Bearbeiter: Rocco Beck
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 747/94, Urteil v. 16.11.1995, HRRS-Datenbank, Rn. X
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft, des Nebenklägers und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. Juni 1994 werden verworfen.
Der Angeklagte und der Nebenkläger tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel. Der Staatskasse fallen die dem Angeklagten im Revisionsverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen insoweit zur Last, als die Revision der Staatsanwaltschaft sie verursacht hat.
Das Schwurgericht hat den Angeklagten wegen Rechtsbeugung in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Totschlag und in einem Fall in Tateinheit mit versuchtem Totschlag (in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen) unter Verhängung von Einzelstrafen von jeweils zwei Jahren Freiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt; im Übrigen hat es den Angeklagten freigesprochen. Vorwürfe mit Rechtsbeugung in Tateinheit stehender Freiheitsberaubung sind gemäß § 154a StPO aus dem Verfahren ausgeschieden worden.
Der 1920 geborene Angeklagte erlernte nach Besuch der Volks- und Bürgerschule den Beruf eines Strumpfwirkers. Er engagierte sich politisch gegen die Nationalsozialisten, erlitt Gefangenschaft in einem Konzentrationslager und kam, anschließend zum Fronteinsatz "zur Bewährung", unter anderem in einem Minensuchkommando. Im Jahre 1948 wurde er in Schwerin zum "Volksrichter" ausgebildet; ab 1949 übte er verschiedene richterliche Tätigkeiten aus. Eine Teilnahme an den Waldheim-Prozessen lehnte er aus Gewissensgründen ab. 1954 wurde er beisitzender Richter am Obersten Gericht der DDR. Daneben war er von 1954 bis 1958 Parteisekretär des Obersten Gerichts. 1958 holte der Angeklagte das zweite juristische Staatsexamen nach. Er wurde 1960 zum Oberrichter am obersten Gericht befördert und erhielt zunächst den Vorsitz eines Strafsenats. 1965 wurde er zum Vizepräsidenten für Zivilsachen des Obersten Gerichts ernannt. Nach seiner Promotion war er ab 1968 Dozent für und Familienrecht an der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft der DDR, wo er 1973 eine Professur erhielt. Seit 1980 ist der Angeklagte Rentner.
Als beisitzender Richter am Obersten Gericht der DDR war der Angeklagte in den Jahren 1954 bis 1956 unter anderem mit der Verfolgung von gegen den Staat gerichteten Straftaten befaßt. Dabei wirkte er an drei Strafverfahren wegen "Verbrechen gemäß Art. 6 Abs. 2 der Verfassung der DDR" (DDR-Verfassung/1949) mit, die zu Todesurteilen gegen die Betroffenen führten und in denen das Schwurgericht sein Verhalten als Rechtsbeugung gewertet hat.
1. Am 3. März 1955 verurteilte das Bezirksgericht Cottbus den 52jährigen Kaufmann K. T. zum Tode. T.'s Berufung wurde vom Obersten Gericht der DDR unter Mitwirkung des Angeklagten durch Urteil vom 1. April 1955 zurückgewiesen. Dabei hielt der Angeklagte als Berichterstatter die Todesstrafe nicht für schuldangemessen; er stimmte dem Urteil aber zu, weil er nicht wagte, auf seine abweichende Meinung hinzuweisen. T. wurde am 26. Juli 1955 hingerichtet.
2. Am 4. November 1955 verurteilte das Bezirksgericht Cottbus den 40jährigen Ingenieur H. F. zum Tode. F.'s Berufung wurde vom Obersten Gericht der DDR durch Urteil vom 2. Dezember 1955 unter Mitwirkung des Angeklagten zurückgewiesen. Der Angeklagte - wiederum als Berichterstatter - stimmte im Ergebnis für die Todesstrafe, obwohl er dem Fall noch geringeres Gewicht als dem Fall T. beimaß. F. wurde am 22. Dezember 1955 hingerichtet.
3. Am 27. Januar 1956 verhängte das Oberste Gericht der DDR unter Mitwirkung des Angeklagten in einem erstinstanzlichen Verfahren Todesstrafen gegen den 42jährigen Konstrukteur M. H. und den 33jährigen Elektriker W. R.; die 33jährige Stenotypistin E. H. wurde zu lebenslangem Zuchthaus, der 27jährige Hollerith-Spezialist J. S. zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt. Der Angeklagte hielt die Strafen zwar nicht für schuldangemessen, schloß sich aber stillschweigend dem Votum des Vorsitzenden und des Berichterstatters an. Die Todesstrafen gegen H. und R. wurden am 8. Februar 1956 in lebenslange Zuchthausstrafen umgewandelt, beide wurden 1964 aus der Haft entlassen. S. wurde bereits im März 1957, nachdem die Strafe im Gnadenwege auf drei Jahre ermäßigt worden war, zur Bewährung entlassen. Frau H. verstarb im September 1956 in der Haft.
