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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
September 2010
11. Jahrgang
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Von Wiss. Ass. Dr. Christian Becker, Bucerius Law School, Hamburg
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 266 StGB sind in der wissenschaftlichen Diskussion seit langem allgegenwärtig.[1] Ein damit verbundener "Abnutzungseffekt"[2] wäre allerdings fatal. Denn der Zustand der Verfassungswidrigkeit - unterstellt, die diesbezügliche Kritik träfe zu - würde nicht weniger bedenklich dadurch, dass es sich um einen "Tatbestand des Kernstrafrechts handelt, der seit Bestehen der Bundesrepublik fast unverändert gilt, seit Jahrzehnten hunderttausendfach angewendet und bis in die entferntesten Winkel seiner Verästelungen ausgeleuchtet wurde".[3] Im Gegenteil: Gerade jetzt, wo die Untreue insbesondere im Wirtschaftsleben eine scheinbar beispiellose Konjunktur erlebt[4], wäre die Kritik lautstark zu formulieren. Zudem könnte man im Zuge der strafrechtlichen Aufarbeitung der Finanzkrise[5] befürchten, dass die strukturelle Weite des Untreuetatbestandes "genutzt" wird, um vermeintlich unmoralische bzw. strafwürdige Verhaltensweisen strafrechtlich zu erfassen, und so dem allerorts vorzufindenden "Volkszorn" Genüge zu tun.[6]
Tatsächlich wurden die seit Jahrzehnten schwelenden Bedenken nun an berufener Stelle zu Gehör gebracht, als sich jüngst - zum zweiten mal innerhalb von 15 Monaten[7] - das BVerfG mit der Verfassungsmäßigkeit des § 266 StGB bzw. seiner Auslegung durch die Fachgerichte zu befassen hatte. Der Verf. gelangt in seiner vorliegenden Besprechung der aktuellen Entscheidung zu der Einschätzung, dass ihre verfassungsrechtliche Grundaus-
richtung zu begrüßen ist, während die untreuespezifischen Erwägungen meist nicht überzeugen können.
Den zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Verfahren lagen Sachverhalte zugrunde, die in der Untreuedogmatik mit den Schlagworten schwarze Kassen bzw. Kredituntreue verknüpft sind.[8] Dabei handelt es sich um zwei der exponiertesten Themen[9] der viel diskutierten "modernen Untreue".[10] Das BVerfG befasst sich im aktuellen Beschluss sowohl mit der Bestimmtheit des Untreuetatbestandes als solchem als auch mit seiner Auslegung in den genannten Fallgruppen bzw. den verfahrensgegenständlichen Fällen. Dies wird im Folgenden - nach einer Kurzdarstellung der relevanten Sachverhalte - kritisch gewürdigt.
Der Bf. im Fall "Siemens" war Mitglied des dem Zentralvorstand untergeordneten Vorstands des Geschäftsbereichs "Power Generation". Er fand bei Beginn seiner Tätigkeit ein dem Zentralvorstand nicht bekanntes System verdeckter Konten vor, das er in der Folgezeit fortführte. Aufgrund dieser Feststellungen wurde er schließlich vom 2. BGH-Strafsenat verurteilt, der bereits in der Einrichtung der Schwarzen Kassen, an der jedoch der Bf. unstreitig nicht beteiligt war, die Zufügung eines endgültigen Schadens erblickte.[11] Der Bf. rügte einen Verstoß gegen das Analogieverbot, da das ihm allein vorgeworfene Unterlassen der Zuwendung eines Vorteils nicht als "Nachteil" i.S.d. § 266 StGB aufgefasst werden könne.
Im Verfahren zum sog. "Berliner Bankenskandal" ging es um fünf Vorstände einer Bank, die Kredite an eine Immobiliengesellschaft vergaben. In der Ausreichung des verfahrensgegenständlichen Kredits in Höhe von circa 20.000.000 DM sah die Strafkammer - insofern vom 5. BGH-Strafsenat unbeanstandet[12] - eine "gravierende Pflichtverletzung", da u.a. die Chancen und Risiken des Engagements nicht ordnungsgemäß abgewogen worden seien. Das LG bejahte zudem einen Nachteil in Gestalt eines Gefährdungsschadens in Höhe der gesamten Kreditsumme abzgl. eines durch Realsicherheiten gedeckten Teils. Dies hielt der BGH zwar der Höhe nach für verfehlt, da eingegangene Zins- und Tilgungsleistungen nicht berücksichtigt wurden. Dennoch wurde das Urteil bestätigt, da sich die fehlerhafte Schadensberechnung nach Ansicht des 5. Strafsenates nicht nachteilig für die Angeklagten ausgewirkt habe. Die Bf. griffen mit ihrer Verfassungsbeschwerde sowohl die Auslegung des Pflichtwidrigkeits- als auch des Nachteilsmerkmals an.
Um die vom BVerfG bzgl. § 266 StGB vorgenommene Bestimmtheitsprüfung zu beurteilen, ist vorab der Inhalt des Bestimmtheitsgebotes darzustellen.
Das aus Art. 103 Abs. 2 GG/§ 1 StGB folgende Bestimmtheitsgebot[13] verlangt, dass die Voraussetzungen der Strafbarkeit vom Gesetzgeber so präzise umschrieben werden, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände für den Normadressaten erkennbar sind bzw. sich durch Auslegung ermitteln lassen.[14] Freilich wäre ein in diesem Sinne strenges Bestimmtheitsgebot a priori unerfüllbar.[15] Praktisch jeder Straftatbestand weist Randbereiche auf, in denen nicht einmal der Jurist präzise sagen kann, ob ein Verhalten dem Tatbestand unterfällt oder nicht. Der Grund hierfür liegt insbesondere im notwendig allgemeinen und daher vagen Charakter der gesetzlichen Formulierungen sowie in der Vielschichtigkeit und Komplexität der sozialen Wirklichkeit, deren Gestaltung Ziel des Strafrechts ist.[16] Zudem ist der Bestimmtheitsbegriff selber durch eine erhebliche Unbestimmtheit gekennzeichnet.[17] Über die Umschreibungen "Vorhersehbarkeit" bzw. "Erkennbarkeit" hinaus haben sich kaum intersubjektiv prüfbare Kriterien durchgesetzt.[18]
In der Literatur wird dennoch zu Recht die Bedeutung des Bestimmtheitsgebotes betont.[19] Ein Verständnis, das vom geltenden Strafrecht lediglich "einen Torso" übrig ließe, wird dem Umgang mit den inneren Widersprüchlichkeiten des Verfassungspostulates jedoch nicht gerecht.[20] Sinnvollerweise ist das Bestimmtheitsgebot im Sinne eines Argumentationsprinzips[21] zu begreifen, das mit anderen verfassungsrechtlich verbürgten Prinzipien im Sinne einer praktischen Konkordanz in Einklang zu bringen ist.[22] Solche ggf. kollidierenden Prinzipien sind insb. die Gewährleistung möglichst schuldangemessener bzw. materiell gerechter Einzelfallentscheidungen sowie eines unverzichtbaren Rechtsgüterschutzes. Ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot liegt demnach vor, wenn sich für eine unbestimmte Strafnorm aus kollidierenden Verfassungsprinzipien keine Rechtfertigung herleiten lässt.[23] Dies stimmt mit dem Postulat "größtmöglicher Bestimmtheit"[24] überein, wobei das Maß dessen, was an Bestimmtheit "möglich" ist, durch die kollidierenden Prinzipien determiniert wird.
Der Zweite Senat hält § 266 StGB für "noch" mit dem Bestimmtheitsgebot vereinbar.[25] Er charakterisiert die Untreue im Einklang mit der herrschenden Ansicht im Schrifttum als reines Vermögensdelikt, das den Vermögensinhaber vor Schädigungen "von innen heraus" schützt.[26] Ein solcher Tatbestand, wie er sich in zahlreichen europäischen Rechtsordnungen finde, könne nicht als Ausfluss nationalsozialistischen Gedankenguts angesehen werden.[27] Seine Weite resultiere vor allem aus dem weitgehenden Verzicht auf Sondertatbestände für einzelne Treueverhältnisse.[28] Darüber hinaus knüpfe das Merkmal der Pflichtverletzung an außerstrafrechtliche Normen und Wertungen an, die ihrerseits erst den Maßstab für die strafbewehrte Pflicht festlegen.[29] Auch der Nachteilsbegriff weise einen erheblichen Konkretisierungsbedarf auf, da es sich beim Vermögen als seinem Bezugspunkt "nicht um einen der sinnlichen Wahrnehmung unmittelbar zugänglichen Gegenstand handelt, sondern um eine wirtschaftliche Größe, deren Umfang zu einem bestimmten Zeitpunkt sich erst aus einer - auch normative Elemente enthaltenden - Bewertung ergibt".[30]
Jedoch, so der Zweite Senat, lasse der Untreuetatbestand "eine konkretisierende Auslegung zu, die die Rechtsprechung in langjähriger Praxis umgesetzt und die sich in ihrer tatbestandsbegrenzenden Funktion als tragfähig erwiesen hat".[31] So sei die "gefestigte Rechtsprechung" zur Eingrenzung des Merkmals der qualifizierten Treuepflicht, der zufolge eine mit Entscheidungsspielraum ausgestaltete fremdnützige Vermögensfürsorge den Hauptgegenstand der Rechtsbeziehung zwischen Treugeber und Treunehmer bilden muss, geeignet, "den Anwendungsbereich des Untreuetatbestandes im Sinne der dahinterstehenden Schutzkonzeption zu begrenzen".[32] Insbesondere würden hierdurch einfache vertragliche (Neben-) Pflichten mit Vermögensbezug nicht von § 266 StGB erfasst.[33] Das Merkmal der Pflichtverletzung werde durch die Beschränkung auf Fälle "klarer und deutlicher (evidenter)" Verstöße sowie durch das zusätzliche Kriterium der "gravierenden Pflichtverletzung" hinreichend konturiert.[34] Hinsichtlich der Anwendung des Nachteilsbegriffs fordert das Gericht die Wahrung eines wirtschaftlichen Ausgangspunktes, um den Charakter der Untreue als Vermögens- bzw. Verletzungsdelikt zu erhalten.[35] Normative Erwägungen bei der Schadensfeststellung seien nicht gänzlich eliminierbar, dürfen aber nicht die Verdrängung wirtschaftlicher Überlegungen zur Folge haben. Um "die Schadensfeststellung auf eine sichere Grundlage zu stellen", sei auf in der wirtschaftlichen Praxis entwickelte "geeignete Methoden zur Bewertung von Vermögenspositionen" zurückzugreifen.[36]
Die Annahme, § 266 StGB sei mit dem Bestimmtheitsgebot zu vereinbaren, verdient Zustimmung.[37] Hält man eine Vorschrift, die den Vermögensinhaber gegen Schädigungen "von innen heraus" schützt, für sinnvoll und notwendig,[38] so lassen sich kaum präzisere Tatbestandsformulierungen erdenken, die den Bereich der hiernach zu erfassenden Lebenssachverhalte abdecken. Die verschiedenen "Betreuungsverhältnisse" werden dadurch geeint, dass der Treunehmer gegenüber dem Vermögensinhaber eine qualifizierte Pflicht im Umgang mit dem Vermögen übernimmt. Dieses Erfordernis kommt im Wortlaut in hinreichender Form zum Ausdruck, denn das "Wahrnehmen" bzw. das "Betreuen" von Vermögensinteressen ist schon sprachlich etwas anderes als das bloße "Aufbewahren" von Geld oder der sonstige "einfache" Umgang mit fremdem Vermögen. Auch der Verweis auf außerstrafrechtliche Regelungen ist eine Konsequenz der Struktur der Untreue. Ob ein Verhalten gegen die qualifizierte Vermögensbetreuungspflicht verstößt, kann sich im Ausgangspunkt nur aus dem Inhalt des Treueverhältnisses ergeben, in dem diese Pflicht ihren Ursprung hat. Will man Verstöße gegen solche Treuepflichten pönalisieren, so ist die grundsätzliche Akzessorietät eines entsprechenden Tatbestandes unausweichlich.[39] Schließlich begegnet auch das Merkmal des Vermögensnachteils als solches keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.[40] Abstraktheit und Weite der Formulierung des Untreuetatbestandes ließen sich daher im Ergebnis nur durch den Verzicht auf eine Vorschrift mit entsprechender Schutzkonzeption vermeiden.
