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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Februar 2008
9. Jahrgang
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Von Prof. Dr. Frank Saliger und Wiss. Ass. Dr. Karsten Gaede, Bucerius Law School Hamburg
Mit der Firma Siemens assoziiert die Öffentlichkeit seit den letzten Jahren nicht mehr nur einen großen und traditionsreichen deutschen Technikkonzern. Berichte über insgesamt kaum vorstellbar hohe Summen "nützlicher Aufwendungen" und laufende Ermittlungsverfahren haben auch den Eindruck eines Konzerns hervorgerufen, der seine Größe und seinen Erfolg weltweit scheinbar in großem Maße durch Bestechungen sichert.[1] Dass der Skandal zu einem für Siemens kaum zügig zu behebenden Imageverlust geführt hat, steht bereits fest. Ob und inwieweit er auch rechtskräftige Strafurteile in Deutschland nach sich zieht, bleibt bei nüchterner Betrachtung indes abzuwarten. Auch der auf den ersten Blick fraglos als großes "wirtschaftsstrafrechtliches Ereignis" wahrnehmbare Skandal um Siemens muss sich wie jeder andere Sachverhalt allein anhand von Gesetz und Dogmatik als strafbar erweisen.
Jene Prüfungen erscheinen nun möglich, da die 9. Strafkammer des Landgerichts Darmstadt als erstes Gericht einen typisch erscheinenden Fall der Siemens vorgeworfenen Auslandsbestechung mit würdigungsfähigen Tatsachen festgestellt hat. In ihm haben Siemens-Mitarbeiter zur Erlangung zweier Aufträge in Italien Angestellte auf deren Initiative hin bestochen. Anhand dieses Falles zeigt sich, dass die Aufarbeitung des Skandals die zur Tatzeit anwendbaren Strafgesetze und ihre Auslegung auf eine harte Probe stellt. Die Ereignisse liegen einige, möglicherweise entscheidende Jahre zurück. Die heute intuitiv erscheinende Neigung, die Siemens-Geschäftspraktiken im Zuge der weltweit verstärkten Korruptionsächtung[2] als strafbar zu betrachten, könnte zu einer gravierenden Ausdehnung der Strafbarkeit führen. Sie bedarf sowohl hinsichtlich der Bestechung als auch hinsichtlich der Untreue einer kritischen Prüfung. Dies gilt für die Untreue umso mehr, als die einschlägigen Fallgestaltungen nicht nur die extensionsanfällige "schadensgleiche Vermögensgefährdung" betreffen, zu der der 2. Strafsenat des BGH unlängst über verschärfte Vorsatzanforderungen eine restriktive Linie entwickelt hat.[3] Darüber hinaus wertet das Landgericht Darmstadt, soweit ersichtlich, als erstes Strafgericht nach 1945 die schiere Zahlung von Schmiergeldern auf Geberseite als Untreue, was einem Tabubruch in der Untreuedogmatik mit ungeahnten Folgen gleichkommt.
Soweit es für die folgenden Ausführungen relevant ist, wird in dem Urteil festgestellt:[4]
Der Angeklagte K., der wie der Mitangeklagte V. bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist, war seit 1991 als "Bereichsvorstand" leitender Angestellter der Siemens AG in deren Sparte "Power-Generation" (Siemens PG). Er war damit direkt unter dem Zentralvorstand tätig. Als kaufmännischer Leiter war K. unter anderem für Controlling, Betriebswirtschaft, Zentrale Aufgaben, Personal und Revision sowie die "Wirtschaftsregion Europa" zuständig. Geschäftsgegenstand dieses Bereichs war die Fertigung, der Vertrieb und die Wartung von Gasturbinen. K. war befugt, Zahlungen in unbegrenzter Höhe anzuweisen. In seinem Unternehmensbereich war K. auch zuständig für die Umsetzung der Compliance-Regelungen der Siemens AG, nach denen jede Bestechung im geschäftlichen Verkehr zu unterbleiben hatte. In dieser Eigenschaft wies K. die Führungskräfte der Siemens PG mit Rundschreiben vom 14. Dezember 1999 insbesondere auf die Umsetzung des OECD-Anti-Korruptions-Abkommens in deutsches Recht hin. In einer am 7. Mai 1998 erlassenen Verhaltensrichtlinie des Bereichsvorstandes wurde als Weisung das Verbot formuliert, Personen, mit denen Geschäftsbeziehungen unterhalten werden, "Vorteile in Aussicht (zu) stellen oder (zu) gewähren" (UA S. 5 f.). Geschäfte seien in Übereinstimmung mit den jeweils geltenden Gesetzen zu führen; Verstöße hätten die Mitarbeiter selbst zu tragen (UA S. 5, 28).
Zugleich bestand bei der Siemens PG mindestens bis zum Ende des Jahres 2001 ein etabliertes "System zur Leistung von sog. ,Nützlichen Aufwendungen’" (UA S. 27). Dazu wurden in der Schweiz und in Liechtenstein Nummernkonten geführt, die zur Erlangung von Aufträgen eingesetzt wurden. Der Mitangeklagte V., der dauerhaft als freier Mitarbeiter für die Siemens PG bis zum 31.12.2001 wirkte, war "ca. 2/3 seiner Tätigkeit mit der Abwicklung verdeckter Überweisungen befasst, die Mitarbeiter von Siemens PG zunächst über Liechtensteinische Stiftungen, später über Firmen in Dubai in Auftrag gaben." (UA S. 5). Diese Praxis war innerhalb der Siemens PG K., V. und zahlreichen weiteren Mitarbeitern wie z.B. dem Zeugen B. bekannt (UA S. 27, 29, 70). Die Siemens AG hat damals "keine sich aufdrängenden wirksamen Maßnahmen zur Unterbindung der Bildung oder Aufdeckung von schwarzen Kassen und von Bestechung getroffen" (UA S. 64 f.). Die Taten fanden in einer Zeit statt, in der die strafrechtliche "Bewertung der Bestechung von Angestellten mit Auslandsbezug – auch bei der Siemens AG – in vollem Umbruch war" (UA S. 69).
Im Jahre 1999 schrieb die italienische Aktiengesellschaft Enelpower SpA. europaweit die Lieferung von Gasturbinen aus, deren Endabnehmer eine andere hundertprozentige Tochter der ENEL sein sollte: die ENEL Produzione SpA. Das ehemalige Staatsunternehmen ENEL ist seit dem 1.4.1999 in einem auf Grund europäischer Vorgaben liberalisierten Strommarkt tätig und betreibt nach seiner Satzung auch den Stromexport. Der italienische Staat behielt eine Aktienmehrheit und untersagte anderen Aktionären, mehr als 3 % der Aktien zu erwerben. Dem Schatzministerium Italiens stehen Sonderbefugnisse bezüglich ENEL zu.
Im Rahmen dieser Ausschreibung, an der kein anderer deutscher Wettbewerber teilnahm, gab Siemens in einem Konsortium im November 1999 ein Angebot ab, das zur Erlangung eines Auftrages mit dem Volumen von 132,5 Millionen Euro führte (Projekt "La Casella"). Auf Grund einer Initiative des Geschäftsführers der ENEL Produzione, C., der über den V. deutlich gemacht hatte, dass "er auf die Auftragsvergabe ... Einfluss nehmen könne" (UA S. 24), und nachdem sich auch G., der geschäftsführende Vorstand der Enelpower, eingeschaltet hatte, der den Vertrag zu unterzeichnen hatte, wurde Folgendes verabredet: Die Siemens PG werde C. und G. im Fall der Auftragserteilung einen Betrag von insgesamt 2,65 Mio. € zukommen lassen. Über diese Abrede war der Angeklagte K. unterrichtet. Er billigte sie angesichts des lukrativen Auftrages als langfristigen Einstieg in den italienischen Markt. K. handelte in der Annahme, dass die Tat in Deutschland nicht strafbar und das Entdeckungsrisiko gering sei. Die Zahlung führte V. am 6. Juli 2000 nach Auftragserlangung mit Mitteln eines in Liechtenstein geführten Nummernkontos aus, das noch ausreichende Mittel für "nützliche Aufwendungen" enthielt. Der Auftrag wurde erfüllt und bezahlt.
Im Juni 2000 schrieb Enelpower abermals die Lieferung von Gasturbinen aus. Erneut bewarb sich die Siemens AG als einziger deutscher Wettbewerber über ein Konsortium (Projekt "Repowering"). C. verdeutlichte wiederum, dass für die Auftragserteilung Zahlungen an G. und ihn erforderlich seien. Mit Billigung des K. wurden Zahlungen von 2.987.000 € und 483.990 USD vereinbart. Nach Erteilung eines Auftrages im Umfang von 205,6 Mio. € wurden zwischen August 2001 und Januar 2002 die vereinbarten Beträge auf Anweisung des K. bezahlt. K. und V. verwendeten dazu eine schwarze Kasse, über deren Vorhandensein zu diesem Zeitpunkt nur K. und V. konkrete Kenntnis hatten (UA S. 31), die aber auch anderen Mitarbeitern der Siemens PG "nicht gänzlich verborgen geblieben" sein konnte (UA S. 70).
Diese Kasse stammte von der durch Siemens übernommenen KWU AG. Sie wurde mit einem Guthaben von etwa 12 Mio. CHF nicht in die Bilanzen übernommen. Der frühere Verwalter dieses Kontos, W., hatte den früheren kaufmännischen Leiter der Siemens PG, P., über das Konto informiert, nachdem ein früher verfügungsberechtigter Vorgesetzter 1985 verstorben war. Obschon P. darüber "entsetzt" wirkte, bestand die Kasse daraufhin unverändert fort. Sie wurde K. Ende 1998 durch den ausscheidenden W. offenbart. K. ließ nunmehr durch V. eine liechtensteinische Stiftung errichten, auf die er die ca. 12 Mio. CHF übertragen ließ. K. handelte dabei in der Absicht, die Kasse weiterhin als schwarze Kasse zu behalten, um sie in der folgenden Zeit für ,nützliche Aufwendungen‘ zur Auftragserlangung nach seinem Gutdünken zu verwenden und dadurch aufzuzehren. In diesem Sinne verfügte K. durch Anweisung an V. über die Kasse, bis die Mittel mit dem Auftrag "Repowering" aufgebraucht waren. Auch der zweite erlangte Auftrag wurde vollständig erfüllt und bezahlt.
G. wurde zwischenzeitlich durch das Landgericht Mailand in einer Haftentscheidung als Amtsträger nach Art. 357 II itStGB beurteilt, da das italienische Schatzministerium ENEL beherrsche. Er sei auch deshalb als Amtsträger einzustufen, weil der strategisch wichtige Energiesektor betroffen sei, den die italienische Verfassung thematisiere und für den die Gesetzesvertretende Verordnung Nr. 158 die Auftragsvergabe regele und weil ENEL der Kontrolle des italienischen Rechnungshofes unterstehe (UA S. 32 f.).
Die Siemens AG erwirtschaftete durch beide Aufträge einen Gewinn vor Steuern von 103,8 Mio. €. Von ihm sind 40 % Steuern, 3,5 Mio. € für die Auftragserstellungen sowie 3,1 Mio. € "Overhead"-Kosten abzuziehen. In Italien wurde gegen die Siemens AG ein Strafverfahren durchgeführt, in dem die Siemens AG durch das Landgericht Mailand zur Zahlung von 500.000 € verurteilt sowie mit einem einjährigen Verbot des Vertragsabschlusses mit der öffentlichen Verwaltung belegt wurde. Ein überhöhter Gewinn in Höhe von 6.121.000 € wurde abgeschöpft, der anhand der gezahlten Bestechungssummen bemessen wurde. Ob der gesamte Bruttogewinn hätte abgeschöpft werden können, war nach italienischer Rechtslage ungeklärt. Mit der ENEL einigte sich die Siemens AG auf Ausgleichsleistungen in einer Gesamthöhe von insgesamt 113 Mio. €. Ausschlaggebend für die Anerkennung dieser Summe waren für Siemens insbesondere die Ziele, Sanktionen gering zu halten und den hoch bewerteten Einstieg in den italienischen Markt bzw. die Geschäftskontakte zu ENEL nicht zu verlieren. Der Vertrag mit K. wurde durch die Siemens AG im Zuge der bekannt gewordenen Vorgänge wegen der im Ergebnis unbefriedigenden Compliance zum 1.7.2004 aufgelöst.
Das Landgericht würdigt den Sachverhalt in beiden Fällen nicht als Bestechung von Amtsträgern nach § 334 StGB, da kein Fall des § 11 Nr. 2 lit. c StGB vorliege. Auch die von der Staatsanwaltschaft verfolgte Strafbarkeit gemäß § 334 StGB i.V.m. Art. 1 §§ 1 Nr. 2 lit. b, 3 Nr. 1 IntBestG verneint das Gericht, da es die hierfür erforderliche "Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben" und die "Beauftragung durch ein ausländisches öffentliches Unternehmen" nicht festgestellt sieht. Das IntBestG sei autonom völkerrechtlich auszulegen. Die Beurteilung nach italienischem Recht sei unmaßgeblich, vielmehr sei eine Anlehnung an die offiziellen Erläuterungen zum OECD-Abkommen geboten. Schon Art. 103 II GG gebiete dies, da das IntBestG bei einer Anlehnung an ausländische Amtsträgerbegriffe zu einer reinen Verweisung auf ausländisches Recht führe, das oft nur schwerlich festzustellen sei.
Das Gericht bejaht indes in beiden Fällen eine täterschaftliche Bestechung im geschäftlichen Verkehr durch K. gemäß § 299 II StGB a.F., zu der V. Beihilfe geleistet habe. Schon vor Einführung des § 299 III StGB sei der europäische Wettbewerb durch § 299 II StGB mitgeschützt gewesen. Diese Auslegung sei insbesondere geboten, da der Wortlaut nicht überschritten werde, der Gesetzgeber diesen Schutz nicht explizit ausgeschlossen habe und – vor allem – eine weiterhin enge Auslegung der "Dynamik der Veränderungen auf dem Gebiet des Europäischen Wettbewerbsrechts" nicht gerecht werde. Jedenfalls bei den hiesigen EU-weiten Ausschreibungen sei eine "gemeinschaftsfreundliche Auslegung" notwendig und daher die "Förderung des Wettbewerbs innerhalb der EU selbst" mit zu schützen. Das Gericht weist dazu insbesondere darauf hin, dass § 299 III StGB nach den Materialien nur eine Klarstellung bringen sollte und dass bereits für die frühere Fassung eine "maßnahmenkonforme Auslegung" als zulässig erachtet wurde.[5]
In dem Verhalten des K. bezüglich des Projekts "La Casella" erkennt das LG Darmstadt eine Untreue. Die Zahlungsanweisung sei angesichts der bei Siemens bestehenden Compliance-Regelung pflichtwidrig. Der Vermögensnachteil bestehe in dem endgültigen Abfluss der 2,65 Mio. Euro, dem eine "erhebliche schadensgleiche Vermögensgefährdung gegenüber stand", welche eine Kompensation durch den erlangten Auftrag ausschloss (sic! UA 43 und 54, 55). Dass die Gewinnspanne den bezahlten Betrag weit überstiegen habe, sei irrelevant, da der Gewinn nur "vorübergehend" gewesen sei. Von Beginn an hätten zivilrechtliche Ansprüche und der Verfall des Gewinns gedroht, so dass ein Gewinn den Vermögensverlust durch Zahlung des Bestechungsgeldes nicht habe kompensieren können. Diese schadensgleiche Vermögensgefährdung habe K. billigend in Kauf genommen, weil er die Umstände gekannt habe, welche eine Gefährdung des Vermögens der Siemens AG begründeten. Der bedingte Vorsatz des Angeklagten habe sich aber auf die Vermögensgefährdung als solche beschränkt. Das Handeln des K. sei auf einen Gewinn für die Siemens AG ausgerichtet gewesen; einen effektiven Schaden habe er nicht einmal billigend in Kauf genommen (UA S. 55).
Mit Bezug auf das Projekt "Repowering" vertritt die Kammer: K. habe schon durch die Aufrechterhaltung der 1998 von W. übernommenen "schwarzen Kasse" und durch ihre Verlagerung auf eine liechtensteinische Stiftung gegen die aus § 667 BGB folgende Verpflichtung verstoßen, der Siemens AG alles in Ausführung seines Auftrages Erlangte herauszugeben. Er habe die Geheimhaltung des Geldes vertieft, der Siemens AG dadurch jegliche Kontrollmöglichkeit genommen und die Möglichkeit entzogen, eine rechtmäßige Buchführung und Bilanzierung vorzunehmen. Hierdurch sei das Vermögen des Geschäftsherrn in Höhe von 12 Mio. CHF einer schadensgleichen Vermögensgefährdung ausgesetzt worden. Ein Schaden sei schon durch das Halten der "schwarzen Kasse" eingetreten und insbesondere durch die Zahlung des Bestechungsgeldes zur Erlangung des Auftrages "Repowering" vertieft worden. Auch in diesem Fall habe K. die schadensgleiche Vermögensgefährdung, nicht jedoch auch den "Eintritt eines effektiven Vermögensschadens billigend in Kauf genommen" (UA S. 56).
Kaum ein Sektor des Wirtschaftsstrafrechts unterlag in den zurückliegenden zehn Jahren einer vergleichbar dynamischen Entwicklung wie das Korruptionsstrafrecht. Diese Entwicklung bedeutete stets seine Ausdehnung. Sie ist noch heute konstant: Weitere Schritte zur "Lückenschließung" und zur Umsetzung internationaler und europäischer Verpflichtungen stehen – mit weitreichenden Folgen – vor ihrer Umsetzung.[6] Einem Gericht, das heute über Korruptionsphänomene zu befinden hat, mögen frühere Gesetzesfassungen vor diesem Hintergrund als schlecht formulierte Hindernisse für die heute erwünschte zero tolerance gegenüber der Wirtschaftskorruption erscheinen. Das Landgericht hat demgegenüber zum einen die nötige Besonnenheit bewiesen, indem es die Strafbarkeit nach dem IntBestG nicht hat ausufern lassen (I.). Das Gericht hat aber zum anderen auch unberechtigt dem Bestreben nachgegeben, eine nach ihrer Begehung vom Gesetzgeber strafbar gestellte Wirtschaftspraxis bereits in die zur Tatzeit geltende Fassung des § 299 II StGB hineinzulesen (II.).