In drei weiteren Fällen, in denen die Betroffenen ebenfalls nach Art. 6 Abs. 2 der DDR-Verfassung/1949 verurteilt wurden, hat das Schwurgericht den Angeklagten vom Vorwurf der Rechtsbeugung freigesprochen.
1. Am 1. Dezember 1954 verhängte das Bezirksgericht Schwerin gegen den 27jährigen Angestellten R. L. (auch wegen schwerer Untreue und passiver Bestechung) eine Zuchthausstrafe von fünfzehn Jahren. Dieses Urteil wurde vom Obersten Gericht der DDR am 21. Dezember 1954 unter Mitwirkung des Angeklagten nach einem Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, die eine höhere Bestrafung erstrebte, bestätigt.
2. Mit erstinstanzlichem Urteil vom 4. August 1955 verurteilte das Oberste Gericht der DDR die Eheleute B. und S. K. zum Tode. Der 31jährige Friseur und die 29jährige Anwaltsgehilfin wurden am 14. September 1955 hingerichtet. Der Angeklagte hatte als Beisitzer gegen die Todesstrafen und für lebenslange Freiheitsstrafen gestimmt.
3. Am 11. Juli 1956 verhängte das Oberste Gericht der DDR unter Mitwirkung des Angeklagten in einem erstinstanzlichen Urteil gegen den damals 26jährigen Journalisten K. F., der sich dem hiesigen Verfahren als Nebenkläger angeschlossen hat, eine vierjährige Zuchthausstrafe.
Das Urteil des Landgerichts wird vom Angeklagten, von der Staatsanwaltschaft und vom Nebenkläger mit der Revision - jeweils mit der Sachrüge - angegriffen. Die Staatsanwaltschaft hat ihr zuungunsten des Angeklagten eingelegtes Rechtsmittel - das vom Generalbundesanwalt nur hinsichtlich des Freispruchs im Fall F. vertreten wird -, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist, auf den Strafausspruch beschränkt. Sämtliche Revisionen haben keinen Erfolg.
Die Feststellungen des Schwurgerichts tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen, Rechtsbeugung und damit tateinheitlich zusammentreffender Tötungsdelikte.
Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können Richter der DDR wegen Rechtsbeugung (§ 336 StGB, § 244 StGB-DDR) und damit tateinheitlich zusammentreffender Delikte verfolgt werden (vgl. BGHSt 40, 30; 40, 125; 40, 169; 40, 272; BGH NJW 1995, 2734; Senatsurteile vom 15. September 1995 - 5 StR 642 und 713/94 sowie 23, 68 und 168/95 -).
1. Eine Bestrafung ist weder durch in der DDR erlassene Amnestien (vgl. BGHSt 39, 353, 358 ff.; BGH NJW 1994, 3238, 3239 - insoweit nicht in BGHSt 40, 169 abgedruckt -; Senatsurteil vom 15. September 1995 - 5 StR 713/94 -, zum Abdruck in BGHSt bestimmt) noch durch Verfolgungsverjährung ausgeschlossen. Auch für die hier zur Entscheidung stehenden Fälle der Anwendung politischen Strafrechts durch den Ia-Strafsenat des Obersten Gerichts der DDR hat die Verjährung in der DDR aufgrund eines quasigesetzlichen Verfolgungshindernisses geruht, so daß Verfolgungsverjährung nach Art. 315a EGStGB ausgeschlossen ist (BGHSt 40, 48; 40, 113; BGH NJW 1995, 2861; - 1. - VerjährungsG vom 26. März 1993, BGBl I 392). Das dem Angeklagten angelastete Verhalten stand in allen drei seiner Verurteilung zugrunde liegenden Fällen im Einklang mit der Staatsführung der DDR, welche hier zudem jeweils ganz konkret Einfluß nahm, indem das Politbüro des Zentralkomitees der SED die Hinrichtung T.'s vorab) (billigend) zur Kenntnis nahm (UA S. 69), der Staatspräsident, ein für F. eingelegtes Gnadengesuch unbeschieden ließ (UA S. 102) und wiederum das Politbüro das Verfahren gegen H. u. a. vorab, auch bereits hinsichtlich des Ergebnisses, maßgeblich beeinflußte (UA S. 103). Demgemäß entsprach es dem politischen Willen der Staatsführung, die mit jenen Verfahren befaßten Justizangehörigen deswegen nicht strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Besonderheiten, welche der Annahme des daraus folgenden Ruhens der Verjährung hier ausnahmsweise entgegenstehen könnten, liegen nicht vor.