Aus Art. 103 Abs. 2 GG ergeben sich angesichts dieser strukturell bedingten Weite des Tatbestandes als solchem[41] erhöhte Anforderungen an dessen restriktive Auslegung. Die Grundlagen des insoweit geltenden Prüfungsmaßstabs sind im Folgenden darzustellen.
Dem "klassischen" Verständnis von Bestimmtheitsgebot und Analogieverbot entspräche es, die Bestimmtheitsprüfung auf die Tatbestandsformulierung als solche zu beschränken und die Auslegung durch die Gerichte ausschließlich im Hinblick auf Wortlautüberschreitungen zu kontrollieren. Tatsächlich wird diese strikte Trennung bzw. Beschränkung durch BGH und BVerfG im Ergebnis zu Recht nicht immer praktiziert.[42] Charakteristisch ist die 2. "Sitzblockaden-Entscheidung" des BVerfG[43], in der die Auslegung des Gewaltmerkmals in § 240 StGB durch die Fachgerichte explizit mit Blick auf das Bestimmtheitsgebot geprüft wird.[44] Verfassungsrechtlich unzulässig sei eine Auslegung, die einzelne Tatbestandsmerkmale "entgrenze".[45] Im aktuellen Beschluss heißt es, die Gerichte dürfen nicht "durch eine fernliegende Interpretation oder ein Normverständnis, das keine klaren Konturen mehr erkennen lässt, dazu beitragen, bestehende Unsicherheiten über den Anwendungsbereich einer Norm zu erhöhen". Vielmehr seien sie verpflichtet, solche Unklarheiten durch eine konkretisierende und präzisierende Auslegung im Rahmen des Möglichen auszuräumen.[46]
Zudem lässt das BVerfG zunehmend systematische und teleologische Erwägungen in die Überprüfung der Gesetzesauslegung durch die Fachgerichte einfließen.[47] Untersagt sei über die Analogie im "engeren technischen Sinn" hinaus "jede Rechtsanwendung, die - tatbestandsausweitend - über den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht".[48] Sofern "bei methodengerechter Auslegung ein Verhalten nicht strafbewehrt ist, obwohl es vom Wortlaut des Strafgesetzes erfasst sein könnte", sei den Gerichten eine Bestrafung verwehrt.[49] Ferner sei eine Auslegung auch innerhalb des möglichen Wortsinnes untersagt, bei der einzelne Tatbestandsmerkmale vollständig in anderen Tatbestandsmerkmalen "aufgehen", also zwangsläufig mit diesen mitverwirklicht werden.[50]
Diese Erweiterung des Prüfungsumfanges[51] ist zu begrüßen. Da die Tatbestandsformulierung selbst aus den dargestellten Gründen nie das nötige Maß an Vorhersehbarkeit gewährleisten kann, sondern Gesetz und Rechtsprechung "im arbeitsteiligen Zusammenwirken" die Grenzen der Strafbarkeit festlegen[52], ist die Erstreckung des Bestimmtheitsgebotes auf die richterliche Auslegung konsequent.[53] Angesichts der Porosität und Vagheit der Umgangssprache[54] überzeugt es ferner, dass die Beachtung des - ohnehin schwer feststellbaren - umgangssprachlichen Wortsinnes zwar die äußerste, nicht aber die einzige Grenze der verfassungsrechtlich zulässigen Gesetzesinterpretation ist.[55] Nicht eindeutig ist jedoch, wie weit die hieraus resultierende Prüfungskompetenz im
Verhältnis zu den Strafgerichten reicht. Je mehr man eine inhaltliche Kontrolle der Auslegung jenseits einer Wortlautüberschreitung im engeren Sinne zulässt, desto eher würde das BVerfG zur viel beschworenen "Superrevisionsinstanz".[56] Ob der vorliegende Beschluss eine solche Entwicklung befördert, und inwieweit dies womöglich sogar zu begrüßen wäre, wird im Folgenden erörtert, bevor auf die Ausführungen des Zweiten Senats zu den konkreten Verfahren eingegangen wird.
Die Reichweite der Prüfungskompetenz des BVerfG wird im verfassungsrechtlichen Schrifttum seit langem kontrovers diskutiert.[57] Die Quintessenz dieser hier nicht zu vertiefenden Debatte ist, dass in der Rechtsprechungspraxis ein bewegliches System verschiedener Kriterien dominiert, das je nach Lage des Einzelfalles eine zum Teil deutlich unterschiedliche Interpretation des Prüfungsumfanges ermöglicht.[58] Dies ruht dogmatisch vor allem auf zwei "Säulen":[59] Seit dem "Elfes-Urteil"[60] kann jede "falsche" Rechtsanwendung grundsätzlich als Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG gewertet werden und seit dem im "Lüth-Urteil"[61] entwickelten Verständnis strahlen die Grundrechte als "objektive Werteordnung" in alle Bereiche des einfachen Rechts aus. Zudem ist jede "fehlerhafte" Rechtsanwendung in Ermangelung eines Differenzierungskriteriums streng genommen ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG.[62] Die somit an sich ubiquitäre Prüfungskompetenz wird vom Gericht durch das Postulat der Erforderlichkeit einer Verletzung "spezifischen Verfassungsrechts"[63], die Beschränkung auf eine "Willkürkontrolle" bzw. durch Abstufungen anhand der Eingriffintensität und der Bedeutung des betroffenen Grundrechts eingegrenzt.[64] Eine präzise Abgrenzung existiert jedoch nicht, wofür das BVerfG vielfach kritisiert worden ist.[65]
Angesichts dieser verfassungsrechtlichen Ausgangslage ist die im aktuellen Beschluss vorangetriebene Erweiterung des Prüfungsumfangs konsequent. Gerade im Strafrecht, das besonders stark vom Verfassungsrecht geprägt ist,[66] lässt sich eine erhöhte verfassungsgerichtliche Kontrolldichte gut begründen. Eine strafgerichtliche Verurteilung bedeutet stets einen besonders intensiven Grundrechtseingriff. Zudem gibt es bei Verstößen gegen Art. 103 Abs. 2 GG wegen der inhaltsgleichen Formulierung in § 1 StGB keinen Unterschied zwischen Verfassungs- und Gesetzesverstoß. Das BVerfG ist demnach weder weißer Ritter noch bedeutet eine gesteigerte Kontrolldichte gegenüber den Strafgerichten eine feindliche Übernahme. Beide Begriffe beziehen sich in ihrem gebräuchlichen Kontext auf Einflüsse von außen. Das BVerfG kommt dagegen aus dem Innersten des Strafrechts selbst, es ist für die Sicherung seiner Fundamente verantwortlich. Da sich Risse im Fundament bis in die entlegensten Winkel eines Bauwerkes auswirken können, kann im Einzelfall ein Zugriff auch auf scheinbar einfachrechtliche Fragen sinnvoll und notwendig sein.
