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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Jul./Aug. 2013
14. Jahrgang
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Von Privatdozent Dr. Jörg Scheinfeld, Mainz
Ende 2012 trat § 1631d BGB in Kraft. Die Norm gestattet den Personensorgeberechtigten unter bestimmten Voraussetzungen, ein nicht einwilligungsfähiges männliches Kind auch ohne medizinische Indikation an der Penisvorhaut beschneiden oder sie ganz entfernen zu lassen. Das wirft die Frage auf, ob dieses Erlaubnisgesetz mit dem Grundgesetz vereinbar ist (unten II.). Daneben schafft die Fassung der Vorschrift einige einfachgesetzliche Interpretationsprobleme. Die sind in der ärztlichen Praxis schon jetzt virulent, sogar schon der Staatsanwaltschaft vorgelegt worden[1] und könnten alsbald die Strafgerichte beschäftigen. Mit Blick auf diese Streitpunkte werden später Auslegungshypothesen angeboten (unter III).
Unter der Überschrift "Beschneidung des männlichen Kindes" hat die Regelung im Recht der Personensorge die folgende Gestalt erhalten:
(1) Die Personensorge umfasst auch das Recht, in eine medizinisch nicht erforderliche Beschneidung des nicht einsichts- und urteilsfähigen männlichen Kindes einzuwilligen, wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden soll. Dies gilt nicht, wenn durch die Beschneidung auch unter Berücksichtigung ihres Zwecks das Kindeswohl gefährdet wird.
(2) In den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes dürfen auch von einer Religionsgesellschaft dazu vorgesehene Personen Beschneidungen gemäß Absatz 1 durchführen, wenn sie dafür besonders ausgebildet und, ohne Arzt zu sein, für die Durchführung der Beschneidung vergleichbar befähigt sind.[2]
Voraufgegangen war dem Gesetz die – überaus seltene – Selbstbindung des Parlaments durch Annahme eines "Entschließungsantrags", der vorsah, die Knabenbeschneidung in Grenzen zu gestatten. Veranlasst vom Urteil des LG Köln, das die lege artis ausgeführte Beschneidung eines muslimischen Jungen für rechtswidrig erklärt hatte,[3] beauftragte der Bundestag im Juli 2012 die Bundesregierung, ein Erlaubnisgesetz vorzulegen. Das Gesetz sollte sicherstellen, "dass eine medizinisch fachgerechte Beschneidung von Jungen ohne unnötige Schmerzen grundsätzlich zulässig ist".[4] Dies ist es, was § 1631d BGB anstrebt. Strafrechtsdogmatisch betrachtet soll die Norm gewährleisten, dass der elterlichen Einwilligung in die Beschneidung nicht stets die Wirksamkeit versagt wird.[5] Die Knabenbeschneidung, so fingiert das Gesetz zu diesem Zweck, verletzt nicht das Kindeswohl.
a) Die grundrechtliche Problematik ist gekennzeichnet von der dreipoligen Beziehung Kind-Eltern-Staat. In diesem Verhältnis haben die Eltern das Recht und die Pflicht, ihr Kind zu pflegen und zu erziehen (Art. 6 II 1 GG); soweit die Eltern das Kindeswohl nicht gefährden, haben sie ein Abwehrrecht gegen den Staat, er muss sich aus dem Eltern-Kind-Verhältnis heraushalten. Der Staat hat nur ein Wächteramt, das erst im Falle kindeswohlgefährdender Akte der Eltern Maßnahmen erfordert, dann aber auch eine staatliche Schutzpflicht gegenüber dem Kind aktualisiert (Art. 6 II 2 GG).[7]
Mit der ausdrücklichen gesetzlichen Erlaubnis des Beschneidungsaktes verletzt der Staat diese Schutzpflicht. Das Kindeswohl wird durch die elterlich veranlasste Beschneidung nicht nur gefährdet, sondern verletzt. Dagegen muss der Staat einschreiten und darf es nicht positiv gestatten. Im Einzelnen:
Eingriffsqualität und Rechtswidrigkeit des Gesetzes ergeben sich jeweils aus den allseits anerkannten Umständen einer jeden Knabenbeschneidung: Bei der eingebüßten Vorhaut handelt es sich um eine erogene Zone, einen hochsensiblen Teil des Penis; sie weist um die 20.000 Nervenenden auf, sie spielt eine wichtige Rolle in sexueller Hinsicht und schützt die Eichel vor Austrocknung und Verhornung, hält sie also sensibel.[8] Daraus folgt, dass der Beschneidungsakt eingreift in das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit, in das Persönlichkeitsrecht des Kindes sowie – wegen der Gestattung auch religiöser Beschneidungen – in das Recht auf negative Religionsfreiheit (Art. 2 II 1, Art. 4 I bzw. Art. 2 I iVm 1 I GG).
b) Das Persönlichkeitsrecht des Kindes ist betroffen, weil die Abtrennung der Vorhaut in das sexuelle Empfinden des Knaben, in seine Intimsphäre eingreift und das sexuelle Erleben lebenslang beeinflusst.[9] Selbst wenn man die empirische Situation hinsichtlich der Folgen einer Beschneidung für unsicher hält (das Beschnittensein wird von den Betroffenen vielfach bedauert, überwiegend aber begrüßt[10]), so steht außer Frage, dass der körperliche Eingriff das Sexualleben beeinflusst. Und hier wird etwas bedeutsam, was vor allem in der politischen Debatte nicht hinreichend klar gesehen oder beiseite geschoben wurde: Die Entscheidung darüber, sich den besonders sensiblen und erogenen Teil seines Geschlechtsorgans abschneiden zu lassen (sei es aus Gründen der Ästhetik, der Hygiene, der Prophylaxe oder für einen Bund mit seinem Gott) betrifft die Intimsphäre der Person und ist eine höchstpersönliche Entscheidung, die nicht in Stellvertretung getroffen werden darf.[11] Da völlig offen ist, ob der spätere, entscheidungsreife Erwachsene sich für eine Beschneidung entschiede und diesen intimen Körperteil irgendeinem Interesse opferte, drückt die Anmaßung einer Stellvertreterentscheidung nur aus, dass man die – noch reifende – Persönlichkeit des Kindes nicht respektiert.
c) Die negative Religionsfreiheit ist betroffen, weil der Knabe bei religiöser Beschneidung lebenslang mit einem religiösen Identifikationsmerkmal versehen wird; das kann es ihm später erschweren, sich für eine andere Religion oder schlicht gegen die elterliche Religion zu entscheiden.[12] Für das Judentum hat diesen Aspekt der Oberrabbiner Metzger in der Bundespressekonferenz anschaulich gemacht: Das Kind werde mit einem "Stempel", einem "Siegel" versehen, damit es sich noch im entlegensten Teil der Welt daran erinnere, dass es Jude sei.[13] "Man kann es kaum deutlicher sagen: Es soll dem Gezeichneten schwer gemacht werden, jemals im Leben sein Judentum abzulegen".[14] Mit dem Hinweis auf diese Zusammenhänge wird also nicht behauptet, die Beschneidung mache das Ablegen oder einen Wechsel der Religion unmöglich; abgestellt wird nur auf diejenige Erschwerung, die der Eingriff nach den Bekundungen der religiösen Führer gerade erstrebt.[15] – Diese Sicht findet für das Judentum eine Bestätigung darin, dass die Beschneidung anfangs viel milder durchgeführt worden ist; nur die Vorhautspitze ist abgetrennt worden. Die Rabbiner haben erst um das Jahr 150 n.Ch. eine radikalere Form verfügt, weil einige Beschnittene erfolgreiche Restitutionsversuche unternommen hatten. Dergleichen sollte unmöglich gemacht werden.[16]
Irrelevant ist in diesem Zusammenhang, dass Beschneidungen andernorts, etwa in den USA, auch aus nicht-religiösen Gründen erfolgen; denn dem Jungen ist sie gerade als religiöses Zeichen aufgedrückt worden, was er zeitlebens weiß und, wie Oberrabbiner Metzger deutlich gemacht hat, gerade immer und überall wissen soll. Die Sache liegt nicht anders als bei einem kleinen Tattoo, dass die religiösen Eltern ihrem Kind als Zeichen der Religionszugehörigkeit anbringen lassen, etwa eine Sonne für den Buddhismus; dass sich auch nicht-religiöse Personen eine Sonne tätowieren lassen, ändert am Charakter des "religiösen Stempels" nichts.[17] – Das Beispiel zeigt auch, dass körperliches Prägen gegenüber dem sehr weitgehend erlaubten geistigen Prägen des Kindes eine Sonderrolle einnimmt.[18]
d) Dass in das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit eingegriffen wird (Art. 2 II 1 GG), liegt auf der Hand. Um die Eingriffstiefe richtig einzuschätzen, muss man sich bewusstmachen, dass die Vorhaut eben nicht nur ein "Stück Haut" ist, sondern ein funktionaler Körperteil. Neben der Funktion, sexuelles Empfinden zu steigern, erfüllt sie weitere, auch gesundheitsförderliche Funktionen.[19] Diese weiteren Funktionen mit dem Ab-
schneiden der Vorhaut aufzuheben, bedeutet einen eigenen, vom Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung unabhängigen Schaden. Vor ihm schützt den Jungen sein Recht aus Art. 2 II 1 GG.
e) Die Verletzung dieser drei Grundrechte folgt bereits aus den immer eintretenden körperlichen Folgen und Begleitumständen einer Vorhautabtrennung. Um zu erkennen, dass die kindlichen Grundrechte illegitim verletzt werden, muss man also nicht einmal die übrigen mit dem Eingriff einhergehenden Bedenklichkeiten einbeziehen, die freilich das Verdikt "verfassungswidrig" absichern: Der vielfach auftretende Operationsschmerz, der immer auftretende Wundheilungsschmerz, die Risiken für Gesundheit und Leben des Kindes,[20] die Ängste und die drohende Traumatisierung älterer Kinder[21] sowie die mögliche (und vielfach auftretende und dann nicht selten erhebliche) Beeinträchtigung des Sexuallebens.[22]
a) Das Beschneidungsgesetz verstößt auch offensichtlich gegen Art. 3 GG. Besonders deutlich wird dies, wenn man ein schafi’itisches Elternpaar als Beispiel nimmt, das seine ungleichgeschlechtlichen Zwillingskinder beschneiden lassen will. Die Schafi’iten bilden eine Rechtsschule im Islam und beschneiden sowohl dem Knaben die Penisvorhaut als auch dem Mädchen die Klitorisvorhaut.[23] Die beiden Eingriffe in den kindlichen Körper wiegen zumindest gleich schwer.[24] Trotz vollständig gleicher Motivation der schafi’itischen Eltern, Erfüllung einer religiösen Pflicht, sagt das heutige einfache Recht: Die Penisvorhaut dürft ihr beschneiden, die Klitorisvorhaut nicht. Für diese Ungleichbehandlung gibt es keinen Sachgrund. Sie verstößt mit Blick auf die ungeschützten Jungen gegen Art. 3 I, III GG mit Art. 2 II 1 GG, mit Blick auf die Einwilligungssperre für die Eltern von Mädchen gegen Art. 3 I, III GG mit Art. 6 II GG.[25]
Die geschlechtsbezogene Differenzierung kann keinen Bestand haben. Wollte man die Erlaubnis zur Knabenbeschneidung aufrechterhalten, hätte Hardtung unbezweifelbar Recht mit seiner Stellungnahme vor dem Rechtsausschuss: "§ 1631d BGB, der ausdrücklich nur für die Knabenbeschneidung konzipiert wurde, muss entsprechend … auf diejenigen Formen der Mädchenbeschneidung angewendet werden, die in ihrem Schweregrad der Knabenbeschneidung gleichstehen oder sogar dahinter zurückbleiben. Art. 3 GG lässt keine Differenzierung zu, er stellt das gleich doppelt klar: ,Männer und Frauen sind gleichberechtigt‘ (Abs. 2 S. 1); ,Niemand darf wegen seines Geschlechtes … benachteiligt oder bevorzugt werden‘ (Abs. 3 S. 1)".[26] In eine Richtung muss der Staat konsequent sein, entweder er verbietet jede hinreichend gewichtige Beschneidung, einerlei ob bei Jungen oder Mädchen, oder er gibt gleich schwere Eingriffe bei beiden Geschlechtern frei.[27] Weil das bei Mädchen niemand will, bleibt nur übrig, Jungen denselben Schutz zu gewähren.
b) Neben der Ungleichbehandlung von Jungen und Mädchen gibt es weitere, die ebenfalls deutlich machen, dass die Beschneidungserlaubnis sich nicht widerspruchsfrei in die deutsche Rechtsordnung integrieren lässt. Genannt seien hier nur drei verbotene elterliche Verhaltensweisen, die man mit dem erlaubten Abschneiden der erogenen Zone Vorhaut vergleichen möge: (1) Das Ohrfeigen eines Fünfjährigen, damit dieser nicht erneut unvorsichtig auf die Straße läuft (§ 1631 II BGB, § 223 I StGB); (2) das Spenden von 500 Euro aus dem kindlichen Vermögen, das die Eltern treuhänderisch verwalten, an die Glaubensgemeinschaft, der das Kind angehört und deren religiöses Gebot es damit erfüllt (§ 1641 S. 1 BGB, § 266 StGB);[28] (3) das Veranlassen der Entnahme von Knochenmark aus dem kindlichen Körper zwecks Rettung eines leukämiekranken Nachbarkindes (§§ 8, 8a 19 I TPG). Vor dem Hintergrund dieser (strafbewehrten) Verbote erweist sich die in § 1631d BGB normierte Einwilligungserlaubnis nicht nur als schon für sich illegitimes Sonderrecht, sondern auch als evident gleichheitssatzwidrig.