2. Die von Art. 315 EGStGB und § 2 StGB vorausgesetzte Unrechtskontinuität besteht. (BGHSt 40, 30, 32 ff.; vgl. auch BGHSt 14, 147 sowie LG Leipzig NJ 1994, 111 und die darauf ergangene Revisionsentscheidung BGH, Beschluß vom 10. August 1994 - 3 StR 252/94 -, s. NJ 1994, 456). An den mit dem Erfordernis eines elementaren Verstoßes gegen die Rechtspflege verbundenen Einschränkungen des Rechtsbeugungstatbestandes hat der Senat auch für den besonders sensiblen Bereich der politisch motivierten Strafjustiz festgehalten (dazu näher Urteil vom 15. September 1995 - 5 StR 713/94 -, zum Abdruck in BGHSt bestimmt). Ein elementarer Verstoß gegen die Rechtspflege kann dabei, nicht zuletzt mit Rücksicht auf den im Rechtsstaatsprinzip und speziell auch in Art. 103 Abs. 2 GG verankerten Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, nur bei offensichtlichen Willkürakten seitens der DDR-Justiz bejaht werden. Die Entscheidung des Amtsträgers muß sich - abgesehen von den hier nicht in Betracht kommenden Fällen von Einzelexzessen - bei Zugrundelegen des für die Beurteilung maßgeblichen Rechts der DDR und unter Berücksichtigung der im SED-Staat herrschenden, von rechtsstaatlichen Grundsätzen abweichenden Wertvorstellungen als unerträgliche Menschenrechtsverletzung darstellen. Als notwendige Konsequenz aus der speziellen Regelung für eine eingeschränkte strafrechtliche Verantwortung ist auch Richtern der DDR die "Sperrwirkung" des Rechtsbeugungstatbestandes zuzubilligen.
3. Für die Feststellung einer durch Willkür gekennzeichneten offensichtlichen schweren Menschenrechtsverletzung hat der Senat namentlich drei Fallgruppen als mögliche Rechtsbeugungstatbestände aufgezeigt: Fälle, in denen Straftatbestände überdehnt worden sind; Fälle, in denen die verhängte Strafe in einem unerträglichen Mißverhältnis zu der abgeurteilten Handlung gestanden hat; schwere Menschenrechtsverletzungen durch die Art und Weise von Verfahren.
a) Eine Überdehnung des zur Verurteilung der Betroffenen herangezogenen Art. 6 Abs. 2 der DDR-Verfassung vom 7. Oktober 1949 (GBl I Nr. 1 S. 5) hat das Schwurgericht dem Angeklagten zu Recht nicht vorgeworfen. Die Bestimmung lautete:
"Boykotthetze gegen demokratische Einrichtungen und Organisationen, Mordhetze gegen demokratische Politiker, Bekundung von Glaubens-, Rassen-, Völkerhaß, militaristische Propaganda sowie Kriegshetze und alle sonstigen Handlungen, die sich gegen die Gleichberechtigung richten, sind Verbrechen im Sinne des Strafgesetzbuches. Ausübung demokratischer Rechte im Sinne der Verfassung ist keine Boykotthetze."