Der Fall wirft die Frage auf, ob die belegten Zahlungen an die Mitarbeiter des ENEL-Konzerns gemäß § 334 StGB i.V.m. Art. 1 § 1 Nr. 2 lit. b IntBestG zu bestrafen waren.[7] Diese Frage soll und kann in dieser Abhandlung insbesondere hinsichtlich der Tathandlungen nicht in allen Aspekten ausgelotet werden. Die Anwendbarkeit der Amtsträgerbestechung ist indes eine entscheidende Vorfrage für die Anwendbarkeit des näher zu behandelnden § 299 II StGB a.F. Deshalb soll in vornehmlich methodischer Hinsicht auf die im Fall bedeutsamste Frage eingegangen werden, ob die ENEL-Mitarbeiter ausländische Amtsträger i.S. des Art. 1 § 1 Nr. 2 lit. b IntBestG waren. Hierfür mussten sie insbesondere öffentliche Aufgaben wahrgenommen haben. Durfte das deutsche Landgericht hier nun tatsächlich "klüger sein" als die anders judizierende italienische Gerichtsbarkeit, welche die Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe zu bejahen scheint?
Selbst vor dem Hintergrund der heute weltweit befürworteten Ächtung der Amtsträgerkorruption ist dem Landgericht in seinem methodischen Ansatz bei der Bewältigung des Skandals um Siemens beizupflichten: Die Strafbarkeit nach dem IntBestG darf nicht begründet werden, indem schlicht die nationale Beurteilung des Empfängerstaates zum Amtsträgerbegriff übernommen wird, schon weil diese maßgeblich auch vom Fehlen einer § 299 StGB entsprechenden Strafvorschrift im italienischen StGB geprägt ist. Darin läge ein vielleicht gut gemeinter, rechtlich aber nicht überzeugender Respekt vor ausländischem Recht, mit dem unverzichtbare Mindestbedingungen einer internationalisierten Strafbarkeit vorschnell aufgegeben wären.[8] Insbesondere zur hier streitigen "öffentlichen Aufgabe" nach Art. 1 § 1 Nr. 2 lit. b IntBestG (bzw. völkerrechtlich nach Art. 1 IV lit. a OECD-Abkommen) kann die national vorherrschende Auffassung nicht als solche bzw. nicht allein entscheidend sein. Die autonome, also nicht vom Vorverständnis eines bestimmten Nationalstaates ausgehende Auslegung ist ein ganz allgemeines völkerrechtliches Phänomen, das dem Strafrechtler von der Auslegung der EMRK bekannt ist.[9] Wenn das Völkerrecht nicht ausnahmsweise selbst auf nationales Recht zurückverweist, wie es etwa in Art. 5 I lit. c EMRK partiell der Fall ist,[10] prägt es seine Begriffe eigenständig mit dem Anspruch auf eine gleiche Geltung in allen verpflichteten Staaten aus.[11] Einen ausdrücklichen Verweis auf nationales Recht nimmt das OECD-Abkommen aber gerade nicht vor. Konkludent mag sich allenfalls eine weitgehende Maßgeblichkeit des nationalen Rechts für die Bestimmung des Amtsträgerbegriffes für Art. 1 § 1 Nr. 1, Nr. 2 lit. a IntBestG aus dem OECD-Abkommen ableiten lassen, das in seiner authentischen Fassung in Art. 1 IV lit. a von einem "legislative, administrative or judicial office of a foreign country" spricht.[12] Für die öffentliche Aufgabe trägt die Annahme eines konkludenten Verweises indes nicht. Kein Indiz streitet dafür, dass mit dem Abkommen gerade hier – ohne Not – ein national ungleicher Anwendungsbereich hingenommen werden sollte.[13] Im Gegenteil sprechen die maßgeb-
lichen Erläuterungen zum Abkommen stark für eine inhaltlich bestimmte und somit einheitliche Vorstellung darüber, wann öffentliche Aufgaben durch ein öffentliches Unternehmen wahrgenommen werden.[14] Das italienische Vorverständnis kann daher nicht als solches übernommen werden. Es könnte allein über eine wertende Rechtsvergleichung prinzipiell aller dem hiesigen Völkerrecht unterstehenden Rechtsordnungen von Bedeutung sein.[15] Eine vorherrschende nationale Praxis zur öffentlichen Aufgabenwahrnehmung, die der Praxis Italiens entspricht und diese daher zum Leitbild erhebt, lässt sich hier aber schon angesichts divergenter Staatsverständnisse[16] und mit Blick auf die problematische Anwendung des OECD-Abkommens auf alle Staaten und internationalen Organisationen[17] nicht ausmachen.[18]
Ist die öffentliche Aufgabe nun aber autonom auszulegen, impliziert schon dies, dass die völkerrechtliche und die nationale Beurteilung zu einem Rechtsbegriff auseinanderfallen können. Genau dies kommt hier zum Tragen. Völkerrechtlich steht es Italien frei, national von einem weitergehenden Begriffsverständnis auszugehen. Während das italienische Vorverständnis extensiv erscheint,[19] liegt dem OECD-Abkommen und so auch dem IntBestG ein restriktiveres Verständnis der "Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben" zugrunde.[20] Durch das Abkommen tritt folglich eine Abweichung zum italienischen Recht auf. Ein deutsches Landgericht, das – wie hier – von der Beurteilung eines italienischen Gerichts abweicht, spielt sich damit keineswegs als hinsichtlich des italienischen Rechts klüger auf: Es legt vielmehr schon nicht das italienische Strafrecht, sondern das völkerrechtskonform auszulegende deutsche Strafgesetz aus, das die Identität mit italienischem Strafrecht nicht garantiert.
Auch die Völkerrechtsfreundlichkeit der deutschen Rechtsordnung vermag das Landgericht nicht zu widerlegen. Im Gegenteil wäre es verfehlt, würden deutsche Gerichte infolge einer gewissen Unsicherheit im Umgang mit Völkerrecht stets zu einer extensiven Auslegung gelangen, weil scheinbar nur die Maximalauslegung völkerrechtlicher Strafverpflichtungen das Völkerrecht fraglos wahrt. Ohne dass es schon auf Art. 103 II GG ankäme, setzt eine völkerrechtsfreundliche Auslegung zuallererst voraus, dass das in Rede stehende Völkerrecht methodisch richtig ausgelegt wird. Hier gibt es aber mitnichten eine Auslegungsmaxime, völkerrechtliche Strafverpflichtungen stets so weit wie nach dem reinen Wortlaut möglich auszulegen! Mehr noch findet der vom Landgericht herangezogene Maßstab des bestimmten und damit vorhersehbar auszulegenden Strafbarkeitsgesetzes schon im Völkerrecht seinen Anker. Völkerrechtlich wird die Bestimmtheit von Straftatbeständen durch Art. 15 IpPbR und Art. 7 EMRK gewährleistet.[21] Gemäß Art. 31 Nr. 3 lit. c WVK sind bei der Auslegung völkerrechtlicher Verträge wie des OECD-Abkommens stets alle weiteren, zugleich geltenden völkerrechtlichen Rechtssätze heranzuziehen, um Widersprüche zu vermeiden. Dies ermöglicht es schon völkerrechtlich, unbestimmten Interpretationen bei der Auslegung des Art. 1 IV lit. a OECD-Abkommen entgegen zu wirken, die bei einer Lesart als Verweis auf divergentes nationales Recht entstehen müssten. Auf diese Art und Weise kann auch ein Konflikt mit dem Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 II GG vermieden werden, ohne völkerrechtliche Verpflichtungen Deutschlands zu verletzen. Dieser Konflikt mit Art. 103 II GG wäre ohne die autonome Auslegung freilich unausweichlich, denn ein uneingeschränkter Verweis auf nahezu beliebige, kaum zugängliche und oft schwer feststellbare ausländische Rechtsmaßstäbe käme einer Blankettstrafbarkeit über das IntBestG gleich und würde daher die berechtigten Maßstäbe auch der Verfassungsrechtsprechung verfehlen.[22]
Zur Bestechung im geschäftlichen Verkehr hat das Landgericht neue Wege beschritten: Die bisher herrschende Auslegung, nach der nur der deutsche Wettbewerb durch § 299 II StGB a.F. geschützt war, hat das Gericht angesichts des weiten Wortlauts mit dem Kernargument gewandelter Verhältnisse in Europa verworfen. Geschützt werde auch der europäische Wettbewerb. Weder objektiv durch einen weiteren deutschen Wettbewerber noch in der subjektiven Vorstellung des Bestechenden soll ein Bezug zum deutschen Wettbewerb (zu deutschen Wettbewerbern) nötig sein.[23] Damit kehrt das Landgericht der bis heute einhelligen Zivilrechtrechtsprechung
des BGH und der zur Tatzeit ganz herrschenden Meinung den Rücken, nach der § 299 II StGB a.F. nur den deutschen Wettbewerb bzw. deutsche Wettbewerber schützt.[24] Auch wenn das Gericht seine Ansicht ausführlich begründet, ist ihr doch entgegenzutreten. Sie bedeutet praktisch, dass heutige strafrechtliche Maßstäbe und gesellschaftliche Erwartungen auf eine früher bei deutschen Unternehmen verbreitete und durch ausländische Marktverhältnisse mindestens begünstigte Praxis[25] projiziert werden. Bei all ihrer Bedenklichkeit hat auch diese Praxis den Anspruch auf eine uneingeschränkt rechtsstaatliche Würdigung anhand des zur Tatzeit geltenden Strafrechts.
Für die Auslegung des § 299 II StGB a.F. wäre es von nicht geringer Bedeutung, wenn sich ein subjektiver Wille bzw. konkrete Anwendungsvorstellungen des Gesetzgebers feststellen ließen, die bei der Auslegung des Gesetzeswortlauts leitend sein könnten. Solche Vorstellungen, die für die Erfassung von Alttaten vor August 2002 sprechen könnten, gibt es aber nicht:
Der Gesetzgeber hat 1997 durch Art. 1 Nr. 3 des Korruptionsbekämpfungsgesetzes den § 12 UWG a.F. in modifizierter Form in das StGB übernommen und in § 299 II StGB a.F. die Strafbarkeit des Bestechenden geregelt. Zu § 12 UWG a.F. war – wie bereits mitgeteilt – nahezu einhellig anerkannt, dass das deutsche Strafrecht nur den deutschen Wettbewerb schützt, nicht indes auch als Selbstzweck den europäischen oder weltweiten Wettbewerb.[26] Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage bekundete der Gesetzgeber des Jahres 1997, dass die Überführung des § 12 UWG a.F. in den neuen § 299 StGB "keine inhaltliche Änderung" bringen sollte.[27] Damit ist jedenfalls gesagt, dass dem Gesetzgeber die Konzentration des § 12 UWG a.F. auf den deutschen Wettbewerb und damit das nationale Rechtsgutsverständnis 1997 nicht als Problem erschien: Die Europäisierung der Norm wurde von ihm 1997 nicht angestrebt. Entschließungsanträge zeigen, dass allgemein zusätzliche gesetzliche Maßnahmen zur strafrechtlichen Erfassung internationaler Korruption als erforderlich angesehen wurden.[28]
Im Jahre 2002 führte der Gesetzgeber im Kontext der Einführung des § 299 III StGB n.F.[29] aus, dass er "klären" wolle, dass auch § 299 II StGB "den Wettbewerb generell, d.h. weltweit schütze".[30] Weiter heißt es: "Da der Wortlaut nicht entgegensteht, könnte die Rechtsprechung bereits jetzt ... § 299 StGB maßnahmenkonform, d. h. hier auslandsbezogen auslegen."[31] Dies stellt indes allein die nachträgliche Äußerung einer Rechtsauffassung dar. Der Gesetzgeber kann nicht kurzerhand über Materialien zu späteren Gesetzen die Auslegung früherer Gesetze determinieren, schon weil er auch sonst nicht rückwirkend Strafe begründen oder schärfen darf.[32] Ebenso ist bekannt, dass Rechtsauffassungen aus dem Gesetzgebungsprozess – bei allem Respekt, den sie verdienen – nicht stets richtig sein müssen:[33] Sie führen keine Garantie mit sich und ersparen dem Rechtsanwender mitnichten die eigene Rechtsprüfung. Tatsächlich ist die in den Materialien geäußerte Ansicht hier unzutreffend, wie noch zu zeigen sein wird, (2. – 4.). Zudem hat der Gesetzgeber die Ausdehnung des § 299 II StGB a.F. mit seiner Äußerung – genau betrachtet – nur als zulässig bezeichnet.[34] Ein Programm, die Strafbarkeit auszudehnen, das nun das Landgericht Darmstadt umzusetzen hätte, hat der Gesetzgeber der Rechtsprechung auch vor dem Hintergrund der Europäisierung tatsächlich nicht aufgetragen. Dafür spricht nicht zuletzt die Verwendung des Wortes "klären" anstatt "klarstellen". Denn "klären" bedeutet nicht dasselbe wie "klarstellen", versteht sich insbesondere in höherem Maße als Entscheidung einer Unklarheit allein für die Zukunft.
Als Ergebnis verbleibt mithin: Der Gesetzgeber hat bislang nicht in relevanter Art und Weise offenbart, dass er auch ausländische Wettbewerbe bzw. Rechtsgüter schützen will. Er hat diesen Schutz lediglich nicht durch den Wortlaut des § 299 II a.F. StGB ausgeschlossen. Die vom Landgericht vorgenommene Normausdehnung hat er nicht vorgezeichnet.
Näher zu einer Entscheidung führt eine Analyse des Gesetzlichkeitsprinzips. Das Landgericht unterliegt nämlich wie Teile des Schrifttums der Versuchung, den strengen strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt des Art. 103 II GG[35] immer schon dann als gewahrt anzusehen, wenn sich nur der Wortlaut der fraglichen Strafnorm im Sinne einer erwünschten weiten Auslegung verstehen lässt. Dies verkürzt gerade im Kontext der in Rede stehenden Europäisierung und Internationalisierung der Norm die Dimensionen des Gesetzlichkeitsprinzips:
In den Worten des Bundesverfassungsgerichts gewährleistet Art. 103 II GG, dass eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Dies verpflichtet den Gesetzgeber, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so genau zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände für den Normadressaten schon aus dem Gesetz selbst zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln und konkretisieren lassen.[36] Mit der strengen Bindung der strafenden Staatsgewalt an das Gesetz gewährt das Bestimmtheitsgebot Rechtssicherheit und schützt zur Wahrung ihrer Freiheitsrechte das Vertrauen der Bürger, dass der Staat nur dasjenige Verhalten als strafbare Handlung verfolgt und bestraft, das zum Zeitpunkt der Tat gesetzlich bestimmt war.[37] Art. 103 II GG fordert demnach, so formuliert es der BGH, nicht nur die Subsumierbarkeit einer Auslegung unter den Wortlaut, sondern auch ihre Vorhersehbarkeit.[38] Die Überschreitung des Wortlauts ist die äußerste, nicht die einzige Grenze.[39] Art. 103 II GG sorgt zugleich dafür, dass im Bereich des Strafrechts nur der Gesetzgeber abstrakt-generell über die Strafbarkeit entscheidet.[40] Die Legislative ist von Verfassungs wegen verpflichtet, die Grenzen der Strafbarkeit selbst zu bestimmen; sie darf diese Entscheidung nicht anderen staatlichen Gewalten, etwa der Strafjustiz, überlassen. Das Bestimmtheitsgebot versagt auch dem Strafrichter, ein unbestimmtes Gesetz von sich aus nachzubessern.[41] Bei alledem verwehrt es Art. 103 II GG dem Gesetzgeber aber nicht, auslegungsbedürftige Begriffe zu gebrauchen.[42] Gegen Rechtsprechungsänderungen schützt das Grundgesetz weder nach Art. 103 II GG noch nach Art. 20 III GG, solange die Rechtsprechung auf Grund neuer Erkenntnisgrundlagen zu einer anderen Auffassung gelangt.[43]
Nach diesen Maßstäben nimmt das Landgericht zunächst zutreffend an, dass zumindest kein Verstoß gegen die Wortlautschranke vorliegt. Das ist schon deshalb richtig, weil der Wettbewerb in § 299 II StGB a.F. gar nicht näher qualifiziert war. Vorschnell ist es jedoch, die vom Landgericht praktizierte Auslegung als alltägliche Rechtsprechungsänderung zu sehen, die unproblematisch sei, weil der Gesetzgeber auch auslegungsbedürftige Begriffe verwenden darf. Es wird hier nicht nur allein eine Auslegung verändert und damit eine rein quantitativ größere Anwendung bewirkt. Es wird vielmehr eine für diesen Tatbestand qualitativ neue Schutzrichtung, ein neu verstandenes auslegungsprägendes Rechtsgut zugrunde gelegt: Aus einem national gedachtem Schutz vor unlauterem Wettbewerb zugunsten der eigenen Marktteilnehmer[44] wird jetzt rückblickend ein Delikt, das der "Förderung des Wettbewerbs innerhalb der EU selbst" dient. Der deutsche Wettbewerb wird gleichsam nur noch als Teil des europäischen Binnenmarktes (bzw. fortgedacht: des globalisierten Weltmarktes)[45] mitgeschützt. Das bedeutet nichts anderes, als dass die Rechtsprechung und nicht der Gesetzgeber Tragweite und Anwendungsbereich des Gesetzes durch die Anerkennung eines neuen Rechtsguts grundsätzlich neu bestimmt, denn das Landgericht kann sich für diesen Wandel nicht auf den Gesetzgeber berufen: Es lässt sich nicht sagen, dass der 1909 eingeführte § 12 UWG a.F. als Delikt geschaffen wurde, das auch den Wettbewerb (konkurrierender) anderer Nationalstaaten schützen sollte. Ebenso lässt sich die Rechtsänderung des Jahres 1997 nicht als Schritt des Gesetzgebers hin zur fundamentalen Neuausrichtung interpretieren. Auch die Zustimmung des Gesetzgebers zum EU-Wettbewerbsrecht belegt nicht, dass er zugleich über die prinzipielle Strafwürdigkeit von Verletzungen des EU-Wettbewerbsrechtes positiv entschieden hätte. Selbst wenn im Grundsatz anerkannt ist, dass eine objektive und nicht allein subjektiv-historische Auslegung den Vorzug verdient,[46] so kann doch das geschützte Rechts-
gut im Strafrecht nicht von der Rechtsprechung allein über einen Verweis auf die "Dynamik sich wandelnder Verhältnisse" in diesem Ausmaß ausdehnend neu bestimmt werden. Soll der Gesetzgeber tatsächlich, wie es das BVerfG betont, über die Strafbarkeit abstrakt-generell entscheiden müssen, kann ihm die Entscheidung über das Rechtsgut nicht derart aus der Hand genommen werden: Gerade im Zuge der heute primär teleologischen Auslegung von Strafrechtsnormen[47] liegt in dieser Entscheidung eine für das Tatbestandsverständnis abstrakt-generell vorentscheidende Grundfrage, deren Beantwortung dem Gesetzgeber gebührt, nicht hingegen der Judikatur. Und gerade deshalb ist der Gesetzgeber auch im Jahre 2002 mit der Einführung von § 299 III StGB tätig geworden.
