HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Januar 2007
8. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Betrug durch den Abschluss manipulierter Fußballwetten: Das Hoyzer-Urteil als Sündenfall der Ausdehnung des Betrugstatbestandes?

Anmerkung zu BGH 5 StR 181/06, Urteil vom 15. Dezember 2006 = HRRS 2007 Nr. 1.

Von Karsten Gaede, Bucerius Law School (Hamburg) * .

Als "Fall Hoyzer" wird das Hauptstrafverfahren um die manipulierten Fußballwetten typisch bezeichnet, unter das der BGH mit seinem Urteil einen Schlussstrich gezogen hat. Nun ist das Urteil verfügbar und damit die Bestätigung der Verurteilung der Angeklagten wegen Betruges bzw. wegen Beihilfe zum Betrug im Detail nachzulesen. Auf insgesamt 28 Umdruckseiten befasst sich der 5. Strafsenat eingehend mit den Tatbestandsmerkmalen des Betruges, aber auch mit der gebotenen Strafzumessung.

Absehbar ist dieses Urteil für die Anwendung des Betruges nicht nur bei Sportwetten höchst bedeutsam. Es stellt eine strafrechtliche Pflichtlektüre dar. In der NJW wurde das mit dem Urteil bestätigte Verfahren indes schon dahingehend kritisiert, es hinterlasse "einen Faden Beigeschmack".[1] Auch der Vertreter der Bundesanwaltschaft hatte zugunsten der Angeklagten Freispruch gefordert. Man stellt sich so die Frage, ob der BGH hier den Betrug überstrapaziert haben mag, der möglicherweise herhalten musste, um verbreitete Strafwürdigkeitsintuitionen zu befriedigen und die etwa vom DFB energisch bekämpfte Straflosigkeit der Manipulationen zu vermeiden. So lädt das Urteil zu ersten Anmerkungen ein, welche die umfassende dogmatische Aufarbeitung noch nicht ersetzen,[2] wohl aber der Frage nachgehen, ob hier auch rechtlich ein "Fall Hoyzer" geschaffen wurde, um die empörte Öffentlichkeit strafrechtlich zu besänftigen.

I. Ob die vom BGH bejahte konkludente Täuschung durch den Wettabschluss im Wissen um die bevorstehende Manipulation vorlag, war eine der zentralen Fragen dieses Falles. Auch die Bundesanwaltschaft sah die Tat gerade hier nicht belegt. Bei aller berechtigten Vorsicht vor fiktiv unterstelltem konkludenten Verhalten[3] verdient die Auffassung des BGH doch alle Zustimmung, zumal sie nicht neu ist, sondern an BGHSt 29, 165 ff. anzuknüpfen vermochte. Wie der BGH insbesondere im Anschluss an Fischer[4] aufzeigt, lässt sich der tatsächliche Bedeutungsgehalt einer Kommunikation nicht losgelöst vom Empfängerhorizont des Erklärungsempfängers bestimmen, der insbesondere über die legitimen Rechtserwartungen der Beteiligten mitgeformt wird. So geschieht es, dass man zur Feststellung der konkludenten Täuschung und damit einer Tatfrage[5] auch auf rechtliche Wertungen zurückgreifen darf und muss, welche den Erklärungswert eines tatsächlichen Verhaltens mindestens bei dem hier vorliegenden rechtsgeschäftlichen Handeln dominierend mitbestimmen. Beim Geschäftstyp der Wette überzeugt es vor diesem Hintergrund, einem Antrag zum Abschluss eines Vertrages (wie auch seiner Annahme!) nach dem objektiven Empfängerhorizont[6] prinzipiell die Erklärung zu entnehmen, dass der Vertragsgegenstand nicht manipuliert werde (wurde).