Daß dieser Verfassungsartikel mangels hinreichender Bestimmtheit nach rechtsstaatlichen Grundsätzen (Art. 103 Abs. 2 GG) als Strafnorm keine Wirksamkeit entfalten könnte (vgl. Maurach ROW 1958, 177 f.; siehe auch Schuller Deutschland Archiv 1994, 1255, 1258 ff.), läßt seine Anwendung durch den Angeklagten auch angesichts des in der DDR-Verfassung verankerten Satzes "nulla poena sine lege" (vgl. Art. 135 Abs. 1 der DDR-Verfassung/1949) noch nicht als Rechtsbeugung erscheinen (vgl. bereits BGH NJW 1960, 974, 975 - insoweit in BGHSt 14, 147 nicht abgedruckt). Die Fragen der Wirksamkeit des Art. 6 Abs. 2 der DDR-Verfassung/1949 als Strafnorm und der objektiven Vereinbarkeit seiner Auslegung durch die DDR-Justiz mit dem Normtext brauchen nicht abschließend entschieden zu werden. Die Heranziehung des Art. 6 Abs. 2 der DDR-Verfassung/1949 als "unmittelbar anzuwendendes Strafgesetz" mit den aus § 1 Abs. 1 StGB (in der zur Tatzeit geltenden Fassung) für Verbrechen vorgesehenen Rechtsfolgen der Todesstrafe, der lebenslänglichen Zuchthausstrafe und der zeitigen Zuchthausstrafe war durch die Entscheidung des Obersten Gerichts der DDR vom 4. Oktober 1950 vorgegeben, ebenso die Subsumtion von "Spionagehandlungen" unter den Begriff der "Kriegshetze" (OGSt 1, 33 ff.). Unter Ausnutzung der Unbestimmtheit der Norm wurden "Staatsverbrechen" verschiedenster Art dem Art. 6 Abs. 2 der DDR-Verfassung/1949 durch das Oberste Gericht subsumiert (vgl. den referierenden Überblick bei Kleine/Krutzsch NJ 1954, 71 ff.). Diese extensive Interpretation des (im Abschnitt über die "Rechte des Bürgers" angesiedelten) Verfassungsartikels sollte eine Strafbarkeitslücke schließen, die nach Aufhebung der vormals gültigen Staatsschutzbestimmungen des Strafgesetzbuches vom 15. Mai 1871 durch das Gesetz Nr. 11 des Kontrollrats vom 30. Januar 1946 (AmtsBl des Kontrollrats S. 55) entstanden war. Damit trug die unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten inakzeptable Rechtsprechung des Obersten Gerichts einem mit der Einleitung des Prozesses der Wiederherstellung deutscher Souveränität in West und Ost empfundenen Bedürfnis nach Staatsschutznormen Rechnung (vgl. zu der Problematik Laufhütte in LK 11. Aufl. vor § 80 Rdn. 6, 19). Unter diesen Umständen läßt sich den getroffenen Feststellungen entnehmen, daß es dem Angeklagten als Richter der DDR, der im Einklang mit den Vorgaben des Obersten Gerichts Schuldsprüche auf diese Verfassungsnorm gestützt hat, jedenfalls am Vorsatz der Rechtsbeugung gefehlt hat, soweit die bloße Anwendung als Strafnorm betroffen ist. Die Feststellung, daß Verurteilungen auf der Grundlage des Art. 6 Abs. 2 der DDR-Verfassung/1949 mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar sind (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1. Buchst. f StrRehaG), bleibt hiervon unberührt.
b) Soweit das Schwurgericht die Schuldsprüche auch auf Verfahrensverstöße gestützt hat, bestehen gegen eine, insbesondere isolierte, Tragfähigkeit dieser Begründung aus den vom Generalbundesanwalt aufgeführten Gründen durchgreifende Bedenken. Soweit die Verfahrensweise anstößig war, ist dies jedoch als Indikator für den rechtsbeugerischen Charakter der Bestrafung bedeutsam.
c) Rechtsbeugung liegt hier in der Form grausamen und überharten Strafens vor. Der Senat hat bereits entschieden, daß eine Beugung des Rechts durch das Verhängen einer überhöhten Strafe möglich ist (Senatsurteile vom 15. September 1995 - 5 StR 642 und 713/94 sowie 168/95 - jeweils m.w.N.; ebenso schon OGHSt 2, 23, 29). Angesichts der Beschränkung des Rechtsbeugungstatbestandes auf offensichtliche schwere Menschenrechtsverletzungen durch überhöhte Bestrafung kann dies (entgegen Buchholz ZAP-Ost 1994, 187, 192) auch bei Anwendung des § 244 StGB-DDR keinen Bedenken unterliegen (vgl. auch BGHSt 40, 272, 276, 282 ff.; zu entsprechend geäußerten Bedenken bei Anwendung des § 336 StGB auf NS-Justizangehörige: Gribbohm NJW 1988, 2842, 2847).
Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich hier Abweichendes auch nicht daraus, daß das 1968 in Kraft getretene Zwischengesetz des § 244 StGB-DDR für den Tatbestand der Rechtsbeugung eine "gesetzwidrige" Entscheidung verlangt ausdrückliche gesetzliche Strafzumessungsvorschriften (vgl. Art. 4, Art. 5 Satz 3, § 61 StGB-DDR vom 12. Januar 1968, GBl I Nr. 1 S. 1; vgl. auch Art. 30 Abs. 2 Satz 2 der DDR-Verfassung/1968) ebenfalls erst zu jener Zeit in Kraft traten, zur Tatzeit indes noch kein geschriebenes Recht waren. Der Grundsatz, daß eine verhängte Strafe nicht in einem unerträglichen Mißverhältnis zur geahndeten Tat stehen darf, ist Allgemeingut aller zivilisierten Völker der Neuzeit (vgl. Badura JZ 1964, 337, 343) und galt in der DDR auch ohne seine (partielle) Kodifizierung (vgl. Lehrbuch des Strafrechts der DDR, Allgemeiner Teil 1957 S. 543, 607). Allein die gesetzliche Eröffnung von Strafrahmen anstelle absoluter Strafdrohungen, wie sie für Art. 6 Abs. 2 der DDR-Verfassung/1949 aus § 1 Abs. 1 StGB entnommen wurde, bildet hierfür eine hinreichend deutliche gesetzliche Verankerung (vgl. BGHSt 3, 110, 118 f.), so daß die Verhängung einer in diesem Sinne unverhältnismäßig Höhen Strafe aus dem gesetzlichen Strafrahmen fraglos eine gesetzwidrige Entscheidung war (s. auch Lehrbuch aaO S. 602 f., 605 f.).
Für die Beurteilung von Fällen der vorliegenden Art gilt im Grundsatz folgendes:
1. Für den Tatzeitraum vermag die Verhängung der Todesstrafe, die in der DDR bis zu ihrer Abschaffung durch Beschluß des Staatsrats vom 17. Juli 1987 (GBl I Nr. 17 S. 192) als Sanktion vorgesehen war, als solche eine Verurteilung wegen Rechtsbeugung nicht ohne weiteres zu rechtfertigen.
a) Die speziell in Art. 102 GG zum Ausdruck gekommene Wertentscheidung des Grundgesetzes, die in engem Zusammenhang mit dem Rechtsstaatsprinzip, der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) und dem Recht auf Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 2 GG) steht, kann insoweit keinen Maßstab darstellen, an dem das damalige Handeln des Angeklagten gemessen werden dürfte. Bei der Prüfung seiner individuellen Schuld ist vielmehr zu beachten, daß die Todesstrafe in der Nachkriegszeit in den sogenannten sozialistischen Staaten in erheblichem Umfang angewandt wurde (vgl. hierzu Kubiak Osteuroparecht 1984, 249 ff.). Die Verbreitung der Todesstrafe in den osteuropäischen. Staaten, in deren System die DDR eingebunden war, verbietet es, von einem DDR-Richter im Tatzeitraum zu erwarten, daß er sein Verhalten an Erkenntnissen ausrichtete, die nach heutigem Verständnis für die Menschenrechtswidrigkeit der Sanktion, sprechen. Ein Todesurteil kann deshalb in der gegebenen Fallkonstellation, jedenfalls aus subjektiven Gründen, nicht ohne Hinzutreten weiterer Umstände bereits für sich genommen als willkürliche Menschenrechtsverletzung angesehen werden. Dies gilt namentlich angesichts der Tatsache, daß auch führende westliche Demokratien in ihren Rechtsordnungen zur Tatzeit die Todesstrafe androhten; in Großbritannien etwa war sie bis 1969, in Frankreich bis 1981 vorgesehen. Mit Beschluß vom 30. Juni. 1964 hat das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit einem Auslieferungsbegehren des französischen Staates darauf hingewiesen, daß nicht wenige Kulturstaaten, darunter gerade die führenden Demokratien der westlichen Welt, die Todesstrafe beibehalten haben (BVerfGE 18, 112, 117 f.; eher distanzierend BVerfGE 60, 348, 354). Heute noch gibt es die Todesstrafe in der überwiegenden Zahl der US-amerikanischen Bundesstaaten (vgl. Frankowski ZStW 100 - 1988 -, 951 ff.).
b) Allerdings begegnet die Todesstrafe aus heutiger Sicht nach Auffassung des Senats unüberwindlichen Bedenken.