Schließlich liegt mit § 1631d II BGB noch eine weitere, wegen der Illegitimität des Gesetzes allerdings zweitrangige Ungleichbehandlung vor. In den ersten sechs Monaten nach der Geburt erlaubt die Norm Beschneidungen durch einen qualifizierten Nichtarzt, den eine Religionsgemeinschaft bestimmt hat. Dieser Absatz 2 des Gesetzes wird ganz zutreffend "Mohel-Klausel" genannt.[29] Sie bewirkt eine faktische Ungleichbehandlungen, weil sie nur jüdische Eltern begünstigt. Muslimische Eltern haben in der Regel kein Interesse an einer so frühen Beschneidung.[30] Wenn es aber überhaupt zulässig ist, für einen solchen operativen Eingriff wie die Beschneidung vom Arztvorbehalt abzusehen, dann gewiss nicht nur beim Säugling, sondern erst recht beim älteren Kind. Für eine faktisch wirksame Berechtigung des Sünnetci[31], ältere Kinder zu beschneiden, sprechen dieselben Gründe wie
für die Mohel-Klausel. Verletzt sind daher Art. 3 I GG mit Art. 12 GG (Sünnetci) und Art. 3 I GG mit Art. 6 II GG (Eltern).
a) Zu Beginn der Debatte wurde vielfach versucht, die Eingriffe in die Grundrechte des Kindes über die Religionsfreiheit der Eltern zu rechtfertigen.[32] Dies hat sich aber als wenig ergiebig erwiesen. Die Religionsfreiheit der Eltern gibt ihnen nicht das Recht, den Körper anderer Personen zu verletzen, sei es, weil dazu ein Freiheitsrecht seinen Träger schon grundrechtstheoretisch niemals befugt,[33] sei es weil Art. 140 GG, Art. 136 WRV dies positivrechtlich so bestimmen,[34] sei es weil eine Abwägung widerstreitender Grundrechte von Kind und Eltern den Vorrang der Kinderrechte ergibt.[35] An diesem Ergebnis ändert sich auch nichts, wenn man auf ein Religionsgrundrecht des Kindes selbst abhebt, das die Eltern nur für das Kind ausüben.[36] "Die Religionsfreiheit[des Kindes]bleibt … völlig substanz- und damit richtungslos, weil ein Kind noch keine sachhaltigen religiösen Überzeugungen besitzt."[37] Es käme letztlich nur wieder auf die Kriterien an, mit denen man eine Kindeswohlgefährdung feststellt oder verneint.[38]
b) Die Diskussion hat sich deshalb verlagert hin zum Erziehungsrecht der Eltern (Art. 6 II GG), dieses gebe ihnen das Recht zur Knabenbeschneidung.[39] Unterstellen wir zur Erprobung dieser These, dass der Beschneidungsakt ein Akt der "Erziehung" ist![40] Wollten die Vertreter dieser Sicht es ernst meinen, müssten sie sich zu der Konsequenz bekennen, dass die schafi’itischen Eltern unseres Beispiels von oben[41] nicht nur ihrem Sohn die Penisvorhaut beschneiden lassen dürften, sondern auch jedes Erziehungsrecht hätten, ihrer Tochter die Klitorisvorhaut zu beschneiden. Das tut aber niemand. Alle lassen sich den Widerspruch zu schulden kommen, selbst die leichteren Formen der Mädchenbeschneidung (Anritzen der äußeren Schamlippen) als Kindeswohlgefährdung einzustufen.
Soweit die Verfechter des Erziehungsrechts überhaupt Gründe für die Ungleichbehandlung vortragen, sind diese sämtlich und recht offensichtlich nicht tragfähig. Sie lassen die Absicht durchscheinen, dass eine unbedingt zu gestatten (Knabenbeschneidung), das andere unbedingt zu verbieten (milde Mädchenbeschneidung):
Der einzige tatsächliche Unterschied zwischen den beiden Beschneidungsformen scheint darin zu liegen, dass die Knabenbeschneidung gewisse hygienische und gesundheitliche Vorteile hat.[42] Die hygienischen Vorteile zählen indes nicht, weil in Deutschland Seife und Wasser hinreichend zur Verfügung stehen.[43] Die gesundheitlichen Vorteile aber sind alle umstritten,[44] der Gesetzgeber lässt sie für Deutschland ohnehin nicht gelten.[45] Zudem sind die behaupteten prophylaktischen Vorteile sämtlich solche, die sich erst realisieren, wenn der Junge Geschlechtsverkehr ausübt.[46] Sie sind also alle zu haben, ohne dass man die Persönlichkeit des Jungen übergehen und ihm den Beschneidungsakt aufzwingen müsste; er kann mit Eintritt der Entscheidungsreife noch rechtzeitig selbst wählen.[47] Es tritt hinzu, dass die Beschneidung das Verwenden von Kondomen erschwert und manchmal unmöglich macht; der Eingriff raubt dem Betroffenen also gerade die Möglichkeit eines fast 100%-igen Schutzes vor sexuell übertragbaren Krankheiten.[48]
Als einige wenige der Verfechter des elterlichen Erziehungsrechts haben Hörnle/Huster es unternommen, die Ungleichbehandlung der Geschlechter zu legitimieren. Nach ihrem Konzept dürfen die Eltern in die – als invasiven Eingriff eingestufte – Knabenbeschneidung einwilligen, wenn und weil sie eine wichtige Maßnahme eines erzieherischen Gesamtkonzepts ist; der Akt ermögliche es diesen Eltern dann, ihrem Sohn die eigene Überzeugung vom "guten Leben" weiterzugeben; diese Vorstellung habe der ethisch neutrale Staat zu respektieren.[49] Das Erziehungsrecht finde aber eine "harte Grenze" bei erheblichen Demütigungen des Kindes (siehe § 1631 II BGB) und bei erhöhter gesundheitlicher oder psychischer Gefährdung.[50] Diese Kriterien würden die Autoren gegen die mittelschweren und gravierenden Formen der weiblichen Beschneidung geltend machen. Daneben trete als "weiches" Kriterium, das in eine Gesamtabwägung
einzustellen sei, die mit dem Akt verbundene "soziale Botschaft".[51] Dieses Kriterium machen sie fruchtbar für die Andersbehandlung von Knabenbeschneidung und leichten Formen der Mädchenbeschneidung. Für Letztere sei zu klären, "ob sich nicht die symbolische Botschaft wesentlich" unterscheide, "was zu vermuten" sei, "da die Vorstellung eines notwendigen Reinigungsrituals oder Versuche der Kontrolle von (nur) weiblicher Sexualität auf negativen Bewertungen von Eigenschaften" beruhen, "die angeblich Mädchen und Frauen zukämen."[52]
Dies kann nicht überzeugen. Zum einen erstreckt sich diese Sicht nicht auf schafi’itische Eltern, die für Jungen und Mädchenbeschneidung das identische Motiv der religiösen Pflicht haben. Mit einigem Recht würden sie den Vorwurf von sich weisen, die Beschneidung ihrer Tochter habe etwas mit einer Herabsetzung des Mädchens oder Unterdrückung ihrer Sexualität zu tun. Zum andern würde es für manche Knabenbeschneidung ganz genauso gelten. Unter Muslimen gilt der Unbeschnittene zum Teil als "unrein".[53] Und der israelische Mohel Menachem Fleischmann sagt in einem Dokumentarfilm: "Die Vorhaut ist etwas Verabscheuungswürdiges, und deshalb schneiden wir sie ab."[54] Die soziale Botschaft ist hier keine bessere als bei der angeblich nötigen Reinigung des Mädchens. Sie lautet: Du hast etwas Schmutziges an dir, das weg muss; ohne den (verletzenden) Beschneidungsakt bist Du nicht "vollwertig"! Das führt in Sachen "sozialer Botschaft" zu einem weiteren Punkt: Eine Religionsgemeinschaft, die für die Vollwertigkeit ihrer minderjährigen Mitglieder einfordert, sie mögen sich erst einmal im Intimbereich verletzen lassen und eine erogene Zone opfern, übt illegitimen Nötigungsdruck aus.[55] Wie würden wir das Verhalten eines Fechtvereins einstufen, der zehnjährige Kinder zwar bei offiziellen Wettkämpfen für den Verein starten lässt, aber nur unter der Bedingung, dass sich die Anwärter zuvor einen Schmiss auf dem Oberarm verpassen lassen? Es besteht kein Zweifel, dass dieses Verhalten der Vereinsverantwortlichen rechtswidrig wäre. Für Religionsgemeinschaften kann nichts anderes gelten. – Und schließlich ist in den Blick zu nehmen, was denn das beschnittene Mädchen, wenn es reif genug ist, ihren Eltern vorwerfen wird. Doch nicht etwa: Wie konntet ihr mich nur als etwas Unreines betrachten! (Wo sie jetzt ja "rein" ist, wird sie das kaum belasten.) Sondern doch wohl eher: Wie konntet ihr euch nur anmaßen, ein Stück von meinem Körper abzuschneiden! Diesen Vorwurf erheben jetzt auch viele als Kind beschnittene Männer. Die unerwünschte Beschneidung kann also vom Betroffenen auch nachträglich als Anmaßung begriffen werden.[56]
Weiter verweisen Hörnle/Huster darauf, dass der "wichtige Aspekt der Unterdrückung der weiblichen Sexualität als Zweck der Frauenbeschneidung … ignoriert werde".[57] Aber auch damit ist nichts vorgetragen, was ein Verbot gegenüber den Schafi’iten rechtfertigen könnte. Die schafi‘itischen Eltern unterdrücken keineswegs die Sexualität ihrer Tochter. Manche erwachsene Frau lässt sich sogar die Klitorisvorhaut beschneiden, um besser sexuell stimulierbar zu sein![58]
Bei Hörnle/Huster läuft deshalb alles auf die Äußerung hinaus, der Gesetzgeber dürfe "typisierend aufgreifen", dass viele oder die meisten Mädchenbeschneidungen eine negative "soziale Botschaft" hätten, und er dürfe daher Mädchenbeschneidungen insgesamt verbieten.[59] Aber das ist zweifach unplausibel. Erstens besteht vor dem Hintergrund der Strafbewehrung des Beschneidungsverbots ein Zurechnungsproblem. Die schafi’itischen Eltern werden nach dieser Sicht nur deshalb bestraft, weil andere Eltern an ihren Kindern Beschneidungsakte vollziehen, die schlimm und schon für sich genommen strafwürdig sind. Doch für die Akte dieser Eltern fehlt es an einem die Zurechnung begründenden Band. Für diese Taten sind die Schafi‘iten nicht verantwortlich.[60] Es leuchtet zudem nicht ein, dass die Typisierung gerade beim Geschlecht endet. Wer seiner Tochter die Klitoris abschneiden lassen möchte, kann sich doch sagen, in Deutschland darf man männlichen Kindern schließlich auch erogene Zonen abschneiden.[61] Zweitens müssen Hörnle/Huster gefragt werden: Was ist denn mit dem Erziehungsrecht der (schafi’itischen) Eltern? Was wäre das für ein Erziehungsrecht, wenn es zurücktreten müsste, weil andere Eltern schlimme Dinge tun! Nein, wenn die leichten Formen der Beschneidung vom Erziehungsrecht der Eltern gedeckt sind, dann setzt es sich auch durch gegen typisierend-weite Verbote dieser Praktiken. Wenn das Erziehungsrecht so stark ist, dass es die Entfernung einer erogenen Zone beim Jungen erlaubt, dann muss es sich auch und erst recht durchsetzen gegen solch typisierend-weiten Verbote, gegen ein In-Haftung-genommen-Werden für Taten anderer.
Bei genauer Betrachtung erweist sich die Differenzierung demnach als nicht tragfähig. Vielmehr muss aus dem Konsens, dass alle Formen der Mädchenbeschneidung, auch die leichtesten, verboten sind, Folgendes abgeleitet werden: Schon der Umstand, dass die Eltern ohne medizinischen Grund den Intimbereich ihres minderjährigen Kindes verletzen, erzwingt das Beschneidungsverbot. Die Rechte der Kinder auf körperliche Unversehrtheit und auf Achtung ihrer offenen, noch reifenden Persönlichkeit stehen einer Beschneidungserlaubnis entgegen – auch unter dem Blickwinkel des elterlichen Erziehungsrechts.
c) Isensee teilt die skizzierte Sicht auf die Verfassungsfragen weitgehend und erklärt das Erlaubnisgesetz des
§ 1631d BGB für "verfassungsrechtlich gescheitert".[62] Er will am Ende aber doch einen Weg gefunden haben, eine enge Beschneidungserlaubnis gelten zu lassen: Der Gesetzgeber dürfe die Beschneidung erlauben, um in Deutschland einen "Kulturkampf" zu verhindern.[63] So verständlich das politisch ist, so wenig plausibel ist es empirisch und verfassungsrechtlich. In aller Kürze nur dies: Schon das jetzt geltende Beschneidungsgesetz begrenzt die Kultur mancher Moslems und Juden. So wird etwa den Juden auferlegt, die Beschneidung unter Anwendung effektiver Schmerzbehandlung zu vollziehen (§ 1631d I BGB),[64] was viele Strenggläubige aus religiösen Gründen ablehnen.[65] Davor musste der Gesetzgeber weder empirisch noch verfassungsrechtlich zurückschrecken. Auch mit Teilen des Islam wird der "Kulturkampf" durchaus aufgenommen, wenn, wie behandelt, den Schafi’iten leichtere Eingriffe bei weiblichen Kindern untersagt werden. Schließlich ist weder von der Mehrheit der Moslems noch von der Mehrheit der Juden zu erwarten, dass sie ein letztlich fundamentalistisches Verständnis im Verhältnis von Religion und Staat einnehmen.[66] – Auch enthält Isensees Idee den unheimlichen Satz, der Gesetzgeber habe sich "im Konflikt zwischen rechtsstaatlicher Konsequenz und Wahrung des religiösen wie gesellschaftlichen Friedens" zulässiger Weise für den Frieden entschieden.[67] Er sagt damit, der Gesetzgeber dürfe in utilitaristischer Verrechnung Grundrechte der Kinder opfern, um den gesellschaftlichen Frieden zu wahren. Es ist aber gerade der Sinn eines Kerngrundrechts wie Art. 2 II 1 GG, einen solchen Utilitarismus zu verhindern. Droht vor diesem Hintergrund nicht vielleicht auch von der anderen Seite ein Kulturkampf, weil das Beschneidungsgesetz die Verfassungskultur antiutilitaristischer Kerngrundrechte preisgibt?[68]
Der hier und da anklingende Gedanke, es dürfe nicht gerade Deutschland das erste Land sein, dass den Juden eine wichtige und im Großen und Ganzen bisher tolerierte Tradition verbietet,[69] wird vermutlich die entscheidende Triebfeder für das Beschneidungsgesetz gewesen sein.[70] Und in der Tat hätte man sich das anders gewünscht. Doch ergibt auch dieser Aspekt verfassungsrechtlich keine Rechtfertigung. Die aus der Historie abgeleitete moralische Pflicht der deutschen Staatsorgane, auf alle jüdischen Belange von Gewicht besonders Rücksicht zu nehmen, dispensiert den Gesetzgeber nicht von seiner Schutzpflicht gegenüber den betroffenen Kindern! Gerade auch gegenüber den jüdischen Kindern mutet die These paradox an. Ihre Unversehrtheit im Intimbereich ist ein Belang von außerordentlichem Gewicht (Art. 2 I GG mit Art. 1 I GG).[71]
d) Bleibt zuletzt die Frage, auf welche Weise der Gesetzgeber seine Schutzpflicht zu erfüllen hat. Allemal muss der Beschneidungsakt rechtswidrig bleiben, damit das Kind nicht sein Notwehr- und Nothilferecht verliert und damit bei schweren Folgen (etwa bei einer Penisamputation) zivilrechtliche Ansprüche nicht schon allein wegen kunstgerechter Durchführung des Eingriffs ausgeschlossen sind.[72] Aber muss das Verbot auch strafbewehrt sein? Oder darf der Gesetzgeber wenigstens diese Rechtsfolge für die Eltern vermeiden?[73] Das BVerfG räumt dem Gesetzgeber traditionell einen weiten Beurteilungsspielraum dafür ein, wie dieser Schutzpflichten erfüllt, und erst recht dafür, welches Verhalten er unter Strafe stellt.[74] Isoliert auf die Knabenbeschneidung geblickt, würde das BVerfG dem Gesetzgeber wohl allemal zugestehen, die Strafbarkeit auszuschließen – zumal bei religiöser Motivation.[75] Nimmt man aber das strafbewehrte Verbot der Mädchenbeschneidung hinzu, zwingt Art. 3 I, III GG wiederum zur Gleichbehandlung: Es gibt keinen sachlichen Grund, den strafrechtlichen Schutz den man den Mädchen gewährt, den Jungen vorzuenthalten. Indirekt trifft den Gesetzgeber also eine verfassungsrechtliche Pflicht, Genitalbeschneidungen bei Kindern insgesamt zu bestrafen.