Soweit dies die Bedeutung strafrechtlicher Garantenstellungen minimiert, folgt daraus nur scheinbar ein Gegenargument.[7] Tatsächlich wird die strafrechtliche Dogmatik hinnehmen müssen, dass der Rechtsverkehr den Aussagegehalt einer tatsächlichen Erklärung stets normativ über die Auslegung gewinnt.[8] Ausgesprochene Selbstverständlichkeiten sind so rationell der konkludenten Erklärung zugewiesen, weil man diese zwar verbindlich voraussetzt und so erwartet, nicht aber zwingend auch explizit ausspricht. Man kann nicht gleichsam fordern, die rechtsgeschäftliche Kommunikation habe sich zu beschränken, um dem Betrug durch Unterlassen einen bestimmten Anwendungsraum bzw. seiner Dogmatik ein breites Entscheidungsfeld zu lassen. Die oft kritisch wahrgenommene Nähe zwischen der Täuschung durch konkludentes Tun und der Täuschung durch Unterlassen wird insoweit heute nicht zufällig oft damit erklärt, dass die stillschweigende Miterklärung gerade entsteht, weil der Erklärungsempfänger eine Richtigstellung des Erklä-

renden für den Fall objektiv erwarten darf, dass er nicht auf die Miterklärung schließen soll.[9]

Richtig ist allerdings, dass die Gefahr besteht, die Feststellung der konkludenten Erklärung über den Verweis auf schlechthin und beiderseits vorausgesetzte "Geschäftsgrundlagen" zu überdehnen, indem man annimmt, jeder für einen Vertragspartner bedenkliche bzw. unvorteilhafte Umstand werde mit erklärt. Es muss sich tatsächlich um regelmäßig mitgedachte und daher über das rechtsgeschäftliche Handeln mitzukommunizierende "Geschäftsgrundlagen" wie das hier einschlägige Fehlen einer Manipulation des Geschäftsgegenstandes handeln. Auf Besonderheiten des konkreten Erklärungsbildes, die den angelegten Schluss hindern könnten, muss weiter geachtet werden.[10] Die Überdehnungsgefahr ist aber jedenfalls bei der vorliegenden Manipulation des Geschäftsgegenstandes nicht einschlägig. Und der BGH sieht die Gefahr. So betont er, dass der Schluss auf eine konkludente Erklärung nicht schon jeder Erwartung redlichen Verhaltens entnommen werden darf. Gerade daher hält er treffend die Spätwettenentscheidung aufrecht. In ihr bestand keine schon aus dem Vertragsgegenstand bzw. aus "Geschäftsgrundlagen" herzuleitende objektive Erwartung des Empfängers, der Antragende werde sich über seine Kenntnis vom Spielausgang erklären.[11] So bleibt das Fazit, dass die Täuschung mit Recht bestätigt wurde. Eine Überdehnung des Betruges zugunsten der öffentlichen Meinung ist nicht auszumachen.

II. Der BGH sah auch einen Irrtum über die Manipulationsfreiheit des Wettgegenstandes. Auch dies leitet er im Anschluss an eingeführte Dogmatik her, deren Einschränkung jedenfalls nicht aus Anlass der vorliegenden Konstellation geboten war [12] : Nach der Figur des "sachgedanklichen Mitbewusstseins" war eine Fehlvorstellung der getäuschten Mitarbeiter über die Manipulationsfreiheit im Gegensatz zu einer mangelnden Vorstellung plausibel. Auch hier kann nicht vorschnell ein Fiktionsvorwurf erhoben werden: Dass Mitarbeiter der Wettanbieter Wetten nicht in der erwirkten Vorstellung annähmen, es handele sich bei dem gewetteten Spiel um eine für beide Seiten nicht unlauter beeinflusste Veranstaltung, die für den Wettanbieter folglich seinerseits akzeptable Gewinnchancen bietet, wäre ihrerseits eine eher fern liegende Deutung des Geschehens, denn die Manipulationsfreiheit ist dem Wettanbieter keineswegs und in der Regel auch seinen Mitarbeitern nicht egal. Freilich ist das tatsächliche Handeln des Mitarbeiters mit dem jeweiligen unrichtigen "sachgedanklichen Mitbewusstsein" als Tatfrage auch für jeden Einzelfall festzustellen, was indes abermals kein spezielles Problem des "Hoyzer Falles" darstellt.

III. Den Vermögensschaden sieht der BGH u.a. in einem "Quotenschaden" begründet, der als solcher nicht genau zu beziffern sei und der im Fall einer Gewinnauszahlung durch den endgültigen Vermögensverlust konsumiert werde. Dieser "Quotenschaden" soll nun der "schadensgleichen Vermögensgefährdung" nur ähnlich sein. Gerade die - soweit ersichtlich - in dieser Form noch nicht da gewesene Anerkennung eines Schadens, der der "schadensgleichen Vermögensgefährdung" ähnele und die einleitende Bemerkung des Senats, die "für übliche Austauschgeschäfte entwickelte Rechtsprechung" zum Eingehungsbetrug" bedürfe "der Anpassung an die Besonderheiten der hier gegenständlichen Sportwetten", scheint die Spur zu einer Betrugsausdehnung zu legen, mit der allein der Wettskandal erfasst werden soll. Hat der BGH etwa nun "für Hoyzer" vor dem Hintergrund einschränkender Ansätze[13] eine dritte Form des Schadens neben dem "Normalschaden" und der "schadensgleichen Vermögensgefährdung" geschaffen?