Zugleich ist aber eine Unterscheidung von "einfachen Auslegungsfehlern" und verfassungsgerichtlich überprüfbaren Rechtsverletzungen im Rahmen des Möglichen zu gewährleisten.[67] Dafür sprechen nicht nur funktionelle Argumente, auch wenn diesen in der verfassungsrechtlichen Diskussion offenbar gegenüber materiell-rechtlichen Erwägungen die größere Bedeutung beigemessen wird.[68] Es muss für den Bürger zumindest im Ansatz erkennbar sein, wann ein Vorgehen gegen ein Strafurteil im Wege der Verfassungsbeschwerde Aussicht auf Erfolg hat und wann nicht.[69] Jedenfalls eine Beschränkung auf erkennbar unvertretbare (willkürliche) Auslegungsergebnisse ist daher geboten.[70] Insofern muss auch zwischen der Aufhebung verfassungswidriger Rechtsanwendungen und der Vorgabe einer ("der") verfassungsgemäßen Auslegung unterschieden werden. Das BVerfG ist regelmäßig auf die erste Variante beschränkt, während die - noch dazu gemäß § 31 BVerfGG binden-
de[71] - Festlegung einer konkreten Auslegung nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt. Die Verfassung verbietet zwar einzelne Auslegungsergebnisse, und zwar solche, die eine verfassungsrechtlich verbürgte Rechtspositionen in willkürlicher Weise einschränken; sie enthält aber i.d.R. einen Spielraum hinsichtlich der verfassungsrechtlich zulässigen Auslegungsergebnisse.[72] Innerhalb dieses - freilich nur bedingt präzise eingrenzbaren - Spielraumes des "verfassungsrechtlich nicht Verbotenen" bleibt die Auslegung originäre Kompetenz der Fachgerichte.[73]
Vor diesem Hintergrund ist auch die Reichweite des "erweiterten Analogieverbotes" zu bestimmen. Es gibt regelmäßig nicht die methodengerechte Auslegung, sondern einen Spielraum vertretbarer Auslegungsergebnisse.[74] Das BVerfG kann nur eingreifen, wenn sich eine Rechtsanwendung außerhalb dieses Spielraums befindet, weil sie entweder auf offenkundigen methodischen Fehlern beruht oder erkennbar nicht mit dem sonstigen Normkontext vereinbar ist. Hier bleiben schwierige Abgrenzungsfragen, die jedoch angesichts der grundsätzlich notwendigen Stärkung des Gesetzlichkeitsprinzips in Kauf zu nehmen sind. Letztlich erfüllt der Zweite Senat die im "allgemeinen" Teil seines Beschlusses geweckten Erwartungen in der Übertragung auf die konkret zu entscheidenden Fälle leider nur bedingt. Im Fall "Siemens" bleibt das Gericht hinter den eigens aufgestellten Maßstäben zurück, während es - nach Meinung des Verf. - im Fall "Berliner Bankenskandal" über das legitime Ziel hinausschießt.
Das BVerfG hat die gegen das Urteil des 2. BGH-Strafsenates gerichtete Verfassungsbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen und den vom Bf. behaupteten Verstoß gegen das Analogieverbot verneint. Es hat sich darauf berufen, dass ein Vermögensschaden anerkanntermaßen auch in der Nichtrealisierung einer konkreten Aussicht auf Vermögensmehrung, also einer Exspektanz zu sehen sein könne.[75] Eine solche Exspektanzvernichtung folgert der Zweite Senat vorliegend aus der Endgültigkeit und Dauerhaftigkeit, mit der sich der Bf. für die Aufrechterhaltung der schwarzen Kassen entschlossen hatte. Hierin sei ein "Element der Vereitelung"[76] zu sehen. Ob der Nachteil im Wege einer "Vorher/Nachher-Betrachtung" oder anhand des Vergleichs von Ist- und Soll-Zustand des Vermögens (rechtmäßiges Alternativverhalten) festzustellen sei, ließ das Gericht offen, da beide Betrachtungsweisen zur Annahme eines Nachteils kämen.[77]
Zur im Schrifttum überwiegend kritisch besprochenen "Siemens-Entscheidung" des 2. Strafsenates ist viel geschrieben worden,[78] weshalb der Verf. sich hier auf die Aspekte beschränkt, deren Erörterung eine Überprüfung im Hinblick auf die vom Zweiten Senat selbst aufgestellten Kriterien ermöglicht. Insofern bleibt angesichts der mehrfach betonten Notwendigkeit einer wirtschaftlich plausiblen Begründung des Nachteils bemerkenswert unklar, worin im Fall "Siemens" die vermögenswerte Exspektanz bestanden haben soll, die "durch" die Nichtaufdeckung der schwarzen Kasse zerstört wurde.[79] Wirtschaftlich betrachtet kommt nur tatsächlichen Gewinnaussichten - je nach Wahrscheinlichkeit ihrer Realisierung - ein Vermögenswert zu.[80] Daran fehlte es im Fall "Siemens" jedoch, was aus der vom BVerfG erwähnten "Endgültigkeit und Dauerhaftigkeit" folgt, mit der sich der Bf. entschlossen hatte, die Vermögenswerte nicht zurück zu führen.[81] Der gleichwohl bestehende arbeitsvertragliche Anspruch war dagegen wirtschaftlich betrachtet wertlos. Der Bf. hatte nicht vor, ihn zu erfüllen und die Siemens-AG keine hinreichend realistische Möglichkeit, Kenntnis von seiner Existenz zu erlangen. Zudem erfolgt auch eine "Verschleifung" von Pflichtverletzung und Vermögensnachteil, indem aus der Nichterfüllung der Pflicht zur Aufdeckung der verborgenen Vermögenswerte ein durch selbige vereitelter vermögenswerter Anspruch des Berechtigten konstruiert wird.[82] Der Hinweis auf ein "Ele-
ment der Vereitelung" mag Vieles bedeuten; eine wirtschaftlich nachvollziehbare Begründung für die Zerstörung einer Vermögensposition ergibt sich daraus nicht. Hier muss sich der Zweite Senat vorwerfen lassen, seinen eigenen Maßstäben nicht gerecht zu werden.
Man mag nun darüber streiten, ob die derart normativ begründete Annahme eines Vermögensnachteils eine methodisch inakzeptable tatbestandsausweitende Auslegung ist, die unter dem Gesichtspunkt eines "untechnischen" Analogiebegriffs zu verwerfen wäre.[83] Das hier auch berührte "Verschleifungsverbot" dürfte eher dieser Ausprägung des Gesetzlichkeitsprinzips zuzuordnen sein. Überzeugender scheint es aber, an den Begriff der "entgrenzenden" Auslegung anzuknüpfen. Denn durch die kaum vorhersehbare Berücksichtigung normativer Erwägungen bei der "an sich" nach wirtschaftlichen Maßstäben vorzunehmenden Vermögenssaldierung[84] verliert der ohnehin weite Vermögensbegriff jegliche Konturen. Für die Normadressaten ist nicht erkennbar, wann die Verurteilung wegen eines vollendeten Vermögensbeschädigungsdelikts einen Schaden im wirtschaftlichen Sinne erfordert bzw. wann und in welcher Weise das so ermittelte Ergebnis normativ zu Ungunsten des Täters "korrigiert" wird, zumal diese normative Korrektur in der Regel, wie auch hier in den Ausführungen des BVerfG, nicht einmal ausdrücklich als solche gekennzeichnet wird.
Der Zweite Senat hat ausdrücklich vor der "Verdrängung" einer wirtschaftlichen Schadensermittlung durch normative Elemente gewarnt. Von diesem Ausgangspunkt hätte das Urteil im Fall "Siemens" keinen Bestand haben dürfen, wenngleich die kategorisch wohl nicht bestreitbare Bedeutung normativer Elemente bei der Schadensfeststellung, insbesondere auf der Kompensationsebene, damit keineswegs abschließend bzw. zufriedenstellend geklärt ist.
Die Erörterungen zum Verfahren "Berliner Bankenskandal" sind bzgl. Pflichtwidrigkeits- und Nachteilsmerkmal gleichermaßen für die dogmatische Behandlung der Kredituntreue[85] interessant.
Das BVerfG folgt in seiner Entscheidung der Rechtsprechung des BGH zur pflichtwidrigen Kreditvergabe, die vor allem durch zwei Entscheidungen des 1. Strafsenates geprägt wurde.[86] Im Wesentlichen geht der BGH bei seiner Prüfung von einem beweglichen System verschiedener Kriterien aus, die im Einzelfall unterschiedlich gewichtet werden können.[87] Diese Kriterien wurden, so der Zweite Senat des BVerfG, vom Landgericht ordnungsgemäß angewendet. Interessant sind die Ausführungen zu § 18 KWG als Maßstab der Pflichtwidrigkeit.[88] Diese aufsichtsrechtliche Norm diene "faktisch" dem Schutz des Vermögens der Bank, so dass der für § 266 StGB notwendige Vermögensbezug zu bejahen sei, "unabhängig von der Frage, in wessen Interesse dies letztendlich liegt".[89] Führt man diesen Gedanken fort, so wäre das Kriterium des Vermögensbezuges weitgehend entwertet. Auch Pflichten, die im öffentlichen Interesse oder im Interesse sonstiger Dritter bestehen, haben i.d.R. einen "faktischen", mittelbaren Vermögensbezug. Dahinter steht das Problem der Bedeutung der gesellschaftsrechtlichen Legalitätspflicht[90] für den untreuerechtlichen Pflichtenmaßstab.[91] Bei einem rechtsgutsbezogenen Verständnis der Tathandlung wäre es denkbar, von einem ausschließlich an wirtschaftlichen Zweckmäßigkeitserwägungen ausgerichteten Pflichtenmaßstab auszugehen bzw. bei Verstößen gegen nicht unmittelbar vermögensbezogene Pflichten die Zurechnung zum objektiven Untreuetatbestand zu verneinen. Vielmehr müsste im Einzelfall stets die ökonomische "Nützlichkeit" eines Verhaltens geprüft werden.
Nimmt man die Beschränkung des Untreuetatbestandes auf den Vermögensschutz ernst[92], so scheint eine solche Sichtweise durchaus diskutabel.[93] Würde man etwa die Zahlung von Bestechungsgeldern je nach Einzelfall[94] als nicht tatbestandsmäßig i.S.v. § 266 StGB qualifizieren, so stünde dies nur vordergründig im Widerspruch zum Gedanken der Einheit der Rechtsordnung.[95] Vielmehr würden die entsprechenden Verstöße systemkonform durch Normen sanktioniert, die für den Schutz der entsprechenden Rechtsgüter geschaffen wurden, sofern deren tatbestandliche Voraussetzungene erfüllt sind. Zweifellos beachtlich ist der Hinweis, auf diesem Wege dürfe keine "Pflicht zur Bestechung" entstehen.[96] Doch folgt aus der Tatsache, dass ein außerstrafrechtlich verbotenes Verhalten (vermögens-)strafrechtlich nicht sanktioniert wird keineswegs zwingend ein strafbewehrtes Gebot zur Vornahme desselben Verhaltens.[97] Dieses
Problem kann hier nicht abschließend behandelt werden.[98] Es ist aber festzuhalten, dass es sich das BVerfG mit dem Hinweis auf den "faktischen" Vermögensbezug von § 18 KWG wohl etwas zu einfach macht.