Auch nach dem spezifischen Ziel des Art. 103 II GG, eine hinreichende Vorhersehbarkeit für die Rechtsadressaten zu gewährleisten, ist eine solche restriktive Haltung zu § 299 II StGB a.F. begründet. Aus der Perspektive der Jahre 1997 bis 2002 haben die einhellige Rechtsprechung und die herrschende Lehre den Tatbestand tradiert auf den deutschen Wettbewerb beschränkt und damit die heute behauptete Tragweite des Gesetzes nicht erkennen lassen. Wenn aber die Auslegungspraxis zu einer Norm deren Vorhersehbarkeit positiv mitbegründen können soll,[48] dann sollte eine tradierte einschränkende Auslegungspraxis die Vorhersehbarkeit einer Normauslegung unter Umständen auch begrenzen können.[49] Eben dies ist hier der Fall, wenn man hinzunimmt, dass sich das deutsche Strafrecht beim Schutz überindividueller Rechtsgüter auch über § 299 II StGB hinaus grundsätzlich auf einen national ausgerichteten Schutz beschränkt, sofern das Gesetz nicht ausdrücklich anderes bestimmt.[50] Hier war der weite Wortlaut allein als Anlass für die Erkenntnis eines ernsthaften Strafbarkeitsrisikos durch den Normadressaten nicht mehr geeignet. Gerade auch aus diesem Grunde konnte sich die ganz offenbar in der deutschen Exportwirtschaft weit verbreitete Praxis der Auslandsbestechung[51] nicht nur bei Siemens in dem heute bestaunten Ausmaß herausbilden. Angesichts der damals regelmäßigen Straflosigkeit der Wirtschaftskorruption im Ausland ist dieser Praxis – von einem (export-)wirtschaftlichen Standpunkt betrachtet – die Schutzwürdigkeit auch nicht ohne weiteres gänzlich abzusprechen. Die deutsche Rechtsordnung hat diese Auslandsbestechung zudem nicht nur durch die auch 1997 noch vom Gesetzgeber akzeptierte eingeschränkte Auslegung begünstigt. Sie hat den Handelnden zusätzlich eine erhebliche Vertrauensgrundlage geschaffen, indem das deutsche Steuerrecht in Norm und Praxis traditionell die nationale Reduktion von § 12 UWG a.F. dadurch abgesichert hatte, dass das Bestechungsgeld als Betriebsausgabe absetzbar war (was sogar im Jahre 2002 zu § 299 II StGB a.F. durch das BMF noch nach der Begehung der angeklagten Taten bestätigt wurde!).[52] Wenn auch eine Europäisierung des Rechtsguts nicht in jedem Fall eine Gesetzgebung voraussetzen mag,[53] konnte doch in diesem spezifischen Kontext die geforderte Vorhersehbarkeit für die Normadressaten nur durch § 299 III StGB n.F. bzw. durch eine vergleichbare Gesetzgebung (wieder-)hergestellt werden. Nur hiermit konnte die tatsächliche Abkehr von der im "Exportweltmeisterland Deutschland" lange geduldeten Auslandsbestechung normativ hinreichend vermittelt werden. Die vom Landgericht im Zuge der Zeit vorgeschlagene extensive, auslandsbezogene Auslegung des § 299 II StGB a.F. verstößt deshalb gegen Art. 103 II GG.
An diesem Ergebnis ändert sich auch nichts durch den völkerrechtlichen Kontext. Richtig ist, dass das OECD-Abkommen die Strafbarkeit der Bestechung ausländischer Amtsträger zur Tatzeit vorschrieb. Eine vergleichbare völkerrechtliche Pflicht existierte aber hinsichtlich der Wirtschaftskorruption zur Tatzeit nicht.[54] Es ließe sich einzig erwägen, nationale Tatbestände gegen die Wirtschaftskorruption zur Absicherung der Strafbarkeit der Amtsträgerkorruption "völkerrechtsinspiriert" über ein abgesenktes Maß erforderlicher Vorhersehbarkeit auch auf den Auslandswettbewerb zu erstrecken, damit keine "Strafbarkeitslücken" entstehen, falls sich Art. 1 § 1
IntBestG als zu eng erweist oder im Einzelfall verkannt wird.
Eine solche Auslegung ist indes gerade im sensiblen, grundrechtseingreifenden Strafrecht nicht zu begründen: Gelangt der Rechtsanwender bei einer methodisch sauberen Anwendung des OECD-Abkommens bzw. des IntBestG zur Straflosigkeit, ist dies gerade nicht zu korrigieren. Gelangt der Rechtsanwender indes zu einem unrichtigen Ergebnis, so ist dies auch exakt bei der Auslegung der Delikte gegen die Bestechung von Amtsträgern und nirgends sonst zu beheben. Das OECD-Abkommen markiert die Reichweite der völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands. Diese nochmals prophylaktisch zu erweitern, ist weder völkerrechtlich noch durch den Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit geboten. Konsequent angewendet würde eine derartig überdehnende Auslegungsmethodik im Ergebnis einer "Wucherung des Strafbaren"[55] auf Grund völkerrechtlicher Kriminalisierungspflichten gleichkommen.
Indessen hat das Landgericht eine globale Erstreckung offen gelassen und sich darauf beschränkt, den europäischen Wettbewerb durch Strafrecht "fördern" zu wollen. Auch die speziell hierfür sprechenden Gründe tragen die Entscheidung des Gerichts jedoch nicht.
Wie auch das Landgericht letztlich anerkennt, bestand zur Tatzeit und auch zum Zeitpunkt seiner Einführung keine Pflicht zu einer europarechtskonformen Auslegung des § 299 II StGB a.F. Was es aber zur Tatzeit bereits gab, war die Gemeinsame Maßnahme des Europäischen Rates vom 22.12.1998.[56] Diese Handlungsform der 3. Säule der EU gab den Mitgliedsstaaten vor, innerhalb von zwei Jahren geeignete Vorschläge zur Bestrafung von Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr zu unterbreiten,[57] wobei fraglich ist, ob dies nicht nur zur Einführung eines national ausgerichteten Tatbestands anhält.[58] Das Landgericht zieht die Gemeinsame Maßnahme im Anschluss an eine zur Tatzeit selten vertretene Auffassung[59] heran, um seine dann "notwendig gemeinschaftsfreundliche" Auslegung zu begründen.
Ohne die allgemeinen Rechtswirkungen der heute durch einen Rahmenbeschluss ersetzten Gemeinsamen Maßnahme nach Art. K. 3 II lit. b EU-V (Maastricht) behandeln zu müssen, ist dazu festzustellen: Die insbesondere in der Rechtsprechung des EuGH vernehmbare Tendenz, Handlungsformen des Europarechts selbst in der 3. Säule auch ohne eine planmäßige nationale Umsetzung nach dem Grundsatz des effet utile nivellierend hin zu ihrer weitgehenden Geltung auszulegen,[60] muss jedenfalls bei der Gemeinsamen Maßnahme enden, soweit diese wie hier originär praktisch strafbegründend wirken soll.[61] Vor allem aber verpflichtet die konkret in Rede stehende Gemeinsame Maßnahme nur zu "Vorschlägen", die sodann zu prüfen waren, ohne dass es – anders als bei der Richtlinie – eine konkrete Umsetzungsfrist gab.[62] Sie beließ dem deutschen Gesetzgeber insbesondere durch Art. 4 II der Gemeinsamen Maßnahme hinsichtlich der vorzusehenden Sanktion einen beträchtlichen Spielraum, den der Gesetzgeber erst zum 30.8.2002 genutzt hat und bis zum 23.12.2000 noch nicht ausschöpfen musste. Zum Tatzeitpunkt hätte der Gesetzgeber zum Beispiel im Einklang mit Art. 7 I lit. a und b der Gemeinsamen Maßnahme ein Gegenseitigkeitserfordernis vorsehen können, das Italien damals nicht erfüllt hätte.[63] Ebenso hätte er die Strafbarkeit konkreter auf Fälle von Wettbewerbsverzerrungen beschränken können.[64] Jedenfalls die hier betroffene Gemeinsame Maßnahme, die den EU-Mitgliedsstaaten keine bestimmte, bereits Vorhersehbarkeit schaffende Regelung vorgibt, kann damit kein hinreichendes Surrogat für das nach Art. 103 II GG geforderte Parlamentsgesetz darstellen, das auch die Vorhersehbarkeit der angedrohten Sanktion gewährleisten muss.[65] Ein unter der Hand doch zwingender Anschluss an die Gemeinsame Maßnahme im Wege einer "notwendig gemeinschaftsrechtsfreundlichen Auslegung" muss daher ausscheiden. Dies gilt ganz unabhängig von der schon ganz allgemein gehaltvollen Kritik am Demokratiedefizit der EU, das bei der Europäisierung des Strafrechts – gerade bei der Handlungsform der Gemeinsamen Maßnahme – in besonderem Maße schmerzt.[66]
Das Gericht argumentiert darüber hinaus zentral damit, dass § 12 UWG a.F. und § 299 II StGB a.F. ganz allgemein im Umfeld der Europäisierung des Wettbewerbs(rechts) zeitgemäß "gemeinschaftsrechtsfreundlich" neu zu interpretieren seien. Es betont, dass europaweite Ausschreibungen vorlagen, die insbesondere auf europäischem Wettbewerbsrecht beruhten. Folglich sei § 299 II StGB a.F. jedenfalls hier anzuwenden. Diese Argumentation besitzt gewiss eine Anfangplausibilität insofern, als heute der europäische Binnenmarkt und das europäische Wettbewerbsrecht kaum weniger schützenswert sind als der rein nationale deutsche Wettbewerb. Mit anderen Worten: Die Erstreckung des Schutzes durch § 299 III StGB n.F. ist hinsichtlich des europäischen Wettbewerbs auf Grund der großen Homogenität der geschützten Wettbewerbe gut und im Vergleich zum weltweiten Wettbewerb besser zu begründen.
Gleichwohl muss auch dieses "europäische Argument" bei der Betrachtung für die Zeit vor dem 30.8.2002 ein rechtspolitisches bleiben. Auch eine europäisch begründete und heute in Deutschland geteilte Strafwürdigkeit muss dem in seiner demokratischen Dimension unverkürzten Gesetzlichkeitsprinzip genügen: Die Strafwürdigkeit muss sich in einer vorhersehbaren gesetzlichen Strafbarkeit niederschlagen.[67] Eben daran aber fehlt es. Für die Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips muss sich das deutsche Recht bzw. ein deutsches Gericht dabei nicht gleichsam "entschuldigen". Es bedarf keines Verweises auf Art. 103 II GG als nationales Recht. Vielmehr stellt das Gesetzlichkeitsprinzip selbst einen allgemeinen Rechtsgrundsatz des Europarechts[68] und ein Menschenrecht nach Art. 7 EMRK[69] dar. Es besteht weder Grund noch Anlass, das Gesetzlichkeitsprinzip im europäischen Kontext enger auszulegen.
Der vom Landgericht vertretenen Erstreckung des § 299 II StGB a.F. auf den Schutz des europäischen Wettbewerbes kann nicht zugestimmt werden. Sie findet trotz des abstrakt genügenden Wortlauts keine hinreichende gesetzliche Grundlage und verstößt in ihrer rückwirkenden Orientierung an § 299 III StGB n.F. gegen das Gesetzlichkeitsprinzip aus Art. 103 II GG.[70] Fallgestaltungen wie die im Urteil des Landgerichts behandelten, die keinen Bezug zum deutschen Wettbewerb haben, können erst nach dem 30.8.2002 als Wirtschaftskorruption gemäß § 299 III StGB geahndet werden. Selbst wer den strafrechtlichen Parlamentsvorbehalt nicht streng gehandhabt sehen will, muss die hier geltend gemachten Aspekte im Sinne einer mindestens "bestimmtheitsinspirierten Auslegung" berücksichtigen. Die Judikatur würde Spielräume des Wortlauts nutzen, die nicht darüber hinwegtäuschen können, dass die heutige harte Haltung gegenüber der Auslandsbestechung in der "Exportnation Deutschland" erst neueren Datums ist.
So wenig wie die rückwirkende Anwendung des § 299 II StGB a.F. auf Fälle der Auslandskorruption vor August 2002 überzeugt, so problematisch ist auch die Bejahung einer Untreuestrafbarkeit sowohl hinsichtlich der Fortführung der "schwarze Kasse" als auch hinsichtlich der Bestechungszahlungen. Diese Kriminalisierung setzt den in der Praxis vernehmbaren Trend fort, den international und besonders in Europa verstärkten "Kampf gegen die Korruption" nun vor allem auch mit dem "Degen der Untreue" zu führen, der das "Florett der Korruptionsdelikte" nahezu erübrigen könnte. Die Untreue könnte, so scheint es, mit dem hiesigen Verfahren auch dogmatisch als Korruptionsvorfelddelikt "fit gemacht werden".[71] Die prozessualen Vorteile einer solchen Instrumentalisierung der Untreue liegen auf der Hand. Durch den Verzicht auf die Feststellung von Unrechtsvereinbarungen, Zahlungsmodalitäten oder ausländischen Amtsträgereigenschaften lässt sich im Kontext der Auslandsbestechung die auf den Inlandssachverhalt beschränkte Untreuestrafvorschrift um ein Vielfaches leichter nachweisen als die Korruptionsdelikte. Materiellrechtlich setzt dieser praktische Verfolgungsvorteil freilich zwei hochbedenkliche Ausweitungen des ohnehin extensionsanfälligen Untreuetatbestandes voraus:[72] die Übertragung der vornehmlich für öffentliche Haushalte entwickelten schwarze Kasse-Rechtsprechung des BGH auf die Privatwirtschaft (I.); und am heikelsten die Untreue-Kriminalisierung von "nützlichen" Schmiergeldzahlungen auf Geberseite, die, so unlängst noch ein bekannter Kommentator, "bislang noch nie als strafbare Untreue eingestuft worden" sind (II.).[73] Beiden Extensionen ist entschieden entgegenzutreten.
Wie der Fall Siemens zeigt, dürfte die Zahlung von Bestechungsgeldern aus verborgenen Kassen in der Privatwirtschaft der Regelfall wettbewerbsverzerrender Korruption sein.[74] Denn alle an der Bestechung Beteiligten haben im Lichte der Idee der freien Marktwirtschaft handfeste moralische und rechtliche Interessen, die Bestechungszahlungen grundsätzlich geheim zu halten. Deshalb liegt es nahe und so verfährt auch das Landgericht Darmstadt, unabhängig von den Bestechungszahlungen zu prüfen, ob nicht bereits die Weiterführung der verborgenen Konten den Untreuetatbestand verwirklicht.[75] Das Landgericht Darmstadt setzt dabei ohne Problematisierung voraus, dass es sich bei den Geheimkonten um schwarze Kassen handelt und die rechtliche Würdigung sich deshalb ohne Weiteres nach dem Urteil des BGH im Fall Kanther beurteilt (UA, S. 55 ff.). Diese Voraussetzung ist jedoch alles andere als selbstverständlich. Die ungeprüfte begriffliche Einordnung der verborgenen Siemens-Konten als schwarze Kassen lässt wesentliche strukturelle Unterschiede unberücksichtigt (1.), die sich nicht nur bei der Feststellung der Pflichtwidrigkeit auswirken können (2.), sondern vor allem der Annahme eines Vermögensnachteils entgegenstehen (3.). Auf jeden Fall fehlt der bedingte Gefährdungsvorsatz nach der neuen BGH-Rechtsprechung im Fall Kanther (4.).
Das Unbehagen, die verborgenen Siemens-Konten ohne Weiteres als schwarze Kassen anzusehen, rührt aus dem Umstand, dass es bei Siemens nach den Feststellungen des Urteils nicht nur eine, sondern ein ganzes "etabliertes" System schwarzer Kassen im Ausland gegeben hat. Dieses System bestand über Jahre bzw. Jahrzehnte, wurde im Wege der Verantwortlichkeitsnachfolge quasi auf Vorstandsebene übertragen und von einem Mitarbeiter sogar zu 2/3 seiner Arbeitszeit nur für die Sparte Siemens PG betreut. Deshalb – und das ist gewiss der irritierendste Umstand – war das System der "verborgenen Konten" auch einer größeren Anzahl von Siemensmitarbeitern bekannt. Diese quantitative Massivität und qualitative Teiltransparenz der verborgenen Siemens-Konten wirft unwillkürlich die Frage auf, was denn an diesen Konten überhaupt noch "schwarz" gewesen ist.