Man wird dies verneinen können. Zunächst hat der BGH berechtigt keine "schadensgleiche Vermögensgefährdung" bezüglich des Gewinns schon bei Vertragsabschluss anerkannt und damit die jüngst intensivierte Forderung nach einer "konkreten Gefahr" bestätigt. Hinsichtlich des "Quotenschadens" hat er betont an die Prinzipien des Eingehungsbetrugs angeschlossen, die freilich seit langem - und damit unabhängig vom "Fall Hoyzer" - schon für sich genommen eine beträchtliche Eindämmung des Versuchs zugunsten einer eher großzügigen Vollendungsbegründung bedeuten.[14] Diese Prinzipien hat der BGH auf den Vertragstyp der Oddset-Sportwette konkretisierend angewendet. Der wirtschaftliche Vergleich der für eine bestimmte Quote bezahlten Gewinnchance und der tatsächlich bereits erworbenen Gewinnchance zeigt beim Austausch von Wettschein und Einsatz im Fall einer bereits vorbereiteten erheblichen Manipula-

tion in der Regel eine beträchtliche Erwerbsdifferenz zulasten des Wettanbieters auf. Diese lässt sich zwar in der Tat schon dem Gegenstand nach nicht ohne weiteres in eine konkrete Ziffer fassen, wohl aber durch Bewertungen jedenfalls nachvollziehbar (ein-) schätzen. Sie kann so auch betragsmäßig ausgewiesen werden, worauf schon für die Strafzumessung nicht zu verzichten ist. Allerdings liest man dazu im Urteil des BGH wenig, zumal kein Rückgriff auf Sachverständige erfolgte und der objektive Wert der manipulierten Gewinnchance auch nicht denknotwendig den Betrag des gezahlten Einsatzes erreichen muss.[15] Der Ansatz des BGH ist so als Ausdifferenzierung des Eingehungsbetruges rechtlich grundsätzlich plausibel, für die konkreten Schuldsprüche indes im Tatsächlichen auf eine bedenklich knappe Bewertung gestützt.

Dass der BGH die "Gefährdungsähnlichkeit" des über den Eingehungsbetrug[16] begründeten "Quotenschadens" besonders betont, erstaunt dabei eher, weil der Gefährdungsschaden die angestammte Form des über den Eingehungsbetrug begründeten Schadens sein dürfte. Allein der Wettanbieter hat in der Vertragsschlussphase die tatsächliche Leistung der Einsätze erhalten. Wenn der 5. Strafsenat nun bemerkt, der Schaden beim Wettabschluss ähnele angesichts der Bezogenheit auf das Wettrisiko (= den ungewissen Spielausgang) dem heute gebilligten Gefährdungsschaden und realisiere sich endgültig erst in der Auszahlung eines Gewinns, zeigt der BGH ein allgemein im Eingehungsbetrug angelegtes[17] Phänomen auf, das bei der Wette zusätzlich besonders ausgeprägt nicht aber prinzipiell neu ist: Eine juristisch schon bestehende Verbindlichkeit muss nicht stets durch ihre Erfüllung in einen tatsächlichen Vermögensverlust umschlagen. Dennoch wird ihr schlichtes Bestehen selbst bei noch bedingten[18] Ansprüchen heute in der Regel bei der anzustellenden Saldierung zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses als schadensbegründend aufgefasst, obschon die erfolgreiche Anspruchsgeltendmachung nicht stets zu erwarten oder gar sicher sein muss.[19] Sie kann aus verschiedensten Gründen weniger wahrscheinlich sein, der Schaden wirtschaftlich so einer eher abstrakten Realisierungsgefahr entsprechen. Wird die Verbindlichkeit tatsächlich geltend gemacht, schlägt sich in ihrer Erfüllung eine Schadensvertiefung nieder; das mit Ansprüchen belastete Vermögen ist endgültig verloren, die eingegangene Verbindlichkeit erscheint rückblickend als konsumierter "Durchgangsschaden". Die Wettkonstellation offenbart dies nur besonders deutlich, weil die Realisierung der Verbindlichkeit durch tatsächliche Vermögensflüsse hier noch mehr als in anderen Fällen in Frage gestellt ist, nämlich sogar noch in beträchtlichem Umfang vom Zufall abhängt.