Letztlich liegen die Schwierigkeiten des Pflichtwidrigkeitsmerkmals unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit weniger in der Formulierung bzw. der Struktur des Untreuetatbestandes,[99] sondern im notwendig prognostischen Charakter von unternehmerischen Entscheidungen. Hier droht das bekannte Phänomen des sog. Rückschaufehlers (hindsight bias),[100] wenn dem ex post entscheidenden Richter die Zurückversetzung in die ex-ante-Perspektive des Handlungszeitpunktes misslingt. Auch und gerade vor diesem Hintergrund ist die Anerkennung eines gerichtlich nicht überprüfbaren Ermessensspielraums und seine konsequente Beachtung in der Gerichtspraxis von besonderer Bedeutung.[101] Zudem ist es notwendig, den Pflichtenmaßstab fallgruppenspezifisch im Rahmen des Möglichen zu objektivieren.[102]
Im Kontext des Nachteilsbegriffs leitet das Gericht die Rechtsfigur des sog. Gefährdungsschadens zunächst ausführlich und zutreffend aus dem Wesen des wirtschaftlichen bzw. wirtschaftlich-juristischen Vermögensbegriffs ab.[103] Der aktuelle Wert einer Forderung kann sich - sofern man nicht jeglichen wirtschaftlichen Maßstab beiseite schieben will - nur daraus ergeben, in welchem Umfang Zahlungen auf die Forderung zukünftig zu erwarten sind.[104] Dieser gegenwärtige Wert ist gemindert, wenn Zahlungen oberhalb des Totalausfalles und unterhalb des Nennwertes zu erwarten sind, die vollständige Rückzahlung also gefährdet ist.[105] Die Bewertung von Forderungen setzt somit zwingend eine Prognose voraus.[106] Das Problem der prognostischen Bewertung von Vermögensgegenständen lässt sich daher im Strafrecht, insbesondere beim sog. Eingehungsbetrug bzw. in den entsprechenden Untreuekonstellationen[107], nicht gänzlich umgehen.
Insofern ist es zu begrüßen, dass das BVerfG die Unbestimmtheit der bisher in der Rechtsprechung gebräuchlichen Formulierungen zur Schadensermittlung rügt und die eigenständige Feststellung des Nachteilsmerkmals anmahnt.[108] Der formelhafte Hinweis auf eine "aufs Äußerste gesteigerte Verlustgefahr" oder ein Vorgehen des Täters "nach Art eines Spielers"[109] ist nicht geeignet, eine präzise Auslegung des Nachteilsbegriffs zu gewährleisten. Auch die Aufhebung des Urteils im Berliner Bankenskandal ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die unbegründete Annahme eines Schadens in Höhe der gesamten ungesicherten Valuta durch die Strafkammer und die auch durch den 5. Strafsenat nicht überzeugend aufgelöste Identität der Begründungsansätze für Pflichtverletzung und Schaden konnten vor dem Hintergrund des neu formulierten Prüfungsmaßstabes kaum Bestand haben.
Der Zweite Senat legt darüber hinaus dar, wie das Nachteilsmerkmal in Fällen der Kredituntreue zu handhaben sei. Er verlangt eine Schadensermittlung anhand "üblicher Maßstäbe des Wirtschaftslebens",[110] "anerkannter Bewertungsverfahren und -maßstäbe"[111] bzw. in Auseinandersetzung mit "banküblichen Bewertungsverfahren"[112]. Gemeint ist offenbar - dies ergibt sich aus dem Kontext der Entscheidungsgründe - die bilanzielle Forderungsbewertung.[113] Das Gericht knüpft dabei an eine Entscheidung des 1. BGH-Strafsenates an, der zu § 263 StGB jüngst die "Grundsätze der Einzelwertberichtigung" für maßgeblich bei der Schadensfeststellung erklärte.[114] Diese nunmehr "verfassungsgerichtlich geadelte" Heranziehung bilanzieller Methoden im Kontext
der strafrechtlichen Schadensermittlung ist jedoch vielerlei Bedenken ausgesetzt, so reizvoll der Gedanke einer "Auslagerung" des Prognoseproblems auch sein mag.
Zunächst hat das BVerfG sich nicht mit der im Schrifttum bereits kritisch erörterten (In-)Kompatibilität von Strafrecht und Bilanzrecht befasst.[115] Die Handelsbilanz erfüllt in erster Linie eine Gewinnermittlungs- bzw. eine Informationsfunktion, was sich in vielfältiger Weise auf den Ansatz und die Bewertung der Vermögensgegenstände auswirkt.[116] Bei dieser Zwecksetzung mag es sinnvoll sein, einen einwertigen metrischen Bewertungsmaßstab zugrunde zu legen, bei dem sich z.B. eine Wertminderung von 20 % "feststellen" lässt. Ob diese dann aber eine in besonderer Weise sozialschädliche Vermögensschädigung i.S.d. Strafrechts ist, bleibt zu untersuchen. Dies erscheint unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität und des fragmentarischen Charakters des Strafrechts bei geringen, bilanziell aber gleichwohl abzubildenden Abwertungen eher zweifelhaft.[117]
Zudem sind die vom Zweiten Senat angeführten Bewertungsverfahren nicht geeignet, den behaupteten Bestimmtheitsgewinn zu bewirken. So heißt es, bei der Forderungsbewertung sei "der Barwert der voraussichtlich erzielbaren künftigen Zins- und Tilgungszahlungen" zu ermitteln.[118] Die Barwertmethode, die nach Ansicht des BVerfG offenbar auch im Rahmen der strafrechtlichen Schadensfeststellung herangezogen werden soll, stammt aus der Investitionsrechnung.[119] Sie dient dazu, den Gegenwartswert langfristiger Vermögensanlagen zu ermitteln. So würde ein gedachter Erwerber für eine Kreditforderung mit einer Laufzeit von 5 Jahren niemals den vollen Betrag der zu erwartenden Erträge bezahlen, sondern maximal den bei einer ebenso sicheren Vergleichsinvestition anzulegenden Betrag, der bei identischer Laufzeit den identischen Ertrag verspricht.[120] Deshalb wird die Summe aller erwarteten Zahlungen auf den Gegenwartszeitpunkt "abgezinst". Dass die somit notwendige Schätzung der zu erwartenden Zahlungseingänge mit steigender Laufzeit an die Grenze der Spekulation und darüber hinaus gerät, dürfte offenkundig sein.[121] Angesichts solcher Prognosen wird die Bilanz anschaulich als ein "Gemisch von Wahrheit und Dichtung" bezeichnet.[122] Dem wird im Bilanzrecht dadurch Rechnung getragen, dass die nähere Überprüfung von Prognosen kaum für realistisch gehalten wird.[123] Vielmehr begnügt man sich hier mit einem "normativen Appell an die Redlichkeit und Vernunft der verantwortlichen Akteure".[124] Die Strafbarkeit maßgeblich vom Ergebnis eines solchen Verfahrens abhängig zu machen, und dies noch als Gewinn an Rechtsstaatlichkeit zu präsentieren, überzeugt nicht.
Darüber hinaus bereitet auch die Festlegung des Diskontierungszinssatzes für die Barwertermittlung Schwierigkeiten.[125] In den einschlägigen Handbüchern wird schlicht auf einen "risikoangepassten"[126] oder "marktgerechten"[127] Zinssatz abgestellt.[128] Wie aber soll dieser in einer hinreichend präzisen Weise festgelegt werden? Angesichts der erheblichen Auswirkungen, die bereits ein geringfügig erhöhter Diskontierungszinssatz auf die Schadenshöhe zum Nachteil des Angeklagten haben kann, scheinen solche Festlegungen - gemessen an den Maßstäben des Art.103 Abs. 2 GG[129] - mehr oder weniger willkürlich. Demnach sind beide Komponenten der Barwertermittlung mit derart erheblichen Unsicherheiten behaftet, dass sich dieses Verfahren kaum zu einer hinreichend bestimmten Berechnung des Vermögensschadens eignet. Im "kaufmännischen Alltag", den der Zweite Senat hier im Anschluss an den 1. BGH-Strafsenat bemüht, spielen Barwertberechnungen im Übrigen auch kaum eine Rolle und unterbleiben, mit Ausnahme von Großkrediten, meist schon aus Praktikabilitätsgründen.[130] Im Tagesgeschäft dominiert dagegen das Verfahren der sog. "pauschalen Einzelwertberichtigung", bei
dem Kredite nach Risikoklassen geordnet und entsprechend "klassenweise" wertberichtigt werden.[131]
Nun ist es aus kaufmännischer Sicht zwingend, die "Risiken und Chancen eines Vermögenswertes zu verbergen"[132], indem ihm ein konkreter Wert beigelegt wird. Andernfalls wäre die Gewinnermittlung unmöglich. Dieser Wert ist somit aber kein objektiver Wert, sondern unter mehreren denkbaren Beträgen derjenige, den der Bewertende für den wahrscheinlichsten hält.[133] Diese "Bewertungsentscheidung" ist kaum rational überprüfbar, jedenfalls jenseits offensichtlicher Fehlbewertungen, zu deren Erfassung es keines besonderen Sachverstandes bedarf. Warum der so "festgelegte" Wert, dessen Anerkennung kaufmännischen Notwendigkeiten geschuldet ist, für das Strafrecht verbindlich sein soll, ist nicht einzusehen.
