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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Oktober 2012
13. Jahrgang
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Von RA und Fachanwalt für Strafrecht Jochen Thielmann, Wuppertal
Es ist als eine klassische Unterstützungshandlung zu werten, wenn Geld oder Material an eine terroristische Vereinigung übermittelt werden. In den vergangenen Jahren ist es immer wieder zu entsprechenden Verurteilungen gekommen.[1] Die allgemeine Neigung des Staatsschutzes, die Strafbarkeit in diesem Bereich immer weiter auszudehnen, führt dazu, sich auch mit der vorgeschalteten Frage zu befassen, ob bereits die Vorbereitung einer zukünftigen Geldbeschaffung und -weiterleitung vom Tatbestand der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung erfasst sein könnte. Angesichts des immer weiteren Vordringens in einen Bereich, der der eigentlichen Strafbarkeit bislang vorgelagert war, ist es nicht überraschend, dass eine solche Verurteilung mit dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG in Konflikt gerät.
Es ist im Zeitalter des islamistischen Terrorismus in Politik und Gesetzgebung an der Tagesordnung, bereits im Vorfeld der klassischen Delikte strafrechtlich anzusetzen, um möglichst weit vor einem eventuellen Terroranschlag eingreifen zu können und gleichzeitig eine strafrechtliche Verurteilung sicherzustellen. Schon die Vor-
stellung, dass nach einem erfolgreich vereitelten Terroranschlag der oder die Täter straffrei ausgehen, weil die Tat im nicht strafbaren Vorbereitungsstadium stecken geblieben ist, scheint für staatliche Stellen ein Gräuel zu sein. Und so ist es derzeit opportun, dass der Gesetzgeber auch ohne das unmittelbare Ansetzen zu einer bestimmten terroristischen Tat Auffangtatbestände schafft, die ein solches Szenario in jedem Fall verhindern sollen. Höhepunkt dieser Entwicklung war die Schaffung der § 89a StGB, der die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat unter Strafe stellt, und § 91 StGB über die Anleitung zur Begehung einer eben solchen Tat.[2] Aber nicht nur der Gesetzgeber, auch die Rechtsprechung trägt ihren Teil dazu bei, dass Strafbarkeit zugunsten von (vermeintlicher) innerer Sicherheit ausgedehnt wird. Denn auch in bereits seit Jahrzehnten bestehenden Straftatbeständen ist die Entwicklung zur Verschiebung des Strafbarkeitsbeginns immer weiter nach vorne zu beobachten, wie sich besonders eklatant am Beispiel der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung gem. § 129 Abs. 5 StGB im Düsseldorfer Al-Qaida-Verfahren gezeigt hat. Liest man die Ausführungen im aktuellen StGB-Kommentar von Fischer, so scheint es aber, als hätte gerade in diesem Verfahren eine Abkehr von einer zu weiten Vorverlagerung der Unterstützung beim zuständigen 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs stattgefunden. Dort heißt es[3] :
"Die Zusage einer Beschaffung von Waffen ist als täterschaftliches Unterstützen einer (terroristischen) Vereinigung angesehen worden (BGHR § 129a III Unterstützen 4); hiervon ist der 3. StS in einer neueren Entscheidung für den Fall der Vereinbarung von Betrugshandlungen zur Geldbeschaffung im Hinblick auf eine zu weite Vorverlagerung abgerückt (StB 3/05 = BGHR § 129a V Unterstützen 1 (obiter dictum); kritisch dazu Bader NStZ 07, 618, 619)".
Eine genauere Beschäftigung mit den genannten Sachverhalten und den rechtlichen Wertungen des 3. Strafsenats zeigt jedoch, dass diese Wertung der aktuellen Rechtsprechung zu Unrecht die Umkehrung einer als zu weit reichend erkannten Entscheidung zuschreibt. Im Gegenteil ist die Rechtsprechung des 3. Strafsenats in diesem Fall in das Vorfeld der bisherigen Strafbarkeit zulasten von Angeklagten weit über die – schon als kritisch erkannte – Entscheidung des Ermittlungsrichters aus dem Jahre 1990 hinausgegangen.
Das erste deutsche Al-Qaida-Verfahren, das in den Jahren 2006-2007 vor dem OLG Düsseldorf stattgefunden hat, stellte die Justiz "vor vielfältige neue und schwierigste materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Fragen oder zutreffender: Probleme"[4]. Der Verlauf des Verfahrens, das heute noch immer nicht rechtskräftig abgeschlossen ist,[5] zeigt einerseits die Richtigkeit dieser Einschätzung und andererseits das Scheitern der Strafjustiz in weiten Bereichen.[6] Vorliegend soll es jedoch nur um die Problematik der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung gehen.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf ist in seinem unveröffentlichten Urteil von folgendem Sachverhalt ausgegangen: Das Al-Qaida-Mitglied A plante mit seinem Freund B einen Versicherungsbetrug, dessen Beute zum Teil der Al Qaida zukommen sollte. Der Plan sah vor, möglichst viele Lebensversicherungsverträge abzuschließen, um dann in Ägypten den Tod des Versicherungsnehmers B zu fingieren und die Versicherungssumme geltend zu machen. Dazu begann B im August 2004 mit der Beantragung von Lebensversicherungen und konnte auch bereits einige abschließen. Ende September 2004 wurde C – der Bruder des B – in den Plan eingeweiht, wonach er als Begünstigter der Versicherungsverträge fungieren sollte. C stimmte zu, die ihm zugedachte Rolle zu übernehmen. In der Folgezeit wurden durch B weitere Versicherungen beantragt und einige Verträge abgeschlossen, bis A und B – und später auch C – von der Polizei festgenommen wurden. Der Düsseldorfer Staatsschutzsenat wertete diesen Sachverhalt als vielfachen versuchten bandenmäßigen Betrug in Tateinheit mit Mitgliedschaft (A und B) bzw. Unterstützung (C) einer terroristischen Vereinigung.[7]
In diesem Verfahren setzte sich der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs mit der Frage der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung durch C zum ersten Mal in einer – in BGHR veröffentlichten[8] – Haftentscheidung auseinander. Dort hieß es:
"Es kommt deshalb nicht darauf an, ob im Falle einer Kenntnis des Beschuldigten von der Mittelverwendung für Al Qaida seine bislang geleisteten Tatbeiträge als vollendetes Unterstützen zu bewerten wären. Hiergegen könnten Bedenken bestehen, weil es noch nicht zu einer Auszahlung von Geld gekommen ist und sich seine (etwaige) Tätigkeit für die Vereinigung auf die Zusage beschränkte, von der erwarteten Beute einen Teil an die Vereinigung weiterzugeben.