a) Wie der Friseur, der seiner Kundin unaufgefordert den Zopf abschneidet, damit eine körperliche Misshandlung begeht, so tut dies auch und erst recht, wer einer männlichen Person die Vorhaut abtrennt; hinzu tritt dann freilich eine Gesundheitsschädigung (§ 223 I Fall 2 StGB). Es ist nun – mit Blick auf die Beschneidungsdebatte – ein müßiger Streit, ob im Falle einer wirksamen Einwilligung (der Eltern) schon der Tatbestand des § 223 I StGB zu verneinen ist oder "erst" die Rechtswidrigkeit. So oder so kommt es für das Unrecht der Körperverletzung auf dieselbe Frage an: Haben die Eltern die Dispositionsbefugnis zu einem irreversiblen und schmerzhaft-verletzenden Eingriff in den sexuellen Intimbereich ihrer Kinder? Wer mit der üblichen Sicht und mit der ständigen Rechtsprechung des BGH die Einwilligung erst rechtfertigend wirken lässt, hat im Fall der Knabenbeschneidung keinen Grund, davon abzuweichen. Sie bietet keine Besonder-
heit, die eine Andersbehandlung auch nur nahelegt. Auch der Gedanke der Sozialadäquanz trägt den Tatbestandsausschluss nicht. Wenn die Einwilligung des Erwachsenen die Vorhautabtrennung erst rechtfertigt, kann für die Einwilligung des bloßen Stellvertreters (der Kindseltern) nichts anderes gelten.[76] Ferner bringt dies der Fall des – den Zopf seiner Kundin abschneidenden – Friseurs zur Evidenz.[77]
b) Ist das Skalpell des Arztes oder das Messer des Beschneiders – im Falle rechtswidriger Beschneidung – ein "gefährliches Werkzeug" (§ 224 I Nr. 2 Fall 2 StGB)? Das LG Köln hatte dies unter Berufung auf eine ältere BGH-Rechtsprechung verneint, weil das Skalpell vom Arzt nicht als Angriffsmittel eingesetzt werde.[78] Diese Verneinung passt allerdings nicht zur weitgehend anerkannten Definition des "gefährlichen Werkzeugs", wofür nur die Eignung des Gegenstandes verlangt wird, bei der Art der konkreten Verwendung erhebliche Verletzung herbeizuführen.[79] Skalpell und Beschneidungsmesser weisen nicht nur diese Eignung auf, sondern sie führen mit dem Abtrennen der Penisvorhaut eine erhebliche Verletzung sogar tatsächlich herbei; deshalb ist es richtig, diese Qualifikation als verwirklicht anzusehen.[80] Wenn die Einwilligung unwirksam ist, dann fehlt dem Beschneider auch die Berechtigung, so eine erhebliche Verletzung – mit so einem gefährlichen Werkzeug – herbeizuführen.
c) Liegt bei betäubungsloser Beschneidung eine Misshandlung von Schutzbefohlenen vor (§ 225 I StGB)? Das Merkmal "quält" kann verwirklicht sein. Die dafür nötige Intensität und Dauer der Schmerzen dürfte jedenfalls beim Säugling vorliegen.[81] Bei ihm muss zunächst die Vorhaut von der Glans gelöst werden, schon das ist wegen der noch bestehenden natürlichen Verwachsung überaus schmerzhaft, erst nach dem Ablösen erfolgt dann der ebenfalls schmerzhafte eigentliche Schnitt. Die betäubungslose Prozedur wird von Fachleuten als "qualvoll" beschrieben.[82] Letztlich ist es eine Frage des Einzelfalls.
Arzt und Mohel begehen das Delikt aber wohl nicht. Zwar lässt die h.M. für die Nr. 3 des Tatbestands (vom "Fürsorgepflichtigen der Gewalt überlassen worden") ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis genügen,[83] doch bleiben die Eltern manchmal anwesend, behalten also selber die "Gewalt". Sollten die Eltern abwesend sein, so ist schon fraglich, ob die kurze Überlassung des Kindes für die Nr. 3 ausreicht. Jedenfalls aber wird dem Arzt oder Mohel die Gewalt über das Kind von den Eltern gerade mit der Maßgabe überlassen, dass er die Beschneidung vornehme. Dann aber besteht kein hinreichend gewichtiger Unterschied zu dem Fall, wo die Eltern selber anwesend bleiben.
Die Eltern aber können § 225 I Nr. 1 StGB verwirklichen. Sie begehen die Tat dann "durch" den Arzt oder Mohel, also in mittelbarer Täterschaft (§ 25 I Fall 2 StGB). Weil der Operateur selbst kein Täter ist, ihm fehlt die Sondereigenschaft, versperrt er den Eltern nicht die Täterschaft.[84]
Das Gesetz gibt den Eltern das Recht zur Einwilligung in den Beschneidungsakt nur unter der Bedingung, dass die angestrebte Beschneidung "nach den Regeln der ärztli-
chen Kunst durchgeführt werden soll" (§ 1631d I BGB).[85] Anders ausgedrückt: Weicht der Beschneider von diesen Regeln ab, rechtfertigt ihn die Einwilligung der Eltern nicht; wissen die Eltern schon bei Abgabe der Einwilligungserklärung von der geplanten Abweichung, machen auch sie sich mit dem Auftrag zur später rechtswidrig durchgeführten Beschneidung strafbar (§§ 223, 224 I Nr. 2 Fall 2, 26 StGB ggf. § 225 StGB);[86] erkennen die Eltern die Abweichung während des Beschneidungsakts und lassen eine Verhinderungsmöglichkeit ungenutzt, können sie wegen eines Unterlassungsdelikts strafbar sein (§§ 223, 224 I Nr. 2 Fall 2, 27 I, 13 I StGB, §§ 223 I, 229, 13 I StGB ggf. § 225 StGB).
Bei der Auslegung des Merkmals "nach den Regeln der ärztlichen Kunst" muss sich der Rechtsanwender zunächst über eine Kuriosität hinwegsetzen. Die fachärztlichen Vereinigungen der Kinderärzte- und Kinderchirurgen lehnen es wegen des Prinzips nihil nocere ab, ein Kind zu beschneiden, wenn keine medizinische Notwendigkeit vorliegt.[87] Der Gesetzgeber hat es also fertiggebracht, einen Beschneidungseingriff an die Einhaltung der Regeln der ärztlichen Kunst zu binden, den es nach den Regeln der ärztlichen Kunst gar nicht geben dürfte. Anders ausgedrückt: "Der Arzt darf tun, was ein guter Arzt zwar nicht tun sollte, wenn er es nur wie ein guter Arzt tut."[88] Da der Gesetzgeber aber den Eingriff grundsätzlich erlauben will, kann die ablehnende Haltung der Fachärzte – befremdender Weise – keine Bedeutung haben.
Unter den "Regeln der ärztlichen Kunst" ist daher nur das Folgende zu verstehen: eine fachgerechte Durchführung des Eingriffs, angemessene hygienische Rahmenbedingungen, eine effektive Schmerzbehandlung und eine umfassende Aufklärung der einwilligenden Eltern.[89] Insbesondere die beiden letzten Punkte werfen Probleme auf.
aa) Die Striktheit des Merkmals der "Regeln der ärztlichen Kunst" drückt sich in der Entwurfsbegründung darin aus, dass "eine effektive Schmerzbehandlung" eingestuft wird als eine "Voraussetzung für die Berechtigung der Eltern zur Einwilligung".[90] Dies bedeutet das Ende für die betäubungslose Beschneidung, aber auch für ein – in der Vergangenheit vielfach eingesetztes – ineffektives Schmerzmittel, für die EMLA-Salbe. Denn jüngste Forschungsergebnisse stufen diese Salbe als unzulänglich ein.[91] Und die zuständige Ärzteschaft bestätigt, dass zu ihren "Regeln der Kunst" eine Vollnarkose oder zumindest eine Lokalanästhesie mittels Injektion gehört (Penisblock).[92] Für die ärztliche Beschneidung dürfte es deshalb unumstritten sein, dass Betäubungsversuche mit Salben oder süßem Wein[93] nicht genügen.
bb) Fragen kann man sich aber, wie § 1631d II BGB zu verstehen ist. Mit der "Mohel-Klausel"[94] erlaubt die Vorschrift auch Nichtärzten Beschneidungsakte, wenn diese "für die Durchführung der Beschneidung" dem Arzt "vergleichbar befähigt" sind. Reinhard Merkel hat dies so gelesen, dass der Mohel allein unter Verwendung der (insuffizienten) Salbe beschneiden darf. Denn Absatz 2 gestatte dem Mohel "Beschneidungen gemäß Absatz 1" und damit den Gesamtakt; weil Nichtärzte aber keinen Zugang zu effektiven Anästhetika haben und diese auch gar nicht anwenden dürfen, lasse § 1631d II BGB die Salbe hinreichen.[95]
Diese Deutung vernachlässigt jedoch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Erhellend ist die schon oben zitierte Passage aus dem Gesetzesentwurf, worin die "effektive Schmerzbehandlung" zur "Voraussetzung für die elterliche Berechtigung" gezählt wird; insoweit wähnt sich der Gesetzesentwurf in Übereinstimmung mit dem Auftrag des Deutschen Bundestag ("ohne unnötige Schmerzen")[96], den Stellungnahmen des Deutschen Ethikrats ("qualifizierte Schmerzbehandlung")[97] und der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V. ("nur unter adäquater Schmerzbehandlung")[98]. Sodann führt die Begründung zum Erfordernis der effektiven Betäubung aus: "Der Regelungsvorschlag deckt diese Anforderung mit der Formulierung ,nach den Regeln der ärztlichen Kunst‘ ab, denn diese Regeln gebieten eine im Einzelfall angemessene und wirkungsvolle Betäubung und grundsätzlich eine für den Patienten möglichst schonende Durchführung der Beschneidung".[99] Erneut bestätigt findet sich
diese Sicht im Eckpunktepapier des Bundesjustizministeriums. Dort heißt es unter der Überschrift "Durchführung nach den Regeln der ärztlichen Kunst": Davon abgedeckt "sind eine fachgerechte Durchführung des Eingriffs, die hygienischen Rahmenbedingungen und – da auch dies von den Regeln der ärztlichen Kunst umfasst ist – eine unter Beachtung der medizinischen Standards im Einzelfall gebotene und wirkungsvolle Schmerzbehandlung".[100]
Die Parlamentarier, die dem Gesetzentwurf zugestimmt haben, mussten also annehmen, dass § 1631d BGB insgesamt nur Beschneidungen "ohne unnötige Schmerzen" gestattet. Denn so lautete der Auftrag, den das Parlament der Regierung gegeben hat, so hat das Bundesjustizministerium den Auftrag verstanden (Eckpunkte) und so lautet auch die Entwurfsbegründung. Die Parlamentarier konnten daher nicht annehmen, das Gesetz, dem sie zustimmen, erlaube auftragswidrig Beschneidungen mit unnötigen Schmerzen. Eine effektive Schmerzbehandlung ist also in jedem Einzelfall erforderlich.[101] Allein dieses Ergebnis ist übrigens mit Blick auf das Kindesrecht auf körperliche Unversehrtheit verfassungskonform (Art. 2 II 1 GG).[102]
Auch für die Praxis der jüdischen Säuglingsbeschneidung bedeutet dies, dass stets ein Anästhesist anwesend sein und die kunstgerechte Schmerzbehandlung durchführen muss.[103] Dachte man früher, Neugeborene hätten kein Schmerzempfinden, so ist heute erwiesen, "dass Neugeborene Schmerzen sogar erheblich stärker empfinden als ältere Kinder oder Erwachsene, da neuronale Mechanismen der Schmerzmodifikation noch nicht entwickelt sind."[104] Vor diesem Hintergrund lässt sich auch das manchmal unmittelbar nach Neugeborenenbeschneidungen zu beobachtende Phänomen des stillen Schlafs richtig einordnen: "Yet as has been shown in numerous careful studies, this ,quiet sleep‘ is much more likely to be a state of complete exhaustion or ,neurogenic shock‘, a protective mechanism of retreat of the baby’s central nervous system caused by the traumatic pain." [105]
Mit der effektiven Schmerzbehandlung wird der jüdischen Religionsgemeinschaft übrigens nichts zugemutet, was sie bei Erwachsenen nicht ohnehin akzeptiert: "Bei der Beschneidung von Erwachsenen toleriert man … inzwischen eine zeitgemäße medizinische Operation, also sowohl eine medizinische Hygiene- und Operationstechnik, vor allem aber eine angemessene Anästhesie, zum Teil sogar die umstrittene kurzzeitige Vollnarkose. Man akzeptiert dies notgedrungen, da sich sonst niemand mehr beschneiden ließe, schließt diese Zugeständnisse jedoch zugleich für Säuglinge aus. Obwohl sich zentrale orthodoxe Gutachter inzwischen trotz erheblicher Bedenken selbst für die Möglichkeit einer Schmerztherapie bei Kleinkindern aussprechen, wurde selbst dies bislang nur teilweise und nicht verpflichtend in die Praxis übernommen."[106] Es versteht sich von selbst, dass dem Säugling an Schmerzen nicht zugemutet werden darf, was die Erwachsenen rundweg für sich als unzumutbar zurückweisen (Art. 2 II 1 GG). Immerhin dies, die effektive Schmerzbehandlung bei der Beschneidung, macht § 1631d BGB jetzt also fürs Recht und für alle Beschneidungen verbindlich.