Eine Beantwortung dieser Frage steht vor der Schwierigkeit, dass der Begriff der schwarzen Kasse ungeklärt ist. Grundsätzlich kann man auf zwei Aspekte abstellen: Zum einen kann man die "Schwärze" einer Kasse allein an dem schieren Verstoß gegen gesetzliche Buchführungs- und Rechnungslegungspflichten bemessen, so dass im Fall Siemens trotz der internen Teiltransparenz von schwarzen Kassen auszugehen wäre. Zum anderen kann man mit der überwiegenden Meinung unter schwarzen Kassen einen Bestand von Geldern des Geschäftsherrn verstehen, der unter Verletzung von Pflichten gebildet, vor dem Geschäftsherrn bzw. der zuständigen Stelle verheimlicht und mit der Absicht unterhalten wird, die Gelder zu Zwecken des Geschäftsherrn zu verwenden.[76] Nach dieser Begriffsdefinition ist das auf Geheiß, mit Billigung oder Duldung des Geschäftsherrn geführte "Geheimkonto" begrifflich keine schwarze Kasse.[77] Natürlich kann man weiter darüber streiten, unter welchen Voraussetzungen insbesondere eine Billigung oder Duldung des Geschäftsherrn anzunehmen sein wird. Denn die oberste Führungsebene wird regelmäßig jedenfalls offiziell bestreiten, von den Geheimkonten ("Kriegskassen"[78]) zur Finanzierung von Schmiergeldern Kenntnis gehabt zu haben.[79] Von Duldung und/oder Billigung, die keine konkrete Kenntnis von Konten und Geldern erfordern, wird man aber dann ausgehen dürfen, wenn die obere Führungsebene die verdeckte Kassenführung strukturell dadurch begünstigt, dass sie sich aufdrängende Gegenmaßnahmen nicht ergriffen hat (vgl. UA S. 64 f.).
Wir schlagen vor, Geheimkonten, die wie im Fall Siemens aufgrund ihrer Strukturen quantitativ und qualitativ in hohem Maße teiltransparent sind, nicht als "schwarze Kassen", sondern als "Schattenkassen" zu bezeichnen.[80] Schattenkassen sind demnach gesetzwidrige, aber mit Kenntnis (Geheiß, Billigung, Duldung) des Geschäftsherrn bzw. der zuständigen Stelle gebildete Geheimkonten. Dabei ist nebensächlich, ob man "Schattenkassen" begrifflich als eigenständigen Typ von Geheimkonten oder – wozu wir neigen – als spezifischen Unterfall von "schwarzen Kassen" ansieht. Entscheidend ist vielmehr zu erkennen, dass der selbständige Begriff der Schattenkasse mit der Kenntnis des Geschäftsherrn bzw. der zuständigen Stelle einen wertungsrelevanten Strukturunterschied zur sonstigen schwarzen Kasse zum Ausdruck bringt. Er ist bei der Prüfung insbesondere der Pflichtverletzung und des Vermögensnachteils zu berücksichtigen, weil das Unrecht der Untreue gerade gegenüber dem Geschäftsherrn zu begründen ist. Bei der Annahme einer Pflichtverletzung bedarf es insoweit der Feststellung, dass kein wirksames Einverständnis seitens des Geschäftsherrn bzw. der zuständigen Stelle vorliegt. Im Rahmen der Prüfung des Vermögensnachteils ist zu berücksichtigen, dass sich dieser bei einer Schattenkasse wegen der Kenntnis des Geschäftsherrn bzw. der zuständigen Stelle nicht in gleicher Weise mit dem Kriterium des Kontrollentzugs begründen lässt wie bei der sonstigen schwarzen Kasse nach der Rechtsprechung des BGH.
Da die Bejahung der Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten (Bereichsvorstand) wie in vergleichbaren
Fällen keine Schwierigkeiten bereitet, konzentriert sich die Prüfung zunächst auf die Frage der Pflichtverletzung. Mit Recht ist jüngst moniert worden, dass sich Rechtsprechung und Schrifttum bei der Würdigung schwarzer Kassen bislang auf den Vermögensnachteil konzentriert und die Pflichtverletzung vernachlässigt haben.[81] Das gilt umso mehr, wenn es wie im Fall Siemens um Schattenkassen geht. Fraglich ist hier nicht nur die Quelle der Pflichtwidrigkeit, sondern fraglich sind vor allem die Anforderungen, die an die Wirksamkeit eines Einverständnisses des Geschäftsherrn zu stellen sind.
Dass Compliance-Regeln des Treugebers grundsätzlich geeignet sind, als untreuetaugliche Pflichten zu fungieren, wird man aufgrund der Maßgeblichkeit seines Willens für Umfang und Inhalt des Pflichtenkreises des Treunehmers annehmen dürfen.[82] Bezüglich der Schattenkassen bei Siemens sind Verstöße gegen Compliance-Regeln allerdings schon deshalb nicht zu besorgen, weil die einschlägige Compliance-Regel allein die Zahlung von Bestechungsgeld verbot (vgl. UA, S. 54).
Das Landgericht stützt die Pflichtverletzung zunächst auf die Herausgabepflicht des Beauftragten gegenüber dem Geschäftsherrn gemäß § 667 BGB. Das ist schief, weil die Buchführungspflicht des Beauftragten bzw. Geschäftsbesorgers sich aus § 666 BGB i.V.m. § 662 bzw. 675 BGB ergibt, woran bei schwarzen Kassen herkömmlicherweise auch angeknüpft wird.[83] Das Landgericht mag diese Schwäche gespürt haben. Denn mit dem Hinweis, dass der Angeklagte als für die Buchführung Verantwortlicher die Gelder nicht an sich selbst zu übergeben hatte, ergänzt es den Vorwurf der Pflichtwidrigkeit dahin, dass der Angeklagte mit der Fortführung der Schattenkasse seine handelsrechtlichen, steuerrechtlichen und börsenrechtlichen Verpflichtungen zur ordnungsgemäßen Verbuchung und Bilanzierung der Gelder verletzt habe (UA, S. 55 f.).
Dieser zweiten Bestimmung der Pflichtwidrigkeit wird man zustimmen können. Namentlich markieren auch die handelsrechtlichen Buchführungs- und Rechnungslegungspflichten untreuetaugliche Pflichten.[84] Zu einem anderen Ergebnis würde man nur mit den Anhängern der Lehre vom Schutzzweckzusammenhang gelangen, die allein primär und unmittelbar das Vermögen des Treugebers schützende außerstrafrechtliche Pflichten als untreuetauglich gelten lassen wollen.[85] Danach müssten genau genommen etwa die Buchführungs- und Bilanzvorschriften des HGB als untreuetaugliche Pflichten ausscheiden, weil sie mit den Zwecken der Dokumentation, Information und Kapitalerhaltung zwar auch dem Vermögensinteresse des Geschäftsherrn, primär und unmittelbar aber dem Schutz aktueller und potentieller Gläubiger dienen.[86] Dass diese Konsequenz unhaltbar ist, zeigt sich schon daran, dass als Folge die bislang im Grundsatz einhellig anerkannte Untreuefallgruppe der unordentlichen Buchführung[87] künftig nicht mehr bestraft werden dürfte.[88] Der Wortlaut des § 266 StGB verlangt einen solchen Schutzzweckzusammenhang nicht. Er lässt für die Untreue grundsätzlich jede vermögensrelevante Handlung genügen, durch die der Täter Weisungen, gesetzliche Bestimmungen oder Richtlinien missachtet und dadurch einen Vermögensnachteil verursacht.[89] Auch sachlich besteht für eine solche Restriktion kein Bedürfnis. Zum einen lassen sich die von den Anhängern für die Notwendigkeit eines Schutzzweckzusammenhangs angeführten Fälle auch ohne Anerkennung desselben befriedigend lösen.[90] Zum anderen leuchtet nicht ein, warum der Parteivorsitzende, der vorsätzlich die vorrangig der Rechtssicherheit dienende Antragsfrist zur Parteifinanzierung (§ 19 I 1 PartG) versäumt und dadurch den Verlust des ganzen Finanzierungsanspruches seiner Partei bewirkt, nicht wegen Untreue strafbar sein soll.[91] Im Besonderen wird man nur solche Buchführungsverstöße als strafbarkeitsauslösend ansehen dürfen, die gravierend und hinreichend bestimmbar sind.[92] Im vorliegenden Fall bereiten diese Anforderungen allerdings keine Probleme. Die gänzliche Nichterfüllung von Buchführungs- und Bilanzierungspflichten ist stets gravierend.
Bei Schattenkassen stellt sich im Rahmen der Pflichtwidrigkeit die – von dem Begriff der Schattenkasse nicht präjudizierte – weitere Frage nach einem tatbestandsausschließenden Einverständnis seitens des Geschäftsherrn. Das Landgericht hat diese Frage nicht einmal angeprüft.
Dass das wirksame Einverständnis des Treunehmers das Handeln des Treugebers pflichtgemäß macht und damit bereits den objektiven Tatbestand der Untreue ausschließt, ist heute mit Blick auf die Maßgeblichkeit des Innenverhältnisses für das Handlungsunrecht der Untreue zu Recht herrschende Ansicht.[93] Voraussetzung für ein wirksames Einverständnis ist danach zunächst, dass tatsächlich von Seiten des Geschäftsherrn bzw. der relevanten Organe ein Einverständnis im Sinne einer zustimmenden Willenserklärung vorliegt.[94] Wer zuständig für eine faktische Einverständniserklärung ist, richtet sich nach der rechtlichen Organisation der Willensbildung beim Geschäftsherrn. Während der Einzelunternehmer nur sein eigenes Einverständnis zu erklären braucht, verlangt der BGH z.B. für die Aktiengesellschaft das Einverständnis der Anteilseigner bzw. das der diese repräsentierenden Hauptversammlung.[95] Je umfangreicher und komplexer die Willensbildung ist, desto unwahrscheinlicher ist faktisch das Vorliegen eines Einverständnisses. Das gilt erst recht hinsichtlich der heiklen Frage eines Einverständnisses mit Geheimkonten. Ein solches Einverständnis dürfte bei größeren Gesellschaften in der Praxis regelmäßig fehlen.[96]
Vor allem nach der Rechtsprechung ist ein Einverständnis nur wirksam, wenn es nicht gegen Rechtsvorschriften verstößt.[97] Hier kommt es grundsätzlich auf Rang und Schutzrichtung der Rechtsvorschriften an. Für Vermögensdispositionen des Geschäftsherrn in der Privatwirtschaft reichen die Auffassungen von einer nahezu unbeschränkten Zustimmungsbefugnis[98] bis hin zu einer strikten Bindung auch an die Grundsätze eines ordentlichen Kaufmanns[99] mit der Folge, dass nahezu jeder beliebige Buchführungsverstoß wegen Untreue strafbar wäre.[100] Für die Praxis leitend ist eine Entscheidung des 3. Strafsenats des BGH zur GmbH-Untreue durch verdeckte Gewinnentnahmen. Danach sollen die Gesellschafter einer GmbH Buchführungsverstößen nicht wirksam zustimmen können, durch die existenzgefährdende Gewinnentnahmen, insbesondere eine Gefährdung des Stammkapitals, verschleiert werden.[101] Es ist hier nicht der Raum, sich mit dieser hochumstrittenen Entscheidung näher auseinanderzusetzen.[102] Die Problematik dieser Judikatur wie jeder Einschränkung der Dispositionsbefugnis des Geschäftsherrn im Bereich des § 266 StGB liegt darin, dass, soweit die einschränkenden Normen nicht nur den Zweck des Vermögensschutzes des Geschäftsherrn verfolgen, die Untreue für beliebige andere Nichtvermögenszwecke instrumentalisierbar wird. Insoweit ist die Untreuestrafvorschrift in steter Gefahr, sich unter Aufgabe ihres Charakters als Vermögensdelikt ("Rechtsgutsvertauschung") zum "Superdelikt" des StGB zu entgrenzen.[103] Immerhin kann man der BGH-Rechtsprechung die – freilich nicht weit genug gehende – Aussage entnehmen, dass es jedenfalls jenseits der Existenzgefährdung des Vermögens des Geschäftsherrn bei der Straflosigkeit von Verstöße gegen Buchführungsvorschriften bzw. von eingerichteten Schattenkassen verbleibt, die mit Zustimmung der Gesellschafter vorgenommen bzw. unterhalten werden. Im Fall Siemens wird die Einschränkung der Dispositionsbefugnis nach dem BGH nicht relevant, weil das System der Schattenkassen trotz seines Umfang nicht geeignet ist, die Existenz von Siemens zu gefährden.
Erscheint damit die Begründung einer Pflichtverletzung bei den Schattenkassen allgemein und im Fall Siemens im Besonderen möglich, so spitzt sich die weitere Untersuchung zu auf das vom Landgericht ebenfalls bejahte Tatbestandsmerkmal des Vermögensnachteils und den korrelierenden Vorsatz.
Das Landgericht bestimmt den Vermögensnachteil im Fall Siemens im Anschluss an das Kanther -Urteil des BGH (UA, S. 56).[104] Indem K. der Siemens AG jeglicher Kontrollmöglichkeit beraubte, habe er deren Vermögen in Höhe von CHF 12 Mio. einer schadensgleichen Vermögensgefährdung ausgesetzt. Diesen "Schaden" habe K. durch die späteren Bestechungszahlungen lediglich vertieft (UA, S. 57). Mit dieser Bestimmung des Vermögensnachteils in Gestalt einer konkreten schadensgleichen Vermögensgefahr folgt das Landgericht der verwendungszweckunabhängigen Deutung der schwarzen Kasse.[105] Kennzeichnend für diese Deutung ist, dass die konkrete Gefährdung des Vermögens aus dem Umstand hergeleitet wird, dass die Geheimkasse keiner tatsächlich wirksamen Zweckbindung unterlag und als jeder Kontrolle durch den Berechtigten entzogener Dispositionsfond genutzt wurde. Entscheidend ist die Möglichkeit der Mittelverwendung nach eigenem Gutdünken des Treunehmers. Darin soll nicht mehr nur eine Beeinträchtigung der Dispositionsbefugnis des Geschäftsherrn liegen, die für die Untreue auch nach der Rechtsprechung nicht
genügt.[106] Vielmehr sei mit diesem Kontrollentzug bereits eine konkrete, unkontrollierbare Gefahr des endgültigen Vermögensverlustes eingetreten.[107]
Die verwendungszweckunabhängige Lesart der schwarzen Kasse überzeugt schon im Grundsatz nicht.[108] Mit dem Abstellen auf den schieren Entzug von Kontroll-, Prüfungs- und Verwendungsmöglichkeiten erschöpft sich der darauf gestützte "Erfolgsunwert" der konkreten Vermögensgefahr in einem reinen "Handlungsunwert". Insoweit sind bei der verwendungszweckunabhängigen Lesart Tathandlung und Taterfolg identisch, was entgegen den Beteuerungen des BGH einen reinen Dispositionsschutz impliziert und der gesetzlichen Trennung von Pflichtverletzung und Vermögensnachteil im Untreuetatbestand widerspricht. Die verwendungszweckunabhängige Lesart kriminalisiert damit reinen Verwaltungsungehorsam (im öffentlichen Bereich) bzw. – allgemein – die bloße interne Regelverletzung. Sanktioniert wird also lediglich eine abstrakte Vermögensgefahr. Die Identität von Tathandlung und Taterfolg ist bei der verwendungszweckunabhängigen Lesart auch nicht zu beheben, ohne sie selbst preisgeben zu müssen, weil sie definitionsgemäß allein auf betreuungsinterne Kriterien aus dem Innenverhältnis zum Geschäftsherrn zurückgreift.
Die Alternative formuliert eine verwendungszweckabhängige Lesart. Sie macht die Konkretheit der Vermögensgefahr bei der schwarzen Kasse zumindest in entkriminalisierender Hinsicht an der materiellen Zweckkonformität der Mittelverwendungsabsicht des Schwarzkassenverwalters fest. Danach macht sich der Treunehmer bei der Bildung der schwarzen Kasse nicht strafbar, wenn er die Schwarzgelder allein für die Zwecke des Geschäftsherrn einsetzen will.[109] Darin liegt kein unzulässiger Rückgriff auf subjektiv "gute Absichten" oder "Zwecke" im Rahmen des objektiven Untreuetatbestandes.[110] Denn da der konkreten schadensgleichen Vermögensgefahr einerseits eine materiale Versuchsstruktur zugrunde liegt, andererseits die Bildung und Unterhaltung einer schwarzen Kasse einen Vorgang in der Zeit darstellt, lässt sich die Höhe des Verlustrisikos im Zeitpunkt der schieren Bildung der schwarzen Kasse ohne Rückgriff auf die Verwendungsabsicht des Schwarzkassenverwalters nicht abschließend prognostizieren.[111]
Auch nach der verwendungszweckabhängigen Lesart sind allerdings strafbare Fälle schwarzer Kassen unter Heranziehung betreuungsexterner Kriterien möglich. So begründet eine konkrete Vermögensgefahr für das Treugut, wer die schwarze Kasse so einrichtet, dass er seinen Gläubigern den Zugriff auf das Schwarzgeld ermöglicht, oder wer das Schwarzgeld bei unzuverlässigen Dritten parkt.[112] Darüber hinaus soll eine konkrete Vermögensgefahr auch dann anzunehmen sein, wenn durch die Bildung einer schwarzen Kasse der ordentlichen Buch- oder Haushaltsführung Gelder in beträchtlichem Umfang entzogen werden, so dass der Geschäftsherr ein falsches Bild von seiner Vermögenslage gewinnt und deshalb wirtschaftlich sinnvolle und notwendige Entscheidungen unterlässt.[113] Alle diese Konstellationen sind im Fall der Schattenkassen bei Siemens freilich nicht festgestellt. Bei Schattenkassen, die Teil eines Unternehmenssystems sind, mit dem dieses Unternehmen zugunsten einer wirtschaftlich betrachtet besseren "Performance" ethisch und gesetzlich fragwürdige Praktiken finanziert, dürften diese Konstellationen auch sehr untypisch sein. Hier wird zwar durchaus eine "vertiefte Geheimhaltung" erfolgen. Ohne Not dürfte hier aber niemand durch die Art und Weise der Anlage eine wirtschaftlich relevante Verlustgefahr hinnehmen.