aa) Aus humanitären Gründen kann keinem Staat das Recht zustehen, durch diese Sanktion über das Leben seiner Bürger zu verfügen. Vielmehr erfordert es der Primat des absoluten Lebensschutzes, daß eine Rechtsgemeinschaft gerade durch den Verzicht auf die Todesstrafe die Unverletzlichkeit menschlichen Lebens als obersten Wert bekräftigt. Darüber hinaus erscheint es unbedingt geboten, der Gefahr eines Mißbrauchs der Todesstrafe durch Annahme ihrer ausnahmslos gegebenen Unzulässigkeit von vornherein zu wehren. Fehlurteile sind niemals auszuschließen. Die staatliche Organisation einer Vollstreckung der Todesstrafe ist schließlich, gemessen am Ideal der Menschenwürde, ein schlechterdings unzumutbares und unerträgliches Unterfangen.
bb) Diese Bedenken legen den Befund nahe, daß nach deutschem Verfassungsrecht jegliche Wiedereinführung der Todesstrafe - auch abgehen von Art. 102 GG - vor Art. 1 Abs. 1 GG und der Wesensgehaltsgarantie des Grundrechts auf Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 2 GG) keinen Bestand haben könnte (vgl. dazu Geck im Bonner Kommentar zum GG - Zweitbearbeitung 1967 - Art. 102 Rdn. 4).
Eine derartige Betrachtung kommt im Völkerrecht der Nachkriegszeit indes mit geringerer Eindeutigkeit zum Ausdruck. Art. 2 Abs. 1 Satz 2 der vor dem Tatzeitraum vereinbarten (Europäischen) Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (MRK) vom 4. November 1950 (Gesetz vom 7. August 1952 - BGBl II 685) ging von der Zulässigkeit der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, aus. Erst durch das 6. Zusatzprotokoll (in der Bundesrepublik durch Gesetz vom 23. Juli 1988, BGBl II 662, ratifiziert und am 1. August 1989 in Kraft getreten, Bekanntmachung vom 7. September 1989 - BGBl II 814) ist die Todesstrafe für die Mitgliedsstaaten des Europarates grundsätzlich abgeschafft und ihre ausnahmsweise gegebene Zulässigkeit auf Kriegszeiten und Zeiten unmittelbarer Kriegsgefahr beschränkt worden (zum 6. ZP vgl. Calliess NJW 1989, 1019). Der weit nach der Tatzeit beschlossene Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966 (BGBl 1973 II 1534 - IPbürgR -) ging in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 ebenfalls von der Zulässigkeit der Todesstrafe aus; er bestimmte allerdings, daß ein Todesurteil "nur für schwerste Verbrechen" verhängt werden darf. Bemühungen um die Förderung einer Abschaffung und Ächtung der Todesstrafe in aller Welt, namentlich durch das Zweite Fakultativprotokoll vom 15. Dezember 1989 zum IPbürgR (Gesetz vom 2. Juni 1992, BGBl II 390), dauern, da viele Staaten immer noch an dieser Sanktion festhalten (vgl. BT-Drucks. 12/937), bis in die Gegenwart an.
2. Wenngleich dessen ungeachtet die Todesstrafe für sich genommen, gemessen am Maßstab unerträglicher Menschenrechtsverletzung, zur damaligen Zeit nicht als schlechthin unzulässige Reaktion auf eine Straftat zu werten sein mag, kann keinem Zweifel unterliegen, daß ein so irreparabler fundamentaler Eingriff in das Rechtsgut Leben, wie ihn die Anordnung und Vollstreckung dieser Rechtsfolge bedeutet, nach diesem Maßstab nur in aufs engste begrenzten Ausnahmefällen hinnehmbar sein kann. Die staatlich verfügte Vernichtung eines Menschenlebens ist allenfalls dann keine Rechtsbeugung, wenn die Ahndung schwersten Unrechts und schwerster Schuld, etwa in bestimmten Fällen vorsätzlicher Tötung, in Rede steht. Sachverhalte, in denen die Todesstrafe nicht als Sanktion für vorsätzliche Tötungsdelikte verhängt wird, geben deshalb regelmäßig zu besonders kritischer Prüfung Anlaß. Dies gilt angesichts der offenkundigen Mißbrauchsgefahren namentlich für den Bereich des politisch motivierten Strafrechts.