aa) Von den "Regeln der ärztlichen Kunst" umfasst ist auch eine eingehende Aufklärung des Patienten, bei Minderjährigen die Aufklärung der gesetzlichen Vertreter. Sie muss so genau erfolgen, dass der Betroffene oder sein gesetzlicher Vertreter eine selbstbestimmte Entscheidung treffen kann (Selbstbestimmungsaufklärung): Sie hat sich daher "am Empfängerhorizont des konkreten Patienten zu orientieren".[107] Die Rechtsprechung stellt umso strengere Anforderungen an die Aufklärung, "je weniger dringlich und notwendig der Eingriff ist".[108] So oder so muss der Eingreifende (Arzt oder Mohel) bei medizinisch nicht indizierten Beschneidungen auch über seltene Risiken aufklären.[109] Das galt schon bisher nach allgemeinen Grundsätzen.[110] § 1631d BGB stellt das nur klar.[111]
Wie weit diese Aufklärungspflicht reicht, zeigt ein vom OLG Oldenburg im Jahre 1991 entschiedener Fall: Der beschneidungswillige Erwachsene hatte den Arzt schriftlich darauf hingewiesen, dass er "wegen des bevorstehenden Besuchs seiner Freundin in etwa einem Monat auf einer vollen Funktionsfähigkeit des Genitalorgans bestehen müsse". Der Arzt klärte nur abstrakt über mögliche Wundheilungsstörungen auf und nannte insoweit einen Beeinträchtigungszeitraum von "zwei Wochen". Bei dem so aufgeklärten Patienten führte die Operation dann aber zu einer mehrwöchigen Wundheilungsstörung, wie sie in ein bis zwei Prozent der Beschneidungsfälle auftritt. Das Versäumnis des Arztes, über dieses Risiko aufzuklären, sah das OLG als haftungsbegründenden Aufklärungsmangel an.[112] – Ein anderes Beispiel bietet die Blutspende, vor deren Durchführung auch über das entfernte Risiko aufzuklären ist, dass es durch den Ein-
stich der Kanüle zu einer Traumatisierung des Hautnervs des linken Unterarmes kommt und dadurch chronische neuropathische Schmerzen ausgelöst werden.[113]
Auf der Basis dieses Maßstabs ist bei der Knabenbeschneidung über zahlreiche unmittelbare Folgen sowie über Risiken des Eingriffs aufzuklären. Wolfram Hartmann nennt als unmittelbare Folgen der Knabenbeschneidung den Verlust der schützenden Funktion der Penisvorhaut (vor Schadstoffen, Reibung, Austrocknung und Verletzungen), den Verlust antibakterieller und antiviraler Funktionen; die Kappung von Verbindungskanälen für zahlreiche bedeutende Venen, zu den Risiken zählt er daher auch erektile Dysfunktionen durch Zerstörung von Blutleitungen; ferner verweist er auf psychische Folgen.[114]
Die Stanford School of Medicine nennt in einem 2012 veröffentlichten Papier folgende Komplikationen:[115] (1) lokale Blutungen, (2) lokale und systemische Infektionen, (3) unzureichende Vorhautverkürzung – mit der Folge einer Re-Zirkumzision aus ästhetischen Gründen oder wegen einer sekundären Phimose, (4) zu starke Vorhautverkürzung, (5) Verwachsungen der verbleibenden Penishaut mit der Glans, (6) Blasenbildung unter der verbleibenden Penishaut, (7) abnormale Wundheilung, (8) Meatitis (Entzündung der Harnröhrenöffnung, (9) Harnsperre – wegen des Verbands, (10) sekundäre Phimose, (11) Chordee – abnormale Kurvenhaltung des (eregierten) Penis, (12) Hypospadias – zu weite und an der Unterseite des Penis mündende Öffnung des Harnwegs, (13) Epispadias – an der Oberseite des Penis mündende Harnöffnung, (14) Fistelbildung zwischen Harnröhre und Penishaut, (15) Nekrotisierung des Penis, (16) Amputation des Penis, (17) Tod des Beschnittenen.[116]
Der Aufklärungsbogen eines Urologen nennt zusätzlich:[117] Schmerzen in den ersten Tagen nach dem Eingriff; allergische Reaktionen gegen Medikamente; (schmerzende) Narben an Vorhautresten; Krampfaderknoten; Kastratationsängste bei vier- oder fünfjährigen Jungen. – Hinzuweisen ist auch auf die Möglichkeit eines "handwerklichen" Fehlers. Allein in Deutschland sind in den Jahren 2010 und 2012 zwei Fälle aufgetreten, wo die Ärzte mit verheerenden Folgen ein Drittel des Penis bzw. ein Stück der Eichel weggeschnitten haben.[118]
Nach allem hoch bedenklich ist daher die Einseitigkeit, mit der der Zentralrat der Juden auf seiner Homepage informiert. Unter der Überschrift "Wird der Säugling vor der Beschneidung betäubt?" heißt es: "Es spricht nichts gegen eine (lokale) Betäubung des Kindes. Eine Narkose des Säuglings wird in der Regel nicht durchgeführt und nicht empfohlen, da die Narkose dem kindlichen Körper Schaden zufügen könnte und weniger leicht für den Säugling zu bewältigen ist."[119] Die Empfehlung lautet also: keine Betäubung! Dass Fachleute die Säuglingsbeschneidung ohne Betäubung als besonders qualvoll einstufen,[120] wird nicht erwähnt.
Weiter wird unter der fragenden Überschrift "Führt die Beschneidung zu gesundheitlichen Nachteilen?" geantwortet: "Nein, die Beschneidung führt nicht zu gesundheitlichen Nachteilen – ganz im Gegenteil!" Später heißt es dann noch: "Das Genital ist weiterhin voll funktionsfähig und führt zu keinerlei Beeinträchtigung." Man betrachte noch einmal die oben aufgeführte Liste möglicher Folgen der Beschneidung![121] Der Sensibilitätsverlust der Eichel wird verschwiegen, keine einzige Komplikation wird genannt, keine einzige Spätfolge aufgeführt. Man bedenke dann, dass der Zentralrat der Juden zugesichert hat, in Deutschland für eine angemessene Ausbildung der Mohalin zu sorgen. Dazu gehört auch die Vermittlung von Kenntnissen zu den Folgen einer Beschneidung – der Mohel soll ja über die Operationsrisiken aufklären können. Wie will der Zentralrat plausibel machen, dass er die Mohalin angemessen ausbildet und zur Selbstbestimmungsaufklärung (der Eltern) befähigt, wenn er selber in offiziellen Internettexten nicht einmal eingesteht, dass gesundheitliche Nachteile auftreten können?
bb) Seit Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes gilt mit § 630e BGB eine ausdrückliche Regel für die Aufklärung bei "Behandlungsverträgen". Die Norm ist jedenfalls anwendbar bei der ärztlichen Beschneidung (siehe § 630a BGB). In puncto Inhalt und Umfang der Aufklärung bestimmt § 630e BGB nichts Neues, sondern normiert nur die gefestigte Rechtsprechung.[122] Dreierlei ist für die Aufklärung der Eltern relevant:
Erstens muss, wie die Entwurfsbegründung sagt, die aufklärende Person gerade die Befähigung zu den Tätigkeiten haben, die sie bei der Beschneidung ausübt: "Dies hat zur Folge, dass die Aufklärung für gesonderte Maßnahmen unter Umständen jeweils gesondert erfolgen muss. So hat etwa der Operateur über die Risiken der Operation einschließlich des mit der Operation verbun-
denen Risikos und ein Anästhesist über die Risiken der [Voll-]Narkose aufzuklären."[123] Das wird im klinischen Alltag ohnehin praktiziert.
Zweitens dürfen die Eltern bei ihrer stellvertretenden Einwilligung – abgesehen vom Falle eigener umfassender Sachkenntnis – nicht auf die Aufklärung verzichten. Das ergibt sich zwar nicht zwingend und unmittelbar aus dem Gesetzestext, aber eindeutig aus der Entwurfsbegründung zur stellvertretenden Einwilligung: "Die Ausnahmetatbestände des Absatzes 3 [u.a. Aufklärungsverzicht, J.S.]dürften im Regelfall nur eingreifen, soweit die Behandlung unaufschiebbar ist oder der zur Einwilligung Berechtigte aufgrund seiner eigenen Fachkenntnisse keiner Aufklärung bedarf.[…]Einem zur Einwilligung Berechtigten sollte es ferner nicht möglich sein, gemäß Absatz 3 auf die Aufklärung über den Eingriff in die Rechtsgüter des Patienten zu verzichten."[124] Diese Sollvorgabe des Entwurfs ist als Muss zu lesen. Willigt der Betroffene selbst als Einsichtsfähiger vollverantwortlich in den Beschneidungseingriff, dann gehört es zu seinem Selbstbestimmungsrecht, auf eine umfassende Aufklärung zu verzichten.[125] Die Eltern dagegen dürfen nicht zulasten des Kindes auf die Aufklärung verzichten. Soll die Einwilligung zur Ausübung ihrer Personensorge zu rechnen sein, dann müssen sie diese Personensorge auch treuhänderisch und pflichtgemäß ausüben;[126] ins Blaue hinein die Einwilligung zu erklären, wäre aber treuepflichtwidrig. (Der Gedanke einer hypothetischen Einwilligung der Eltern darf hier nicht relevant werden.)[127]
Drittens treffen Beschneider und Anästhesisten gewisse Dokumentationspflichten. § 630e IV mit III 2 BGB fordert, dass Aufklärungsunterlagen, die die einwilligenden Eltern unterzeichnet haben, diesen ausgehändigt werden.
cc) Diese Grundsätze müssen auf die Mohel-Beschneidungen übertragen werden, sei es in direkter oder analoger Anwendung des § 630e BGB. Oben ist § 1631d BGB in verfassungskonformer Auslegung dahin interpretiert worden, dass auch bei der jüdischen Säuglingsbeschneidung ein Anästhesist anwesend sein muss. Nur er hat das nötige Wissen, für die Aufklärung über das Narkoserisiko. Deshalb muss auch er selber über diese Narkoserisiken aufklären.
Abschließend lässt sich zur Aufklärungspflicht sagen, dass sehr hohe Anforderungen gelten, die insbesondere von Nichtärzten schwer zu erfüllen sein werden. Die Beschneider gehen – wegen zu erwartender Aufklärungsmängel – mit der Durchführung des medizinisch nicht indizierten Eingriffs zumindest ein erhebliches Haftungsrisiko ein.[128]
Mit den "Regeln der ärztlichen Kunst" ist ein dynamisches Moment in die Regelung eingefügt worden. Es hält insbesondere für Religionsgemeinschaften, die den Beschneidungsakt in ein religiöse Zeremonie einbetten möchten, auf Dauer vielleicht unliebsame Begrenzungen bereit. So wird etwa heute schon mit der Lasermethode beschnitten.[129] Anbieter werben damit, dass die Methode deutlich risikoärmer sei: Das Risiko von Blutungen gehe "gegen Null", das von Infektionen sei "gering" und das von Narbenbildung "minimal". Sollte sich in der Zukunft erweisen, dass diese Lasermethode tatsächlich deutlich risikoärmer ist, und sie deshalb als klar vorzugswürdig, als Standardmaßnahme und allein kunstgerecht eingestuft wird, dann dürfen Arzt und Mohel (auch unter dem Blickwinkel der Freiheit der Methodenwahl) nicht mehr zum Skalpell beziehungsweise zum Beschneidungsmesser greifen. Der Eingriff müsste dann per Lasertechnik erfolgen.[130]
Ein gravierender Mangel des § 1631d BGB liegt darin, dass weder im Gesetzestext noch in der Entwurfsbegründung konkret ausgesprochen worden ist, warum denn die Beschneidung nicht das Kindeswohl gefährdet. Das erschwert die Auslegung der Vorschrift erheblich, insbesondere die Auslegung der Erlaubnisschranke des § 1631d I 2 BGB, die gerade auf eine Kindeswohlgefährdung abstellt. Alle anderen nicht unerheblichen körperlichen Eingriffe (Piercings, Tätowierungen, moderate Geißelungen, Anritzen der Schamlippen etc.) gefährden das Kindeswohl schon wegen der unnötigen Beeinträchtigung der körperlichen Integrität, die Knabenbeschneidung soll dies (in der Regel) nicht tun. Da aber der Gesetzesinterpret nicht erfährt, warum nicht schon der schmerzhaft-verletzende Griff in den Intimbereich des Kindes dessen Wohl gefährdet (Wegen Vorteilen der Hygiene, der Prophylaxe, der sozialen oder religiösen Integration?), fehlt insgesamt die Beurteilungsbasis für das abwägende Erkennen einer im Einzelfall doch vorliegenden Kindeswohlgefährdung. Was sind die schützenwerten Erziehungsinteressen der Eltern, die den Eingriff entgegen dem sonst üblichen Verbot körperlicher Eingriff gestatten? Und was muss zur Verletzung hinzukommen, damit auch die Knabenbeschneidung einmal das Kindeswohl gefährdet?