Neben der grundsätzlichen Kritik an der verwendungszweckunabhängigen Lesart spricht gegen eine auf sie gestützte Untreuestrafbarkeit durch die Schattenkassen noch ein zweiter zentraler Aspekt. Selbst nach den Kriterien der verwendungszweckunabhängigen Deutung im Kanther -Urteil kann eine Untreuestrafbarkeit im Fall Siemens entgegen dem Landgericht nicht bejaht werden. Weder liegt hier ein nachteilsbegründender Kontrollentzug vor, noch kann an einer Mittelverwendung nach eigenem Gutdünken angeknüpft bzw. von einer Ausnutzung eines keiner tatsächlich wirksamen Zweckbindung unterliegenden Dispositionsfonds gesprochen werden. Auffällig ist, dass das Landgericht selbst keine Subsumtion der Kriterien des Kanther -Urteils versucht, sondern seine Anknüpfung auf einen schlichten Klammerzusatz reduziert (UA, S. 56). Diese Rechtsanwendung lässt eine eingehende Würdigung der Besonderheiten der Schattenkassen im Fall Siemens vermissen.
Zunächst ist nicht zu sehen, inwiefern sich aus dem Handeln der Beteiligten eine konkrete, unkontrollierbare Gefahr eines endgültigen Vermögensverlustes ergeben hat. Der feste Wille des K., sein Handeln in das festgestellte System der Auslandsbestechung einzustellen, begründet schon grundsätzlich keine Gefahrensteigerung für das Vermögen der Siemens AG: Die damals von Sie-
mens systematisch befürwortete rein wirtschaftliche Sichtweise der Auslandsbestechung setzte eine Begrenzung des Risikos und damit auch die Kleinhaltung des "Mitwisserkreises" voraus. Dass die Kasse in den Händen von K. und V. lag, während andere Mitarbeiter scheinbar nur um ihre allgemeine Existenz wussten, hat Siemens weder wirtschaftlich besser noch schlechter gestellt. Hinzu kommt, dass K. privatrechtlich die selbständig wahrzunehmende Interessenvertretung der Siemens PG zugestanden war. Ganz allgemein wird Vorständen oder leitenden Mitarbeitern im privaten Sektor Dispositionsfreiheit eingeräumt, die nach der eigenen Einschätzung des wahrscheinlich Besten für das Unternehmen wahrzunehmen ist,[114] was nicht irreführend als "Gutdünken" zu diffamieren ist und nicht den ersten Schritt in die Strafbarkeit bedeuten darf. Hier handelte K. als Bereichsvorstand in eben dem Bereich, in dem ihm Eigenständigkeit und Dispositionsfreiheit zukommen sollte und in dem ihm die Befugnis eingeräumt war, die Siemens PG unbegrenzt vertraglich zu binden. Von vornherein war durch die eingeräumte weite Dispositionsbefugnis eine "Gefährdung" akzeptiert, die nicht schon bei jeder intransparenten Vertiefung oder bei jedem nachträglich objektiv anders bestimmten Unternehmenswohl sogleich in einen Vermögensnachteil umschlagen kann. An diesem grundsätzlichen Zustand einer privatwirtschaftlich übertragenen Befugnis hat K. nichts Entscheidendes verändert, indem er die systematische Bestechungspraxis der Siemens PG auch in eigener Person fortgesetzt hat.
Tatsächlich ist im Fall der Schattenkassen bei Siemens kein voller Kontrollverlust der Siemens AG eingetreten: Diverse Mitarbeiter wussten – anders als in der Konstellation Kanther –, dass eine entsprechende Kasse vorhanden sein musste. Drei Mitarbeiter hatten – mit dem vom Landgericht übersehenen ehemaligen Mitarbeiter W. – Kenntnisse zu der konkreten Kasse. Zudem und entscheidend war die Kontrolle über das Vermögen zwar nicht durch die explizit festgestellte Zustimmung "der AG", wohl aber durch die systematische Begünstigung von verdeckten Kassen seitens der leitenden Unternehmensorgane gelockert und letztlich preisgegeben worden. In diesem Fall kann sich eine AG nicht von ihrer tatsächlichen Verfassung und Praxis trennen. Hier kann eine Tatbegehung durch einen Kontrollentzug bzw. – wie es der BGH formuliert – "durch eine Einschränkung oder Aufhebung der tatsächlichen Möglichkeit des Vermögensinhabers, den Eintritt eines endgültigen Vermögensverlustes zu vermeiden",[115] von vornherein nicht durch die bloße Unterhaltung einer Schattenkasse begründet werden. Soweit die Schattenkassen sich demnach wesentlich auch als eine dem Geschäftsherrn zurechenbare Folge seiner eigenverantwortlichen Selbstgefährdung darstellen, liegt kein Kontrollentzug durch den Schwarzkassenverwalter, sondern vielmehr eine dem Geschäftsherrn zurechenbare Kontrollaufgabe vor.
Das Grundproblem im Urteil des Landgerichts besteht darin, dass es das Kanther-Urteil, das eine wesentlich durch öffentlich-rechtliche Normen geprägte Konstellation betraf, unbesehen auf die Privatwirtschaft angewandt hat. Ein zentral auch nach öffentlichem Recht bestimmter Kontrollverlust ("Umgehung der satzungsmäßigen Organe", "Gutdünken des Täters"[116]) kann aber nicht ohne Weiteres auf eine private AG wie die Siemens AG übertragen werden, in der die Zuständigkeiten notwendig auf selbständig leitende Personen verteilt sind, ohne dass eine konkrete Kenntnis weiterer anderer Personen oder des "Geschäftsherrn" über jeden aktuellen finanziellen Vorgang und jeden Posten überhaupt vorgegeben wäre.[117] Nach alledem dürfte auch der BGH, der den Tatbestand der Untreue nun selbst als "äußerst weit"[118] wahrnimmt, ein Vermögensnachteil nicht befürworten, wenn er wirklich eine konkrete Vermögensgefährdung voraussetzen will.
Die Gefolgschaft versagen müsste der BGH erst recht der Bejahung des bedingten Gefährdungsvorsatzes durch das Landgericht. Denn das Landgericht verbindet diese Annahme mit der Feststellung, dass K. lediglich eine schadensgleiche Vermögensgefährdung und nicht den Eintritt des effektiven Vermögensschadens billigend in Kauf genommen habe (UA, S. 56). Diese Feststellung dürfte zwar für die Siemens-Fälle typisch sein, da die Akteure stets vom Ziel eines realisierbaren Gewinns für Siemens motiviert scheinen. Allerdings setzt sich das Landgericht mit ihr in Widerspruch zu der jüngsten Restriktion des 2. Strafsenats des BGH im Fall Kanther zum bedingten Gefährdungsvorsatz bei der schadensgleichen Vermögensgefahr. Danach verlange der bedingte Vorsatz beim Gefährdungsschaden nicht nur die Kenntnis und die Billigung der konkreten Vermögensgefahr, sondern darüber hinaus die Billigung der Realisierung dieser konkreten Gefahr und mithin die Billigung des tatsächlichen Vermögensverlusts ("des effektiven Vermögensschadens").[119]
Es ist hier nicht der Ort, diese subjektive Restriktion mit ihren begrifflichen und systematischen Friktionen zu kritisieren. Das gilt umso mehr, da ihr kritischer Blick auf die Extensionen über die konkrete schadensgleiche Vermögensgefahr Zustimmung verdient. Die Vorsatzlösung kann zudem in der Sache als subjektive Umsetzung des Unmittelbarkeitsprinzips als objektive Auslegungsmaxime für die Konkretheit der Vermögensgefahr interpretiert werden.[120] Wichtig ist in unserem Zusammenhang allerdings die Frage der Anwendbarkeit der Vorsatzlösung auf schwarze Kassen. Schon im Fall Kanther hatte der 2. Strafsenat selbst die Restriktion – im Grunde
inkonsequent – nicht auch auf denjenigen Gefährdungsschaden angewendet, der bei einer schwarzen Kasse nach der verwendungszweckunabhängigen Lesart den Nachteil begründen soll.[121] Gleichwohl hat der 2. Strafsenat nach der Entscheidung im Fall Kanther – freilich ohne Problematisierung – erkennen lassen, dass er offenbar jeden Gefährdungsschaden durch die subjektive Restriktion begrenzt sehen will,[122] soweit er nicht wissentlich herbeigeführt wurde.[123] Dadurch ist nicht vollends klar, wohl aber naheliegend, dass der BGH diese Restriktion auch im hiesigen Fall zur Geltung bringen wird, zumal sich dem BGH auch eine Differenzierung zwischen dem Fall Kanther und den hier betroffenen privaten Schattenkassen eröffnen könnte. Warum ausgerechnet die Gefährdung durch eine Schattenkasse auf eine subjektive Restriktion verzichten können soll und weshalb bei ihr ein Umschlagen in einen effektiven Vermögensverlust gar kein konstitutiver Bezugspunkt mehr zu sein hat, ist völlig offen und auch nicht zu begründen.[124] Nochmals wird damit deutlich, dass die angedachte Ausdehnung der Untreue auf Schattenkassen in der Privatwirtschaft auch für die Rechtsprechung äußerst problembeladen ist.
Bei der Prüfung der Untreuestrafbarkeit sind Schattenkassen als besondere Fallgruppe zu unterscheiden. Während die Pflichtwidrigkeit regelmäßig zu begründen sein wird, ist eine tatsächlich konkrete schadensgleiche Vermögensgefährdung im Regelfall abzulehnen. Damit kommt es nicht zu einer zweifachen Vorverlagerung, die anderenfalls unvermeidlich wäre: Über ein weites Verständnis der Vermögensgefährdung wäre nicht nur die Straflosigkeit des Versuchs bei der Untreue überspielt. Vielmehr wäre nun auch die Korruptionsstrafbarkeit auf reine Vorbereitungshandlungen erstreckt. Bildlicher gesprochen: Kein Angestellter des Geschäftspartners muss mehr angesprochen werden – schon der vorbereitete Plan dazu löst die Strafbarkeit aus.
Während die Untreuestrafbarkeit der bloßen Unterhaltung von Schattenkassen zu Bestechungszwecken problematisch weit ins Vorfeld der Korruption hineinreicht, scheint die Wertung von Bestechungszahlungen als strafbare Untreue auf den ersten Blick unproblematischer zu sein. Reale Mittelabflüsse ohne unmittelbare Kompensation durch einen realen Güterzufluss zählen offenkundig zu den Konstellationen, auf welche die Untreuestrafvorschrift zugeschnitten ist. Auch äußere Umstände des Siemens-Verfahrens stützen diesen Eindruck. Das gilt zum einen für die derzeit Siemens abverlangten hohen Sanktionen und Aufwendungen für die von der SEC erwirkten Privatermittlungen, die die Prüfung einer Untreuestrafbarkeit nahe legen.[125] Zum anderen zeichnet der Umstand, dass sich Siemens von verantwortlichen Mitarbeitern trennt – auch um damit gegenüber der SEC und der Öffentlichkeit eine entschlossene Aufarbeitung zu demonstrieren –, das untreuetypische Bild des Geschäftsherrn, der durch leitende Mitarbeiter hintergangen worden sein könnte. Freilich erweist die nähere Prüfung, dass diese Eindrücke täuschen und das gegenteilige Ergebnis zutreffend ist. Die Kriminalisierung von Bestechungszahlungen als Untreue lässt sich nur um den Preis der Selbstaufgabe der Strafnorm bewerkstelligen und bedeutet einen Tabubruch in der Untreuedogmatik. Anders als bei den Schattenkassen sind nicht nur Vermögensnachteil (2.) und Vorsatz (3.) nicht begründbar, sondern ist bereits die Annahme einer Pflichtverletzung (1.) brüchig.
Das Landgericht leitet die Pflichtwidrigkeit der Bestechungszahlungen kurzerhand aus den bei Siemens bestehenden Compliance-Regelungen her. In der Tat waren danach zur Tatzeit jegliche Bestechungszahlungen untersagt, seien sie strafbar oder nicht (UA, S. 54). Dass Compliance-Regelungen als Quellen für Pflichtverletzungen im Rahmen des Untreuetatbestandes grundsätzlich in Betracht kommen, ist bereits festgestellt worden. [126] Gleichwohl erheben sich massive Bedenken gegen die Tauglichkeit der Compliance-Regelungen als Pflichtenquelle für die Bestechungszahlungen im Fall Siemens.
Diese Bedenken speisen sich aus dem Umstand, dass nach den maßgeblichen Feststellungen des Landgerichts die hier einschlägige Compliance-Regel insbesondere in der Sparte Siemens PG "allein auf dem Papier"[127] uneingeschränkt bzw. in der vom Gericht ausgelegten Form existierte. Tatsächlich war die Regel bereits auslegungsbedürftig, da kaum auch jeder lauter zugewendete Vorteil von der uneingeschränkt formulierten Regel erfasst werden sollte. Praktisch wurde die Regel nach den Feststellungen systematisch so gehandhabt, dass eine von den zuständigen Führungskräften bejahte überwiegende Gewinnchance für das Unternehmen eine Ausnahme begründete. Mit anderen Worten wurde der Vorteil im Sinne des Verbots verneint, wenn die jeweils für Siemens Zuständigen bei einer wirtschaftlichen Betrachtung den entscheidenden Vorteil bei Siemens sahen. So richtig es ist, dass eine mehr als einmalige Abweichung von einer Norm diese auch in einem Unternehmen nicht schon
außer Kraft setzt, so falsch wäre es, diese systematische Praxis verdeckter Bestechungszahlungen im Dienst des Unternehmens auf der Tatbestandsebene schlichtweg zu ignorieren. Das Landgericht ignoriert die tatsächliche Auslegung aber völlig und schützt so eine nicht etablierte Pflicht, nur weil es die Existenz dieser Pflicht für geboten hält und den Geschäftsherrn letztlich – nach Art der Korruptionsdelikte! – über die Untreue vor sich selbst schützen möchte.
Um nicht missverstanden zu werden: Dass eine Zustimmung der Siemens AG vorlag, ist weder festgestellt, noch wird dies hier pauschal unterstellt. Aufgeworfen wird lediglich die einer Prüfung der Zustimmung vorgelagerte Frage, ob denn die in Rede stehende Pflicht überhaupt tatsächlich etabliert worden ist. Es wird geltend gemacht, dass schon die als verletzt behauptete Pflicht, auch im Auslandsverkehr niemals zu bestechen, nach den insoweit kaum anders zu deutenden Feststellungen faktisch nicht begründet worden ist. Wenn sich ein Mitarbeiter der Siemens PG allein für diese Sparte 2/3 seiner Anstellungszeit mit verdeckten Bestechungszahlungen für diverse Mitarbeiter der Siemens PG befasste, kann ein Gericht nicht allein auf die uneingeschränkte Compliance-Regel abstellen, die tatsächlich im Sinne des Unternehmenserfolges systematisch eingeschränkt wurde.
Andere taugliche Quellen für Pflichtverletzungen sind ebenfalls nicht ersichtlich. Der Gedanke, die Pflichtwidrigkeit einfach aus einem Verstoß gegen die Normen des Korruptionsstrafrechts (z.B. § 299, §§ 331 ff. StGB) abzuleiten [128], wäre unzulässig. [129] Dies gilt für die vorliegenden Altfälle schon deshalb, weil die deutschen Korruptionstatbestände – wie oben festgestellt – gar nicht einschlägig sind. Unabhängig davon lautet der Normbefehl der Untreuestrafvorschrift an alle Vermögensbetreuungspflichtigen aber nicht, alle Normen des StGB einzuhalten, aus deren Verletzung sich Vermögensnachteile für den Geschäftsherrn ergeben können. Andernfalls würde die Untreuestrafnorm unmittelbar alle Rechtsgüter dieser anderen Strafnormen – etwa freier Wettbewerb (§ 299 StGB) oder Lauterkeit des öffentlichen Dienstes bzw. Vertrauen der Allgemeinheit in die Lauterkeit (§§ 331 ff. StGB) – mitschützen und damit zum "Superdelikt" des StGB avancieren. Der Preis dafür wäre zu hoch. Durch die Anreicherung mit nahezu jedem Rechtsgut würde die Untreuestrafnorm nicht nur ihre gesetzliche Struktur als Vermögensdelikt aufgeben, sie würde jegliche Kontur verlieren. Beim Parallelproblem der Einwilligung allgemein bzw. des Einverständnisses im Untreuebereich wird dieser Gesichtspunkt als "Rechtsgutsvertauschung" kritisiert. [130]
In mehr wirtschaftlicher und damit untreueadäquater Perspektive liegt es näher, pflichtwidriges Handeln des Treunehmers bei zu riskanten Schmiergeldzahlungen aufgrund zu hoher Durchführungs- oder Entdeckungsrisiken anzunehmen.[131] Als verletzte Pflicht ließe sich insoweit das – kontrovers diskutierte – allgemeine Verbot anführen, den Geschäftsherrn zu schädigen. [132] Allerdings hat das Landgericht keine für ein hohes Durchführungs- oder Entdeckungsrisiko hinreichende Feststellungen getroffen.
Insgesamt ist festzuhalten, dass die Begründung einer untreuetauglichen Pflichtverletzung in den Fällen ausdrücklich oder konkludent konsentierter Schmiergeldzahlungen brüchig ist. [133] Über diese faktische Brüchigkeit hilft auch keine Übernormativierung hinweg, wenn Unternehmen die Bestechungspraxis im Ausland aus wirtschaftlichen Motiven für profitabel gehalten und systematisch begünstigt haben. Unternehmen, die – wie hier festgestellt – die Bestechungspraxis aus wirtschaftlichen Motiven mindestens systematisch begünstigen und fördern, können nicht – weit über die Fallgruppe der Stammkapitalsbeeinträchtigung bei der GmbH [134] hinaus – bei jedem operativen Geschäft vor ihren eigenen Versäumnissen geschützt werden.