Insofern liegt ein Grundproblem in der zunächst plausibel erscheinenden Forderung, den Schaden bei der Vermögensgefährdung nicht nur dem Grunde nach nachvollziehbar darzulegen, sondern ihn auch der Höhe nach konkret zu berechnen.[134] Dies ist angesichts der Unsicherheiten bei der Bewertung von Vermögensobjekten nur möglich, indem ein bestenfalls wahrscheinlicher Wert unter vielen in Betracht kommenden Beträgen zum konkreten Schaden erklärt wird. Die Wurzel dieser Schwierigkeiten liegt in der fehlenden Gegenständlichkeit des Vermögens.[135] Die strafrechtliche Erfassung dieses Regelungsbereiches kann nicht zu Ergebnissen führen, deren Konkretisierungsgrad denjenigen des Regelungsbereiches selbst übersteigt. Dies würde unter Bestimmtheitsgesichtspunkten einen Pyrrhus-Sieg bedeuten. Eine Auslegung des Nachteilsbegriffs, bei der in sämtlichen Fällen des Gefährdungsschadens die Angabe einer betraggenauen Schadenshöhe verlangt wird, ist insofern schon nicht geeignet, den Zweck des Bestimmtheitsgebotes zu verwirklichen. Um es mit Aristoteles zu formulieren: Wir dürfen Genauigkeit nicht in gleicher Weise bei allen Gegenständen erstreben, sondern in jedem Fall nur so, wie der gegebene Stoff es gestattet.[136]
Akzeptiert man, dass die amorphe Natur des mit dem Begriff Vermögen bezeichneten Ausschnitts der sozialen Wirklichkeit einer betraggenauen Bestimmung des Wertes einzelner Objekte häufig entgegensteht, so kann man hieraus folgern, dass sich das Strafrecht eines diesbezüglichen Zugriffs eben zu enthalten habe. Dies liefe darauf hinaus, praktisch alle Fälle des sog. Gefährdungsschadens als "Nichtschäden" einzustufen. Dies würde nach der Überzeugung des Verf. gerade in der modernen Wirtschaftsordnung zu einem nicht hinnehmbaren Verlust an Rechtsgüterschutz führen. Zu erwägen ist daher der Verzicht auf die betragsmäßig genaue Ermittlung des Gefährdungsschadens auf Tatbestandseben, jedenfalls in Fällen, in denen dessen Feststellung vom Wert einer nicht kurzfristig fälligen Forderung abhängt.[137] Das sich hier andeutende Paradxon eines Gewinns an Bestimmtheit durch den Verzicht auf eine bestimmte Festlegung folgt daraus, dass die "erzwungene" Bestimmung einer unbestimmten Wirklichkeit eben gerade keinen materiellen Gewinn an Rechtssicherheit bedeutet.
Der Verf. hat an anderer Stelle vorgeschlagen, einen tatbestandsmäßigen Gefährdungsschadens nur anzuerkennen, wo ein gegenwärtiger Minderwert aufgrund einer zukünftigen Verlustgefahr so evident ist, dass sich dieser auch ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen für den Rechtsanwender quasi "aufdrängt".[138] Ein solches Verdikt ist angesichts der nie zu eliminierenden Unsicherheit zukünftiger Entwicklungen praktisch nur möglich, wenn aufgrund konkreter Umstände des Einzelfalles die zukünftige Erfüllung der Forderung insgesamt bzw. mindestens bzgl. erheblicher Teile als nahezu ausgeschlossen erscheint. Kann diese Hürde[139] nicht durch plausible, auf konkrete Sachverhaltsfeststellungen gestützte Erwägungen überwunden werden, ist die Annahme eines strafrechtlich relevanten gegenwärtigen Verlustes unzulässig. Dass etwaige Verlustrisiken bereits bilanziell durch eine Wertberichtigung abzubilden wären, spielt für die Schadensbegründung demgegenüber keine Rolle. Freilich ist ein Gefährdungsschaden "erst recht" ausgeschlossen, wenn Ausfallrisiken noch nicht einmal eine Einzelwertberichtigung rechtfertigen würden.
Bei allen auch hiernach verbleibenden Unsicherheiten ließe sich so womöglich der Begründungsdruck bei der tatrichterlichen Annahme eines Gefährdungsschadens erhöhen. Es mag bei komplexen Sachverhalten auch durchaus sinnvoll sein, einen Sachverständigen bei der Beurteilung einzelner Umstände hinzuzuziehen, die für die Ermittlung des Ausfallrisikos relevant sind. So ist es z.B. denkbar, dass dem Richter die Einschätzung der Marktverhältnisse in der Branche des schuldnerischen Unternehmens oder die Bewertung der Erfolgsaussichten von Investitionsvorhaben des Kreditschuldners nicht zuverlässig möglich ist.[140] Unzulässig ist es jedoch, wenn das Gericht ohne eigene plausible Erwägungen die Bewer-
tung insgesamt von einem Sachverständigen vornehmen lässt und daraus - sofern das Gutachten einen Wertberichtigungsbedarf ergibt - automatisch auf eine strafrechtlich relevante Werteinbuße schließt. Für den Fall "Berliner Bankenskandal" hätte dies bedeutet, dass ein Vermögensschaden wegen der Minderwertigkeit des Rückzahlungsanspruches nur in Betracht gekommen wäre, wenn eine Bedienung des Kredits schon zum Vergabezeitpunkt aufgrund konkreter Umstände, insbesondere aufgrund mangelnder Erfolgsaussichten des finanzierten Projekts, als nahezu ausgeschlossen anzusehen gewesen wäre.
Das BVerfG betont im aktuellen Beschluss zu Recht die Reichweite des Gesetzlichkeitsprinzips, die über Bestimmtheitsgebot und Analogieverbot in ihrem klassischen Verständnis hinausgeht. Lediglich die erforderliche Abgrenzung zwischen "einfachen Auslegungsfehlern" und verfassungsgerichtlich überprüfbaren Rechtsverletzungen bleibt insofern näher zu konkretisieren. Ferner wird zutreffend die grundsätzliche Verfassungsmäßigkeit des Untreueparagraphen dargelegt. Kritik verdient die Entscheidung dort, wo sie sich auf das Feld der einfachrechtlichen Untreuedogmatik begibt. So können die Ausführungen zur Nachteilsverursachung durch eine Exspektanzvernichtung in der causa "Siemens" nicht überzeugen. Hier verfehlt der Zweite Senat die eigens aufgestellten Maßstäbe einer wirtschaftlich plausiblen Schadensbegründung.
Bedenklich ist die für Fälle der Kredituntreue geforderte konkrete Berechnung des Vermögensschadens anhand bilanzieller Maßstäbe. Eine nachvollziehbare Darlegung des Schadens dem Grunde nach ist nicht nur wünschenswert, sondern verfassungsrechtlich zwingend. Die angedeutete Gleichsetzung von Schaden und bilanzieller Wertminderung schießt jedoch deutlich über dieses legitime Ziel hinaus. Einen Gewinn an Rechtssicherheit bietet diese Auslegung des Nachteilsbegriffs nicht.[141] Bilanzielle Bewertungsverfahren sind für das Strafrecht kein "Heilsbringer" beim Problem der Vermögensbewertung. Der in der vorliegenden Entscheidung im Anschluss an den 1. BGH-Strafsenat eingeschlagene Weg ist somit mindestens teilweise ein Irrweg. In welchem Umfang die entsprechenden Vorgaben an der Bindungswirkung des § 31 BVerfGG partizipieren, wird ggf. noch zu erörtern sein, zumal jedenfalls einzelne Mitglieder anderer BGH-Strafsenate bereits Vorbehalte gegenüber einer bilanziell geprägten Schadensermittlung geäußert haben.[142] Hier sollte einer Fortentwicklung der Dogmatik durch Fachgerichte und Wissenschaft nicht auf dem Wege einer zu umfassend verstandenen Bindungswirkung vorgegriffen werden.
Nach alledem soll dieser Beitrag nicht ohne Selbstkritik auskommen. Denn auch der Verf. hat - durch den "Rückzug" hinter die Evidenzforderung - in gewisser Weise vor dem Problem der Vermögensbewertung im Strafrecht "kapituliert". Dahinter steht die Überzeugung, dass hierin einerseits unter Bestimmtheitsgesichtspunkten das "kleinere Übel" im Verhältnis zu den "Untiefen" bilanzieller Bewertungen zu sehen ist, während andererseits normative Einschränkungskriterien bzw. deren Verhältnis zur grundsätzlich wirtschaftlichen Schadensermittlung bisher nicht vollständig überzeugend begründet wurden.[143] Auch die Wissenschaft steht somit in der Pflicht, die Präzisierung der Anwendungsvoraussetzungen des Vermögensstrafrechts in einer modernen Wirtschaftsordnung voran zu treiben, trotz der zahlreichen verdienstvollen Arbeiten, die insoweit schon geleistet wurden. Gemeinsam mit einer sorgfältigen Handhabung durch die Strafgerichtsbarkeit und einer zurückhaltenden Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht ließe sich das Gesetzlichkeitsprinzip so stärker zur Geltung bringen. Dies ist im Kontext der "modernen Untreue" nötiger denn je.
[1] Jüngst etwa P.A. Albrecht, in: FS f. Hamm (2008), S. 1 ff.; eindringlich Labsch, Untreue (§ 266 StGB) Grenzen und Möglichkeiten einer restriktiven Deutung (1983), S. 189 ff.; "klassisch" Hellmuth Mayer, in: Materialien zur Strafrechtsreform, Band 1 (1954), S. 337.
[2] Vgl. Perron GA 2009, 219 f.
[3] Fischer StV 2010, 95, 97.
[4] Freilich spiegelt sich dieser immer wieder behauptete Zustand in den Zahlen der polizeilichen Kriminalstatistik (abrufbar unter www.bka.de) nur bedingt wieder. Die absoluten Fallzahlen liegen nach wie vor unter 13.000 und einem Anstieg der erfassten Fälle um 14,3 % im Jahr 2009 ging ein Rückgang um 13,8 % im Vorjahr voraus.
[5] Vgl. hierzu den von Schünemann herausgegebenen Sammelband "Die sogenannte Finanzkrise - Systemversagen oder organisierte Kriminalität?", 2010.