Das Gesetz will zugunsten der Eltern verfügen, dass die Beschneidung des männlichen Kindes in der Regel keine Kindeswohlgefährdung mit sich bringt.[131] Absatz 1 Satz 2 fasst dagegen Fälle ins Auge, die eine Kindeswohlgefährdung bedeuten und die das staatliche Wächteramt aktualisiert.[132] Primär ist an Gefährdungen der physischen Gesundheit zu denken.[133] Das bereitet noch keine Probleme, solange man sich nicht an den Thesen des Gesetzesentwurfs orientiert. Der Entwurf lehnt sich fälschlich an § 1666 BGB: "Im Rahmen des geltenden § 1666 BGB versteht die Rechtsprechung unter einer Gefährdung des Kindeswohls ,eine gegenwärtige, in einem solchen Maße vorhandene Gefahr, dass sich bei der weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt‘ (… BGH … zuletzt NJW 2012, 151). Ob eine solche Gefahr begründet ist, ist aufgrund der Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen."[134] Aber zum Vergleich: Bei einer einzelnen Ohrfeige, die der Vater dem Sohn verabreicht, droht meist noch keine "erhebliche Schädigung", und beim Piercen des sechsjährigen Kindes droht nicht mehr als bei der Beschneidung. Gleichwohl ist die Ohrfeige (bei Strafe) ebenso verboten (§§ 1631 II BGB, 223 StGB) wie das Piercen (§ 223 I StGB). Der Staat ist also als Wächter angesprochen. Er darf folglich sehr wohl (beschränkende) Maßnahmen auch unterhalb der Schwelle (drohender) "erheblicher Schädigungen" ergreifen.
Verboten bleibt nach § 1631d I 2 BGB eine Beschneidung jedenfalls, wenn sie – wegen der Konstitution des Kindes oder wegen der Umstände der Beschneidung – das Kindeswohl über die Abtrennung der Vorhaut hinaus gefährdet. Als Kontraindikationen zu nennen sind insbesondere eine Gerinnungsstörung und eine allgemeine gesundheitliche Schwäche oder eine akute Erkrankung des Kindes.[135] "Als unvereinbar mit dem Kindeswohl und nicht rechtfertigungsfähig wären ferner Beschneidungen von Jungen einzuordnen, bei denen in besonders großem Ausmaß Haut und Gewebe entfernt werden und die deshalb zu großflächigen Wunden mit erhöhter Gefahr von Spätschäden führen."[136]
Heißt es in der Entwurfsbegründung zunächst, dass die Motive der Eltern für die Beschneidungsberechtigung irrelevant seien,[137] soll die Berechtigung gleichwohl fehlen, wenn ein bestimmtes Einwilligungsmotiv der Eltern eine Kindeswohlgefährdung ergibt (§ 1631 I 2 BGB) – in der Entwurfsbegründung werden zwei solcher Motive genannt, das der ästhetischen Verschönerung und das der Masturbationserschwerung.[138] Diese Aussagen passen nicht zusammen.[139] In dem Bemühen, § 1631d BGB vom Anschein eines religiösen Sondergesetzes zu befreien, haben die Entwurfsverfasser einen handgreiflichen Widerspruch produziert: Das Motiv sei egal, könne aber letztlich doch eine Kindeswohlgefährdung ergeben. Verkannt wird damit schon, dass etwa das jüdische und auch muslimische Motiv, dem Vorbild Abrahams zu folgen (Genesis 17, 10–12), nicht von höherer Dignität ist als das Motiv, die Masturbation zu verhindern; denn auch Letzteres kann einen religiösen Hintergrund haben und von den Eltern als fundamental-wichtige religiöse Pflicht eingestuft werden, als Pflicht zur Verhinderung einer schweren Sünde.[140] Man muss wohl auch in den Blick nehmen, dass, wenn heute ein 99-jähriger Mann sagte, er habe von Gott den Befehl empfangen, sich zur Besiegelung eines Bundes die Vorhaut (mit einer Axt) abzutrennen, dass dieser 99-Jährige wohl in Gewahrsam genommen werden dürfte, um ihn vor sich selbst zu schützen (etwa §§ 11, 14, 20 PsychKG NRW). Wie könnte dann aber ein solches Verhalten eines 99-Jährigen, das dem Staat ein Interventionsrecht sogar diesem Erwachsenen gegenüber einräumen würde, wie könnte es heutzutage noch letzter Grund dafür sein, einen verletzenden Eingriff in den sexuellen Intimbereich wehrloser Säuglinge und Kinder zu rechtfertigen?[141]
Für eine solche Rechtfertigung kommt es gerade nicht auf die Motive der Eltern an. Wenn der Eingriff das Kindeswohl gefährdet im Falle rein ästhetischer Beweggründe der Eltern, dann tut er dies ja aus Gründen der "Eingriffstiefe, Schmerzhaftigkeit und Risikoträchtigkeit"; diese Umstände ändern sich aber nicht, wenn die Eltern nun das Motiv verfolgen, das Kind als vollwertiges Mitglied in eine Religionsgemeinschaft zu integrieren.[142]
Ein weiterer gravierender Mangel des § 1631d BGB liegt darin, dass er in der praktischen Anwendung zu einer Rechtsunsicherheit führt, die zu beseitigen er eigentlich angetreten ist. Nach welcher Wertung sollen Beschneider und Richter befinden, dass die Motive der Eltern vor der Norm bestehen können? Geben die Eltern an, sie wollen ihr Kind aus religiösen Gründen beschneiden lassen, dürfte sich der Arzt damit noch nicht zufriedengeben. Er müsste nachhaken, ob die Eltern mit der Beschneidung beabsichtigen, das religiöse Gebot der Masturbationsverhinderung zu erfüllen. Es ist kaum vorstellbar, dass Ärzte sich anschicken, derart die Motive der Eltern zu detektieren. Damit ist aber ein Weiteres offengelegt: Noch die schäbigsten Motive können die Eltern einkleiden in ein zu akzeptierendes Motiv, wenn sie nur behaupten, religiöse oder kulturelle Gründe zu haben.[143] Die Einschränkung des § 1631d BGB läuft also praktisch leer: "Der fundamentalistische Vater, der seinen Achtjährigen beim Onanieren erwischt und ihm zur Abgewöhnung eine heftige Ohrfeige gibt, macht sich strafbar. Beschließt er stattdessen, ihn zu demselben Zweck und unter der (wahren!) Angabe ,religiöse Gründe‘ beschneiden zu lassen, ebnet ihm das neue Gesetz den Weg."[144]
Wie sollte auch im folgenden Beispiel entschieden werden: Ein allein sorgeberechtigter muslimischer Vater strebt mit der Beschneidung an, es dem Sohn schwerer zu machen, sich später vom Islam zu lösen. Erklärt man die Motive des Vaters für relevant, müsste an sich eine Kindeswohlverletzung bejaht werden: Der Eingriff in die negative Religionsfreiheit des Kindes ist das Ziel der Körperverletzung. – Vor dem Hintergrund dieses Beispiels bestätigt sich die Unzulässigkeit der jüdischen Beschneidungspraxis. Wie Oberrabbiner Metzger klargestellt hat, besteht der Sinn der jüdischen Beschneidung gerade im "religiösen Stempeln" des Kindes und im Aufrechterhalten des Bewusstsein beim späteren Erwachsenen ("noch am entlegensten Ort"), Jude zu sein.[145]
aa) Der Ethikrat hatte im Vorfeld der Gesetzesverabschiedung ein "entwicklungsabhängiges Vetorecht" des Kindes als eine von vier Bedingungen für die Zulässigkeit von Knabenbeschneidungen eingefordert.[146] Ab dem Kleinkindalter galt ein solches Vetorecht für medizinisch nicht indizierte Eingriffe schon nach bisherigem Recht.[147] Dahinter scheint die Begründung des Gesetzesentwurfs zurückzufallen.
Zum einen soll das Kindeswohl nur dann im Sinne des § 1631d I 2 BGB gefährdet sein, wenn der Junge "ernsthaft und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht" hat, dass er den Eingriff nicht wolle.[148] Das ist nicht einzusehen. Die Kindeswohlgefährdung liegt bei Missachtung eines entgegenstehenden Kindeswillens darin, dass der Junge einen Eingriff in seinen Intimbereich erdulden muss, den er gar nicht will und der ihn daher bewusst demütigt.[149] An dieser Demütigung ändert sich nichts, wenn der Junge nur solche Abwehrreaktionen zeigt, die nicht ganz eindeutig sind.[150] Zu erinnern ist daran, dass schon eine Gefährdung des Kindeswohls zu vermeiden ist, dass aber die tatsächlich erfolgte Demütigung sogar eine Beeinträchtigung des Kindeswohls wäre und dass deshalb schon bei einer bestimmten Wahrscheinlichkeit einer vom Kind subjektiv empfundenen Demütigung einzuschreiten ist.[151] Deshalb muss – wie bei § 8a I Nr. 4 S. 4 TPG – der Eingriff schon dann unterbleiben, wenn das Kind ihn ausdrücklich ablehnt oder es diese Haltung "in sonstiger Weise zum Ausdruck" bringt.
Zum andern karikiert der Gesetzesentwurf das vom Ethikrat geforderte Vetorecht des minderjährigen Jungen, wenn von den beschneidungswilligen Eltern bloß verlangt wird, sich "mit dem entgegenstehenden Kindeswillen auseinanderzusetzen".[152] Nicht Auseinandersetzung mit dem Unwillen des Kindes schulden die Eltern ihrem Jungen, sondern Achtung seines Willens. Man muss hier im Blick behalten, dass die willensbeugende Beschneidung eines Jungen diesen demütigt und deshalb sein Wohl beeinträchtigt (Erduldenmüssen einer abgelehnten Intimbereichsverletzung). Wie könnte da die bloße Auseinandersetzung mit dem Gegenwillen des Jungen der Beschneidung ihren demütigenden Charakter nehmen! Wer das anders sieht, betrachte nur einmal die – gänzlich unblutige – Sequenz in der israelischen Dokumentation von Ari Libsker: Der etwa vierjährige Junge flachst im Krankenhaus zunächst mit seinen Eltern über die bevorstehende Beschneidung, entwickelt dann aber, als der Gang in den OP ansteht, eine erhebliche Angst und will nach Hause. Das Versprechen, nachher ein Flugzeug zu bekommen, beruhigt ihn nicht. Ärzte und Schwestern heben ihn auf den OP-Tisch, der Junge weint. Als er hingelegt wird, beginnt er zu strampeln und zu brüllen. Umstehende Schwestern halten ihn fest, eine sagt: "Say good by to Daddy!" Der Junge will antworten: "I don’t want to say…" Weiter kommt er nicht. Eine Ärztin drückt ihm die Narkosemaske aufs Gesicht, die OP beginnt. [153] – Auch diese Eltern hatten sich mit dem Gegenwillen des Jungen "auseinandergesetzt". Im Film macht der reife Vater sich anschließend schwere Vorwürfe: "I’m still trembling, there was no bleeding. It’s very hard, very, very hard. He was taken like a chicken to the slaughter… I would not agree to repeat this again. But what can I do against the establishment? Fight the establishment? … There is no choice, we weren’t a chance to choose, not here… I think it’s a bad system, that we are speaking for a child who is to suffer… I wasn’t asked, he wasn’t asked. I see his suffering and all the pain. I don’t
know what he thinks. Does he blame us? Does he say that we are tough, cruel? I don’t know. I have a feeling that he is pointing a finger on us – thinking that we are to blame. What could we do?”[154]
Der Gesetzesentwurf ist daher in diesem Punkt zu Recht gescholten worden: Er ist mit Blick auf das angebliche Vetorecht des Jungen "nichts anderes als die Umkehrung eines Normprogramms in sein Gegenteil – und als legislatives Zeugnis juristischer Rabulistik eine Sehenswürdigkeit."[155] Der Rechtsanwender darf der Sicht der Entwurfsverfasser nicht folgen. Sie ist unvereinbar jedenfalls mit dem Persönlichkeitsrecht des Jungen (Art. 2 I GG mit Art. 1 I GG), letztlich aber auch unvereinbar mit seiner Würde (Art. 1 I GG).
bb) Galt ein Vetorecht des Kleinkindes also schon vor § 1631d I 2 BGB, ist neu nur ein Vetorecht des Säuglings, verstanden als auch elterliche Achtungspflicht gegenüber einem "natürlichen Gegenwillen". Dies hatte der Ethikrat gefordert: Gemeint war die Rücksichtnahme auf jede "deutliche, auch nur kreatürliche Abwehrreaktion …, das Zittern und Weinen des achtjährigen Kindes wie das Losbrüllen des acht Tage alten Babys".[156] Nach der oben favorisierten, verfassungskonformen Auslegung darf es aber bei der Säuglingsbeschneidung ohnehin nicht zum schmerzbedingten Losbrüllen des Säuglings kommen; denn den "Regeln der ärztlichen Kunst" entspricht nur eine Beschneidung mit effektiver Schmerzbehandlung.[157] Deshalb stellt sich das Problem des Vetorechts bei der Säuglingsbeschneidung nicht. Denn andere als schmerzbedingte Gründe des Losbrüllens sollten nicht als "Veto" des Säuglings gerade gegen die Beschneidung gedeutet werden. Zu bedenken ist freilich, dass eine Abwehrreaktion gegen die Schmerzbehandlung (Penisblock durch Injektionen) nicht relevant ist. Sonst könnte die Säuglingsbeschneidung wohl nie in Übereinstimmung mit § 1631d BGB ausgeführt werden. Dies entspräche nicht dem Willen des Gesetzgebers, wie er sich in § 1631d II BGB ausdrückt.