Allerdings hat der Senat in einer früheren Entscheidung (BGHR StGB § 129a Abs. 3 Unterstützen 4) für eine vergleichbare Konstellation die Auffassung vertreten, bereits die Zusage einer Beschaffung von Waffen könne sich positiv auf das Bestehen und die Aktionsmöglichkeiten einer terroristischen Vereinigung auswirken und damit zu deren Unterstützung führen, auch wenn das Vorhaben später fehlgeschlagen ist. Diese Entscheidung könnte indes nach vorläufiger Beurteilung der Rechtsfrage – auch mit Blick darauf, dass der Versuch einer Tat nach § 129a Abs. 5 StGB nicht strafbar ist – den Bereich der Vollendung des Delikts zu weit nach vorne verlagert haben (vgl. Rudolphi in SK-StGB § 129 Rn. 17)."
Das Oberlandesgericht Düsseldorf bewertete den Angeklagten gleichwohl als Unterstützer der Al Qaida.[9] Im Urteil ging es kurz auf die vom 3. Strafsenat ausgesprochenen rechtlichen Bedenken ein, um dann fortzufahren:
"Diese Bedenken dürfen indes nicht dazu führen, das Tatbestandsmerkmal der Unterstützung in "Beschaffungsfällen" erst dann als erfüllt anzusehen, wenn die zu beschaffenden Mittel der terroristischen Vereinigung auch tatsächlich zugeflossen sind. Eine für die öffentliche Sicherheit gefährliche und damit vom Schutzzweck des § 129a Abs. 5 StGB erfasste Unterstützungswirkung liegt vielmehr schon in der – über die bloße Zusage hinausgehenden – Durchführung konkreter Beschaffungshandlungen, mag deren Erfolg auch durch Zufall oder rechtzeitiges Eingreifen der Strafverfolgungsbehörden verhindert worden sein."[10]
Der 3. Strafsenat akzeptierte in der Revisionsentscheidung vom 14.08.2009 die Verurteilung des C wegen der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung und begründete sein Abweichen von den in der Haftentscheidung geäußerten Bedenken wie folgt:[11]
"Soweit der Senat in seiner Haftprüfungsentscheidung vom 19. Mai 2005 (BGHR StGB § 129 a Abs. 5 Unterstützen 1) Bedenken dagegen geäußert hat, dass die Tatbeiträge des Angeklagten als vollendetes Unterstützen zu werten seien, beruhte dies auf dem damaligen Ermittlungsstand, wonach sich die Tätigkeit des Angeklagten auf die Zusage beschränkte, von der in der Zukunft zu erwartenden Beute einen Teil an die Vereinigung abzugeben. Der Senat ist im Revisionsverfahren auf der Basis der Feststellungen des tatgerichtlichen Urteils nicht gehalten zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen für ein Unterstützen der Vereinigung allein die Zusage eines Nichtmitglieds ausreicht, eine Handlung vorzunehmen, die sich auf die Organisation irgendwie vorteilhaft auswirken kann (vgl. hierzu auch BGHR StGB § 129 a Abs. 3 Unterstützen 4); denn nach diesen Feststellungen war die Tätigkeit des Angeklagten nicht auf die Abgabe einer derartigen Zusage beschränkt. Der Angeklagte wirkte vielmehr an den Versicherungsbetrügereien insgesamt mit, indem er selbstständig recherchierte und an Besprechungen in allgemein beratender Funktion teilnahm. Zudem war er damit einverstanden, als Bezugsberechtigter für die Versicherungssummen aufzutreten. Mit seiner diesbezüglichen Zusage leistete er somit einen erheblichen Beitrag für die Durchführung der einzelnen Betrugsstraftaten. Die Tätigkeiten des Angeklagten begründeten deshalb (…) jedenfalls bei einer Gesamtschau einen hinreichenden Vorteil für die Vereinigung im oben näher dargestellten Sinn."
Nachdem das Bundesverfassungsgericht dieses Urteil aufgehoben hatte, weil die von beiden Gerichten mit unterschiedlichen Begründungen festgestellte Betrugsstrafbarkeit gegen das Grundgesetz verstoße, musste sich der 3. Strafsenat noch einmal mit der Frage der Unterstützung befassen. Das Gericht tat dies kurz und knapp:
"Die Strafbarkeit wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung ist ebenso wenig wie die wegen deren Unterstützung abhängig davon, dass die mitgliedschaftliche bzw. unterstützende Betätigung neben dem Organisationsdelikt noch einen weiteren, zu diesem im Verhältnis der Tateinheit stehenden Straftatbestand erfüllt. (…)
Unabhängig davon, ob den Versicherungsunternehmen mit Vertragsabschluss ein Vermögensschaden entstand, stellten diese Bemühen indes in jedem Fall eine unmittelbare Förderung der Vereinigung dar. Sie wirkten sich auf Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung der Vereinigung positiv aus und festigten damit die dieser wesenseigene Gefährlichkeit. Damit ist auch der Tatbestand der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung erfüllt. Wegen der Einzelheiten verweist der Senat auf die Ausführungen in
seiner Entscheidung vom 14. August 2009 (BGHSt 54, 69. 118f., Rn.138 und 142), die unverändert fortgelten."[12]
Diese zitierten Entscheidungen zeigen deutlich, dass den zuständigen Gerichten bei dem vorliegenden Sachverhalt hinsichtlich des Angeklagten C die Problematik einer möglichen Vorverlagerung der Strafbarkeit in einen (noch) nicht strafbaren Bereich (das Vorbereitungs- oder Versuchsstadium des Delikts) und damit eines möglichen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot offensichtlich bewusst gewesen ist. Das Verfahren spielt an der Grenze von (schon) strafbarem und (noch) nicht strafbarem Verhalten und stellt die Fragen, ab wann ein Verhalten als Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung strafbar und wann allenfalls von einer Vorbereitung bzw. einem (straflosen) Versuch auszugehen ist? Die Rechtsprechung und die Literatur zur Unterstützung zeigen, dass klare Konturen schwerlich vorhanden sind und es darauf hinauszulaufen scheint, in Einzelfällen zu den gewünschten Ergebnissen zu kommen.