So wird man festhalten dürfen, dass gegen die Annahme eines vollendeten Betruges im "Fall Hoyzer" keine durchgreifenden Bedenken bestehen, soweit man den Eingehungsbetrug trotz des in ihm angelegten Gefährdungsmoments konsequent teilt. In einigen Fällen war die Schadensbegründung schließlich auch über die aus manipulierten Spielen gezogenen Gewinne möglich. Allerdings wird man hinzufügen müssen: Die Vollendung durch den "Quotenschaden" bezieht sich nun zwar nur auf einen geringeren Schadensbetrag als ihn das Landgericht über die "schadensgleiche Vermögensgefährdung" annahm. Sie basiert aber noch immer auf einer Begründung, die scheinbar "nicht einmal" für eine "schadensgleiche Vermögensgefährdung" gereicht hätte, sondern die allein aus dem Begriff des Eingehungsbetruges gefolgert wird, ohne sich zur Konkretheit des "Quotenschadens" auch im Blick auf die Gesamtkalkulationen des bereits bereicherten Wettanbieters zu verhalten. Hierin deutet sich ein Wertungswiderspruch an, der die Vollendungsbegründung über den Eingehungsbetrug in Frage stellt, die offenbar leichter als diejenige über die "schadensgleiche Vermögensgefährdung" zu haben sein soll. Das Verhältnis zwischen "schadensgleicher Vermögensgefährdung" und Eingehungsbetrug scheint in der Rechtsprechung jedenfalls unklar zu sein bzw. klärungsbedürftig geworden zu sein.[20] Der "Fall Hoyzer" hätte zudem wegen des bei der Wette noch hinzu kommenden Zufallsmoments, das die Konkretheit des Gefährdungsschadens in Frage stellt, ein treffender Anlass dafür sein können, den Eingehungsbetrug einer Prüfung auf nötige Einschränkungen zu unterziehen.[21] Ob die Vollendungsbegründung über den Eingehungsbetrug und/bzw. die "schadensgleiche Vermögensgefährdung"[22] in ihrer heutigen Weite zulasten eines etwaigen Versuchs Bestand

haben sollten, bleibt auch infolge der zu beobachtenden Friktionen bei der Strafzumessung[23] fraglich. Bei ihr führt man möglicherweise durch Differenzierungen oft nur wieder ein, was man dem Angeklagten schon durch die Versuchsstrafbarkeit hätte zugestehen müssen. Auch bei der Untreue hat man jüngst am Fall Kanther sehen müssen, dass die - bei § 266 StGB versuchsersetzende?[24] - "schadensgleiche Vermögensgefährdung" Folgeprobleme etwa zum Vorsatz hervorruft,[25] die mindestens für eine Überdehnung derselben Indizien sein dürften. Sowohl die "schadensgleiche Vermögensgefährdung" als auch der vermeintliche "gefährdungsähnliche Vermögensschaden des Eingehungsbetruges" verdienen eine vermehrt kritische Betrachtung.

IV. Bemerkungen verdienen auch die Ausführungen des BGH zur Strafzumessung, mit denen er - nach seinen Darlegungen nicht tragend - ergänzend auch die gesellschaftlichen Gesamtfolgen des Fußballwettskandals zulasten der Angeklagten heranzieht. Auf den ersten Blick denkt man hierzu gleichsam als "billig und gerecht denkender Fußballfan", dass der BGH das erstaunliche Manko der Landgerichtsentscheidung zutreffend korrigiert, in der - wie der BGH mitteilt - die gesamten weiteren Folgen der Taten insbesondere für den deutschen Profifußball "nicht einmal umfassend ausdrücklich bedacht" worden sind. Liest man das Urteil in Hamburg, mag - außerhalb St. Paulis - im Einzelnen etwa der Hinweis des BGH auf die Folgen für den HSV und seinen damaligen Trainer wohl tun. Manch einer wird Genugtuung empfinden, weil die bisweilen erstaunlichen und bis auf den Betrug am Wettanbieter gescheiterten Versuche, alle Leidtragenden des Skandals durch die Anerkennung einer Straftat zu ihren Lasten zu befriedigen, nun durch den BGH über die Strafzumessung gleichsam zum Erfolg geführt worden sind.[26]