Mediales Aufsehen erregte der Fall des Hofer Rabbiners und Mohels David Goldberg. Er wurde im August 2012 von einem Arzt wegen Körperverletzung angezeigt.[158] Goldberg hat in seiner bisherigen Tätigkeit nach eigenen Angaben etwa 4.000 Beschneidungen vorgenommen. Auf seiner Homepage wirbt er für die (frühkindliche) Beschneidung durch einen Mohel. Dort heißt es unter anderem: "Findet die Beschneidung am 8. Tag statt, wird kein Betäubungsmittel injiziert. Betäubungsmittel, die injiziert (gespritzt) werden, tragen ein weit höheres Risiko als der Schmerz durch den Schnitt. Der Schmerz ist bei kleinen Babys minimal, weil das Schmerzempfinden noch nicht voll ausgebildet ist. Das Baby beruhigt sich nach ein paar Minuten wieder. Wenn die Eltern es wünschen, kann man ein Betäubungsmittel in Salbenform, als Tropfen bzw. als Zäpfchen (äußerliche Anwendung) verwenden. Normalerweise führe ich die Brit Mila bei Kindern bis zu einem Alter von 6 Monaten alleine durch. Wenn es die Eltern aber wünschen, kann selbstverständlich gern ein Arzt für die Beschneidung hinzugezogen werden. Für das Baby ist es jedoch besser, näher am 8. Tag beschnitten zu werden, da wie oben erwähnt das Schmerzempfinden nicht voll ausgeprägt ist."[159]
Die Staatsanwaltschaft Hof sah keinen Anfangsverdacht für eine Körperverletzung, weil der angezeigte Rabbiner die Voraussetzungen des § 1631d BGB erfülle.[160] Diese Sicht überrascht. Zwar ist auf die Altfälle das mildere aktuelle Recht anzuwenden (§ 2 III StGB). Doch sollte der Angezeigte tatsächlich in den nicht verjährten Beschneidungsfällen die Eltern so "aufgeklärt" haben, wie es sein Internetauftritt nahelegt, wäre die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Hof von einer Strafvereitelung im Amt nicht weit entfernt. Nach dem oben zur Narkosepflicht und zur Aufklärungspflicht Gesagten[161] liegt es auf der Hand, dass in Anwendung des § 1631d BGB die Einwilligung der Eltern der beschnittenen Säuglinge nach solcher "Aufklärung" (= Irreführung) gerade nicht rechtswirksam wäre. Mit Blick auf die wahrheitswidrige Behauptung, Säuglinge hätten ein minimales Schmerzempfinden, liegt eine besonders dreiste Irreführung der Eltern vor. Darüber hinaus ist es für den weiteren sich aufdrängenden Aufklärungsmangel unbeachtlich, ob es sich bei den Beschnittenen um Säuglinge oder Erwachsene handelt: Hat der Mohel über relevante Risiken[162] nicht vollumfänglich aufgeklärt (wie auf seiner Internetseite), wären auch alle an Erwachsenen vorgenommenen Beschneidungen wegen Irrtumsbedingtheit der jeweiligen Einwilligung rechtswidrig (§ 1631d I 1, II BGB). Bei den von Goldberg beschnittenen Säuglingen
liegt dieser Mangel, der ggf. zu Irrtümern bei den Eltern führte, dann freilich ebenfalls vor.
Der Fall Goldberg hat natürlich auch eine gefahrenabwehrrechtliche Seite. Die zuständige Behörde sollte sicherstellen, dass der Mohel die Eltern in Zukunft nicht mehr in die Irre führt.
Im März 2013 berichtete der Tagesspiegel über eine jüdische Beschneidungszeremonie in einer Berliner Synagoge der orthodoxen Gemeinschaft Chabad Lubawitsch.[163] Der Onlineversion des Artikels war ein Video beigefügt, es gab nicht zu erkennen, dass eine Schmerzbehandlung erfolgte, dafür aber, dass der aus Israel eingeflogene Mohel, Menachem Fleischmann, an dem Säugling die Metzitzah B’peh vollzogen hat, ein seltenes Ritual, bei dem der Mohel das Blut aus der Wunde am Penis des Säuglings mit dem Mund absaugt. Diesen Verdacht hat der Tagesspiegel später bestätigt.[164] Daraufhin stellte der Vorsitzende eines Betroffenenvereins Strafanzeige gegen den Mohel und gegen den Kindsvater, den Gemeinderabbiner Yehuda Teichtal.[165]
a) Auch dieser Sachverhalt begründet einen Anfangsverdacht gegen den Mohel (§ 224 I Nr. 2 Fall 2 StGB). Er hat die "Regeln der ärztlichen Kunst" im Sinne des § 1631d I 1, II BGB dreifach missachtet. Zunächst dürfte er gegen das Gebot effektiver Schmerzbehandlung verstoßen haben. Nach streng orthodoxem Ritual sind Schmerzmittel verpönt.[166] Die Schmerzen des Säuglings werden daher vielfach kleingeredet. Der Mohel Menachem Fleischmann selber schildert die Beschneidungsprozedur in einem Dokumentarfilm wie folgt: "Zuerst trennt man die Haut vom Rest mit einem Metallbogen, der eine runde Spitze hat. Das tut nicht weh. Das hier ist das Beschneidungsmesser, das ist so scharf, dass das Baby nicht mal den Schnitt merkt."[167] Dass der erfahrene Mohel noch selber an diese absurde Darstellung glaubt, kann man wohl ausschließen. Die eigene Anschauung hat ihm tausendfach belegt, dass die Säuglinge Schmerzen empfinden.[168] – Sodann dürfte er gegen die ärztlichen Gebote in Sachen Sterilität verstoßen haben. In seiner Darstellung des Beschneidungsaktes heißt es nämlich weiter: "Nach dem Schnitt kommt die Teilung mit dem Fingernagel. Die Haut muss nach beiden Seiten geteilt werden und unter die Eichel aufgerollt werden."[169] Dass ein "Operieren" mit dem Fingernagel nicht den ärztlichen Standards entspricht, muss nicht näher begründet werden. – Und schließlich stellt das Absaugen der Wunde einen weiteren Verstoß gegen diese Standards dar. Diese Methode hatte im Gesetzgebungsverfahren zu § 1631d BGB die jüdische Urologin und Mohelet Antje Deusel ausdrücklich als veraltet verworfen.[170] Der direkte Kontakt von Mund und Penis kann beim Säugling insbesondere eine Herpesinfektion auslösen; sie verläuft bei Neugeborenen oft schwer und nicht selten tödlich; nach Einschätzung der New Yorker Behörden sind in den Jahren 2000 bis 2011 zehn Säuglinge durch die Metzitzah B’peh mit Herpes infiziert worden, zwei starben, zwei weitere erlitten schwere Hirnschäden. Der dem liberalen Judentum entstammende New Yorker Bürgermeister versucht seitdem, das Ritual zu unterbinden.[171] – Das Absaugen des kindlichen Penis stellt zudem eine ganz eigenständige Körperverletzung dar. An der frischen Wunde zu saugen, dürfte seinerseits erhebliche Schmerzen verursachen und damit das Merkmal der körperlichen Misshandlung verwirklichen (§ 223 I Fall 1 StGB).
b) Eine strafrechtliche Verfolgung des israelischen Mohels dürfte freilich schon aus tatsächlichen Gründen nicht in Frage kommen. Die Staatsanwaltschaft Berlin muss aber auch hinsichtlich des die Beschneidung veranlassenden Vaters, Rabbiner Yehuda Teichtal, beurteilen, ob ein Anfangsverdacht besteht. In Betracht kommt zunächst eine Misshandlung von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung (§§§ 225 I Nr. 1, 224 I Nr. 2 Fall 2, 26, 52 I Fall 1 StGB). Teichtal hat sich in den Medien dahin eingelassen, "er habe extra einen erfahrenen und zudem auch international anerkannten Mohel aus Israel an seine Seite geholt. Und er habe ihn angewiesen, die Beschneidung nach den Regeln der ärztlichen Kunst und unter Beachtung der deutschen Gesetze durchzuführen. Das habe ihm der Beschneider zugesagt und im Nachhinein auch bestätigt, dass alles wie besprochen stattgefunden habe."[172] Ob das vor dem Hintergrund der eigenen orthodoxen Haltung Teichtals glaubhaft ist, kann hier nicht beurteilt werden.[173]
Jedenfalls aber drängt sich ein Anfangsverdacht wegen Körperverletzung durch Unterlassen auf (§§ 225 I Nr. 1, 13 I StGB). Teichtal stand, so legt es das Video nahe, während der kompletten Beschneidungsprozedur unmittelbar neben dem Mohel und dem schreienden Sohn, dürfte also mitbekommen haben, dass eine Schmerzbehandlung nicht erfolgte. Als Garant hätte er die quälende Prozedur aber verhindern und auf effektiver Schmerzbehandlung bestehen müssen.
Der Gesetzgeber war zwar zu mutlos,[174] um das einzig Richtige zu tun und allen Kindern den gleichen Schutz der Intimsphäre zu bestätigen – oder den Religionsgemeinschaften auch nur offen ausgesprochen Zugeständnisse abzuverlangen. Aber er hat mit dem strikten Gebot des § 1631d BGB, die "Regeln der ärztlichen Kunst" einzuhalten, eine stark einengende Regelung getroffen, die auch wegen ihres dynamischen Charakters noch gravierende Beschränkungen zeitigen kann (Stichwort: Lasermethode); immerhin ist dem § 1631d I 1 BGB die gesetzliche Fixierung zu entnehmen, dass Beschneidungen ausnahmslos mit effektiv-wirksamer Betäubung erfolgen dürfen, ist sie nicht möglich, muss der Eingriff aufgeschoben werden.
Das sind freilich Einzelheiten, die vor dem großen Scheitern des Gesetzgebers verblassen. Viele empfinden wie Putzke, der sagt: "Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass auf dem Boden des Grundgesetzes ein Gesetz zustande kommt, das gestattet, schutzbedürftigen Säuglingen und Kindern ohne medizinischen Grund einen erogenen Körperteil irreversibel abzutrennen, ihnen dadurch Schmerzen zuzufügen und sie gesundheitlichen Risiken auszusetzen."[175] Es steht zu hoffen, dass die Eltern und Religionsgemeinschaften in naher Zukunft von sich aus auf die Verletzung des kindlichen Intimbereichs verzichten werden. Das Grundgesetz fordert dies schon jetzt – auch bei Jungen.
[1] Zu diesen Fällen näher im Text unter V.
[2] Das Gesetz betrifft das Einwilligungsrecht aller Personensorgeberechtigten. Aus Gründen der Einfachheit behandele ich im Folgenden nur den Kernfall, die Personensorge kraft Elternschaft. Die Ausführungen gelten aber allgemein.
[3] LG Köln NJW 2012, 2128; Anm. Putzke MedR 2013, 621.
[5] Rixen NJW 2013, 257, 259
[6] Ausführlich zu den verfassungsrechtlichen Fragen Scheinfeld, in: Franz (Hrsg.), Die Beschneidung von Jungen. Abrahams trauriges Vermächtnis (erscheint demnächst).
[7] Dazu Fateh-Moghadam RW 2010, 115, 131 ff.; Germann, in: Beschneidung: das Zeichen des Bundes in der Kritik – Zur Debatte um das Kölner Urteil (2012), S. 83 ff.; Isensee JZ 2013, 317, 318 f.; Rixen NJW 2013, 257, 258 f.; auch Hörnle/Huster JZ 2013, 328 ff., die einen Bereich anerkennen, in dem der Staat eingreifen darf, aber nicht eingreifen muss.
[8] Näher noch W. Hartmann (Präsident des Bundesverbandes der Kinder- und Jugendärzte), Stellungnahme im Rechtsausschuss: http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a06/anhoerungen/archiv/31_Beschneidung/04_Stellungnahmen/Stellungnahme_Hartmann.pdf , Blatt 1; Putzke/Stehr Monatsschrift Kinderheilkunde 2008, 783, 785. – Zu spät setzt daher die Frage an, die Hörnle/Huster im Hinblick auf die Grenze des Elternrechts aus Art. 6 II GG für entscheidend halten: "Wie ist mit den unmittelbaren Eingriffsrisiken und den Verdachtsmomenten umzugehen, die sich auf die Spätfolgen von Beschneidungen beziehen?" (JZ 2013, 328, 337). – Hervorhebungen vom Verfasser). Gravierend genug ist schon der intimbereichsverletzende Eingriff selbst und seine unmittelbare Folge, der Verlust der erogenen und funktionalen Zone Vorhaut!
[9] Vgl. dazu auf: http://ije.oxfordjournals.org/content/40/5/1367.long .
[10] Frisch et al. International Journal of Epidemiology 40 (2011), 1367 ff.
[11] Zum Topos der höchstpersönlichen Entscheidungen vgl. bei Mayr, in: in: Fateh-Moghadam/Sellmaier/Vossenkuhl (Hrsg.), Grenzen des Paternalismus, 2010, S. 48, 57 ff. Speziell zur Beschneidung siehe Eschelbach, in: Beck‘scher Online-Kommentar zum StGB, § 223 Rn. 35.1–35.3, 35.5 f. (zuletzt besucht: 22.06.2013).
[12] Vgl. auch bei Czerner ZKJ 2012, 374, 381.
[13] Siehe unter: http://www.sueddeutsche.de /politik/ oberrabbiner-in-berlinrabbi-metzger-zieht-die-grenzen-der-beschneidung-1.1446407.
[14] Herzberg ZIS 2012, 486, 505
[15] So dürften auch die Ausführungen des LG Köln gemeint sein, vgl. NJW 2012, 2128, 2129.
[16] Stücker, siehe unter: http://evidentist.wordpress.com/2012/10/08/der-absolute-nullpunkt-der-ultra-orthodoxie/ .
[17] Diese Zusammenhänge vernachlässigt Fateh-Moghadam, in: Heil/Kramer (Hrsg.), Beschneidung: Das Zeichen des Bundes in der Kritik – Zur Debatte um das Kölner Urteil (2012), S. 146, 155.
[18] Näher Merkel/Putzke Journal of Medical Ethics 2013, 444 f.
[19] Siehe nur noch W. Hartmann (Präsident des Bundesverbandes der Kinder- und Jugendärzte), Stellungnahme im Rechtsausschuss (Fn. 8).
[20] Siehe die Liste der Komplikationen, über die der Beschneider die Eltern aufklären muss (im Text bei Fn. 114).
[21] Näher Franz, in: Franz (Hrsg.), Die Beschneidung von Jungen. Abrahams trauriges Vermächtnis (erscheint demnächst).
[22] Zum Ganzen vgl. Frisch et al., International Journal of Epidemiology 40 (2011), 1367 ff.; Sorrells et al. British Journal of Urology International 99 (2007), 864.
[23] Von der Osten-Sacken : http://haolam.de/de/2012-7/artikel_9866.html .
[24] Man könnte die Abtrennung der Penisvorhaut auch als folgenreicher und schwerer bewerten, die Klitorisvorhaut erfüllt in erster Linie nur eine Schutzfunktion, die Penisvorhaut ist eine erogene Zone. – Wer das bezweifelt, denke sich das Beispiel so, dass die Eltern nur die äußeren Schamlippen des Mädchens anritzen wollen (Stufe IV der WHO-Beschneidungskategorien)!
[25] Mandla FPR 2013, 244, 247.
[26] Hardtung , Stellungnahme im Rechtsausschuss zur Frauenbeschneidung (2013), S. 5 Rz. 24 (unter: http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a06/anhoerungen/archiv/46____Str__ndG/04_Stellungnahmen/Stellungnahme_Hardtung.pdf .