Die Rechtsprechung dazu, wann das Tatbestandsmerkmal des Unterstützens gegeben ist, wurde zuletzt in einem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 16.05.2007 zusammengefasst.[13]
"Nach der bisherigen Rechtsprechung und vorherrschenden Ansicht im Schrifttum unterstützt eine terroristische Vereinigung, wer, ohne selbst Mitglied der Organisation zu sein, deren Tätigkeit und terroristische Bestrebungen direkt oder über eines ihrer Mitglieder fördert. Dabei kann sich die Förderung richten auf die innere Organisation der Vereinigung und deren Zusammenhalt, auf die Erleichterung einzelner von ihr geplanter Straftaten, aber auch allgemein auf die Erhöhung ihrer Aktionsmöglichkeiten oder die Stärkung ihrer kriminellen Zielsetzung. Nicht erforderlich ist, dass der Organisation durch die Tathandlung ein messbarer Nutzen entsteht. Vielmehr genügt es, wenn die Förderungshandlung an sich wirksam ist und der Organisation irgendeinen Vorteil bringt; ob dieser Vorteil genutzt wird und daher etwa eine konkrete, aus der Organisation heraus begangene Straftat oder auch nur eine organisationsbezogene Handlung eines ihrer Mitglieder mitprägt, ist dagegen ohne Belang."
Direkt im Anschluss an diese Ausführung heißt es, dass diese Maßstäbe "trotz einer gewissen – unvermeidlichen – Unschärfe das tatbestandliche Unrecht ausreichend bestimmt umschreiben." Ob diese Behauptung aber tatsächlich zu Recht aufgestellt wird, muss bereits bezweifelt werden. Schon allein der Wortlaut der "ausreichenden Bestimmtheit" lässt die Assoziation zu Schulnoten aufkommen, in denen eine ausreichende Leistung knapp der "mangelhaften" vorgelagert ist, die bei einer Prüfung ein Durchfallen zur Folge hat. Es stellt sich die Frage, ob nicht eine gute oder mindestens befriedigende Bestimmtheit gefordert werden sollte. Wenn die rechtliche Definition eines Straftatbestands vielfach Negativabgrenzungen erfordert oder eine Formulierung beinhaltet, dass ein Verhalten einer Organisation "irgendeinen Vorteil" bringen muss, auch wenn "kein messbarer Nutzen" entstehen muss, so drängt sich die Frage nach der Bestimmtheit geradezu auf. In diesem Bereich sind alle Beteiligten – seien es Richter, seien es Verteidiger und Angeklagte – noch immer auf rechtlich unsicherem Boden unterwegs.
Der Tatbestand des "Unterstützens einer terroristischen Vereinigung" besitzt mittlerweile so starke Berührungspunkte mit dem Bestimmtheitsgrundsatz, dass infolgedessen in naher Zukunft eine Verurteilung nach diesem Paragrafen wegen einer als strafwürdig angesehenen Handlung vom Bundesverfassungsgericht wegen des Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot aufgehoben werden wird. Dies hat den Grund darin, dass die Ermittlungsbehörden und nachfolgend die Gerichte in geeigneten Fällen die Grenzen so weit wie möglich ausloten.[14] Nach der Überzeugung des Verfassers ist dieser Fall bereits im Düsseldorfer Al-Qaida-Verfahren eingetreten.
Der Strafzweck der §§ 129 ff. StGB beruht darauf, dass eine Vereinigung – in Abgrenzung von einem einzelnen oder nur wenigen Tätern oder selbst einer Bande – von besonderer Gefährlichkeit ist. Aus diesem Grund werden bereits im Vorfeld die Gründung, die Mitgliedschaft und auch die Unterstützung unter Strafe gestellt.
a) Dies beinhaltet aber, dass durch die Unterstützungshandlung gerade die Vereinigung und ihre spezielle Gefährlichkeit erreicht werden. Nur dann, wenn die Vereinigung selbst die Förderung widerfährt, kann eine Strafbarkeit gem. § 129a Abs. 5 StGB bestehen. Schließlich spricht schon der Wortlaut der Vorschrift davon, dass "die Vereinigung unterstützt" werden muss. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf gab es während der gesamten Dauer keine Verbindung der drei Angeklagten zu anderen Al-Qaida-Mitgliedern oder gar
Offiziellen der Organisation selbst. Eine direkte Unterstützung der Vereinigung war daher auszuschließen. Daher stellt sich die Frage, inwieweit es für die Verwirklichung des Tatbestands ausreicht, die Vereinigung indirekt zu unterstützen, indem – ohne Wissen der Vereinigung – ein einzelnes Mitglied unterstützt wird. .