Und doch löst das Erstaunen über das Landgericht die verblüffte Frage auf, wie es eigentlich kommen konnte, dass sich das Landgericht auf den Betrug konzentrierte. Die Frage lohnt und es gibt eine Antwort, welche die geschilderten Intuitionen dann doch beträchtlich auf die Probe stellt oder stellen sollte: Was haben die Erwägungen um den deutschen Profifußball eigentlich genau genommen mit der Vermögensschädigung eines Wettveranstalters zu tun, die das einzig vorgeworfene Tatunrecht ausmacht? Welcher Konnex besteht zum Beispiel zwischen enttäuschten Zuschauern und der pönalisierten Selbstschädigung des kommerziellen Wettanbieters? Nach § 46 II 2 StGB dürfen dem Angeklagten verschuldete Tatauswirkungen angelastet werden. Am Verschulden bestehen auch keine Zweifel. Der heutige vorherrschende Meinungsstand ist indes derjenige, dass nur solche außertatbestandlichen Tatauswirkungen Strafschärfungen nach sich ziehen dürfen, die vom Schutzzweckzusammenhang der zur Strafzumessung Anlass gebenden Tat umfasst sind.[27] Bedenkt man auch dies, so erscheint die Strafzumessung des BGH in einem anderen Licht: Sie wirft den Angeklagten Folgen vor, die sich mit der Vermögensstraftat gegen den Wettanbieter selbst nur kausal, nicht aber auch nach dem Schutzzweck des Betruges verbinden lassen, denn es geht nicht um ein Sonderdelikt des Sportbetruges, sondern um ein schlichtes Vermögensdelikt. Nun weiß man zwar, dass § 46 II 2 StGB keinen abschließenden Katalog an Strafzumessungstatsachen enthält. So wird auch im Allgemeinen die Ergänzung der benannten Strafzumessungskriterien zugelassen.[28] Für die verschuldeten Auswirkungen der Tat wird aber - allerdings in der Rechtsprechung nicht einheitlich[29] - bislang gerade die Grenze des Schutzzweckzusammenhangs gezogen.[30]

Nimmt man dies zur Kenntnis, hat der BGH im "Fall Hoyzer" den § 46 II StGB in jedem Falle sehr weit gehandhabt. Das ist mit der herrschenden Auffassung im Schrifttum als problematisch zu werten, denn führt man sich die Weite der heute mehrheitlich als bestimmt akzeptierten Strafrahmen vor Augen (hier bei § 263 III Nr. 1 StGB: sechs Monate bis zehn Jahre Freiheitsstrafe!), macht der BGH im Grunde etwaige Sonderdelikte zum Schutz des Sports, seiner Vereine, der Zuschauer, der Verbände etc. zu einem Gutteil überflüssig: Ist irgendein Strafgesetz anwendbar, soll offenbar ein gesellschaftlich bedeutsames Geschehen nach allen Seiten auch strafschärfend gewürdigt werden dürfen, obschon vielleicht schon ein substantiell anderer Unrechtsvorwurf zum Ausgangspunkt genommen wird. Jedenfalls dann, wenn man tatsächlich über den offen formulierten § 46 II StGB geradezu ein weiteres, nicht positiviertes Delikt zu Strafbegründung heran zöge, wäre dies nicht hinzunehmen. Straftatbestände unterliegen einschließlich der nach ihnen möglichen Rechtsfolgen Art. 103 II GG; sie müssen also zur Tatzeit bestimmt geregelt worden sein.[31] Auch über die Strafzumessung darf so nicht tatsächlich ein anderer Unrechtskern geschaffen und abgeurteilt werden, als ihn der Gesetzgeber zur Tatzeit strafrechtlich vertypt hatte. Um diese Vorsicht systematisch wahren zu

können, spricht vieles für die Begrenzung durch den Schutzzweckzusammenhang, der derartigen Tendenzen entgegenstünde und der auch gewährleistete, dass Rationalitätsgewinne durch strafrechtliche Zurechnungsprinzipien nicht bei der Strafzumessung zum Großteil wieder verloren gehen.