[27] T. Walter begnügt sich in seiner "Zwischenlösung" damit, die Ungleichbehandlung aus dem Gesetzestext zu tilgen, auf der Ebene der Rechtsanwendung dürfe sie dann ruhig wieder auftreten (JZ 2012, 1110, 1111 ff., 1117). So geht es freilich nicht.
[28] Ähnliches Beispiel bei Herzberg ZIS 2012, 494 li. Sp.; derselbe ZIS 2010, 471, 474.
[29] T. Walter JZ 2012, 1110, 1114; Isensee JZ 2013, 317, 326.
[30] Isensee JZ 2013, 317, 326 re. Sp.
[31] So heißt der muslimische Beschneider.
[32] Etwa Bielefeldt Blätter für deutsche und internationale Politik 2012, 63 ff.; Schwarz JZ 2010, 1125.
[33] R. Merkel, SZ vom 25./26. August ( http://www.sueddeutsche.de/wissen/beschneidungs-debatte-die-haut-eines-anderen-1.1454055 ); in der Sache ebenso Czerner ZKJ 2012, 374, 376; Isensee JZ 2013, 317, 319, auch 322 f.
[34] Herzberg ZIS 2012, 486, 492 f.
[35] LG Köln, NJW 2012, 2128, 2129; Hörnle/Huster JZ 2013, 328, 332 ff.; Putzke, in: Putzke u.a. (Hrsg.), Festschrift für Herzberg (2008), S. 669 ff.; Schlehofer, in: Münchener Kommentar zum StGB, Band 1, 2. Aufl. (2012), Vor §§ 32 Rn. 143.
[36] Bartsch StV 2012, 607; Beulke/Dießner ZIS 2012, 338; 343 ff.
[37] Hörnle/Huster JZ 2013, 328, 329; ähnlich Isensee JZ 2013, 317 ff.
[38] Herzberg ZIS 2012, 484, 493 – Zu den Religionsgemeinschaften siehe Isensee JZ 2013, 317, 323.
[39] Fateh-Moghadam RW 2010, 115 ff.; Hörnle/Huster JZ 2013, 328 ff.; Rixen NJW 2013, 257, 258 f.
[40] Was bei einem vierjährigen Jungen noch näher liegt als bei einem Säugling. Gänzlich ablehnend Eschelbach, in: Beck‘scher Online-Kommentar zum StGB (Fn. 11), § 223 Rn. 35.3: "Operation … ist überhaupt kein Mittel der Erziehung". Wird der Akt als "Erziehung" eingestuft, ergibt sich freilich ein Wertungswiderspruch zu § 1631 II 1 BGB (Schlehofer, in: Münchener Kommentar zum StGB[Fn. 35 ], Vor §§ 32 Rn. 143 f.) – Das medizinisch nicht indizierte Abschneiden der erogenen Zone Vorhaut ist sicher kein Akt der "Pflege" iSd Art. 6 II GG (Herzberg ZIS 2012, 486, 489: "aberwitzige Annahme").
[41] Im Text bei Fn. 23 .
[42] Näher dazu Fateh-Moghadam RW 2010, 115, 135 ff.
[43] T. Walter JZ 2012, 1110, 1113.
[44] Frisch et al. Pediatrics 2013, 796 ( http://pediatrics.aappublications.org/content/early/2013/03/12/peds.2012-2896 ).
[45] BT-Drucksache 17/11295, S. 8.
[46] Herzberg, ZIS 2012, 486, 494.
[47] Putzke, in: Putzke u.a. (Hrsg.), Festschrift für Herzberg (2008), S. 669, 690.
[48] Siehe auch W. Hartmann, Stellungnahme im Rechtsausschuss (Fn. 8), Blatt 2.
[49] Hörnle/Huster JZ 2013, 328, 335.
[50] Hörnle/Huster JZ 2013, 328, 333.
[51] Hörnle/Huster JZ 2013, 328, 335 re. Sp. oben.
[52] Hörnle/Huster JZ 2013, 328, 335 re. Sp.
[53] Kelek Der Spiegel, 51/2012, S. 74, 75 li Sp.
[54] http://wissen.dradio.de/religion-ungeliebtes-ritual.38.de.html?dram:article_id=217832.
[55] Eschelbach, in: Beck‘scher Online-Kommentar zum StGB (Fn. 11), § 223 Rn. 35.6.
[56] Czerner ZKJ 2012, 374, 379.
[57] Hörnle/Huster JZ 2013, 328, 335 in Fn. 78 – unter Hinweis auf ein Urteil des Ägypt. Verwaltungsgerichtshofs.
[58] http://www.studio-arcades.com .
[59] Hörnle/Huster JZ 2013, 328, 335 re. Sp.
[60] Siehe bei Hörnle, Grob anstößiges Verhalten – Strafrechtlicher Schutz von Moral, Gefühlen und Tabus, 2005, S. 185 ff.
[61] So tatsächlich schon die auf Gleichbehandlung zielende Forderung der ägyptische Gynäkologen Prof. Toprak ( http://www.welt.de/politik/ausland/article111030661/Mediziner-will-Vaginal-Beschneidung-legalisieren.html ; siehe zu der mit dem Beschneidungsgesetz bewirkten Schwächung des Kampfes gegen die Mädchenbeschneidung auch Herzberg ZIS 2012, 486, 496 f.
[62] Isensee JZ 2013, 317, 327.
[63] Isensee JZ 2013, 317, 327.
[64] Dazu ausführlich unten im Text bei Fn. 66 .
[65] Oberrabbiner Metzger (Fn. 13); dazu etwa auch Spiegel, Was ist koscher?, 4. Aufl. (2010), S. 40: "Das Baby wird nicht betäubt, es erhält nicht einmal eine örtliche Narkose, denn den Bund mit Gott muss man sozusagen bei vollem Bewusstsein vollziehen."
[66] Sehr lesenswert dazu sind die Ausführungen Gotzmanns – die Situation im Judentum betreffend: http://www.verfassungsblog.de/de/das-kolner-beschneidungsurteil-und-das-judentum-teil-1-unbeschnittene-juden/#.UcmPYpwlFqA .
[67] Isensee JZ 2013, 317, 327 li. Sp.
[68] Ähnlich Gotzmann (Fn. 66); Herzberg, in: Franz (Hrsg.), Die Beschneidung von Jungen. Abrahams trauriges Vermächtnis (erscheint demnächst). – Kein Gegenargument bietet der Gesetzesvorbehalt des Art. 2 II 3 GG, denn er erlaubt selbstverständlich nur verhältnismäßige Eingriffe in den Schutzbereich des Art. 2 II 1 GG.
[69] Isensee JZ 317, 327: "Tabu"; Putzke, in: Putzke u.a. (Hrsg.), Festschrift für Herzberg (2008), S. 669, 680: "tabubehaftet"; T. Walter JZ 2012, 1110, 1115 f.: "ausgeschlossen"; siehe ferner Spieckhoff FamRZ 2013, 337, 338.
[70] Merkel SZ vom 25./26. August (Fn. 33).
[71] Vgl. auch bei Stücker (Fn. 16).
[72] Eschelbach, in: Beck‘scher Online-Kommentar zum StGB (Fn. 11), § 223 Rn. 35.4.
[73] Siehe etwa den Vorschlag von T. Walter JZ 2012, 1110, 1115 f.
[74] Siehe nur BVerfG NJW 1999, 3399.
[75] BVerfGE 32, 98 (Zeuge Jehova).
[76] Dies verkennen Goerlich/Zabel JZ 2013, 1058 ff., die für einen Tatbestandsausschluss votieren. – Den Autoren entgeht auch manch andere Lücke in ihrer Argumentation. Sie bestreiten dem § 223 StGB den Rang eines "für alle geltenden Gesetzes", weil er bei Anwendung auf die Knabenbeschneidung "das Leben der betreffenden Religionsgesellschaft in Deutschland nahezu unmöglich" mache (1059 li. Sp.). Wäre das Kriterium richtig, müsste es auch gelten für eine Religionsgesellschaft, die sich bei ihrem religiösen Akt der Knabenbeschneidung nicht zur Gänze an "Regeln der ärztlichen Kunst" halten will (insoweit sei aber "selbstverständlich" auf die Einhaltung der professionellen Standards zu beharren – wohl auch mit § 223); bei tatsächlicher Geltung des Kriteriums dürfte § 223 I StGB ebenso wenig den schafi’itischen Eltern verbieten, ihrem Mädchen die Klitorisvorhaut zu beschneiden (auch das werden die Autoren nicht ableiten wollen). § 223 I StGB ist aber, wenn er als Sperre für religiöses Leben in Deutschland wirkt, entweder immer ein allgemeines Gesetz oder er ist es nie. (Einmal ganz davon abgesehen, dass die These, das Beschneidungsverbot mache religiöses Leben in Deutschland unmöglich, einigermaßen abwegig ist, vgl. fürs Judentum Gotzmann [Fn. 66 ], der das Vorhandensein der Gefahr bestreitet, die in Deutschland lebenden Juden würden mehrheitlich eine fundamentalistische Position zum Verhältnis Staat-Religion beziehen und der Religion den Vorrang einräumen.) – Weiter wollen die Autoren bei Eingriffen in den Kindeskörper großzügiger sein, wenn es sich "um Praktiken der großen tradierten Schriftreligionen" handelt (1061 li. Sp.; ähnlich T. Walter JZ 2012, 1110, 1116). Sie übersehen dabei schon, dass Religionsgemeinschaften strikt gleich zu behandeln sind, unabhängig von der Anzahl ihrer Anhänger und von der Dauer ihrer Existenz (BVerfGE 108, 282, 298; auch Beschluss v. 22.2.2006 – Az. 2 BvR 1657/05 Rz. 21); gerade das Grundrecht der Religionsfreiheit versteht sich als Minderheitenschutz (BVerfGE 91, 1, 24; siehe auch Eschelbach, in: Beck‘scher Online-Kommentar zum StGB [Fn. 11 ], § 223 Rn. 35.2).
[77] Eine andere Frage ist es, ob nicht die Einwilligung generell als tatbestandsausschließend eingestuft werden sollte (dazu erhellend und bejahend Schlehofer, in: Münchener Kommentar zum StGB [Fn. 35 ], Vor §§ 32 Rn. 124 ff.; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil I, 4. Aufl.[2006], § 13 Rn. 12 ff.; Rönnau, Willensmängel bei der Einwilligung im Strafrecht[2001], S. 124 ff.) Aber auch bei einem Tatbestandsausschluss kommt es für die Beschneidungserlaubnis, wie gesagt, auf die Dispositionsbefugnis der Eltern an.
[78] LG Köln NJW 2012, 2128. – unter Verweis auf BGH NJW 1978, 1206; NStZ 1987, 174. Die dortige Argumentation ist hinfällig seit der Änderung des Gesetzestextes, heute bildet nicht mehr die Waffe, sondern das gefährliche Werkzeug den Oberbegriff; auf den Einsatz als "Angriffsmittel" kommt es damit nicht mehr an.
[79] Vgl. nur BGH NStZ-RR 2009, 50; Kühl, Strafgesetzbuch, 27. Aufl. (2011), § 224 Rn. 5.
[80] Kempf JR 2012, 436, 437; Putzke, in: Putzke u.a. (Hrsg.), Festschrift für Herzberg (2008), S. 669, 681.
[81] Vgl. allgemein Fischer, Strafgesetzbuch, 60. Aufl. (2013), § 225 Rn. 8a.
[82] Paix/Peterson Anesth Intensive Care 40 (2012), 511 ff.; ferner die Nachweise bei Czerner ZKJ 2012, 374, 378.
[83] Fischer, Strafgesetzbuch (Fn. 81), § 225 Rn. 6.
[84] BGHSt 4, 359.
[85] Die Formulierung "durchgeführt werden soll" drückt nur die Selbstverständlichkeit aus, dass "die Einwilligung vor dem Eingriff zu erteilen ist" (BT-Drucksache 17/11295, S. 17 re. Sp.).
[86] Die Regelung ist streng, aber kein Einzelfall (vgl. etwa § 8 TPG).
[87] W. Hartmann, Stellungnahme im Rechtsausschuss (Fn. 8).
[88] Mandla FPR 2013, 244, 247.
[89] Die Begründung des Gesetzesentwurfs erweckt zum Teil den Eindruck, als umfasse das Gesetzesmerkmal nur die hygienisch und handwerklich fachgerechte Durchführung des eigentlichen Schnitts und die effektive Schmerzbehandlung (BT-Drucksache 17/11295, S. 17). Diese Sicht liefe aber auf dasselbe hinaus, weil die Aufklärungspflicht dann aus allgemeinen Grundsätzen abzuleiten wäre.
[90] BT-Drucksache 17/11295, S. 23.
[91] Paix/Paterson Anasthesia and Intensive Care 40 (2012), 511 ff.: "insufficient”.
[92] Paix/Paterson ebenda; W. Hartmann hält bei Säuglingsbeschneidungen – wegen des ausgeprägten Schmerzempfindens und des nachhaltigen Schmerzgedächtnisses des Säuglings – an sich eine Vollnarkose für medizinisch geboten, schließt sie aber wegen ihrer anerkannten Gefährlichkeit aus; nach ihm gibt es also bei Säuglingen gar keine hinreichend zuverlässige Narkosemethode (Stellungnahme im Rechtsausschuss[Fn. 8 ], Blätter 4 u. 9).
[93] Irritierend Spiegel, Was ist koscher?, 4. Aufl. (2010), S. 40: "Das Baby ist in wenigen Sekunden ‚sternhagelvoll‘…"
[94] T. Walter JZ 2012, 1110, 1114; auch Isensee JZ 2013, 317, 326.
[95] R. Merkel, Stellungnahme zu dem Regierungsentwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes vom 6.1.2012, S. 2 f.
[96] Beschluss vom 19 Juli 2012 (BT-Drucksache 17/10331).
[97] Pressemitteilung vom 23. August 2012.
[98] Presseinformation vom 3. August 2012.
[99] BT-Drucksache 17/11295, S. 17 rechte Spalte. – Reinhard Merkel sieht in den Wörtern "grundsätzlich" und "möglichst" eine Relativierung (FAZ vom 26.12.2012, S. 8). Doch will der Entwurf die Regeln der ärztlichen Kunst vollständig einhalten; und die sehen bei aufschiebbaren Eingriffen, die allein unter unzumutbaren Schmerzen erfolgen können, das Aufschieben des Eingriffs vor (W. Hartmann, Stellungnahme im Rechtsausschuss [Fn. 8 ], Blätter 4 u. 9).