Bader hat gerade im Bezug auf den Sachverhalt im Düsseldorfer Al-Qaida-Verfahren argumentiert, dass – neben der Strafbarkeit wegen Unterstützung – auch die Beihilfe zur mitgliedschaftlichen Betätigung strafbar sein müsse.[15] Es ist nachzuvollziehen, dass gerade bei diesem Sachverhalt dieser Ruf ertönt, denn ein "irgendwie gearteter Vorteil" auf Seiten der Organisation durch die Handlung des C lässt sich nicht belegen. Der 3. Strafsenat hat im Urteil vom 14.08.2009 ausdrücklich offen gelassen, ob es Fallgestaltungen gib, die nur eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zur mitgliedschaftlichen Betätigung, aber keine Unterstützung der Vereinigung beinhalten. Zur Unterstützung im zu entscheidenden Sachverhalt machte der Senat folgende Ausführungen:[16]
"Da als Effekt des Unterstützens ein irgendwie gearteter Vorteil für die Vereinigung ausreicht, liegt es nahe, dass bei einer Tätigkeit, die sich in der Sache als Beihilfe zur Beteiligung eines Mitglieds an der Vereinigung darstellt, regelmäßig bereits hierin ein ausreichender Nutzen für die Vereinigung zu sehen ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Täter ein Mitglied der Vereinigung bei der Erfüllung einer Aufgabe unterstützt, die diesem von der Vereinigung aufgetragen worden ist. Denn die Mitwirkung an der Erfüllung eines Auftrags, den die Vereinigung selbst einem Mitglied erteilt hat, erweist sich nicht nur allein für das betroffene Mitglied als im hier relevanten Sinne vorteilhaft; der ausreichende, nicht notwendigerweise spezifizierte Nutzen wirkt sich in einem solchen Fall vielmehr auch auf die Organisation als solche in vergleichbarer Weise aus wie in den Fällen, in denen die Mitglieder in ihrem Entschluss gestärkt werden, die Straftaten zu begehen, die den Zwecken der terroristischen Vereinigung dienen oder ihrer Tätigkeit entsprechen (BGHSt 32, 243, 244). Eines noch weiter gehenden Vorteils für die Vereinigung bedarf es deshalb in diesen Fallgestaltungen nicht."
Danach liegt in dem Fall eine Unterstützung vor, wenn man einem Mitglied bei der Ausübung seiner von der Vereinigung geforderten Handlung hilft, weil darin eine psychische Stärkung seines terroristischen Bewusstseins liegt. Der 3. Strafsenat verliert mit dieser Argumentation aber völlig aus dem Blick, weshalb eine Strafbarkeit im Vorfeld eigentlicher terroristischer Straftaten überhaupt eingeführt worden ist, nämlich der besonders gefährlichen Gruppendynamik in diesen Organisationen. Wenn nur ein einzelnes Mitglied Hilfe bekommt, führt dies eben nicht automatisch zu einer Stärkung der Vereinigung, sondern nur in den Fällen, in denen die Organisation oder zumindest mehrere Mitglieder von dieser Hilfe auch erfahren. Die Unterstützung eines Mitglieds einer Terrororganisation kann also gleichzeitig die Unterstützung der Organisation sein, muss dies aber nicht. Entscheidend muss sein, inwieweit die Vereinigung tatsächlich von der Handlung erreicht wird.
Eine solch weitgehende Auslegung des notwendigen Unterstützungserfolgs wie durch den 3. Strafsenat könnte im Extremfall dazu führen, dass man Vereinigungen noch unterstützen könnte, die bereits gar nicht mehr existieren, wenn zwischen Auftragserteilung an das Mitglied und dessen Unterstützung die Vereinigung zerschlagen wird oder sich auflöst, ohne dass Mitglied oder Unterstützer – oder die deutschen Ermittlungsbehörden – davon erfahren. Dass ein solcher Fall nicht unmöglich ist, zeigt deutlich, dass der 3. Strafsenat hier über das Ziel hinausschießt.
b) Die §§ 129 ff. StGB bezwecken schon nach dem gesetzgeberischen Willen eine generelle Vorverlagerung des Strafrechtsschutzes in das Vorbereitungsstadium, um den von bestimmten Vereinigungen ausgehenden Gefahren begegnen zu können. Das Oberlandesgericht München hat es wie folgt formuliert:[17]
"Die Funktion der §§ 129a und 129b StGB besteht – ähnlich wie beim Versuch der Beteiligung gem. § 30 StGB – deshalb darin, die Strafbarkeit auf Verhaltensweisen zu erstrecken, die im materiellen Sinn zum Vorbereitungsstadium jener Straftaten gehören, ohne dass einzelne Taten bereits konkret geplant sein müssen."
Die Straftaten, die gemeint sind, wenn das OLG München von "jenen Straftaten" spricht, werden im Katalog des § 129a Abs.1 und 2 StGB ausdrücklich genannt, und reichen von "Mord und Totschlag" bis zu "Straftaten gegen das Waffengesetz".
Es kann nicht übersehen werden, dass der Tatplan im Düsseldorfer Al-Qaida-Verfahren keine dieser (terroristischen) Straftaten umfasste, sondern stattdessen eine Reihe von Betrugstaten. Das bedeutet, dass – nach der oben zitierten Definition des Oberlandesgerichts München – die geplanten Taten nicht als jene Straftaten angesehen werden können, deren Vorbereitungsstadium durch die §§ 129a und 129b StGB unter Strafe gestellt werden soll. Wenn nun aber die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung bereits eine Vorverlagerung der Strafbarkeit in das Vorbereitungsstadium "terroristischer" Straftaten darstellt, so bedeutet dies im Hinblick auf den vorliegenden Fall, dass der geplante Betrug als die Vorbereitung der späteren Gewaltakte angesehen werden muss. Nur durch den erfolgreichen Betrug bestünde die Möglichkeit, der Organisation Material oder finanzielle Mittel für ihre terroristischen Zwecke zukommen zu lassen.
Allerdings steckte das Betrugsvorhaben selbst erst im Vorbereitungsstadium. Das bedeutet, dass es vorliegend um das Vorbereitungsstadium des Vorbereitungsstadiums geht, das durch die §§ 129 ff. StGB unter Strafe gestellt werden soll. Eine Strafbarkeit wegen Unterstützung wäre also nur dann möglich, wenn die – im Straftatbestand der § 129a und § 129b StGB sowieso schon vorverlagerte – Strafbarkeit noch einmal vorverlagert werden könnte. Dies zeigt, wie weit die Entscheidungen des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs ins Vorfeld des eigentlich gemeinten Schutzbereichs vorgedrungen sind.
Der vorliegende Fall wirft auch die bislang selten gestellte Frage auf, inwieweit eine vollendete Unterstützung überhaupt möglich sein kann, wenn die Ermittlungsbehörden durch eine fast lückenlose Überwachung das Vorgehen der Beschuldigten genau kannten und eine Auszahlung von Geld sicher verhindert hätten.