Im "Fall Hoyzer" dürfte der BGH die Grenze des Schutzzweckzusammenhangs nicht gewahrt haben, was indes in der Rechtsprechung - wie gesagt - nicht ohne Beispiel ist. Dass der BGH richtiggehend ein anderes Delikt mit abgeurteilt hätte, kann ihm aber bei seiner Hilfsbegründung über § 354 Ia StPO noch nicht vorgehalten werden. Er hat jedoch ein Beispiel dafür geboten, dass hier ein Problem liegt, über das nicht einheitlich judiziert wird und zu dem der BGH durchaus einige begründende Bemerkungen anhand des § 46 II StGB hätte ausführen können.

V. Zusammenfassend ist dem BGH keine "Causa Hoyzer" vorzuhalten. Die Annahme eines vollendeten Betruges überstrapaziert nicht die Betrugsdogmatik, nur um den Fußballskandal mit einer "strafrechtlichen Erfolgsmeldung" zu beenden. Die Ausführungen des BGH liegen rechtlich auf der Linie der tradierten Rechtsprechung, während sie im Tatsächlichen zum "Quotenschaden" angreifbar sind. Zugleich räumt die Entscheidung aber auch nicht die Probleme aus, die zum Eingehungsbetrug und zur "schadensgleichen Vermögensgefährdung" ganz allgemein bestehen dürften. Soweit der BGH hilfsweise die Folgen für Dritte und für den deutschen Fußball in der Strafzumessung heran zieht, ist dies rechtlich zweifelhaft. Der Fall regt an, die Grenzen einer bestimmten Strafzumessung nach § 46 StGB insoweit besser als bislang auszuloten. Die Bewertung, das Verfahren oder das Urteil hinterließen "einen faden Beigeschmack", rechtfertigt dies aber bei weitem nicht.


* Für eine kritische Durchsicht, die für diesen Beitrag auch inhaltlich sehr wertvoll gewesen ist, dankt der Verfasser ganz herzlich Herrn Tilo Mühlbauer, Dresden.

[1] Vgl. so Meyer-Lohkamp NJW-Editorial Heft 52/2006.

[2] Viele (Detail-)Fragen auch prozessualer Natur bleiben folglich außer Betracht. So ist die verfassungsrechtlich hoch problematische Anwendung des § 354 Ia StPO ebenso erörterungswürdig wie es materiellrechtlich zum Beispiel der vom BGH implizit bejahte Vermögensschutz für rechtlich nicht anerkanntes Vermögen wäre, vgl. im Urteil II. 2. d und im Überblick Tröndle/Fischer, StGB, 54. Aufl. (2007), § 263 Rn. 64 ff.

[3] Vgl. aus dem Urteil etwa krit. Schlösser NStZ 2005, 423, 425 f.; Schild ZfWG 2006, 213, 215 ff.

[4] Vgl. Tröndle/Fischer (Fn. 2), § 263 Rn. 12; siehe auch MüKo-Hefendehl, Bd. 4 (2006), § 263 Rn. 113, 88: schlichter Auslegungsbedarf; Schönke/Schröder-Cramer/Perron, StGB, 27. Aufl. (2006), § 263 Rn. 14/15, 16e. Zum Wettvertrag auch z.B. schon m.w.N. Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug (1999), S. 170 f. und die Lehre von LK-Lackner, StGB, 10. Aufl. (1988), § 263 Rn. 28 ff. und 43.

[5] Siehe NK-Kindhäuser, StGB, 2. Aufl., § 263 Rn. 124; auch m.w.N. zu anderen Ansichten SK-Hoyer, StGB, 7. Aufl. (2004), § 263 Rn. 30 ff. Vgl. auch Fn. 6 und 8.

[6] Vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl. (2007), § 133 Rn. 7, 9; Bork, AT BGB, 2. Aufl. (2006), Rn. 527 ff.

[7] Vgl. aber krit. Schlösser NStZ 2005, 423, 426 f.; Schild ZfWG 2006, 213, 216.