[6] Bislang lässt sich eine eine solche Entwicklung freilich noch nicht empirisch beobachten, vgl. Fischer NStZ-Sonderheft 2009, 8, 9 f. I.Ü. drohen dabei die eigentlichen Ursachen und die notwendigen politischen Entscheidungen "im Nebel der strafrechtlichen Verschwommenheit" aus den Augen verloren zu werden, vgl. P.A. Albrecht, in: FS f. Hamm, S. 1, 10 (im Kontext des Mannesmann-Verfahrens).
[7] Vgl. BVerfG NJW 2009, 2370 = HRRS 2009 Nr. 558 m. Bspr. Fischer StV 2010, 95 ff.
[8] Das weitere Verfahren, in dem es um die Gewährung von Prämien durch den Vorstand einer Krankenkasse ging, wird hier nicht behandelt.
[9] Vgl. monographisch zu "schwarzen Kassen" Strelczyk, Die Strafbarkeit der Bildung schwarzer Kassen (2008); zur Kredituntreue Martin, Bankuntreue (2000).
[10] Beispielhaft aus dem jüngeren Schrifttum zu § 266 StGB etwa Beulke, in: FS f. Eisenberg (2009), S. 245 ff.; Saliger HRRS 2006, 10 ff.; Bernsmann GA 2007, 219 ff.; Perron GA 2009, 219 ff.; vgl. auch die pointierte Beschreibung der Diskussion bei Schünemann StraFo 2010, 1 ff.
[11] BGHSt 52, 323 = HRRS 2008 Nr. 1100.
[12] wistra 2009, 189 = HRRS 2009 Nr. 283.
[13] Zur üblichen Unterteilung des Gesetzlichkeitsprinzips (Rückwirkungsverbot, Verbot strafbegründenden oder strafschärfenden Gewohnheitsrechts, Analogieverbot und Bestimmtheitsgebot) statt Vieler Roxin, StrafR AT I, 4. A. (2006), § 5 Rn. 7 ff.; diff. Kuhlen, in: FS f. Otto (2007), S. 89, 91 ff.
[14] BVerfG HRRS 2010 Nr. 656 (im folgenden Text mit den Randziffern der amtlichen Entscheidungsgründe zitiert) Rz. 72; st. Rspr., vgl. nur BVerfGE 105, 135, 153; Satzger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB (2009), § 1 Rn. 17; Dannecker, in: LK-StGB, 12. A. (2006), § 1 Rn. 179; zu den Zwecken des Bestimmtheitsgebotes Gaede, in: AnwK-StGB (2010), § 1 Rn. 2 m.w.N.
[15] Kuhlen, in: FS f. Otto, S. 89, 94; weitgehend Schmidhäuser, in: GS f. Martens (1987), S. 231 ff.: "Strafgesetzliche Bestimmtheit: eine rechtsstaatliche Utopie"; vgl. auch Simon, Gesetzesauslegung im Strafrecht (2005), S. 438; Schmitz, in: MK-StGB (2003), § 1 Rn. 40.
[16] Vgl. etwa BVerfGE 4, 352, 358; 28, 175, 183; 47, 109, 121; im Ausgangspunkt unstreitig, näher Hassemer/Kargl, in: NK-StGB, 3. A. (2010), § 1 Rn. 16 ff.; Roxin, a.a.O. (Fn. 13), § 5 Rn. 68 ff.; Eser/Hecker, in: Schönke/Schröder, StGB, 28. A. (2010), § 1 Rn. 19 ff.; Lenckner JuS 1968, 304 f.; Kuhlen, in: FS f. Otto, S. 89, 94 f.
[17] Schünemann, in: LK-StGB, 11. A. (1998), § 266 Rn. 29; Kuhlen, in: FS f. Otto, S. 89, 94.
[18] Kuhlen, Die verfassungskonforme Auslegung von Strafgesetzen (2006), S. 94; ähnlich Simon, a.a.O. (Fn. 15), S. 451 f.; vgl. aber den Ansatz von Schünemann, Nulla poena sine lege? (1978), S. 29 ff.
[19] Ausf. und m.w.N. Gaede, a.a.O. (Fn. 14), § 1 Rn. 25 f. Nachw. zur Kritik an der fortschreitenden Unbestimmtheit des Strafrechts bei Roxin, a.a.O. (Fn. 13), Rn. 68.
[20] Kuhlen, Auslegung (Fn. 18), S. 94 f.; vgl. auch Jakobs, StrafR AT, 2. A. (1991), 4/1.
[21] Zum Begriff des Argumentationsprinzips näher Alexy, in: Alexy/Koch/Kuhlen/Rüßmann, Elemente einer juristischen Begründungslehre (2003), S. 217, 223 ff.
[22] Kuhlen, in: FS f. Otto, S. 89, 95 f.; ders., Auslegung (Fn. 18), S. 94 f.
[23] Zu praktisch ähnlichen Lösungen dürfte die Auffassung von Roxin (a.a.O.[Fn. 13]§ 5 Rn. 75 m.w.N.) gelangen, wonach eine Norm dann hinreichend bestimmt ist, wenn sie ihren Schutzzweck erkennen lässt und der Wortlaut einer beliebigen Interpretation entgegensteht. Eine Norm, die diese Voraussetzungen nicht erfüllt, kann nicht durch das Prinzip eines effektiven Rechtsgüterschutzes gerechtfertigt werden, da sie diesen zu leisten nicht imstande ist.
[24] S. etwa Satzger, a.a.O. (Fn. 14), Rn. 20; Schmitz, a.a.O. (Fn. 15), Rn. 41 m.w.N.; krit. dazu Schünemann, Nulla poena (Fn. 18), S. 33 f.
[25] So die Formulierung in Rz. 85; vgl. zuvor BVerfG NJW 2009, 2370 a.E.: "§ 266 I StGB verstößt nicht ohne Weiteres gegen das Bestimmtheitsgebot", dazu Fischer StV 2010, 95, 97.
[26] Rz. 86 f.; eingehend Schünemann, a.a.O. (Fn. 17), Rn. 2 u. 17 ff.; ferner Rönnau ZStW 119 (2007), 887, 890 ff. m.w.N.
[27] Rz. 89; vgl. dagegen P.A. Albrecht, in: FS f. Hamm, S. 1; rechtsvergleichend zur Untreue jüngst Rönnau ZStW 2010, Heft 2, 299 ff.
[28] Rz. 91.
[29] Rz. 96.
[30] Rz. 103.
[31] Rz. 106. Jedoch kann ein zu unbestimmter Tatbestand nicht durch eine konkretisierende Auslegung "geheilt" werden, da die Judikative nicht die dem Gesetzgeber obliegende Bestimmungsleistung "nachholen" kann, vgl. aber BVerfGE 93, 266, 292 (zu § 185), dazu Kuhlen, Auslegung (Fn. 18), S. 98 m. Fn. 690 und 691 sowie ders., in: FS f. Otto, S. 89, 104.
[32] Rz. 110.
[33] Rz. 109 f., vgl. aber BGHSt 52, 182 = HRRS 2008 Nr. 568 m. krit. Anm. Rönnau NStZ 2009, 632; BGHSt 41, 224 m. krit. Anm. Sowada JR 1997, 28 ff. (Vermögensbetreuungspflicht des Vermieters von Wohnraum bzgl. der Verwahrung der Mietkaution).
[34] Rz. 111 f.; zum Streitstand bzgl. der "gravierenden Pflichtverletzung" instruktiv Rönnau, ZStW 119 (2007), 887, 909 ff.
[35] Rz. 113 ff.
[36] Rz. 114. Wie später gezeigt wird, kann der Rückgriff auf Bewertungsmethoden aus der Wirtschaftspraxis diesen vom Zweiten Senat hier ausgestellten "Scheck" leider nicht einlösen.
[37] Eingehend Schünemann, a.a.O. (Fn. 17), Rn. 29 ff. in Auseinandersetzung mit der Kritik von Labsch; jüngst i. Erg. ebenso Saliger, in: SSW-StGB (Fn. 15), § 266 Rn. 4; Perron, in: Sch/Sch (Fn. 17), § 266 Rn. 1, -jew. m.w.N.
[38] Dazu Saliger, a.a.O. (Fn. 37), Rn. 3 m.w.N.
[39] Zur Zivilrechtsakzessorietät instruktiv Rönnau ZStW 119 (2007), 887, 906 ff. m.w.N.; zu möglichen Einschränkungen bei Verstößen gegen außerstrafrechtliche Normen ohne hinreichenden Vermögensbezug s. unten 5. b) aa).
[40] Vgl. auch Schünemann StraFo 2010, 1, 3.
[41] Eingehend Ransiek ZStW 116 (2004), 634, 640 ff.
[42] Näher Simon, a.a.O. (Fn. 15), S. 444 ff. m.w.N.; die unterschiedlichen Konstellationen systematisierend Kuhlen, in: FS f. Otto, S. 89, 98 ff.; Gaede, a.a.O. (Fn. 14), Rn. 21 ff.
[43] BVerfGE 92, 1 ff.
[44] Dazu Simon, a.a.O. (Fn. 15), S. 446 ff.; allg. Kuhlen, in: FS f. Otto, S. 89, 102 ff; Gaede, a.a.O. (Fn. 14), § 1 Rn. 19 ff.
[45] BVerfGE 92, 1, 17 (zum Gewaltbegriff).
[46] Rz. 81.
[47] Beispielhaft der Kammerbeschluss zu § 142 StGB, vgl. BVerfG HRRS 2007 Nr. 326=NJW 2007, 1666 m. Anm. Simon und Bespr. Küper NStZ 2008, 597 ff.; eingehend dazu Beulke, in: FS f. Maiwald (2010), S. 21 ff.; allg. Gaede, a.a.O. (Fn. 14), § 1 Rn. 28 ff.: "erweitertes Analogieverbot".
[48] Rz.78 m.w.N.
[49] Rz. 80.
[50] Rz. 79; zu dieser "Verschleifung" als Strukturproblem bei § 266 StGB Saliger ZStW 111 (2000), 569 ff.; 609 ff.
[51] Kuhlen (FS f. Otto, S. 89, 103) spricht von "Rechtsfortbildung".
[52] Vgl. Roxin, a.a.O. (Fn. 13), § 5 Rn. 28.