Ist in einem solchen Fall eine unmittelbare Förderung der Al Qaida denklogisch überhaupt möglich oder ist nicht von einem (untauglichen) Versuch auszugehen? Das Bundesverfassungsgericht hat in der Entscheidung von 07.12.2011 darauf gerügt, dass der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs diese Frage schon bei der Behandlung des Betruges nicht in seine Überlegungen mit einbezogen hatte.[18] Die Ermittlungsbehörden erhielten nach den Feststellungen des OLG Düsseldorf zur gleichen Zeit von den Afghanistan-Aufenthalten und dem geplanten Versicherungsbetrug Kenntnis wie der vermeintliche Unterstützer C selbst, weil zu diesem Zeitpunkt sämtliche Gespräche abgehört, aufgezeichnet und analysiert wurden. Diese Ermittlungsmethoden dienten auch dazu, die Förderung von Terrororganisationen zu verhindern, was im Ergebnis auch gelungen ist, wie das OLG Düsseldorf ausdrücklich festgestellt hatte. Das Ziel der Tatplanung, die Erlangung der Versicherungssummen und darauf folgend die finanzielle Unterstützung der Al Qaida, war somit vereitelt worden, bevor zu einem versuchten Betrug überhaupt angesetzt worden ist, denn die beteiligten Versicherungsgesellschaften waren frühzeitig informiert worden. Es geht also im vorliegenden Fall um die Frage, ob die Zusage einer – subjektiv möglichen, aber objektiv ausgeschlossenen – zukünftigen Weiterleitung von Geld an die Al Qaida schon jetzt eine vollendete Unterstützung sein kann.
Der Bundesgerichtshof ist bisher in keiner Entscheidung darauf eingegangen, ob es unter den umfassenden polizeirechtlichen Maßnahmen objektiv überhaupt zu einer Festigung der Gefährlichkeit der Al Qaida durch die Tätigkeiten des Verurteilten hat kommen können. Es hätte aber einer Auseinandersetzung mit dieser Frage bedurft, weil der Erfolg der polizeirechtlichen Maßnahmen, sprich die Beseitigung der dringenden Gefahr schwerster Rechtsgutverletzungen, dieses Tatbestandsmerkmal der Unterstützung ausschließt.
Dieser Aspekt verhindert die Vollendung des Tatbestands und führt dogmatisch maximal zur Figur des untauglichen Versuchs. Ein solcher ist im Rahmen der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung aber nicht strafbar.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hatte im Al-Qaida-Verfahren bereits in seiner frühen Haftentscheidung die Gefahr der Vorverlagerung der Strafbarkeit angesprochen und sich gegen eine fünfzehn Jahre alte Entscheidung des Ermittlungsrichters beim BGH abgegrenzt. Um diese Abgrenzung nachvollziehen zu können, ist es zunächst notwendig, sich die Haftentscheidung aus dem Jahre 1990 näher anzuschauen.
In dem Beschluss vom 5. April 1990 ging es um einen Einbruchsdiebstahl in ein Polizeirevier, bei dem die Täter in flagranti ertappt worden waren. Aus der "Eigenart des Beutegutes" (Durchschläge von Personalausweis- und Passanträgen) müsse entnommen werden, dass es den Tätern um die Beschaffung logistischen Materials ging, das Angehörige der "RAF" zu Tarnungszwecken benötigen. Außerdem läge die Annahme nahe, dass es um die Beschaffung von Waffen, Munition und Funkgeräten ging. Weiter heißt es im Beschluss des Ermittlungsrichters:[19]
"Entgegen der Auffassung der Verteidigung handelt es sich bei dem versuchten Einbruchdiebstahl nicht lediglich um den Versuch der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Wegen des Scheiterns der Beschaffungstat ist es zwar nicht zu der beabsichtigten Versorgung der »RAF« mit dem entwendeten Material gekommen. Das bedeutet jedoch nicht, daß es an einer vollendeten Unterstützung fehlt. Als Unterstützung gemäß § 129a Abs. 3 StGB ist jede Tätigkeit anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung auswirkt (BGHSt 35, 39). So hat der Bundesgerichtshof eine gescheiterte Kurierfahrt als Unterstützungshandlung gewertet, weil sich bereits die Übernahme einer umfassenderen Kuriertätigkeit und jedenfalls deren Ausführung positiv für die Vereinigung ausgewirkt habe (BGHR StGB § 129a Abs. 3 Unterstützung 3). Ähnlich liegen die Dinge im vorliegenden Fall. Es besteht der dringende Verdacht, daß der Beschuldigte und seine Mittäter, worauf die Bundesanwaltschaft zutreffend hinweist, ihre Bereitschaft zur Beschaffung derartigen Materials anderen vor Begehung der Tat zugesagt haben. Das ergibt sich schon daraus, daß eine Beschaffungstat dieser Art ohne Absprache mit den Abnehmern und Nutznießern keinen Sinn hätte. Der Verdacht, daß der Beschuldigte und seine Mittäter sich anderen gegenüber vorher zur Begehung der Tat bereitgefunden hatten, wird durch einen erst nach der mündlichen Haftprüfung aufgefundenen Brief erhärtet, den der dem »RAF«-Umfeld zuzuordnende W. unmittelbar nach der Tat an die wegen Mitgliedschaft in der »RAF« verurteilte J. geschrieben hat. Darin berichtet W. ausführlich über die fehlgeschlagene Tat und die Verhaftung des Beschuldigten, bringt seinen Unmut darüber zum Ausdruck und teilt mit, einige hätten 11 Stunden vor dem Gebäude des Bundesgerichtshofs gewartet, um den Beschuldigten zu sehen.
Es besteht kein Zweifel, daß bereits die Übernahme einer Beschaffungstat der vorliegenden Art sich positiv für das Bestehen und die Aktionsmöglichkeiten der »RAF« auswirkt und damit zu einer Unterstützung dieser terroristischen Vereinigung führt."