[100] BT-Drucksache 17/11295, S. 3 – Hervorhebung dort.
[101] Fateh-Moghadam RW 2010, 115, 135; Hörnle/Huster JZ 2013, 328, 339; Isensee JZ 2013, 317, 324 ff.
[102] Hörnle/Huster JZ 2013, 328, 329.
[103] Putzke, Den Gesetzgeber hat der Teufel geritten, Interview vom 7.1.2013, in: Humanistischer Pressedient (hpd), Nr. 14709 ( http://hpd.de/node/14709 , zuletzt abgerufen am 25.6.2013); erwogen auch von T. Walter JZ 2012, 1110, 1114 f. – Gegen diese Auslegung spricht übrigens nicht, dass im Bundestag noch versucht worden ist, die kunstgerechte Schmerzbehandlung ausdrücklich im Gesetzestext einzufordern. Denn wenn die Parlamentarier meinten, mit den "Regeln der ärztlichen Kunst" genau dies gesagt zu haben, war aus ihrer Sicht eine Änderung unnötig.
[104] W. Hartmann (Fn. 8), Blatt 9.
[105] Paix/Paterson Anasthesia and Intensive Care 40 (2012), 511 ff.; dazu auch Merkel/Putzke Journal of Medical Ethics 2013, 444, 445).
[106] So Gotzmann, der in Erfurt Judaistik lehrt (Fn. 66 – Hervorhebung vom Verfasser).
[107] Schöch, in: Roxin / Schroth (Hrsg.), Handbuch des Medizinstrafrechts, 4. Aufl., 2010, S. 51, 66 ff. (dort auch zu den im Text folgenden Ausführungen).
[108] BGHSt 12, 379, 382 f.
[109] BT-Drucksache 17/11295, S. 17 f.: "umfassende Aufklärung".
[110] Eschelbach, in: Beck’scher Online-Kommentar zum StGB (Fn. 11), § 223 Rn. 35.4; Fischer, Strafgesetzbuch (Fn. 81), § 223 Rn. 13, 13a.
[111] BT-Drucksache 17/11295, S. 17 f.
[112] OLG Oldenburg NJW-RR 1991, 1376.
[113] BGH NJW 2006, 2108.
[114] W. Hartmann, Stellungnahme im Rechtsausschuss (Fn. 8), Blätter 1 f.; für die psychischen Folgen verweist er auf Boyle et al. Journal of Health Psychology 7 (2002), 329 ff.; Page et al. Journal of Perinat Education 13 (2004), 10 ff.; Taddio et al. Lancet 349 (1997), 599 ff.; Yilmaz et al. International Journal of Urology 10 (2003), 651 ff.; eingehend Franz, in: Franz (Hrsg.), Die Beschneidung von Jungen. Abrahams trauriges Vermächtnis (erscheint demnächst).
[115] Stanford School of Medicine: http://newborns.stanford.edu/CircComplications.html ; siehe auch die bei W. Hartmann angeführte Umfrage bei deutschen Kinderärzten (Stellungnahme im Rechtsausschuss [Fn. 8 ], Blatt 5.
[116] Speziell der Tod ist eine sehr seltene Folge der Beschneidung. Einer Studie aus Brasilien zufolge kommen auf knapp 485.000 Beschneidungen 63 Todesfälle, was einer Todesrate von 0.013% entspricht (Korkes et al. Einstein 10[2012], 342 ff.; siehe ferner auf http://www.cirp.org/library/death/ ).
[117] http://www.urologie-zemke-berlin.de/files/zirkumzision.pdf .
[118] Zum Düssedorfer Fall siehe auf: http://www.express.de/duesseldorf/horrorerlebnis-eines-zehnjaehrigen-bei-beschneidung-schlimm-verstuemmelt,2858,4742926.html ; zum Solinger Fall siehe auf: http://www.solinger-tageblatt.de/Home/Solingen/Anwalt-kritisiert-Beschneidung-2240f57a-a86f-42f1-9f16-e43c5f898b8d-ds .
[119] http://www.zentralratdjuden.de/de/article/3731.html (zuletzt besucht am: 22.06.2012).
[120] Paix/Peterson Anesth Intensive Care 40 (2012), 511 ff.
[121] Im Text bei Fn. 114 .
[122] BT-Drucksache 17/10488, S. 24. – Zur zivilrechtlichen Pflichtenlage Hart MedR 2013, 159, 161 ff.
[123] BT-Drucksache 17/10488, S. 24.
[124] BT-Drucksache 17/10488, S. 25 (Hervorhebungen vom Verfasser).
[125] Schöch (Fn. 107), S. 51, 71.
[126] Spieckhoff FamRZ 2013, 337, 338: Elternrecht sei "zuvörderst fremdnützig".
[127] Sonst könnten die Eltern sich nachträglich mit der schlichten Behauptung, sie hätten die Einwilligung auch bei umfassender Aufklärung erklärt, selbst aus der Strafbarkeit herausziehen. – Allgemein zur hypothetischen Einwilligung BGH JZ 2004, 800; Schlehofer, in: Münchener Kommentar zum StGB (Fn. 35), Vor §§ 32 ff. Rn. 168 ff, 185 ff.
[128] Vgl. nur erneut OLG Oldenburg NJW-RR 1991, 1376 (im Text vor Fn. 112).
[129] http://www.vasweb.org/de/leistungen/beschneidungs zentrum-/laserbeschneidung/laserbeschneidung-vorteil-3.html .
[130] Zur grundsätzlichen Methodenfreiheit des Arztes siehe bei Ulsenheimer, in: Laufs/Kern (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl. (2010), § 139 Rn. 33.
[131] Das ist freilich, wie dargelegt, eine abwegige Setzung, die zu begründen der Gesetzesentwurf denn auch lieber gar nicht erst unternimmt. Man ziehe wiederum nur den Vergleich mit den leichtesten Formen der Mädchenbeschneidung, die klar und zu Recht als Kindeswohlgefährdung gelten!
[132] T-Drucksache 17/11295, S. 18.
[133] Rixen NJW 257, 260.
[134] BT-Drucksache 17/11295, S. 18. re. Sp. oben (Hervorhebung vom Verfasser).
[135] Unwirksam ist die Einwilligung in solchem Falle dann freilich schon wegen eines Verstoßes gegen die Regeln der ärztliche Kunst (§ 1631d I 1 BGB).
[136] Hörnle/Huster JZ 2013, 328, 338 li. Sp. unter Verweis auf Denniston/Hodges/Milos (Hrsg.), Understanding Circumcision (2001), Vorwort S. VII f.
[137] BT-Drucksache 17/11295, S. 16.
[138] BT-Drucksache 17/11295, S. 18.
[139] Eschelbach, in: Beck‘scher Online-Kommentar zum StGB (Fn. 11), § 223 Rn. 35.3; Herzberg ZIS 2012, 486, 487; Isensee JZ 2013, 317, 325; Merkel/Putzke Journal of Medical Ethics 2013, 444, 449; T. Walter JZ 2012, 1110, 1113; schon im Gesetzgebungsverfahren kritisiert von R. Merkel, Stellungnahme im Rechtsausschuss, S. 4 f.; derselbe FAZ vom 26.12.2012, S. 8).
[140] Merkel FAZ vom 26.12.2012, S. 8. – Unberücksichtigt bleibt dies bei Hörnle/Huster, die die Ausgrenzung des Masturbationsmotivs gutheißen, weil die Masturbation zu verhindern nicht "unabdingbar für die Zugehörigkeit zur religiösen Gemeinschaft" sei, und nur diese Wichtigkeit gebe den Eltern einen hinreichend wichtigen Grund für den invasiven Eingriff in den Körper des Kindes; andernfalls werde Eltern verwehrt, "ihre Basisannahmen ,vom guten Leben‘ für das Kind umzusetzen" (JZ 2013, 328, 338).
[141] Dieser Hinweis bestreitet religiösen Menschen nicht das Recht, an solche Gottesbefehle zu glauben. Nur kann das staatliche Recht ein so gewonnenes Motiv nicht als letzten Grund für Eingriffe in das Grundrecht Dritter auf körperliche Unversehrtheit akzeptieren, was es ja außerhalb des Eltern-Kind-Verhältnisses auch in keinem einzigen Fall tut – und ihm auch innerhalb bei weiblichen Kindern nicht in den Sinn kommt.
[142] Vgl. bei Merkel (Fn. 139), FAZ vom 26.12.2012, S. 8.
[143] R. Merkel ebenda, S. 8.
[144] R. Merkel ebenda, S. 8; Herzberg ZIS 2012, 486 f.
[145] Siehe im Text vor Fn. 13 .
[146] Pressemitteilung vom 23. August 2012.
[147] BGH NJW 2007, 217, 218; Eschelbach, in: Beck‘scher Online-Kommentar zum StGB (Fn. 11), § 223 Rn. 35.5; Fateh-Moghadam RW 2010, 115, 138; Schlehofer, in: Münchener Kommentar zum StGB (Fn. 35), Vor §§ 32 ff. Rn. 142.
[148] BT-Drucksache 17/11295, S. 18.
[149] Siehe bei Fateh-Moghadam RW 2010, 115, 138; Hörnle/Huster JZ 2013, 328, 338.
[150] Enger aber T. Walter JZ 2013, 1110, 1117.
[151] Wer käme auf den Gedanken, der Prügelstrafe den demütigenden Charakter abzusprechen, weil der Vater des Zwölfjährigen den Jungen zuvor gefragt hatte, ob er die Strafe als ungerecht ablehne, und dieser dann nicht unmissverständlich ja gesagt hatte.
[152] BT-Drucksache 17/11295, S. 18 li. Sp.
[153] http://www.youtube.com/watch?v=XN65C9tbLP0 (ab Minute 16:24).
[154] Ebenda ab Minute 17:40. – Die Szene belegt also auch eindrucksvoll, dass die Beschneidung nicht etwa dem Kindeswohl entspricht, weil sie eine Diskriminierung des Unbeschnittenen vermeidet, sondern dass die Grundrechte des Kindes dem Nötigungsdruck der Gruppe in einer dem Rechtssystem widersprechenden Weise weichen muss (vgl. bei Eschelbach, in: Beck‘scher Online-Kommentar zum StGB[Fn. 11 ], § 223 Rn. 35.6.; auch Czerner ZKJ 2012, 433, 434).
[155] R. Merkel FAZ vom 26.12.2012, S. 8; deutlich auch Putzke, in: Passauer Neue Presse (PNP), Nr. 28, Ist das Beschneidungsgesetz verfassungswidrig? , S. 9.
[156] So das Mitglied des Ethikrats R. Merkel FAZ vom 26.12.2012, S. 8: "Die ethische Idee des Postulats liegt auf der Hand. Jede Beschneidung verletzt den kindlichen Körper mit einem gewaltsamen Akt. Dieser Verletzung soll nicht ein zweiter Gewaltakt zur Beugung des kindlichen Willens hinzugefügt werden." Im Ergebnis auch Eschelbach, in: Beck‘scher Online-Kommentar zum StGB (Fn. 11), § 223 Rn. 35.5; Herzberg ZIS 2012, 486, 495 (unter Verweis auf Art. 140 GG, Art. 136 WRV).
[157] Oben im Text bei Fn. 90 .
[158] Interview des Anzeigererstatter unter: http://www.fr-online.de/rhein-main/beschneidung-strafanzeige--es-bestand-akute-gefahr-,1472796,17197572.html .
[159] http://www.beschneidung-mohel.de/ablauf_und_heilungsprozess.html (Hervorhebungen vom Verfasser – Seite zuletzt besucht am: 21.7.2013).
[160] Pressemitteilung vom 20.02.2013 ( http://www.justiz.bayern.de/sta/sta/ho/presse/archiv/2013/03854/ ).
[161] Vgl. im Text unter IV 1. a) u. b).
[162] Siehe oben im Text bei Fn. 114 .
[163] http://www.tagesspiegel.de/berlin/zu-gast-bei-einer-beschneidung-mazel-tov/7869864.html .
[164] Im Folgeartikel: http://www.tagesspiegel.de/politik/strafanzeige-nach-beschneidung-berliner-staatsanwaelte-pruefen-neuen-fall/8047730.html .
[165] http://mogis-und-freunde.de/blog/circumcision-mendel-teichtal/ .
[166] Metzger (Fn. 13).
[167] Zu Beginn des Dokumentarfilms von Ari Libsker (Fn. 153); in deutscher Übersetzung wiedergegeben wird die Sequenz auch im Deutschlandfunk: http://wissen.dradio.de/religion-ungeliebtes-ritual.38.de.html?dram:article_id=217832.
[168] Den Verstoß gegen das Gebot der Schmerzbehandlung meint wohl auch Mandla, wenn er diesen Fall als "erste Bewährungsprobe" für § 1631d BGB bezeichnet (FPR 2013, 244, 250).
[169] Nachweise siehe Fn. 167.
[170] Deusel, Stellungnahme im Rechtsausschuss des Bundestages, S. 7 ( http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a06/anhoerungen/archiv/31_Beschneidung/04_Stellungnahmen/Stellungnahme_Deusel.pdf ); auch die israelische Vereinigung der Kinderärzte lehnt das Ritual ab: http://www.timesofisrael.com/israeli-pediatric-association-calls-for-end-to-circumcision-related-rite/ .
[171] Vgl den Bericht in der FAZ vom 04.10.2012 ( http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/beschneidung-in-new-york-der-kampf-des-rabbis-11908568.html ).
[172] Berliner Morgenpost vom 13.04.2013 ( http://www.morgenpost.de/berlin/article115422187/Nach-Beschneidung-Berliner-Rabbiner-weist-Vorwuerfe-zurueck.html ).
[173] In die dafür nötige Würdigung wäre auch einzubeziehen, dass der Mohel Fleischmann durchaus bereit ist, anstelle des direkten Mund-Penis-Kontaktes das Absaugen mithilfe einer Pipette vorzunehmen (siehe seine Erklärungen im Dokumentarfilm von Ari Libsker [Fn. 153 ]). Warum sollte Fleischmann also von dem ausdrücklichen Wunsch des Kindsvaters nach "gesetzestreuer" Beschneidung abweichen?
[174] Siehe Kilic, Interview in der Stuttgarter Zeitung vom 06.07.2012: http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.interview-zur-beschneidung-der-politik-fehlt-wohl-der-mut.8cdc8b78-3b96-403d-a17c-bd92af90d934.html .
[175] Putzke (Fn. 103).