a) Jede gerichtlich verhängte Strafe hat vor dem Willkürverbot nur Bestand, wenn sie noch in eine angemessenen Relation zum begangenen Unrecht bleibt. Die Idee der Gerechtigkeit fordert, daß Tatbestand und Rechtsfolge in einem sachgerechten Verhältnis zueinander stehen (BVerfGE 20, 323, 331); eine verhängte Strafe muß ein gerechtes Verhältnis zum Maß der Schuld des Täters einhalten (BVerfGE 45, 187, 260). Dieser Grundsatz folgt aus den allgemeinen Prinzipien des Grundgesetzes, insbesondere dem Rechtsstaatsprinzip (vgl. BVerfGE 6, 389, 439). Er war als Verbot grausamen oder übermäßig harten Strafens von jeher ungeschriebener Grundsatz des deutschen Strafrechts (BGHSt 3, 110, 119; 10, 294, 301); er wurde bereits durch das MRG Nr. 1 Art. IV Ziff. 8 (Amtsblatt der Militärregierung Deutschland <1944>, S. 11) ausgesprochen. Verbindlich wurde das Verbot, "Strafen, die gegen das gerechte Maß oder die Menschlichkeit verstoßen", zu verhängen, durch die Proklamation Nr. 3 des Alliierten Kontrollrats vom 20. Oktober 1945 (abgedr. u. a. HannRPfl 1945, 7) für alle vier Besatzungszonen. Der Sache nach war das Verbot auch in der DDR anerkannt. Daß namentlich bei der Anwendung des Art. 6 Abs. 2 der DDR-Verfassung/1949 "aus der Überbetonung des Schutzinteresses des Staates" teilweise überhöhte Strafen festgesetzt wurden, hat das Plenum des Obersten Gerichts der DDR in seinem Urteil vom 26. August 1953 ausdrücklich kritisiert (vgl. OGSt 3, 102, 103 f.). "Überspitzte" Bestrafungen sind gelegentlich auch in Äußerungen höchster Justizfunktionäre beanstandet worden (vgl. etwa Benjamin NJ 1953, 477, 478; 509; Melsheimer NJ 1953, 576, 577; vgl. auch Lekschas/Renneberg NJ 1953, 762, 768 mit einer Forderung nach Anwendung der Todesstrafe nur auf "schwerste Verbrechen").
b) Die strafrechtliche Bewertung der Tätigkeit von DDR-Justizangehörigen ist unter strikter Beachtung rechtsstaatlicher Prinzipien vorzunehmen, die für das Strafrecht entwickelt worden sind und seiner Anwendung Grenzen setzen (Senatsurteil vom 15. September 1995 - 5 StR 713/94 --, zum Abdruck in BGHSt bestimmt). Das Recht der DDR darf mit Rücksicht auf das Prinzip des Vertrauensschutzes, auch im Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG, nicht nach einer am Grundgesetz orientierten Auslegung interpretiert werden; sonst würde das Handeln eines Täters an ihm fremden Maßstäben, nämlich denen eines Rechtsstaats und seiner Wertordnung, gemessen werden (vgl. Senatsurteil a.a.O.; BGH NJW 1995, 2734). Maßgeblich für die Betrachtung, ob ein unerträglicher Willkürakt vorliegt, müssen vielmehr die in der DDR herrschenden Wertvorstellungen im Tatzeitraum sein. Besonders beachtlich ist dabei auch die Berücksichtigung zeitgebundener Wandlungen im Verständnis von Strafe und Strafrechtsfunktion (vgl. BVerfGE 45, 187, 229).
aa) Einerseits ist der Tatzeitraum in den Jahren 1955/1956 maßgeblich gekennzeichnet als Periode des "Kalten Krieges". Das Schwurgericht legt dabei - nach Wahrunterstellungen (UA S. 12/13) - zugrunde, daß von den Westsektoren Berlins ausgehend zahlreiche Geheimdienste in der DDR und den Ostblockstaaten tätig wurden und daß eine äußerst angespannte politische Lage herrschte, in der die Großmächte des öfteren den Ausbruch eines Dritten - möglicherweise atomaren - Weltkriegs befürchteten. Eine solche durch entsprechende Staatspropaganda vermittelte und in weiten Bevölkerungskreisen als krisenhaft empfundene Situation konnte auch an der Rechtsprechung nicht spurlos vorübergehen. So wurde in dieser Zeit - auf beiden Seiten - eine "politische Justiz" mit einer aus heutiger Sicht nicht immer nachvollziehbaren Intensität betrieben. Die Konfrontation von West und Ost und die ideologische Konkurrenz der Machtblöcke beeinflußten gerade die in der SED-Diktatur ohnehin instrumentalisierte Rechtsprechung zusätzlich. Vor diesem Hintergrund wurde in der DDR-Justiz auch die Todesstrafe als "Mittel des Klassenkampfes" für notwendig gehalten. Hinzu kam, daß die Strafpraxis in der DDR - namentlich im Tatzeitraum - wesentlich härter als in der Bundesrepublik Deutschland war (vgl. Weber GA 1993, 195, 222 f. m.w.N.). Dies legt nahe anzunehmen, daß auch eine Todesstrafe nicht schon deshalb als rechtsbeugerisch überhöht betrachtet werden kann, weil ihre Verhängung aus späterer Sicht nicht mehr nachvollziehbar erscheint.