Der Ermittlungsrichter ging rechtlich von einem versuchten Einbruchsdiebstahl (§ 243 Abs.1 Nr.1 und 2 StGB) aus, dessen Beute unmittelbar im Anschluss an die Tat einer (inländischen) Terrororganisation übergeben werden sollte. Da es nicht zu einer Übergabe kam, wertete er die Zusage gegenüber den Mitgliedern der Vereinigung, die sich im Vorfeld des Einbruchs zugetragen haben muss, als die Unterstützungshandlung im Sinne des § 129a Abs. 5 StGB. Für den Ermittlungsrichter gab es "keinen Zweifel", dass bereits die Übernahme einer Beschaffungstat der vorliegenden Art sich positiv für das Bestehen und die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung auswirkt und damit zu einer strafbaren Unterstützung führte.
Im Düsseldorfer Al-Qaida-Verfahren gibt es zwei einander widersprechende Entscheidungen des 3. Strafsenats zu der aufgeworfenen Frage, ob nicht eine (verfassungswidrige) Vorverlagerung der Strafbarkeit besteht, wenn bereits die Zusage der späteren Beschaffungshandlung als vollendete Unterstützung gewertet werden würde.
a) Der 3. Strafsenat hatte in der oben zitierten Haftentscheidung von 2005 unter zwei Aspekten Probleme mit der Einordnung als vollendete Unterstützung: zum einen weil es noch nicht zu einer Auszahlung von Geld gekommen war, und zum anderen weil sich die (etwaige) Tätigkeit des Beschuldigten für die Vereinigung auf die Zusage beschränkte, von der erwarteten Beute einen Teil an die Vereinigung weiterzugeben. Das heißt, dass nach der Ansicht des 3. Strafsenats selbst in Fällen, in denen sich ein Beschuldigter vorsätzlich an einem bereits strafbaren Betrugsvorhaben beteiligt, dessen Beute zugunsten der Al Qaida verwendet werden soll, eine vollendete Unterstützung nicht zwingend gegeben ist. Stattdessen wäre also bei einer solchen Konstellation denkbar, dass ein Beschuldigter nur wegen einer Beteiligung am Betrug, aber nicht tateinheitlich wegen einer Unterstützung strafbar ist.
b) Vergleicht man nun den oben geschilderten Sachverhalt aus dem Jahr 1990 mit dem Sachverhalt der Urteilsfeststellungen des OLG Düsseldorf aus dem Jahre 2007, so zeigt sich, dass die vom 3. Strafsenat als entscheidend angesehenen Tätigkeiten weit hinter denen zurückbleiben, die 1990 vorlagen. Damals wurde von den Unterstützern nicht nur geredet, sondern gehandelt, indem sie in ein Polizeirevier einstiegen, um die geleistete Zusage einhalten und das Material liefern zu können, ohne dass der 3. Strafsenat dies bei seinen geäußerten Bedenken als problematisch oder gar entscheidend angesehen hätte. Im Al-Qaida-Fall wurde stattdessen von C nur geredet. Ein unmittelbares Ansetzen zur Erfüllung des Straftatbestandes, dessen erfolgreiche Durchführung die zugesagte Weitegabe des Geldes in Richtung Al Qaida erst möglich gemacht hätte, lag nicht vor. Die in der Haftentscheidung geäußerte Skepsis des 3. Strafsenats hätte somit konsequenterweise auch nach den Urteilsfeststellungen bestehen bleiben müssen, weil der damalige Sachverhalt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht weit über den aktuellen hinausgegangen ist.
c) Stattdessen erklärte die Revisionsentscheidung 2009 solche Bedenken im vorliegenden Fall für unbegründet. Der Senat habe sich damals auf der Grundlage des damaligen Ermittlungsstandes geäußert, der sich mittlerweile durch die Urteilsfeststellungen geändert habe, wonach sich die Tätigkeit des Angeklagten nicht auf die Abgabe einer derartigen Zusage beschränkt habe:[20]
"Der Angeklagte wirkte vielmehr an den Versicherungsbetrügereien insgesamt mit, indem er selbstständig recherchierte und an Besprechungen in allgemein beratender Funktion teilnahm. Zudem war er damit einverstanden, als Bezugsberechtigter für die Versicherungssummen aufzutreten. Mit seiner diesbezüglichen Zusage leistete er somit einen erheblichen Beitrag für die Durchführung der einzelnen Betrugsstraftaten. Die Tätigkeiten des Angeklagten begründeten deshalb (…) jedenfalls bei einer Gesamtschau einen hinreichenden Vorteil für die Vereinigung im oben näher dargestellten Sinn."
Auf den ersten Blick scheint die Argumentation des 3. Strafsenats nachvollziehbar zu sein, dass die aufgegebene Auffassung von der unzureichenden Kenntnis des Sachverhalts herrührte. Allerdings hält sie einer kritischen Würdigung nicht stand.
(1) Zunächst fällt auf, dass die Zusage, von der in der Zukunft zu erwartenden Beute einen Teil an die Vereinigung abzugeben, nicht davon unterschieden werden kann, sich als Bezugsberechtigter zur Verfügung zu stellen. Die Stellung als Begünstigter ist gerade die Voraussetzung für die Möglichkeit einer zukünftigen Weitergabe von Geld. Wenn sich C nicht als Begünstigter zur Verfügung gestellt hätte, wäre es ihm unmöglich gewesen, Geld weiterzugeben, weil er niemals Geld erhalten hätte. Es ist daher eine grob fehlerhafte Doppelverwertung, wenn der 3. Strafsenat darin eine eigenständige Tätigkeit sieht, und die "diesbezügliche Zusage" als "einen erheblichen Beitrag für die Durchführung der einzelnen Be-
trugsstraftaten" anseht.[21] Es bleibt bei der Zusage, als Begünstigter die Versicherungssumme geltend zu machen und weiterzugeben.
(2) Die daneben angesprochenen Tätigkeiten ("selbstständige Recherche und Teilnahme an Besprechungen in allgemein beratender Funktion") gehen rechtlich nicht über die Zusage der zukünftigen Weiterleitung von Geldsummen hinaus, zumal deren Einnahme nicht nur im Ungewissen liegt, sondern zudem von dem vermeintlichen Unterstützer selbst bewirkt werden muss – ein Rückzug aus der Tatbeteiligung würde den gesamten Plan zum Einsturz bringen. Es ist daher nicht nachvollziehbar, die Zusage einer zukünftigen Weiterleitung als noch nicht tatbestandsmäßig, weil zu weit vorverlagert, anzusehen, aber dann mithilfe einer Gesamtschau mit weniger wichtigen und nur diffus beschriebenen Handlungen eine Unterstützung der Al Qaida zu begründen.