Noch problematischer als die Bejahung einer Pflichtverletzung ist die Annahme eines Vermögensnachteils durch die Bestechungszahlungen. Das Landgericht begründet den Vermögensnachteil wie folgt (UA, S. 54 f.): Der Vermögensnachteil liege in den gezahlten Bestechungsgeldern in Höhe von 2,65 Mio. Euro. Dieser Nachteil sei nicht durch den aufgrund der Bestechungszahlung erlangten äußerst lukrativen Auftrag kompensiert worden, obwohl die Gewinnspanne ein Vielfaches über der Höhe des Bestechungsgeldes gelegen habe. Denn der aus dem Auftrag resultierende Gewinn sei nur vorübergehender Natur gewesen. Von vorneherein hätten zivilrechtliche Ansprüche u.a. auf Rückabwicklung mit immensen Folgekosten sowie die Gefahr des Verfalls des Gewinns gedroht. Es habe also eine mit dem Settlement Agreement und den in Gang gekommenen Strafverfahren Wirklichkeit gewordene Gefahr einer vollständigen Einbuße des durch die Bestechung erlangten Gewinns bestanden. "Demgemäß stand der Auszahlung der Bestechungsgelder sofort eine erhebliche schadensgleiche Vermögens-
gefährdung gegenüber, sodass das Erlangen des Auftrags den Vermögensverlust durch die Auszahlung der Bestechungsgelder nicht kompensierte" (UA, S. 55).
Diese Begründung des Vermögensnachteils ist in mehrerer Hinsicht problematisch und bemerkenswert zugleich. Dass an dieser Schadensherleitung etwas nicht stimmen kann, wird am ehesten wohl am verqueren Einsatz der Kategorie der schadensgleichen Vermögensgefahr deutlich. Nach bisherigem Verständnis ist die konkrete schadensgleiche Vermögensgefahr ein vollgültiger Vermögensschaden, bei dem die Saldierung der Nachteils- und Vorteilsseite im Ergebnis wirtschaftlich schon zu einer Minderbewertung des Gesamtvermögens führt (Prinzip der Gesamtsaldierung). [135] Im Beispiel: Wenn die Bank einen Kredit ohne ausreichende Sicherung vergibt, dann erleidet sie einen Vermögensnachteil in Gestalt einer schadensgleiche Vermögensgefahr, weil sich Nachteils- (Kreditzahlung) und Vorteilsseite (verzinster Rückzahlungsanspruch) infolge der unzureichenden Sicherung der Vorteilsseite nicht entsprechen, so dass das Gesamtvermögen der Bank bereits mit der Kreditvergabe wirtschaftlich minderbewertet ist. Das Landgericht gebraucht demgegenüber die Figur der schadensgleichen Vermögensgefahr in völlig neuartiger Weise auf der Kompensationsseite gleichsam auf zweiter Stufe, um den wirtschaftlichen Minderwert der Auftragserlangung zu begründen. Damit erfindet das Landgericht einen neuen Gebrauch der schadensgleichen Vermögensgefahr, nämlich die "schadensgleiche Kompensationsgefährdung". Indes: Dieser Gebrauch ist im Hinblick auf das traditionelle Begriffsverständnis nicht nur verwirrend, sondern auf der zweiten Stufe der Bewertung der Vermögensposten auch völlig überflüssig. Die Konfusion wird noch gesteigert, indem das Landgericht unmittelbar im Anschluss an den zitierten Satz fortfährt, dass K. "diese schadensgleiche Vermögensgefährdung billigend in Kauf genommen" habe (UA, S. 55), obwohl ein effektiver Mittelabfluss vorliegt. [136]
Eine weitere Neuerung der Saldierung des Landgerichts ist, dass sie sich offen von dem bislang jedenfalls in der Rechtsprechung anerkannten Grundsatz der Gesamtsaldierung auf wirtschaftlicher Grundlage abwendet. Leitentscheidung für diesen Grundsatz ist nach wie vor das Bundesligaskandal-Urteil des BGH aus dem Jahre 1975, ebenfalls zu Bestechungszahlungen. Dort berücksichtigt der 4. Strafsenat auf Basis einer grundsätzlich wirtschaftlichen Betrachtungsweise von Vermögens- und Schadensbegriff "selbstverständlich auch jeden Vorteil ..., der durch die pflichtwidrige Handlung erzielt worden ist." [137] Bewertungszeitpunkt ist dabei stets der Zeitpunkt der Vollendung der Tathandlung, also der Preisgabe des Geldes[138], so dass die Saldierung auf der Grundlage einer ex-ante-Betrachtung zu erfolgen hat. [139] Insoweit hat der BGH die durch die Spielmanipulation erreichte Bundesligazugehörigkeit für ein weiteres Jahr als eine Chance auf Vermögensgewinn anerkannt, die bei der Nachteilskompensation in Rechnung zu stellen ist. [140] Mit dieser Judikatur bricht das Landgericht. Indem es den aus dem Auftrag resultierenden Gewinn bloß als vorübergehenden Vermögensposten einordnet, der durch die drohenden nachteiligen Folgen auf Grund seiner Bemakelung entwertet wird, nähert sich das Landgericht den Vertretern normativierender Vermögens- und Schadensbegriffe, die unredlich erworbene Vermögensvorteile grundsätzlich nicht als kompensationsgeeignet ansehen. [141] Zudem und vielleicht noch bedenklicher verlässt das Landgericht die ex-ante-Perspektive der Saldierung, für die es vorübergehende Vermögensposten nicht geben kann.
Als Referenzstelle für seine Saldierung zitiert das Landgericht den Kommentar von Fischer. [142] Tatsächlich kritisiert Fischer an der angegebenen Stelle eine Entscheidung des OLG Frankfurt und später das Bundesligaskandal-Urteil des BGH [143], beides Entscheidungen zu Bestechungszahlungen, als zu großzügig: "Eine solche Saldierung unter Berücksichtigung langfristiger Chancen erscheint aber auch deshalb fraglich, weil sie wirtschaftlich günstige Folgen von (durch Bestechung motivierten) zukünftig möglichen (strafbaren) Handlungen Dritter (der Bestochenen) als kompensatorischen gegenwärtigen Vermögenswert behandelt." Dieser Kritik an der Gesamtsaldierung in Bestechungsfällen ist zuzugeben, dass viele Einzelfragen der Saldierung noch nicht abschließend geklärt sind, was leider auch auf Versäumnissen der Strafrechtswissenschaft beruht. [144] Gleichwohl ist ihre tendenzielle Rücknahme oder sogar Preisgabe, wie vereinzelt gefordert [145], zurückzuweisen. Das Prinzip der Gesamtsaldierung bezeichnet die tragende Säule der Konzeption des Untreuetatbestandes als reines Vermögens(erfolgs-)delikt. Wer an der Gesamtsaldierung rüttelt, der stellt die gesetzgeberische Gesamtkonzeption der Untreue in Frage. Insbesondere das Prinzip der Gesamtsaldierung auf grundsätzlich wirtschaftlicher Basis stellt sicher, dass das Strafrecht nicht Handlungen kriminalisiert, die zu keinen realen Schäden im Vermögen des Geschäftsherrn geführt haben. Damit ermöglicht die Gesamtsaldierung nicht nur einen normativ angemessenen Kontakt und Ausgleich zwischen Strafrecht und Wirtschaft. Die Gesamtsaldierung verhindert zugleich, dass das strafbare Untreueunrecht zur reinen Regelverletzung degeneriert.
Auf diesem Hintergrund wird die Verblüffung verständlich, die Akteure bei Siemens erfasst haben dürfte, als das Landgericht rückblickend erklärte, dass eine jahrzehntelang wirtschaftlich höchst erfolgreiche Bestechungspraxis von Anfang an zu strafbaren Vermögensnachteilen des Geschäftsherrn geführt hat. Darüber hinaus überzeugt die Saldierung auch normativ nicht. Auffällig ist ihre tendenzielle Einseitigkeit. Wenn das Landgericht normativ zeitlich schon so weit ausgreift und potentielle Schadensersatzansprüche sowie negativen Folgen aus Strafverfahren u.U. Jahre später in die Berechnung einstellt, dann fragt sich, warum das Gericht nicht auch faktisch die Vorteilsseite ausgreifender untersucht hat. So vermisst man Ausführungen zu den wirtschaftlich positiven Folgen der erlangten Aufträge wie Folgeaufträge, den Wert der Geschäftsbeziehung zum ENEL-Konzern oder allgemein zu einer möglichen Ertragssteigerung im Gesamtkonzern durch das Engagement in Italien. Dass die Klärung dieser Fragen die Strafjustiz an die Grenzen der Justitiabilität führt, sollte ein Fingerzeig sein, dass ein Saldierungsverständnis, das solche Fragen aufwirft, möglicherweise nicht angemessen ist. Und dass bei einer solch ausgreifenden Saldierungsperspektive auch Sanktionen in den Blick kommen, die jedenfalls in keinem Zurechnungszusammenhang mit der Untreuehandlung mehr stehen, führt erneut das Problem der Rechtsgutsvertauschung vor Augen.
Richtigerweise dürfte auch im vorliegenden Fall ein Vermögensnachteil eher zu verneinen sein. Bei der Gesamtsaldierung auf wirtschaftlicher Basis stehen sich gegenüber die Bestechungszahlung als Nachteil und die hiermit erwirkte Erlangung der gewinnbringenden Aufträge als Vorteil. Dass die Bestechungszahlungen nach Auftragserlangung erfolgten, ist unerheblich, da ein Manipulationsgeschäft als Einheit zu betrachten ist.[146] Bei der Gesamtsaldierung sind grundsätzlich nur die unmittelbar und zugleich durch die Pflichtverletzung verursachten Vor- und Nachteile auf Basis einer ex-ante-Perspektive zu vergleichen.[147] Ex-ante-Perspektive, wirtschaftliche Betrachtungsweise sowie Unmittelbarkeits- und Gleichzeitigkeitsgrundsatz markieren dabei Prinzipien, die für einen wirtschaftlich vernünftig handelnden Normalbürger in der Rolle des Treunehmers zeitlich und räumlich sowie normativ und faktisch zu weitgreifenden Szenarien und Folgenprognosen eine Grenze setzen. Soweit wie im Fall Siemens der Wert der zugeflossenen Aufträge die Bestechungszahlung um ein Vielfaches übersteigt und die tatsächliche Vereinnahmung von Gewinnen angesichts der jahrelang erfolgreichen Bestechungspraxis und des zur Tatzeit normativ unstrukturierten Raums der Auslandskorruption nicht nur "nach Art des Spielers", sondern mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten war,[148] dürfte der Mittelverlust nicht nur kompensiert worden sein, sondern sogar ein Positivsaldo vorliegen.[149]
Soweit man die voranstehenden Ausführungen nicht zu teilen vermag, stellt sich angesichts der relativ undurchsichtigen Passagen des Landgerichts schließlich die Frage nach dem Untreuevorsatz. Hier stößt man rasch auf Widersprüchliches. Das Landgericht stellt einerseits fest, dass K. zwar "diese" schadensgleiche Vermögensgefährdung billigend in Kauf genommen habe, andererseits aber einen effektiven Schaden der Siemens AG nicht billigend in Kauf genommen habe (UA, S. 55). Hier lauern zwei Tücken. Sollte das Landgericht in bezug auf die Bestechungszahlungen tatsächlich – wie gezeigt fehlerhaft – von einer schadensgleichen Vermögensgefahr ausgegangen sein, so hätte es bereits mit Blick auf den fehlenden Schadensrealisierungsvorsatz nach der subjektiven Restriktion im Fall Kanther einen bedingten Vorsatz des K. verneinen müssen.[150]
Aber auch für die Alternative, bei der ein "effektiver Schaden" im endgültigen Abfluss der Bestechungszahlungen gesehen wird, könnte dem K. ein bedingter Untreuevorsatz auf Grund der widersprüchlichen Feststellungen und Ausführungen des Landgerichts nur unterstellt werden. Die Feststellung, der Angeklagte habe einen effektiven Schaden und damit einen Schaden durch einen unkompensierten Vermögensverlust nicht billigend in Kauf genommen, lässt mindestens die Deutung offen, dass K. nicht nur gehofft, sondern angesichts der festgestellten gründlichen Verdeckungsvorsorge und des offenbar jahrzehntelang erfolgreichen Bestechungssystems darauf vertraut hat, dass ein nachhaltiger Gewinn für die Siemens AG eintreten werde. Diese Deutung ist plausibel, weil das Gericht zum Entdeckungsrisiko zur Tatzeit nichts Näheres festgestellt hat. So kann K. hier aber darauf vertraut haben, dass eine Kompensation der Bestechungszahlungen eintreten und mithin auch der eigentlich tatbestandliche Nachteil ausbleiben werde. Geht man mit der Rechtsprechung davon aus, dass der Täter die mögliche Verwirklichung aller Tatbestandsmerkmale erkennen und "im Rechtssinne billigen" muss, um vorsätzlich zu handeln, so muss dies auch für den Nachteil gelten. Der Täter muss nicht nur um einen kausalen Vermögensabfluss wissen und diesen billigen, er muss auch den resultierenden Nachteil billigen.[151] Genau betrachtet ist dies hier aber nicht belegt: Angesichts der überaus unklaren Ausführungen des Gerichts muss man davon ausgehen, das K. darauf vertraut hat, dass bleibende Gewinne die Bestechungszahlungen kompensieren. Dies gilt schon deshalb, weil sich das Gericht selbst – an keiner Stelle des Urteils – mit dem entscheidenden Unter-
schied zwischen dem bloßen Hoffen auf eine Kompensation und dem Vertrauen auf eine Kompensation auseinandersetzt. Damit kann nicht ausgeschlossen werden, dass K. hier in einem Tatbestandsirrtum gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB gehandelt hat.
Im Ergebnis muss dem Versuch des Landgerichts, an einem Sachverhaltskomplex des Siemens-Skandals ein kraftvolles Exempel der Korruptionsbekämpfung zu statuieren, eine Absage erteilt werden. § 299 II StGB lässt sich ohne Verstoß gegen das Gesetzlichkeitsprinzip nicht rückwirkend gegen Fälle der Auslandskorruption vor August 2002 in Ansatz bringen. Auch die Untreue taugt um den Preis der Selbstaufgabe nicht als Korruptionsdelikt. Das gilt sowohl für die Sanktionierung von schieren Schattenkassen in der Privatwirtschaft als auch für die Würdigung von Bestechungszahlungen als strafbare Untreue. Die Untreue als Korruptionsdelikt ist keine Untreue mehr. Dieses Ergebnis mag die über den Siemens-Skandal medial elektrisierte breite Öffentlichkeit nicht befriedigen. Es folgt aber aus dem für alle gleichen Gesetz und Recht. Für die Zukunft besteht kein Handlungsbedarf. Fällen wie Siemens begegnet seit August 2002 die Strafdrohung des §§ 299 II, III i.V.m. 300 StGB. Und die Untreue sollte bei "ihren Leisten" bleiben.
[1] Als Beispiel für unzählige Presseberichte vgl. Händler, S. 33 in der F.A.Z. vom 23. Januar 2008, in dem von fragwürdigen Zahlungen in Höhe von 1300 Mio. € (!) gesprochen wird. Bei Rönnau JZ 2007, 1084 ist in der Fn. 2 von 450 Mio. € in Deutschland die Rede. Auf SPIEGEL-ONLINE.DE befindet sich in der Rubrik Wirtschaft eine ganze Artikelsammlung unter dem Titel: " Schwarze Kassen bei Siemens: Top-Konzern im Zwielicht".
[2] Vgl. 1997 das Korruptionsbekämpfungsgesetz v. 13.8.1997; 1998 das Gesetz zur Bekämpfung internationaler Bestechung – IntBestG; 2002 das "Gesetz zur Ausführung ... der Gemeinsamen Maßnahme betreffend die Bestechung im privaten Sektor v. 22.12.1998 (...)" v. 22.8.2002 und nun den chancenreichen Gesetzesentwurf BR-Drs. 548/07 v. 10.8.2007, dazu mit Recht krit. Rönnau/Golombek ZRP 2007, 193 ff.
[3] Vgl. BGHSt 51, 100, 120 ff.; Fischer, StGB, 55. Aufl. (2008), § 266 Rn. 78c; krit. Ransiek NJW 2007, 1727 ff.; Saliger NStZ 2007, 545, 549 ff.
[4] Zur Konzentration auf die im Folgenden aufgegriffenen Themen werden weitere interessante Fallfragen wie etwa diejenige nicht behandelt, ob Art. 54 SDÜ einschlägig und die vom Gericht ausgesprochene Anordnung des Wertersatzverfalls gerechtfertigt war. Auch Fragen der Konkurrenzen zur Untreue werden ausgeblendet, ebenso die nach den Feststellungen zweifelhafte Behandlung eines möglichen Verbotsirrtums des K. nach 17 S. 2 StGB.
[5] Vgl. BT-Drs. 14/8998, S. 9 f.
[6] Vgl. nur den Gesetzesentwurf BR-Drs. 548/07 v. 10.8.2007; zur Kritik Rönnau/Golombek ZRP 2007, 193 ff.
[7] Vgl. zum IntBestG einführend Korte wistra 1999, 81, 85 ff.; Abdruck im Anhang 22 bei Fischer (Fn. 3).
[8] Dies gilt hier schon deshalb, weil allein eine zitierte Haftentscheidung kaum abschließend die Feststellung trägt, die italienische Praxis vertrete unangefochten die Auffassung, in Fällen wie dem hiesigen werde eine öffentliche Aufgabe wahrgenommen. Diese Sicht der Dinge ist zudem angesichts der einzubeziehenden Liberalisierungspflichten nach dem Europarecht auch für Italien in Frage gestellt.
