifelt Oechsler daran, dass eine Parallelisierung Geschäftsfähigkeit und Schuldfähigkeit möglich ist (Rn. 3). Indessen berücksichtigt Oechsler nicht den § 105 II BGB und die wohl auf einem aus § 105 II BGB abgeleiteten Erst-recht-Schluss beruhende Auslegung des § 104 Nr. 2 BGB durch den BGH (vgl. Fn. 4).

[27] Vgl. BayObLG FamRZ 1994, 7201, 721; vgl. auch die Ausführungen unter Gliederungspunkt 2.1.

[28] Vgl. Fn. 4.

[29] Vgl. BGHSt 43, 66, 69.

[30] Vgl. BGH VersR 1965, 656; OLG Koblenz DAR 1974, 245, 246; OLG Hamm VersR1992, 818, 819; OLG Köln VersR 1995, 205.

[31] Staudinger/Oechsler, BGB (2009), § 827, Rn. 13; ähnlich: MüKoBGB/Wagner BGB, a.a.O. (Fn. 11), § 827, Rn. 8 m.w.N.

[32] Vgl. RGRK-BGB/Steffen, § 827, Rn. 7 m.w.N.; MüKoBGB/Wagner, a.a.O. (Fn. 11), m.w.N.

[33] In einem Verfahren vor dem Schwurgericht des LG Oldenburg[5 Ks 5/09]hat selbst eine Blutalkoholintoxikation von rückgerechneten 4,8 %o dem Sachverständigen für die Feststellung der Voraussetzungen des § 20 StGB nicht genügt: Der Angeklagte konnte schließlich noch gehen, außerdem konnte er das spätere Opfer mit dem Messer attackieren. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB vermochte der von der StA beauftragte Sachverständige indessen nicht auszuschließen.

[34] Darauf kommt es nach der Rspr. des BGH nicht an; vgl. BGH, Beschl. v. 11.3.1992 – 2 StR 88/92; unter Hinweis auf BGHSt 1, 384, 385; BGH, Beschl. v. 05.08.1983 – 2 StR 427/83 m.w.N.; BGHR StGB 20 BAK 9 Gesamtverhalten.

[35] Die Tat kann nicht ohne Schuld begangen worden sein, weil sie begangen worden ist.

[36] Vgl. BGHSt 37, 231; BGH NStZ-RR 1997, 162; BGH NStZ 1997, 383.

[37] Vgl. BGH DAR 2000, 193.

[38] Vgl. BGH NStZ 2000, 299

[39] Vgl. dazu die Regelungen in den § 154d StPO; §§ 148, 149 ZPO.

[40] Vgl. Ventzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung, a.a.O.

[41] Vgl. MüKoBGB/Wagner, a.a.O. (Fn. 11), Rn. 9 m.w.N.; Baer, Psychiatrie für Juristen (1988), S. 204.

[42] Vgl. Zimmermann NJW 2014, 2479, 2481.

[43] Die Gerichte neigen dazu, vorwiegend ihnen genehme Sachverständige zu bestellen. Der Richter Föhrig hat dazu freimütig ausgeführt: "Was aber, wenn das Ziel überzeugender Übereinstimmung nicht zu erreichen ist? Weil ich den Sachverständigen auf Gedeih und Verderb nicht verstehe, oder ihn zwar verstehe, sein Ergebnis indes nicht zu akzeptieren vermag, oder der Gutachter, weil mir von der Staatsanwaltschaft oktroyiert, meinen Qualitätsvorstellungen (…) nicht entspricht? Was dann? (…) Bleibt eigentlich nur "Lösung D" – missfällt mir ein Sachverständiger, liege das nun an ihm oder mir, bestelle ich einen weiteren." [Kleines Strafrichter-Brevier, 2008, S. 73ff] Vgl. hierzu auch die Ausführungen des forensischen Psychiaters Prof. Dr. Wolfgang de Boor [Die kriminologische Prognose, Köln 2005 (Privatdruck)] über seine Erfahrungen als nicht genehmer Sachverständiger im Fall Marcus Hildsberg.

[44] Jedenfalls bei einem von der StA beauftragten Sachverständigen, dessen Gutachten für die Erhebung der Anklage [mit-]ursächlich war, streitet eine Vermutung für dessen Parteilichkeit; vgl. EGMR-E 3, S. 47, Bönisch/Österreich.

[45] Vgl. zu dieser Problematik Gisela Friedrichsen, Der Psychiater als Richter, Der Spiegel 30/2014, S. 46. Friedrichsen berichtet in diesem Artikel über den namhaften Berliner Psychiater Prof. Dr. Hans-Ludwig Kröber, der aufgrund seines Renommees im Gegensatz zur Schaar seiner namenlosen Kollegen in besonderem Maße unabhängig sein dürfte, und führt u.a. über eine seiner gutachterlichen Beurteilungen aus: "Emotional verroht, stur, faul – eine solche Einschätzung dürfte sich die Auftraggeberin, die Staatsanwaltschaft, von Kröber erwartet haben. Sie bekam das Gewünschte. (…) Heute gilt er als "Deutschlands bekanntester Psychiater". Welcher Richter wagt noch, ihm zu widersprechen?" (S. 47) Kröber ist, was die vorstehend von Friedrichsen skizzierte Begutachtungspraxis angeht, nur einer von vielen; vgl. auch Meyer-Mews StraFo 2010, S. 221.

[46] Vgl. u.a. BVerfG, 2 BvR 882/09, vom 23.03.2011; m. Anm. Meyer-Mews NJ 2011, 388; zur gesamten Problematik siehe auch Ekardt/Hyla/S. Meyer-Mews NJ 2012, 25, 26; Meyer-Mews StraFo 2013, 161.

[47] Vgl. BGHSt 8, 113, 116; BGHSt 10, 116; BGHSt 23, 176; auch EGMR-E 3, Bönisch/Österreich, a.a.O. (Fn. 44).