Angesichts der rechtlichen Vorgehensweise der "Gesamtschau" drängt sich die Frage auf, wodurch genau sich C wegen Unterstützung strafbar gemacht haben soll. Welche seiner Handlungen hat das Oberlandesgericht oder der Bundesgerichtshof als Unterstützung gewertet? Allein die Zusage der späteren Weiterleitung des Geldes soll nach dem 3. Strafsenat nicht unbedingt ausreichen. Die "selbstständige Recherche" oder die "Teilnahme an Besprechungen in allgemein beratender Funktion" sind aber offensichtlich auch keine Tätigkeiten, die – für sich allein – ausgereicht hätten, von einer Unterstützungshandlung zu sprechen, denn sonst hätte es keiner "Gesamtschau" bedurft, um von einem hinreichenden Vorteil für die Vereinigung zu sprechen. Das bedeutet aber, dass nach der Argumentation des Bundesgerichtshofs jede Handlung für sich nicht geeignet ist, eine vollendete Unterstützung zu begründen. Der 3. Strafsenat addiert somit mehrere Handlungen, die einzeln nicht strafbar sind, um so in einer Gesamtbetrachtung zu einer Strafbarkeit wegen Unterstützung zu kommen.
Der Bundesgerichtshof hat in seinen Entscheidungen nicht einmal ausgeführt, womit C die Grenze überschritten und sich strafbar gemacht hat. Diese Erkenntnis bleibt dem Leser auch nach der Lektüre sämtlicher Entscheidungen verborgen. Dies bedeutet, dass sich der Verurteilte "alles in allem" strafbar gemacht hat. Dass ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG nahe liegt, wenn selbst nach rechtskräftiger Verurteilung noch immer nicht klar ist, durch welche Handlung sich jemand strafbar gemacht hat, versteht sich von selbst. Wie soll ein einzelner Bürger erkennen, wenn er die Grenze zur Strafbarkeit überschreitet, wenn selbst die Gerichte dies im Rahmen einer Verurteilung nicht klar machen?
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat im Düsseldorfer Al-Qaida-Verfahren frühzeitig erkannt, dass die Gefahr einer zu weiten Vorverlagerung der Strafbarkeit – und damit ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG – im Bereich der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung gegeben war. Es scheint, als ob der Senat dann jedoch Angst vor der eigenen Courage bekommen hat, als er seine Bedenken gegen die Einordnung als strafbare Unterstützung mit einer wenig nachvollziehbaren Begründung wieder fallen ließ.
Gerade aufgrund der Tatsachen, dass die §§ 129 ff. StGB bereits eine Vorverlagerung des Strafrechtsschutz in den Bereich der eigentlichen Vorbereitungshandlung darstellt und die Definition der "Unterstützung" bereits dem Bestimmtheitsgrundsatz allenfalls ausreichend Rechnung trägt, ist es notwendig, sich bei der Auslegung der Tatbestandsmerkmale nicht noch weiter in das Vorfeld von zukünftigen (= zukünftig möglichen) Straftaten zu begeben. Eine Verurteilung wegen Unterstützung im vorliegenden Fall ist nicht mehr von der Funktion des Straftatbestands gedeckt, im Vorfeld von terroristischen Straftaten eine Strafbarkeit zu begründen. Stattdessen bewegt sich der Sachverhalt im Vorfeld dieses Vorfelds terroristischer Straftaten. Es war nicht im Sinne des Gesetzgebers, bei der Schaffung des Straftatbestandes jede Handlung unter Strafe zu stellen, die "irgendeinen" Bezug zu einem Mitglied einer terroristischen Vereinigung aufweist. Der Normadressat muss noch erkennen können, wann eine Handlung zu einer Strafbarkeit wegen Unterstützung einer Vereinigung führen kann. Wenn dies nicht mehr der Fall ist, weil die Rechtsprechung schon dann Vollendung annimmt, wo die Vorbereitung oder allenfalls der Versuch der Unterstützung vorliegen, so ist das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG verletzt. Dies gilt umso mehr bei Sachverhalten, in denen die staatlichen Stellen mithilfe der neuesten Ermittlungsmethoden schon frühzeitig über die Tätigkeiten der Verdächtigen informiert sind und es daher praktisch ausgeschlossen ist, dass die geplante Unterstützung tatsächlich Erfolg haben kann. Insofern war der 3. Strafsenat des BGH in seiner Haftentscheidung zu Recht von einer zu weiten Vorverlagerung der Strafbarkeit ausgegangen.
Schließlich zeugen die Entscheidungen im Düsseldorfer Al-Qaida-Verfahren davon, dass eine genaue Festlegung der Gerichte, mit welcher Handlung eine vollendete Unterstützung begangen worden ist, nicht unbedingt nötig ist, um deswegen verurteilt zu werden. Es reicht bereits aus, aus mehreren Tätigkeiten, die jede für sich (noch) keine vollendete Unterstützung darstellen, mithilfe einer "Gesamtschau" eine Strafbarkeit zu konstruieren. In einem solchen Fall kann nicht mehr mit Bestimmtheit gesagt werden, wann ein Normadressat die Grenze zur Strafbarkeit überschreitet; diese Entscheidung bleibt allein in der Willkür des Gerichts. Die Fragwürdigkeit eines solches Vorgehens versteht sich von selbst.