[9] Vgl. nur EGMR, Kostovski v. Niederlande, Serie A, § 40 am Beispiel des Zeugenbegriffs des Art. 6 III lit. d EMRK; m.w.N. Gaede, Fairness als Teilhabe – Das Recht auf konkrete und wirksame Teilhabe durch Verteidigung gemäß Art. 6 EMRK (2007), S. 79 ff.
[10] Vgl. dazu m.w.N. Meyer-Ladewig, Handkommentar EMRK, 2. Aufl. (2006), Art. 5 Rn. 4; Grabenwarter, EMRK, 3. Aufl. (2007), § 21 Rn. 8 f.
[11] Vgl. Evrigenis Mosler-FS (1983), S. 193, 195 ff.; Gaede (Fn. 9), S. 79 f.; für die prinzipiell autonome Auslegung zum OECD-Abkommen bereits MüKo-Korte, StGB, 4. Band (2006), § 334 Rn. 6 f.; siehe auch die Erläuterungen in BT-DRs. 13/10428, S. 24 Nr. 2: gleichwertig.
[12] Hervorhebung der Verfasser; authentisch ist aber auch die frz. Fassung. In diesem Sinne wohl zu verstehen MüKo-Korte (Fn. 11), § 334 Rn. 7; Gänßle NStZ 1999, 543, 545 f.; Pelz StraFo 2000, 300, 303; Krause/Vogel RIW 1999, 488, 492; Taschke StV 2001, 78, 79; grundsätzlich aA Tinkl wistra 2006, 126, 128 ff. Auch hier kann dies aber nur bedeuten, dass das nationale Recht die Einstufung etwa als Richter zunächst selbst teilen muss. Darüber hinaus muss diese Einstufung – schon zur Wahrung der Bestimmtheitsanforderungen – auch einer materiellen Grundvorstellung von einem staatlichen Amt etwa als Richter entsprechen.
[13] Im Ergebnis wie hier etwa auch Korte wistra 1999, 81, 85; Pelz StraFo 2000, 300, 302, 303; zu Unrecht aA Tinkl wistra 2006, 126, 128, die ihrer eigenen Auffassung dann auch die Einschätzung folgen lässt, dass es dem durch das IntBestG entstehenden Tatbestand an Bestimmtheit mangele, S. 131, ohne die verfassungsrechtliche Folge dessen auch nur andeutungsweise in den Blick zu nehmen.
[14] Vgl. die Erläuterungen in BT-DRs. 13/10428, S. 24 Nr. 2: gleichwertig; S. 25, Nr. 15. Die Anlehnung des Gerichts an die Erläuterungen zum OECD-Abkommen ist über Art. 32 bzw. 31 Nr. 2 a WVK gedeckt.
[15] Zur vermittelten Bedeutung des nationalen Rechtsverständnisses insoweit am Beispiel der EMRK Grabenwarter (Fn. 10), § 5 Rn. 11; Stieglitz, Allgemeine Lehren im Grundrechtsverständnis nach der EMRK und der Grundrechtsjudikatur des EuGH (2002), S. 183 ff.
[16] Darauf weist insofern richtig bereits hin Tinkl wistra 2006, 126, 128.
[17] Vgl. Art. 1 IV lit. a OECD-Abkommen, der nicht darauf abstellt, ob ein Staat dem Abkommen beigetreten ist, vgl. krit. Schünemann GA 2003, 299, 309: Strafrechtsimperialismus; Zieschang NJW 1999, 105, 106 f.
[18] Vgl. auch Grabenwarter (Fn. 10), § 5 Rn. 11: Rechtsvergleichung bei divergenten Regelungszusammenhängen weniger auslegungsleitend; zur anderen Praxis in Deutschland vgl. nur BGHSt 50, 299, 307 m.w.N.
[19] So Vormbaum, Schroeder-FS (2006), S. 649, 653; bestätigend die Entscheidung des LG Mailand.
[20] Nur anzumerken ist dabei, dass auch die Beurteilung des Landgerichtes im Einzelfall, es würden hier keine öffentlichen Aufgaben wahrgenommen, keinen Bedenken unterliegt. Die Feststellungen sprechen für eine im Wesentlichen privatwirtschaftliche Tätigkeit.
[21] Vgl. im Überblick Kadelbach, in: Grote/Marauhn, EMRK/GG (2006), Kap. 15 Rn. 3, 23 ff., 32 ff.; Grabenwarter (Fn. 10), § 24 Rn. 136 ff.; Gaede/Mühlbauer wistra 2005, 9, 15.
[22] Vgl. BVerfGE 75, 329, 342 m.w.N.; 78, 374, 381 ff.; Fischer (Fn. 3), § 1 Rn. 5a m.w.N.
[23] Zur nicht unproblematischen Frage, ob eine Strafbarkeit in Betracht kommt, wenn das bestechende Unternehmen die Teilnahme von deutschen Anbietern an der Ausschreibung in Kauf genommen hat, vgl. – bejahend – Rönnau JZ 2007, 1084, 1087, 1088. Bei der vorliegenden Konstellation der "Gasturbinen" existieren offenbar keine weiteren deutschen Anbieter, so dass hier nach der bisher h.M. eine Strafbarkeit fern läge.
[24] Vgl. zu der auf den dt. Wettbewerb und seine Teilnehmer beschränkten Sinngebung des UWG einschließlich des § 12 UWG a.F. BGHZ 35, 329, 331 ff.; 40, 391, 394 ff.; BGH NJW 1968, 1572, 1575; für die entsprechende h.L. auch nach Überführung in das StGB m.zahlr.Nachw. Rönnau JZ 2007, 1084, 1087 ff.; Pelz StraFo 2000, 300 f.; Vormbaum, Schroeder-FS (2006), S. 649, 655 ff.; Weidemann DStZ 2002, 329, 332 (der indes die Maßgeblichkeit der Zivilrechtsprechung verneint); Fietz/Weidlich RIW 2005, 423, 424 f.
[25] Dazu, dass ausländische Märkte oftmals als nur durch Bestechung zugänglich beschrieben werden, vgl. Fischer (Fn. 3), § 299 Rn. 23a; Haft/Schwoerer, Weber-FS (2004), S. 367 ff.; Pelz StraFo 2000, 300; Fietz/Weidlich RIW 2005, 423 f.; Randt BB 2000, 1006; Weimann , Die Strafbarkeit der Bildung sog. Schwarzer Kassen gem. § 266 StGB (1996), S. 25; Rönnau JZ 2007, 1084 f.; auch für den öffentlichen Sektor Schünemann GA 2003, 299, 309 f.; zur verbreiteten steuerlichen Absetzbarkeit in vielen Staaten BT-Drs. 12/8468, S. 3 ff
[26] Vgl. abermals Fn. 24. Soweit anderes vertreten wurde, gingen die Argumentationen von unhaltbaren Prämissen aus, vgl. etwa Pfeiffer, v.Gamm-FS (1990), S. 129, 131, der mit seinem Verweis auf § 3 StGB das Strafanwendungsrecht der §§ 3 ff. StGB nicht von der Frage nach dem jeweils geschützten Rechtsgut unterscheidet; vgl. etwa MüKo-Ambos, StGB, Band I (2003),Vor §§ 3-7 Rn. 81; Fischer (Fn. 3), Vor §§ 3-7 Rn. 4; Rönnau JZ 2007, 1084, 1085.
[27] Vgl. BT-Drs. 13/5584, S. 15; Haft/Schwoerer, Weber-FS (2004), S. 367, 371; Weidemann DStZ 2002, 329, 330.
[28] Vgl. BT-Drs. 13/8082 (Union und FDP) und BT-Drs. 13/8083 (SPD-Fraktion). Siehe auch die entsprechende Einschätzung der Bundesregierung in BT-Drs. 13/642, S. 3 f., 5. Vgl. auch Korte wistra 1999, 81, 88: Der Gesetzgeber müsse sich mit der Auslandskorruption auf dem privaten Sektor noch befassen.
[29] Durch Gesetz vom 22.08.2002, BGBl. I, 3387.
[30] Vgl. BT-Drs. 14/8998, S. 9 f.
[31] Vgl. BT-Drs. 14/8998, S. 9 f., Hervorhebung der Verfasser.
[32] Vgl. krit. Vormbaum, Schroeder-FS (2006), S. 649, 654 f.; Haft/Schwoerer, Weber-FS (2004), S. 367, 380 f.
[33] Vgl. etwa BVerfG NJW 2005, 2289, 2294 ff. = HRRS 2005 Nr. 550 m. Bespr. Buermeyer HRRS 2005, 273 ff. zur Rechtsauffassung des Gesetzgebers in BT-DRs 15/1718, S. 14 ff., 21 ff. zur Bewilligungsentscheidung.
[34] Vgl. BT-Drs. 14/8998, S. 9 f.
[35] Vgl. etwa BVerfGE 95, 96, 131.
[36] Vgl. etwa schon BVerfGE 73, 206, 234, 236; 75, 329, 340; 78, 374, 381 f.; Hervorhebungen d. Verfasser.
[37] Vgl. BVerfGE 78, 374, 382; 95, 96, 130 f.; 105, 135, 153.
[38] Vgl. BGH NJW 2005, 374, 375 f.; Gaede HRRS 2004, 318, 319 f.
[39] Vgl. etwa BVerfGE 73, 206, 235; 85, 69, 73; 87, 363, 391 f.; BVerfG HRRS 2004 Nr. 752.
[40] Siehe BVerfGE 75, 329, 341; 47, 109, 120; 78, 374, 382; 95, 96, 131; 105, 135, 153 .
[41] Vgl. BVerfGE 47, 109, 120 f.; 64, 389, 393; 73, 206, 235; 105, 135, 153.
[42] Vgl. BVerfGE 73, 206, 234 ff.; 75, 329, 341 f.; 85, 69, 73; 87, 363, 391 f.; m.w.N.; st.Rspr.
[43] Vgl. BVerfG NJW 1990, 3140; BVerfGE 18, 224, 240 f.; Fischer (Fn. 3), § 1 Rn. 17.
[44] Zu dieser herkömmlichen Rechtsgutsbestimmung vgl. BGHSt 2, 396, 402; 10, 358, 367; 31, 207, 211; dazu, dass der individuelle Vermögensschutz entgegen Walter wistra 2001, 321, 323 f. nicht das maßgebliche Rechtsgut der Norm ist, vgl. BGH NJW 2006, 3290, 3298; Haft/Schwoerer, Weber-FS (2004), S. 367, 373; Rönnau, in: Achenbach/Ransiek, Handbuch des Wirtschaftsstrafrechts, 2. Aufl. (2007), Kap. III 2 Rn. 7: Schutz des Leistungswettbewerbes; Fischer (Fn. 3), § 299 Rn. 2; Vormbaum, Schroeder-FS (2006), S. 649, 652.
[45] So dann auch Schönke/Schröder/Heine, 27. Aufl. (2006), § 299 Rn. 2 (im Rückblick auf die frühere Auflage); MüKo-Diemer/Krick (Fn. 7), § 299 Rn. 28; für die Einbeziehung der EU-Mitgliedsstaaten LK-Tiedemann, 11. Aufl. (2001), § 299 Rn. 54 f.; dagegen z.B. Rönnau JZ 2007, 1084, 1088 f.; Randt BB 2002, 2252, 2255.
[46] Siehe etwa BVerfGE 20, 283, 295; 79, 106, 121; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. (1995), S. 137 ff., 149; Gaede, in: Hefendehl/v.Hirsch/Wohlers, Die Rechtsgutstheorie usw. (2003), S. 183, 188 f.; vgl. im EU-Kontext auch Satzger, Int. u. Europ. Strafrecht, 2. Aufl. (2007), § 8 Rn. 85 f., 90 ff.
[47] Vgl. etwa Jescheck/Weigend, StrafR AT, 4. Aufl. (1996), S. 156; m.w.N. aus der Rechtsprechung Gaede (Fn. 46), S. 183, 184 ff.
[48] Als deutlichstes Beispiel für diese Auffassung vgl. zu § 185 StGB m.w.N. BVerfGE 93, 266, 291 f.
[49] Vgl. insoweit auch BVerfG NJW 1990, 3140: Die Rechtsprechungsänderung ist danach dann vor Art. 103 II GG unproblematisch, wenn sie auf einer geänderten Erkenntnisgrundlage und nicht nur auf einer anderen Bewertung beruht. Hier aber wird die Bewertung der Auslandskorruption geändert, während noch kein Völker- oder Europarecht zu einer Veränderung zwingt bzw. damit neue Erkenntnisgrundlagen schafft.
[50] Vgl. Haft/Schwoerer, Weber-FS (2004), S. 367, 368 f.; Rönnau JZ 2007, 1084, 1088; Vormbaum, Schroeder-FS (2006), S. 649, 655, 658; Weidemann DStZ 2002, 329, 332; Fischer (Fn. 3), Vor §§ 3-7 Rn. 4 mit Beispielen der Rechtsprechung; m.w.N. MüKo-Ambos (Fn. 26),Vor §§ 3-7 Rn. 86.
[51] Vgl. zu "schwarzen Kassen" für Bestechungszahlungen ganz allgemein auch Rönnau, Tiedemann-FS (2008), I: weit verbreitete Praxis; Tinkl wistra 2006, 126, 131; Randt BB 2000, 1006 m.w.N.
[52] Siehe dazu noch 2002 in diesem Sinne das Erlassschreiben des BMF vom 10. Oktober 2002 (BStBl. I S. 1031, 1033 zitiert nach Juris, Rn. 12): Das Abzugsverbot des § 4 V 1 Nr. 10 StGB greift für rein auslandsbezogene Bestechungszahlungen auf dem privaten Sektor erst mit § 299 III StGB n.F. ein. Treffend die Formulierung bei Händler, F.A.Z. vom 23. Januar 2008, S. 33: Korruption wurde "steuerlich subventioniert"; vgl. auch Tiedemann, Lampe-FS (2003), S. 759, 765: steuerrechtliche Beurteilung als "kriminogener Faktor ersten Ranges"!
[53] Vgl. insoweit zu dem allgemeinen Streit um die Grenzen der gemeinschaftskonformen Auslegung m.w.N. Satzger (Fn. 46), § 8 Rn. 85 f., 90 ff.; Bleckmann, Stree/Wessels-FS (1993), S. 107, 112 ff.; M.Vormbaum, Schutz der Rechtsgüter der EU durch deutsches Strafrecht (2005), S. 106 ff. Abgesehen davon, dass hier eine Pflicht zur gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung nicht bestand, kann im hiesigen Fall keine ausreichende "Anreicherung des Erkenntnismaterials" angenommen werden, die zugleich die bestehenden Zweifel an der Vorhersehbarkeit bezüglich § 299 II StGB a.F. auszuräumen vermag.
[54] Zur Gemeinsamen Maßnahme vgl. insoweit unter 4.
[55] Vgl. nur aus dem Kontext der nicht unverwandten Richtlinienumsetzung im Strafrecht warnend Schröder, Europäische Richtlinien und deutsches Strafrecht (2002), S. 444 ff., 449.
[56] Vgl. ABl. EG 1998 Nr. L 358, S. 2; BT-DRs. 14/8998, S. 9 f.
[57] Vgl. Art. 8 I der Gemeinsamen Maßnahme.
[58] Vgl. dazu Haft/Schwoerer, Weber-FS (2004), S. 367, 377 f.; Vormbaum, Schroeder-FS (2006), S. 649, 659.
[59] Vgl. ohne nähere Begründung der "gemeinschaftsfreundlichen Auslegung" LK-Tiedemann (Fn. 45), § 299 Rn. 55; BT-Drs. 14/8998, S. 9 f.; nicht mehr deutlich dieser Ansicht nun Lackner/Kühl, § 26. Aufl. (2007), § 299 Rn. 1: Erfassung "nach dem Wortlaut möglich", Abs. 3 als Änderung der Rechtslage; abl. schon Haft/Schwoerer, Weber-FS (2004), S. 367, 376; Vormbaum, Schroeder-FS (2006), S. 649 ff.; Rönnau JZ 2007, 1084, 1088 f.
[60] Vgl. beispielgebend zur rahmenbeschlusskonformen Auslegung den Fall "Pupino" EuGH NJW 2005, 2839, 2840 ff.; m.w.N. zur Kritik hieran Hecker, Europäisches Strafrecht, 2. Aufl. (2007), § 10 Rn. 85 f.; zur richtlinienkonformen Auslegung siehe im Übrigen Schröder (Fn. 55), S. 15 ff., 321 ff.; Satzger, Europäisierung des Strafrechts (2001), S. 518 ff.
[61] Vgl. zu dieser im Grunde allgemeinen Grenze EuGH NJW 2005, 2839, 2841 f.; vgl. auch zur schon auszuschließenden originär belastenden Wirkung EuGH NJW 2006, 2465, 2467 f.; Hecker (Fn. 60), § 10 Rn. 82.
[62] Siehe auch schon Fietz/Weidlich RIW 2005, 423, 425; Rönnau JZ 2007, 1084, 1088
[63] Zur Straflosigkeit der Wirtschaftskorruption zum damaligen Zeitpunkt vgl. Vormbaum, Schroeder-FS (2006), S. 649, 653 ff.
[64] Vgl. so Art. 2 II und 3 II der Gemeinsamen Maßnahme und auch LK-Tiedemann (Fn. 45), § 299 Rn. 4.
[65] Vgl. nur grundlegend BVerfGE 105, 135, 153 ff.
[66] Vgl. dazu Schünemann GA 2004, 193, 200 ff.; ders. ZIS 2007, 535 f. m.w.N.; Hecker (Fn. 60), § 4 Rn. 39, 88; Vogel GA 2002, 517, 525 f.; Weigend StV 2001, 63, 67; Braum, Europäische Strafgesetzlichkeit, 2003.