[53] Näher Gaede, a.a.O. (Fn. 14), § 1 Rn. 19.
[54] Eingehend und krit. zum Verhältnis Umgangssprache/Fachsprache im Kontext des Analogieverbotes Simon, a.a.O. (Fn. 15), S. 111 ff.
[55] Vgl. Gaede, a.a.O. (Fn. 14), § 1 Rn. 30: "spezielles Willkürverbot, das auf den nach dem Normkontext begrenzten Wortsinn bezogen ist".
[56] Vgl. auch Beulke, in: FS f. Maiwald, 2010, S. 21, 25 f.
[57] Instruktiver Überblick bei Korioth, in: FS 50 Jahre BVerfG (2001), S. 55 ff.; aus der umfangreichen Literatur beispielhaft: Ossenbühl, in: FS f. H. P. Ipsen (1977), S.129 ff.; Robbers NJW 1998, 935 ff.; H.J. Koch, in: GS f. Jeand'Heur (1999), S. 135 ff.; Hoffmann-Riem AöR 128 (2003), 173 ff.
[58] Ausf. Darstellung bei Korioth, in: FS 50 Jahre BVerfG, S. 55, 60 ff.; Kunig VVDStRL 61, 34, 48 ff. spricht von "erheblichen Spielräumen" und der Möglichkeit, "gegenläufige Ergebnisse gleichermaßen lege artis zu begründen"; deutlich auch Voßkuhle, in: v. Mangoldt/Klein/Stark, GG, Bd. 3, 5. A. (2005), Art. 93 Rn. 42: "offenes System", das "flexibel und einzelfallbezogen" gehandhabt werde.
[59] Zusf. Hoffmann-Riem AöR 128 (2003), 173, 183; Korioth, in: FS 50 Jahre BVerfG, S. 55, 60 f.
[60] BVerfGE 6, 32 ff.
[61] BVerfGE 7, 198 ff.
[62] Voßkuhle, a.a.O. (Fn. 58), Rn. 55 m.w.N.
[63] Vgl. bereits BVerfGE 1, 418, 420; zur bis heute gebräuchlichen sog. "Heckschen Formel" vgl. BVerfGE 18, 85, 92 f.
[64] Umf. Darst. bei Schlaich/Korioth, Bundesverfassungsgericht, 7. A. (2007), Rn.280 ff.
[65] Nach Voßkuhle (a.a.O.[Fn. 58], Rn. 66) habe die Rspr. "aufs Ganze gesehen[...]mehr Kritik als Zustimmung erfahren" und der "Punkt konstitutioneller ‚Sättigung'" sei erreicht; vgl. zum Begriff der konstitutionellen Sättigung Schuppert/Bumke, Die Konstitutionalisierung der Rechtsordnung (2000), S. 63 ff.; eingehende Darst. der Kritik bei Schlaich/Korioth, a.a.O. (Fn. 64), Rn. 310 ff.
[66] Dazu allgemein und m.w.N. Eser/Hecker, a.a.O. (Fn. 16), Vor § 1 Rn. 30 ff.; eingehend Tiedemann, Verfassungsrecht und Strafrecht (1991).
[67] Voßkuhle, (a.a.O.[Fn. 58], Rn. 56) spricht davon, dass eine sämtliche Auslegungsfehler umfassende Prüfungskompetenz "offensichtlich" dem Charakter der Verfassungsbeschwerde als außerordentlichem Rechtsbehelf widerspreche.
[68] Vgl. zum Ganzen näher Voßkuhle, a.a.O. (Fn. 58), Rn. 38 ff. m.w.N.
[69] Vgl. auch Kunig VVDStRL 61, 34, 54; ferner Schlaich/Korioth, a.a.O., (Fn. 64), Rn. 297, die von der Gefahr der "verfassungsrechtlichen Aufladung" einfachrechtlicher Argumentationen sprechen.
[70] Ähnlich Korioth, in: FS 50 Jahre BVerfG, S. 55, 80 f.; Hoffmann-Riem AöR 128 (2003) 173, 188, (Auslegung des einfachen Rechts bis zur Grenze der Willkürkontrolle allein den Fachgerichten anvertraut); Voßkuhle, a.a.O. (Fn. 58), Rn. 66 (rigorose Beschränkung auf grundsätzliche Auslegungsfragen); vorbildlich aus dem strafrechtlichen Kontext BVerfG NJW 1997, 929, 932 ("Mauerschützen-Urteil").
[71] Vgl. zur Notwendigkeit einer engen Auslegung des § 31 BVerfGG Robbers NJW 1998, 935, 940; Voßkuhle AöR 125 (2000), 177, 197 f.
[72] Ähnlich Voßkuhle AöR 125 (2000), 177, 196 f.; zum kassatorischen Charakter von Entscheidungen des BVerfG Hesse JZ 1995, 265, 267; zum Zusammenspiel von Geboten, Verboten und Spielräumen in der Verfassung Alexy VVDStRL 61, 7, 14 ff.
[73] Vgl. auch Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BverfGG, 2009, § 31 Rn. 121 m.w.N.; im Ansatz ähnlich BVerfG Rz. 84, aber andererseits Rz. 82.
[74] Näher Zippelius, Juristische Methodenlehre, 10. A. (2006), S. 48 ff. m.w.N.
[75] Zum Folgenden Rz. 120 ff.
[76] Rz. 124.
[77] Dies ist indes fragwürdig, da bei einer Prüfung anhand eines rechtmäßigen Alternativverhaltens bei jeder Untreue durch Unterlassen automatisch ein Schaden vorläge, weil der Täter im Vergleichsszenario seine Pflicht erfüllt, also die geschuldete Vermögensmehrung herbeigeführt hätte. Damit wäre dann das Nachteilsmerkmal aber in der Tathandlung nicht nur auf-, sondern vollständig untergegangen.
[78] Beispielhaft Satzger NStZ 2009, 297 ff.; Rönnau StV 2009, 246 ff.; Brammsen/Apel WM 2010, 781 ff.; Schlösser HRRS 2009, 19 ff.; Ransiek NJW 2009, 95 f.; eine Replik auf die vielfältig geäußerte Kritik findet sich bei Fischer NStZ-Sonderheft 2009, 8, 16 ff.; zur Vorinstanz Saliger/Gaede HRRS 2008, 57 ff.; demnächst zum in diesem Kontext verwendeten Begriff der Disposition Hohn, in: FS f. Rissing-van Saan (2011).
[79] Zutr. zum Ganzen Rönnau StV 2009, 246; a.A. Ransiek NJW 2009, 95, 96. Eine vollkommen andere Frage ist es, ob in der Einrichtung einer schwarzen Kasse bzw. in der Zuführung von Geldern in ein solches System ein Schaden zu sehen ist.
[80] Im Rahmen seiner Betrugskommentierung weist Hefendehl (MK-StGB, 2006, § 263 Rn. 367) zutr. darauf hin, dass gegenüber dem Betrugstäter niemals eine vermögenswerte Exspektanz in Betracht kommt, da deren Existenz die Abwesenheit von Störfaktoren bei ihrer Realisierung voraussetzt und der Betrugstäter immer als solcher zu betrachten sei. Aus dem selben Gedanken folgt bei stringenter Betrachtung zwingend die Verneinung einer Exspektanz gegenüber dem erfüllungsunwilligen Treunehmer, jedenfalls sofern der Treugeber von seinem Recht keine Kenntnis hat; grdl. zum Exspektanzbegriff ders., Vermögensgefährdung und Exspektanzen (1994) S. 199 ff.; ferner Rönnau, in: FS f. Kohlmann (2003), S. 239, 253 ff.
[81] Ähnlich Schünemann StraFo 2010, 1, 9 f.
[82] S. oben (Fn. 77).
[83] Der umgangssprachliche Wortsinn dürfte indes nicht eindeutig überschritten sein, denn insofern kann in der Nichtgewährung von Vorteilen durchaus ein "Nachteil" gesehen werden, vgl. aber Schünemann StraFo 2010, 1, 9.
[84] Eine umfassende Kritik solcher verschiedentlich in der BGH-Rechtsprechung vorzufindender "Schadensfiktionen" zeichnet demnächst Rönnau, in: FS f. Rissing-van Saan.
[85] Vgl. zu dieser Fallgruppe etwa B. Schmitt BKR 2006, 125 ff.; ders., in: FS f. Nobbe (2009), S. 1009 ff.; Perron, in: FS f. Tiedemann (2008), S. 737 ff.
[86] BGHSt 46, 30 ff.; BGHSt 47, 148 ff.
[87] Vgl. dazu die Darstellung bei Saliger, a.a.O. (Fn. 37), Rn. 97 ff. m.w.N.
[88] Dazu B. Schmitt BKR 2006, 125, 127 f.; Knauer NStZ 2001, 399, 401 f.
[89] Rz. 135; i. Erg. ebenso Perron GA 2009, 219, 226 m.w.N.
[90] Vgl. aus dem aktienrechtlichen Kontext Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 1 (2007), § 93 Rn. 23 ff.
[91] Zum Folgenden näher Rönnau, in: FS f. Tiedemann, 713, 724 ff. m.w.N.
[92] Die Rspr. betreibt freilich in entgegengesetzter Richtung zunehmend eine Normativierung auch auf der Nachteilsebene, vgl. dazu Saliger, in: FS f. Samson (2010), S. 455 ff.
[93] Ansätze dahingehend bei Schünemann NStZ 2006, 196, 198 f.; krit. Fischer NStZ-Sonderheft 2009, 8, 11.
[94] Zu Kriterien einer "rein wirtschaftlichen" Beurteilung in solchen Fällen Rönnau, in: FS f. Tiedemann, S. 713, 726 m. w.N. in Fn. 68.
[95] Vgl. dazu allg. statt Vieler Engisch, Einführung in das juristische Denken, 10. A. (2005), S. 209 ff.
[96] Rönnau, in: in FS f. Tiedemann, S. 713, 727.
[97] Vgl. näher zu im Hinblick auf die Einheit der Rechtsordnung zulässigen und unzulässigen Widersprüchen Stracke, Zur Übertragbarkeit des zivilrechtlichen Überschuldungsbegriffs in das Strafrecht (2007), S. 397 ff. m.w.N.