[1] Zuletzt vgl. Pressemitteilung OLG Düsseldorf ( http://www.justiz.nrw.de/JM/Presse/presse_weitere/PresseOLGs/03_08_2012/index.php ) oder OLG Frankfurt ( http://www.olg-frankfurt.justiz.hessen.de/irj/OLG_Frankfurt_am_Main_Internet?rid=HMdJ_15/OLG_Frankfurt_am_Main_Internet/nav/d44/d4471596-ad85-e21d-0648-71e2389e4818,81118d08-6e84-f21f-012f-31e2389e4818,,,11111111-2222-3333-4444-100000005004%26_ic_uCon_zentral=81118d08-6e84-f21f-012f-31e2389e4818%26overview=true.htm&uid=d4471596-ad85-e21d-0648-71e2389e4818)
[2] Zöller stellt in StV 2012, 364 fest, dass es "in den vergangenen rund zehn Jahren zu einer kaum noch überschaubaren Fülle an Gesetzgebungsakten in allen Bereichen des sog. Rechts der Inneren Sicherheit" gekommen ist.
[3] Fischer, StGB, 59. Auflage (2012), § 129 Rn. 31.
[4] Zitiert aus dem "Vorwort zur mündlichen Urteilsbegründung" des 6. Strafsenats des OLG Düsseldorf vom 05.12-2007; vgl. http://www.olg-duesseldorf.nrw.de/presse/05presse2007/2007-12-05_pm_al_quaida_vorw.pdf
[5] Zum Verfahrensverlauf vgl. Thielmann HRRS 2012, 149.
[6] Hinsichtlich der schließlich vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig gewerteten Verurteilung der Angeklagten wegen Betruges vgl. nur Fischer (Fn. 3) § 263 Rn. 176a; Joecks wistra 2010,179; Thielmann/Groß-Bölting/Strauß HRRS 2010, 38; Thielmann StraFo 2010, 412; zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts siehe auch Waßmer HRRS 2012, 368 und Schlösser NStZ 2012, 473.
[7] Das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 05.12.2007 zeichnet sich dadurch aus, dass das Gericht in mehrfacher Hinsicht versucht hat, die Grenzen der Strafbarkeit auszuweiten. Dies ist in den drei Bereichen offensichtlich geworden, in denen die höherrangigen Gerichte sich gehalten sahen, diesen Bestrebungen Einhalt zu gebieten.
- So hat der Bundesgerichtshof die Ausweitung der Grenzen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung dadurch verhindert, dass B nicht als Mitglied, sondern auch nur noch als Unterstützer gewertet wurde;
- der Bundesgerichtshof hat zudem die Ausweitung des Vereinigungsbegriffs durch die "europafreundliche" – sprich weitergehende – Auslegung des OLG Düsseldorf im Revisionsurteil eine Absage erteilt;
- und schließlich hat das Bundesverfassungsgericht die Verurteilung der drei Angeklagten wegen Betruges als verfassungswidrig eingestuft, weil kein Vermögensschaden festgestellt worden sei.
Schon diese kurze Aufstellung zeigt, dass im vorliegenden Strafverfahren systematisch die Grenzen der Strafbarkeit ausgeweitet werden sollten, denn bei einer solchen Häufung lässt sich nicht mehr von einem Zufall sprechen. Besonders bemerkenswert erscheinen in diesem Zusammenhang die Ausführungen des 6. Strafsenats des OLG Düsseldorf in dem "Vorwort zur mündlichen Urteilsbegründung" (vgl. Fn.4), wo der Nachweis der Täterschaft der Angeklagten für das Gericht als "größte Herausforderung" bezeichnet wird Bei einer solchen Grundeinstellung eines Staatsschutzsenats ist der Rechtsstaat mit der Unschuldsvermutung und dem Zweifelsgrundsatz in realer Gefahr.
[8] BGHR § 129a Abs. 5 Unterstützen 1.
[9] Dabei hatte der Senat nicht einmal einen Vorsatz des Verurteilten hinsichtlich einer gegenwärtigen Unterstützung festgestellt, wenn es heißt: "In Kenntnis dieser Umstände sagte der Angeklagte I.A.S. seine künftige Mitwirkung bei der betrügerischen Geltendmachung der Versicherungssummen uneingeschränkt zu, wobei er billigend in Kauf nahm, dass der Erlös im Falle einer späteren Auszahlung jedenfalls zum Teil über den Angeklagten K. der Al Qaida zufließen und auf diese Weise deren organisatorischen Zusammenhalt fördern sowie die Verfolgung ihrer terroristischen Aktivitäten erleichtern werde." (Kursive Stellen durch den Verfasser).
[10] Schon die Formulierung – "darf nicht dazu führen" – zeigt erneut eine Grundhaltung, wonach jedes als "gefährlich" empfundene Vorgehen bereits vom Gesetzeswortlaut erfasst sein muss.
[11] BGHSt 54, 69, 119 = HRRS 2009 Nr. 890.
[12] HRRS 2012 Nr. 578; es soll vorliegend nicht weiter auf die Frage eingegangen werden, ob es möglich ist, auf "unverändert fortgeltende Ausführungen" in einer Entscheidung zu verweisen, die zuvor vom Bundesverfassungsgericht insgesamt aufgehoben worden ist.
[13] BGHSt 51, 345 = HRRS 2007 Nr. 800.
[14] Ein solches Vorgehen erfolgt in dem Wissen, dass den handelnden Personen persönlich selbst bei einer rechtlichen Fehleinschätzung nichts passieren kann und schließlich die Wahrscheinlichkeit besteht, dass das Bundesverfassungsgericht den Einzelfall niemals zu entscheiden haben könnte. Außerdem ist bei diesem Deliktsvorwurf davon auszugehen, dass Beschuldigte erst einmal in Untersuchungshaft sitzen und so zumindest einen Großteil der Strafe unabhängig von einer etwaigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts verbüßen müssen.
[15] Bader NStZ 2007, 618.
[16] BGHSt 54, 69, 117f. = HRRS 2009 Nr. 890.
[17] OLG München NJW 2007, 2786, 2788.
[18] BVerfG NJW 2012, 907, 917 = HRRS 2012 Nr.27.
[19] BGHR § 129a III Unterstützen 4.
[20] BGHSt 54, 69 (119) = NJW 2009, 3448 = HRRS 2009 Nr.890.
[21] Zumal der Bundesgerichtshof davon ausgegangen ist, dass diese angesprochenen Betrugstaten bereits vollendet waren, was das Bundesverfassungsgericht als "verfassungswidrig" angesehen hat.