[67] Vgl. nur BVerfGE 92, 1, 13: auch ähnlich strafwürdige Fälle sind wegen des Primats des Gesetzgebers durch die Rechtsprechung straflos zu lassen.
[68] Siehe EuGH NJW 2005, 2839, 2841 f.; EuGH NJW 2006, 2465, 2467; EuGH, Kolpinghuis, Slg. 1987, 3969 ff. Rn. 13 f.; Schroeder, in: Streinz, (Hrsg.), EUV/EGV (2003), Art. 249 EGV Rn. 129; Dannecker BGH-Festg. IV (2000), 339, 365 f.; vgl. auch Art. 49 EU- Charta, der mit dem Vertrag von Lissabon verbindlich werden soll.
[69] Dabei gelten etwa auch bei der Umsetzung einer europäischen Richtlinie keine zugunsten der Europäisierung abgeschwächten Maßstäbe EGMR, Cantoni v. Frankreich, Rep. 1996-V, § 30 = EuGRZ 1999, 193, 197; Schröder (Fn. 55), S. 355 ff.; Demko HRRS 2004, 19, 21 f.; Gaede/Mühlbauer wistra 2005, 9, 15 f.
[70] Vgl. im Ergebnis wie hier auch Rönnau JZ 2007, 1084, 1087 m.w.N. An der lediglich klarstellenden Bedeutung des § 299 III StGB zweifelnd Fischer (Fn. 3), § 299 Rn. 2a.
[71] Zur Tendenz, die Korruption über die Untreue zu verfolgen, vgl. auch Rönnau ZStW 119 (2007), 887, 920 ff.
[72] Vgl. nur BGHSt 51, 100, 121; zur Einschränkungsdiskussion im Übrigen vgl. Fischer (Fn. 3), § 266 Rn. 61 ff., 78b f.; Saliger HRRS 2006, 10, 12 f.
[73] Seier, in: Achenbach/Ransiek (Fn. 43), Kap. V 2 Rn. 360 m.w.N.
[74] Vgl. auch Bernsmann GA 2007, 219, 231 f.; Rönnau, Tiedemann-FS (2008), I.; Kohlmann, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des GmbH-Geschäftsführers (1990), Rn. 286. Wie der Sachverhalt in OLG Frankfurt NStZ-RR 2004, 244 zeigt, kann es auch vorkommen, dass Gelder nicht aus einer allgemeinen "schwarzen Kasse", sondern jeweils konkret für einzelne Schmiergeldzahlungen entnommen werden.
[75] Dass das Landgericht im Urteil tatsächlich zunächst die Bestechungsgeldzahlung im Fall "La Casella" prüft, kann vernachlässigt werden (siehe UA, S. 54 f.).
[76] Weimann (Fn. 25), S. 10 ff., 12 f.; ferner Hefendehl, Vermögensgefährdung und Exspektanzen (1994), S. 287.
[77] Ausdrücklich Rönnau, Tiedemann-FS (2008), II 1 b).
[78] Vgl. Bernsmann GA 2007, 219, 232.
[79] Rönnau, Tiedemann-FS (2008), I.
[80] So bereits Saliger NStZ 2007, 545, 547 Fn. 29.
[81] So Rönnau, Tiedemann-FS (2008), II., der deshalb auch eine eingehende Analyse der Pflichtwidrigkeit vorlegt. Zu einer Analyse der Pflichtwidrigkeit von "schwarzen Kassen" im Zusammenhang mit der Parteienuntreue ferner Saliger, Parteiengesetz und Strafrecht (2005) S. 399 ff.
[82] Vgl. auch Rönnau, Tiedemann-FS (2008), II. 1. c. aa); ders., ZStW 119 (2007), 887, 922 f.; ferner Bernsmann GA 2007, 219, 232 in bezug auf Corporate Governance; differenzierte Untersuchung der Untreuerelevanz des Deutschen Corporate Governance Kodex bei Schlösser/Dörfler wistra 2007, 326.
[83] Vgl. Saliger NStZ 2007, 545, 546 m.w.N.; ferner Louis, Die Falschbuchung im Strafrecht (2002) S. 44.
[84] Ebenso Schönke/Schröder-Lenckner/Perron (Fn. 45), § 266 Rn. 35a; NK-Kindhäuser, StGB, 2. Aufl. (2005), § 266 Rn. 64; Rönnau, Tiedemann-FS (2008), II. 1. c. aa); Saliger JA 2007, 333 f.; eingehend Louis (Fn. 83), S. 31 ff., 69 ff., 89 ff.
[85] Günther, Weber-FS (2004), 316 f.; vgl. auch Seier, in: Achenbach/Ransiek (Fn. 43), Kap. V 2 Rn. 188 ff.
[86] Vgl. Heymann/Walz, HGB, 2. Aufl. (1999), Einl. §§ 238 ff. Rn. 47 ff.; Leffson, Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 7. Aufl. (1987), S. 38 ff. (41 ff.); Baumbach/Hopt/Merkt, HGB, 33. Aufl. (2008), Einl. Vor § 238 Rn. 10 f.; Koller/Roth/Morck, HGB, 7. Aufl. (2007), § 238 Rn. 4. Wie hier: Louis (Fn. 83), S. 31 ff., 55 ff., 140, 194 ff.; Weimann (Fn. 25), S. 11, 69 ff.; Rönnau, Tiedemann-FS (2008), II. 1. c. aa). Dass Buchführungsvorschriften nur den Gläubigerschutz bezweckten, nimmt zu Unrecht an etwa Brammsen DB 1989, 1609, 1612.
[87] Exemplarisch BGHSt 20, 304; Lackner/Kühl (Fn. 59), § 266 Rn. 17a; Fischer (Fn. 3), § 266 Rn. 61a.
[88] Diese Konsequenz zieht selbst nicht Seier, in: Achenbach/Ransiek (Fn. 43), Kap. V 2 Rn. 190.
[89] Schönke/Schröder-Lenckner/Perron (Fn. 45), Rn. 35a; Fischer (Fn. 3), § 266 Rn. 38; Saliger JA 2007, 334.
[90] Näher Saliger HRRS 2006, 10, 22 f. zu dem von Seier, in: Achenbach/Ransiek (Fn. 43), Kap. V 2 Rn. 201 gebildeten Fall.
[91] Saliger JA 2007, 334.
[92] So mit Recht Rönnau, Tiedemann-FS (2008), II. 1. c. aa).
[93] Lackner/Kühl (Fn. 59), § 266 Rn. 20; Fischer (Fn. 3), § 266 Rn. 49; Schönke/Schröder-Lenckner/Perron (Fn. 45), Rn. 38; MüKo-Dierlamm (Fn. 11), § 266 Rn. 129; NK-Kindhäuser (Fn. 84), § 266 Rn. 66 ff.; Wessels/Hillenkamp, BT/2, 30. Aufl. (2007), 758 ff. Ausführlich zum Meinungsstand Schramm, Untreue und Konsens (2005), S. 46 ff. und 285 f.
[94] Zu den Modalitäten der Äußerung des Einverständnisses bei § 266 StGB Schramm (Fn. 93), S. 175 ff.
[95] BGHSt 50, 331, 342 f. Zu den Trägern der Dispositionsbefugnis bei den verschiedenen natürlichen und juristischen Personen eingehend Schramm (Fn. 93), S. 74 ff.
[96] Fischer (Fn. 3), § 266 Rn. 46; Rönnau, Tiedemann-FS (2008), II. 1. b.
[97] BGHSt 34, 379, 384 f.; Fischer (Fn. 3), § 266 Rn. 51; Wessels/Hillenkamp (Fn. 93), Rn. 761.
[98] In diese Richtung z.B. Schramm (Fn. 93), S. 286 ff.
[99] So die problematische Entscheidung BGHSt 34, 379, 384 ff., 389; dazu Kohlmann (Fn. 74), Rn. 190 Fn. 48.
[100] Umfassender Meinungsüberblick bei Louis (Fn. 83), S. 141 ff.
[101] BGHSt 35, 333, 337 f.; ferner BGHSt 3, 32, 39 f.; 9, 203, 216. Zu dieser Entscheidung wie zur ganzen Judikatur stellvertretend Louis (Fn. 83), S. 150 ff.
[102] Exemplarisch MüKo-Dierlamm (Fn. 11), § 266 Rn. 132 ff. und Seier, in: Achenbach/Ransiek (Fn. 43), Kap. V 2 Rn. 286 ff., jeweils m.w.N.
[103] Überzeugend Rönnau, Tiedemann-FS (2008), II. 1. b) m.w.N.; ders., ZStW 119 (2007), 887, 925.
[104] BGHSt 51, 100, 113 ff. m. Anm. Ransiek NJW 2007, 1727 und Saliger NStZ 2007, 545; vgl. auch Bernsmann GA 2007, 219, 229 ff.
[105] Begriff übernommen von Fischer (Fn. 3), § 266 Rn. 46.
[106] Vgl. nur BGHSt 43, 293, 297; 51, 100, 113; Fischer (Fn. 3), § 266 Rn. 70.
[107] Vgl. BGHSt 51, 100, 113 ff. und zuvor zur Haushaltsuntreue BGHSt 40, 287, 295 ff.; ferner OLG Frankfurt am Main NJW 2004, 2028, 2030. Ebenso Fischer (Fn. 3), § 266 Rn. 46, 70 ff.; Wolf, Die Strafbarkeit der rechtswidrigen Verwendung öffentlicher Mittel (1998), S. 190; Ransiek NJW 2007, 1727, 1728.
[108] Zum Folgenden siehe Saliger NStZ 2007, 545, 547 f.; ders., Parteiengesetz und Strafrecht (2005), S. 420 ff.; Rönnau, Tiedemann-FS (2008), II. 2. c); Riemann, Vermögensgefährdung und Vermögensschaden (1989), S. 158 f.
[109] Wie hier: Schönke/Schröder-Lenckner/Perron (Fn. 45), § 266 Rn. 45; LK-Schünemann, StGB, 11. Aufl. (1998), § 266 Rn. 148; MüKo-Dierlamm (Fn. 11), § 266 Rn. 217 f.; Weimann (Fn. 25), S. 123 ff.; Saliger (Fn. 108), S. 422 ff.; Matt NJW 2005, 391; Rönnau, Tiedemann-FS (2008), II. 2. b).
[110] So kritisch Fischer (Fn. 3), § 266 Rn. 46.
[111] Rönnau, Tiedemann-FS (2008), II. 2. b. bb); Saliger (Fn. 108), S. 422 ff. (424).
[112] Weimann (Fn. 25), S. 134 ff.; Saliger (Fn. 108), S. 418 ff., 420 ff. Zu weiteren strafbaren Fällen Saliger NStZ 2007, 545, 548 und Rönnau, Tiedemann-FS (2008), II. 2. a).
[113] So Louis (Fn. 83), S. 140.
[114] Vgl. im Anschluss an Tiedemann vertiefend und die Übertragung der Kanther-Rechtsprechung abl. Rönnau , Tiedemann-FS (2008), II 1 c bb, II 2 b, c ; vgl. auch BGHSt 28, 371, 372. Siehe auch für Vorstände § 76 I AktG, der eine eigenverantwortliche Entscheidungsbefugnis vorsieht.
[115] So der Maßstab bei BGHSt 51, 100, 114 f.
[116] Vgl. den Ansatz bei BGHSt 51, 100, 113 f.
[117] Siehe dazu Louis (Fn. 83), S. 138 ff.; Rönnau, Tiedemann-FS (2008), II. 2. c.
[118] BGHSt 51, 100, 121; vgl. auch die einschränkende Tendenz bei BGH HRRS 2007 Nr. 881.
[119] Siehe BGHSt 51, 100, 120 ff.
[120] Zur Kritik der Vorsatzlösung Saliger NStZ 2007, 545, 550 f.; Ransiek NJW 2007, 1727, 1729; Bernsmann GA 2007, 219, 232 f.; Rönnau, Tiedemann-FS (2008), II 2 b.
[121] Vgl. BGHSt 51, 100, 113 ff. und dann 118 ff.; dazu Saliger NStZ 2007, 545, 551.
[122] Siehe Rönnau, Tiedemann-FS (2008), II 2 b bb ff.: Beschränkung sei aufgehoben worden durch BGH wistra 2007, 384 = BGH NStZ 2007, 704, 705.
[123] Vgl. BGH wistra 2007, 306 f.; siehe auch schon BGHSt 51, 100, 122 f. (zu BGHSt 47, 148, 155 ff.) und Saliger NStZ 2007, 545, 552
[124] Vgl. Saliger NStZ 2007, 545, 552; Bernsmann GA 2007, 219, 232.
[125] Vgl. dazu die in Fn. 1 genannten Berichte und – nahezu täglich – die Wirtschaftsteile von SZ und FAZ.
[126] Oben D. I. 2. a.
[127] Vgl. auch in der Umkehr BGH NJW 1975, 1234 f., wo betont wird, dass Schranken einer rein wirtschaftlichen Betrachtung nicht nur auf dem Papier bestanden und nicht nur "Fassade" waren. Diese reine "Fassade" drängt sich indes bei Siemens auf, das – anders als es Arminia Bielefeld war – ein reines Wirtschaftsunternehmen ist, so dass die wirtschaftliche Aushöhlung des "geduldigen Papiers für die Öffentlichkeit" auch weniger erstaunt
[128] Vgl. im Zusammenhang mit den Grenzen der Wirksamkeit des Einverständnisses etwa BGHSt 35, 333, 337; m.w.N. Fischer (Fn. 3), § 266 Rn. 51 ff.; NK-Kindhäuser (Fn. 84), § 266 Rn. 67. Siehe auch oben D. I. 2. b.
[129] Schünemann NStZ 2006, 198 f.; Rönnau ZStW 119 (2007), 922 ff. m.w.N.; Schramm (Fn. 93), S. 225 f.
[130] Grundlegend Sternberg-Lieben, Die objektiven Schranken der Einwilligung im Strafrecht (1997), S. 512 ff.; Schramm (Fn. 93), S. 226; Rönnau ZStW 119 (2007), 887, 924; vgl. auch oben D. I. 2. b.
[131] Vgl. zu dieser Begründung Rönnau ZStW 119 (2007), 887, 922 f.; Ransiek ZStW 116 (2004), 634, 661 ff., 673
[132] Stellvertretend – bejahend – Schönke/Schröder-Lenckner/Perron (Fn. 45), § 266 Rn. 36; ablehnend z.B. MüKo-Dierlamm (Fn. 11), § 266 Rn. 163 ff., Rn. 166.
[133] Vgl. Seier, in: Achenbach/Ransiek (Fn. 43), Kap. V 2 Rn. 360; Bernsmann GA 2007, 219, 232; Rönnau ZStW 119 (2007), 922 ff., 926.
[134] Siehe m.w.N. auch zur Abkehr von einem umfassenden Schutz zugunsten der Konzentration auf eine Existenzgefährdung BGHSt 35, 333, 336 ff.; Fischer (Fn. 3), § 266 Rn. 52a ff., der auch den restriktiven Schutz letztlich ablehnt, vgl. Rn. 52e.
[135] Statt aller MüKo-Dierlamm (Fn. 11), § 266 Rn. 178, 186 ff. und Schönke/Schröder-Lenckner/Perron (Fn. 45), § 266 Rn. 45.
[136] Dazu noch unten 3.
[137] BGH NJW 1975, 1235 m.Anm. Schreiber/Beulke JuS 1977, 656; Bringewat JZ 1977, 667.
[138] Vgl. BGH NJW 1975, 1234, 1235; Saliger HRRS 2006, 10, 20 f.; siehe auch BGHSt 3, 370, 371 f.
[139] Ausdrücklich etwa BGH NStZ 2001, 251.
[140] Dazu näher Saliger (Fn. 108), S. 143 ff., 147 ff. m.w.N.
[141] So im Kontext des Bundesligaskandal-Urteils etwa Bringewat JZ 1977, 672; Seelmann JuS 1982, 918; LK-Hübner, StGB, 9. Aufl. (1979), § 266 Rn. 86.
[142] Fischer (Fn. 3), § 266 Rn. 46c zu OLG Frankfurt am Main, NStZ-RR, 2004, 244.
[143] Fischer (Fn. 3), § 266 Rn. 73a.
[144] Zu Grundsätzen der Unternehmensbewertung für das Strafrecht siehe aber jüngst instruktiv Florstedt wistra 2007, 441.
[145] So etwa Wolf, Die Strafbarkeit der rechtswidrigen Verwendung öffentlicher Mittel (1998), S. 99 ff., 112 ff.; dagegen Saliger (Fn. 108), S. 433 ff.
[146] Vgl. BGH NJW 1975, 1234, 1235; und näher Saliger (Fn. 108), S. 148 mit Fn. 372.
[147] Statt aller BGHR StGB § 266 I Nachteil 38; Lackner/Kühl (Fn. 59), § 266 Rn. 17b; Schönke/Schröder-Lenckner/Perron (Fn. 45), § 266 Rn. 40 f.
[148] Vgl. BGH NJW 1975, 1234, 1235 f. Entgegen dem BGH ist aber klarzustellen, dass illegale Manipulationsgeschäfte keine Risikogeschäfte sind. Das schiere Risiko der Entdeckung macht ein illegales Manipulationsgeschäft noch nicht zum Risikogeschäft.
[149] In die gleiche Richtung Seier, in: Achenbach/Ransiek (Fn. 43), Kap. V 2 Rn. 360; ferner Bernsmann GA 2007, 219, 232; stets ganz von den Umständen des Einzelfalls abhängig sieht das Saldierungsurteil Rönnau ZStW 119 (2007), 887, 921 f.
[150] Vgl. dazu bereits oben D. I. 4.
[151] Vgl. BGHSt 46, 30, 34 f.; BGH NStZ 2002, 262, 265; BGH HRRS 2007 Nr. 881; Fischer (Fn. 3), § 266 Rn. 77b; besonders deutlich OLG Frankfurt a.M. NStZ-RR 2004, 244 ff., wobei nicht das Erhoffen des Vorteils genügt.