[98] Fraglich bleibt etwa, inwieweit vertragliche Pflichten zur Beachtung drittschützender Normen in den Anstellungsverträgen von Geschäftsleitern als vermögensbezogene Vorgaben des Vermögensinhabers anzusehen sind. Letztlich zeigt sich auch anhand dieses Problems, dass keineswegs klar ist, wie "ökonomisch" bzw. wie "juristisch" das Rechtsgut Vermögen zu verstehen ist bzw. welche Konsequenzen hieraus zu ziehen sind.
[99] Krit. insofern jedoch Dierlamm, in: MK-StGB (2006), § 266 Rn. 3 f.
[100] Dazu mit Nachw. aus dem US-amerikanischen Schrifttum Fleischer, in: FS f. Immenga (2004), S. 575, 579 f.
[101] Fleischer, in: FS f. Immenga, S. 575, 580; aus dem Untreuekontext statt Vieler Saliger, a.a.O. (Fn. 37), Rn. 89 ff.
[102] Vgl. Becker/Walla/Endert WM 2010, 875 ff., mit dem Vorschlag, die Beachtung betriebswirtschaftlicher Grundsätze im Investmentgeschäft als safe harbor für die Handelnden anzuerkennen. Der vom 1. Strafsenat für die Kredituntreue entwickelte Kriterienkatalog leistet diese Objektivierung nur bedingt, da die Gewichtung der Kriterien im Einzelfall nicht vorhersehbar ist.
[103] Rz. 137 ff.; vgl. dazu Becker HRRS 2009, 334, 336 f. m.w.N.
[104] Wie noch zu zeigen sein wird folgt daraus nicht die Notwendigkeit, diesen Betrag für die Schadensfeststellung zahlenmäßig genau zu prognostizieren.
[105] Zutr. Fischer NStZ-Sonderheft 2009, 8, 11; ders. StV 2010, 95, 97.
[106] Letztlich ist jede "Umrechnung" des Wertes eines Vermögensobjektes in Geld eine Prognose, und zwar darüber, welcher Betrag sich bei einer Umsetzung in Geld (i.d.R. durch Veräußerung) erzielen ließe, zutr. Höfner, Die Überschuldung als Krisenmerkmal des Konkursstrafrechts (1981), S. 118.
[107] Dabei soll hier nicht vertiefend diskutiert werden, inwieweit das "Dogma" der Saldierung im Zeitpunkt der Pflichtverletzung (bzw. beim Betrug im Zeitpunkt der Vermögensverfügung) womöglich abgeschwächt werden kann, um so dem unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten nachvollziehbaren Bedürfnis nach der Berücksichtigung nachträglicher Entwicklungen Rechnung zu tragen. Dahingehend für die Kredituntreue Fischer NStZ-Sonderheft 2009, 8, 12 f.; weitergehend Gaede, in: AnwK-StGB, § 263 Rn. 125; ferner Weber, in: FS f. Tiedemann, S. 637, 643 ff., der einen Rückgriff auf den Gedanken der tätigen Reue befürwortet; a.A. aber offenbar BVerfG Rz. 144.
[108] Rz. 148 ff.
[109] Nachw. in Rz. 148.
[110] Rz. 149.
[111] Rz. 151.
[112] Rz. 154.
[113] Diese wird in Rz. 146 näher vorgestellt.
[114] BGH NStZ 2009, 330 = HRRS 2009 Nr. 318 m. Bespr. Becker HRRS 2009, 334 ff.; dazu Saliger, in: FS f. Samson, S. 455, 465 ff. m.w.N.
[115] Vgl. bereits Kempf, in: FS f. Volk (2009), S. 231, S. 240 ff.; ferner Becker HRRS 2009, 334, 337 ff. m.w.N., insb. zu Friktionen im Hinblick auf das vom Zweiten Senat in anderem Kontext (Rz. 123) explizit erwähnte Vorsichtsprinzip. Die Kritik vor dem Hintergrund dieses Vorsichtsprinzips und seiner Unvereinbarkeit mit dem Zweifelsgrundsatz wird hier nicht wiederholt. Vielmehr ist zu zeigen, dass die Unvereinbarkeit von Strafrecht und Bilanzierung tiefergehende Ursachen hat.
[116] Dazu eingehend Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung (2003).
[117] Ähnlich B. Schmitt, in: FS f. Nobbe, S. 1009, 1023 f.
[118] Rz. 146.
[119] Instruktiv Höfner, a.a.O. (Fn. 106), S. 198 ff.; näher zu den unterschiedlichen komplexen Verfahren der Investitionsrechnung Wöhe, Einführung in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 23. A. (2008), S. 515 ff.
[120] Hier zeigt sich, dass die Barwertermittlung mittels Abzinsung nur bei Annahme eines vollkommenen Kapitalmarktes funktioniert, an dem zu jedem beliebigen Zeitpunkt beliebig hohe Beträge zu einem gleichbleibenden Zinssatz angelegt werden können. Solche realitätsfremden (Wöhe, a.a.O.[Fn. 119], S. 538) Modelle haben in der Betriebswirtschaftslehre ihre Berechtigung, taugen jedoch nicht zur Ausfüllung strafrechtlicher Tatbestandsmerkmale.
[121] Im Wirtschaftsleben sind zuverlässige Schlüsse von vergangenen oder gegenwärtigen Zuständen auf den Eintritt zukünftiger Ereignisse kaum möglich, zutr. W.R. Bretzke, Das Prognoseproblem bei der Unternehmensbewertung, 1975, S. 126.
[122] Clemm, in: FS f. Budde (1995), S. 135, 144.
[123] Vgl. Hennrichs AG 2006, 698, 704 m.w.N. zu den dementsprechend großzügigen Prüfungsstandards des IDW in Fn. 36.
[124] So Hennrichs a.a.O. (vorige Fn.).
[125] Sie ist zugleich von erheblicher Ergebnisrelevanz, wie die Rechenbeispiele bei Höfner (a.a.O.[Fn. 106], S. 217 f.) zeigen, wo ein Unterschied im Diskontierungszinssatz von einem Prozentpunkt zu Ergebnisunterschieden von über 12 % führt.
[126] Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber, Bankbetriebslehre, 5. A. (2010), S. 832.
[127] Scharpf/Schaber, Handbuch Bankbilanz, 3. A. (2009), S.157.
[128] Vgl. zur IFRS-Bilanz, wo auf den Effektivzinssatz des Vertrages abgestellt wird, Fischer/Sittmann-Haury IRZ 2006, 217, 219.
[129] Für die Zwecke der Investitionsrechnung sind Konventionen und Vereinfachungen bei der Wahl des Zinssatzes selbstverständlich akzeptabel und sinnvoll. Wer dies aber unbesehen auf das Strafrecht überträgt, verkennt die fundamentalen Unterschiede zwischen beiden Bereichen.
[130] Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber, a.a.O. (Fn. 126), S. 832; Scharpf/Schaber, a.a.O. (Fn. 127), S.157.
[131] Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber, a.a.O. (Fn. 126), S. 832; Scharpf/Schaber, a.a.O. (Fn. 127), S. 160 f.; vgl. auch Wimmer/Kusterer DStR 2006, 2046.
[132] Moxter, a.a.O. (Fn. 116), S. 33.
[133] Zum Verfahren der Zuweisung von Wahrscheinlichkeiten für die einzelnen in Betracht kommenden Werte und den damit zusammenhängenden Schwierigkeiten Moxter, a.a.O. (Fn. 116), S. 34 f.
[134] Vgl. etwa Rz. 149, 150. Zwar heißt es, dies sei lediglich "in der Regel" erforderlich, doch führt diese nicht näher konkretisierte Einschränkung nicht zu einem Gewinn an Vorhersehbarkeit.
[135] Zutr. erkannt vom BVerfG (Rz. 103), vgl. bereits Keller ZStW 107 (1995), 457, 460 f.
[136] Philosophische Schriften, Bd. 3, Nikomachische Ethik (1995), 1094b.
[137] Vgl. auch Brammsen/Apel WM 2010, 781, 784.
[138] Becker HRRS 2009, 334, 339 f.
[139] Man mag insofern von einer "normativen" Einschränkung der "wirtschaftlichen" Schadensermittlung sprechen, wenngleich der Verf. den immer wieder hergestellten Antagonismus von "Wirtschaftlichem" und "Juristischem" beim Vermögensbegriff für verfehlt hält, vgl. grds. zutr. Hefendehl, Vermögensgefährdung (Fn. 80), S. 110; aus zivilrechtlicher Perspektive bereits Jahr, in: Das Verhältnis der Wirtschaftswissenschaft zur Rechtswissenschaft, Soziologie und Statistik (1964), S. 14, 21 f.
[140] So wäre im Fall "Berliner Bankenskandal" womöglich ein Sachverständigengutachten über die Situation auf dem einschlägigen Immobilienmarkt angezeigt gewesen.
[141] Zumal das BVerfG - ebenso wie schon der 1. BGH-Strafsenat - den Gerichten den nebulösen Ausweg der "vorsichtigen Schätzung" bei verbleibenden Prognose- und Beurteilungsspielräumen lässt (Rz. 151). Hierzu ist deutlich zu sagen, dass nicht etwa nach einer bilanziellen Bewertung Prognose- und Beurteilungsspielräume "verbleiben", sondern dass die bilanzielle Bewertung einer Forderung aus praktisch nichts anderem besteht.
[142] Fischer, NStZ-Sonderheft 2009, 8, 11 f.; ders., StV 2009, 95, 100 f.; B. Schmitt, in: FS f. Nobbe, S. 1009, 1021 ff.; krit. aus dem Schrifttum jüngst auch Cramer/Perron, in: Sch/Sch-StGB (Fn. 16), § 263 Rn. 143; Gaede, a.a.O. (Fn. 14), § 263 Rn. 109, 121 ff.
[143] Letzteres sehen bzgl. des Gefährdungsschadens ähnlich Beulke/Witzigmann JR 2008, 430, 434.