[8] Vgl. Palandt/Heinrichs (Fn. 6), § 133 Rn. 5, 7, 29: normative Auslegung nach Feststellung des Erklärungsaktes; Bork, AT BGB (Fn. 6), Rn. 527 ff., 549 f.: Einbeziehung außerhalb der Erklärung liegender Umstände. Weil sich der Erklärungsgehalt äußerlich gleiches Verhalten so doch unterscheiden kann, geht die Kritik von Schlösser NStZ 2005, 423, 425 am BGH fehl. Vgl. auch MüKo-Hefendehl (Fn. 4). § 263 Rn. 88 f. Sollte den Erklärenden die normative, rechtsgeschäftliche Deutung seines Handelns tatsächlich einmal überraschen, so wäre dies strafrechtlich eine Frage des Vorsatzes.

[9] Siehe etwa S/S-Cramer/Perron (Fn. 4), § 263 Rn. 14/15: naturgemäß unmögliche Unterscheidung; vgl. auch Mü-Ko-Hefendehl (Fn. 4), § 263 Rn. 87 f. und von einer Wahrheitspflicht ausgehend Pawlik (Fn. 4), S. 65 ff., 97 ff.; krit. m.w.N. Schlösser NStZ 2005, 423, 426.

[10] Auch der BGH sieht die konkludente Erklärung daher nur "in aller Regel" als gegeben an!

[11] Siehe nur BGHSt 16, 120 ff. Dabei ist anzumerken, dass die strafrechtliche Begriffsbildung mit der Bezeichnung "Geschäftsgrundlage" (so etwa BGHSt 29, 165, 167 f.) ohne Not von der zivilrechtlichen abweicht, die den verabredeten Vertragsgegenstand und die Rechte etwa zur Vertragsabstandnahme bei Manipulationen § 313 BGB nicht unterfallen lässt, vgl. Palandt/Heinrichs (Fn. 6), § 313 Rn. 4.

[12] Vgl. zur Abgrenzung von Fehlvorstellung und mangelnder Vorstellung Tröndle/Fischer (Fn. 2), § 263 Rn. 34, treffend Rn. 35: regelmäßiger Gleichlauf der Beurteilung mit derjenigen zur konkludenten Täuschungshandlung.

[13] Vgl. etwa den vom BGH abgelehnten Ansatz von Kutzner JZ 2006, 712, 716 ff.; vgl. auch die Stimmen, die im Ergebnis dem BGH nahe stehen, aber den Eingehungsbetrug durchweg sogleich als Fall der "schadensgleichen Vermögensgefährdung" begreifen, was jedenfalls der BGH - wie seine jetzigen Ausführungen zeigen - tatsächlich nicht automatisch als Schadensform des Eingehungsbetruges sieht (vgl. im Kontrast aber z.B. BGHSt 45, 1, 4 f.), Valerius SpuRt 2005, 90, 93; Fasten/Oppermann JA 2006, 69, 72, 73; Hartmann/Niehaus JA 2006, 432, 434; vgl. auch etwa LK-Lackner (Fn. 4), § 263 Rn. 223, 152, 244.

[14] Vgl. zum Problem etwa schon krit. Schröder JZ 1965, 513, 516; LK-Lackner (Fn. 4), § 263 Rn. 152, 223, 244; siehe aber auch MüKo-Hefendehl (Fn. 4), § 263 Rn. 490 f., der zwar das angelegte Gefährdungsmoment des Eingehungsbetrug benennt (z.B. Rn. 591), aber gegen zu weitgehende Versuchslösungen eintritt.

[15] Dazu, dass der Verkaufspreis nicht stets den objektiven Gegenwert ausmachen muss, vgl. nur BGHSt 16, 220, 224 f. Schlicht den Verkaufspreis zu nehmen und sodann die Manipulation als Wertsteigerung schlicht zu addieren, kann daher bei den Ausführungen des BGH nicht gemeint sein.

[16] Es ist vielleicht auch eine Deutung nicht ausgeschlossen, dass der BGH tatsächlich einen "ersten Erfüllungsschaden" angenommen hat, der bei der Leistung von Einsatz und Wettschein (= erhöhte Gewinnchance) eingetreten ist. Für einen Erfüllungsschaden wäre die "Gefährdungsähnlichkeit" tatsächlich bemerkenswert. Der BGH schließt selbst aber erklärtermaßen gerade an den Eingehungsbetrug an.

[17] Vgl. auch den BGH selbst im Fall: "das mit dem Eingehungsbetrug verbundene erhöhte Verlustrisiko".

[18] Vgl. BGHSt 8, 289, 291: Schaden durch geringere Gewinnchance, auch wenn deren Realisierung stets von einer Bedingung abhing; Fasten/Oppermann JA 2006, 69, 72; MüKo-Hefendehl (Fn. 4), § 263 Rn. 392. Freilich wird auch beim Eingehungsbetrug schon heute etwa bei bestehenden Sicherungen der Schaden verneint, vgl. BGHSt 34, 199 ff.; BGH HRRS 2006 Nr. 745 m.w.N.

[19] Siehe aber auch zu bereits anerkannten bzw. diskutierten Einschränkungsfällen m.w.N. NK-Kindhäuser (Fn. 5), § 263 Rn. 318 ff.; Tröndle/Fischer (Fn. 2), § 263 Rn. 102 f. Etwa die reine Anfechtbarkeit eines Vertrages begründet aber noch keine Einschränkung, vgl. BGHSt 21, 384 f. und m.w.N. krit. Tröndle/Fischer (Fn. 2), § 263 Rn. 103.

[20] Siehe im Kontrast zur hier vorgenommenen Ableitung allein aus dem Eingehungsbetrug etwa BGHSt 45, 1, 4 f. Dort wird auch beim Eingehungsbetrug die "schadensgleiche Vermögensgefährdung" geprüft und konstitutiv bejaht.

[21] Vgl. auch schon Schröder JZ 1965, 513, 516; S/S-Cramer/Perron (Fn. 4), § 263 Rn. 129/130; SK-Hoyer (Fn. 5), § 263 Rn. 234 f.; Valerius SpuRt 2005, 90, 93; siehe aber auch MüKo-Hefendehl (Fn. 4), § 263 Rn. 490 f.

[22] Zur Kritik vgl. etwa SK-Hoyer (Fn. 5), § 263 Rn. 230 ff.: unumkehrbarer Vermögensverlust erforderlich; siehe auch Tröndle/Fischer (Fn. 2), § 263 Rn. 94 und 96: "erhebliche Ausweitung" des Tatbestandes.

[23] Vgl. die vom BGH in Bezug genommene Entscheidung BGH wistra 1999, 185, 187, die festhält, dass kein tatsächlicher Schaden vorhanden gewesen sei, was nicht nur eine missverständliche Formulierung sein muss.

[24] Vgl. krit. mit diversen Nachweisen Saliger HRRS 2006, 10, 12 ff.; MüKo-Dierlamm (Fn. 4), § 266 Rn. 186.

[25] Siehe BGH HRRS 2007 Nr. 2 und schon Tröndle/Fischer (Fn. 2), § 266 Rn. 63a.

[26] Vgl. nur den Überblick über diskutierte und öffentlich erwogene Strafbarkeiten bei v.Komorowski/Bredemeier SpuRt 2005, 181 ff.; 227 ff.; Hartmann/Niehaus JA 2006, 432 ff. (z.B. "Betrug zum Nachteil der[Fernseh-]Zuschauer", "Untreue gegenüber dem DFB und den Vereinen").

[27] So m.w.N. Schäfer, Praxis der Strafzumessung, 3. Aufl., Rn. 324, 326; Tröndle/Fischer (Fn. 2), § 46 Rn. 34; NK-Streng (Fn. 5), § 46 Rn. 58 m.w.N.; unklar nun aber S/S-Stree (Fn. 4), § 46 Rn. 18.

[28] Vgl. Tröndle/Fischer (Fn. 2), § 46 Rn. 56; NK-Streng (Fn. 5), § 46 Rn. 82, 92 f. m.w.N.

[29] Vgl. wie hier krit. auf der einen Seite BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatauswirkungen 6; OLG Düsseldorf StV 2001, 233; a.A. aber explizit BGH StV 2003, 442 m. Anm. Meier.

[30] So auch ausdrücklich m.w.N. zur Judikatur Schäfer (Fn. 27), Rn. 324, 326; NK-Streng (Fn. 5), § 46 Rn. 58; Berz NStZ 1986, 86, 87: keine Aufgabe des Gewinns der Zurechnungslehre über die Strafzumessung.

[31] Vgl. m.w.N. BGH HRRS 2003, 157 f., 251 f.; BVerfG, 2 BvR 794/95 vom 20.3.2002, Nr. 66 ff.; m.w.N. Tröndle/Fischer (Fn. 2), § 1 Rn. 6; Gaede HRRS 2004, 165, 169.