bb) Andererseits muß in diesem Zusammenhang auch die überragende Bedeutung des Rechtsguts des menschlichen Lebens Beachtung finden. Sie kann dazu führen, daß Tatzeitrecht, welches vorsätzliche Tötung gestattete, im Blick auf vorrangige übergesetzliche Grundsätze und völkerrechtliche Normen als unwirksam zu verwerfen ist und daß militärische Befehle, die sonst als unbedingt verbindlich anzusehen wären, wenn sie auf vorsätzliche Tötung gerichtet sind, als unbeachtlich gelten müssen. So hat der Bundesgerichtshof für die Todesschüsse an der innerdeutschen Grenze entschieden (BGHSt 39, 1; zuletzt BGH NJW 1995, 2728 m.w.N.). Die allen zivilisierten Völkern gemeinsame Grundüberzeugung vom allgemeinen Tötungsverbot erfordert, auch in Fällen der Verhängung der Todesstrafe durch einen Richter, der sich an Tatzeitrechtspraxis orientiert hat, bei der Annahme von Rechtsbeugung weniger Zurückhaltung zu üben. Dem steht nicht die Einsicht entgegen, daß aus Gründen rechtsstaatlich geforderten Vertrauensschutzes die Rechtsanwendung in einem anderen System weitgehend zu akzeptieren ist. Im übrigen gestattete Art. 6 Abs. 2 der DDR-Verfassung/1949 in der Auslegung durch die Rechtsprechung der DDR es dem Richter in allen Fällen, eine andere Strafe als die Todesstrafe zu wählen; insofern konnte die Vorschrift "menschenrechtsfreundlich" (BGHSt 39, 1, 25) ausgelegt werden.
cc) Eine besonders kritische Überprüfung von Todesurteilen ist namentlich vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit der NS-Diktatur notwendig. Das menschenverachtende nationalsozialistische Regime wurde durch willfährige Richter und Staatsanwälte gestützt, die das Recht pervertierten. Die Grausamkeit, die das Bild der Justiz in der NS-Zeit prägt, gipfelte in einem beispiellosen Mißbrauch der Todesstrafe. Diese Erfahrungen führten in der Bundesrepublik zur Abschaffung der Todesstrafe durch Art. 102 GG. Zwar behielt die DDR die Todesstrafe bei. Sie bekannte sich aber gerade zur Abkehr von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Die DDR-Justiz war daher auch unter den Bedingungen des "Kalten Krieges" in besonderem Maße gehalten, die von der Rechtsordnung vorgesehene Todesstrafe, zumal im Bereich politisch motivierten Strafrechts, auf Fälle schwersten Unrechts zu beschränken. Namentlich durfte diese äußerste Sanktion nicht angeordnet werden, wenn durch die zu ahndende Straftat kein gravierender Schaden verursacht worden war.
c) Der Senat verkennt nicht, daß Maßstäbe, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland bei der Beurteilung von NS-Justizunrecht angewandt worden sind, weit weniger streng waren. Die Erkenntnis, daß eine Todesstrafe nur dann als nicht rechtsbeugerisch anzusehen ist, wenn sie der Bestrafung schwersten Unrechts dienen sollte, hätte in einer Vielzahl von Fällen zur Verurteilung von Richtern und Staatsanwälten des nationalsozialistischen Gewaltregimes führen müssen. Derartige Verurteilungen gibt es trotz des tausendfachen Mißbrauchs der Todesstrafe, namentlich in den Jahren 1939-1945, nur in sehr geringer Zahl (vgl. Spendel, Rechtsbeugung durch Rechtsprechung 1984 S. 17; Lamprecht NJW 1994, 562).
Nach diesen Grundsätzen stellen sich die in den Fällen T., F. sowie H. und R. ausgesprochenen Todesurteile als Rechtsbeugungen jeweils in Tateinheit mit vollendetem (T. und F.) oder versuchtem (H. und R.) Totschlag dar.
1. Auch wenn das Verhalten der Betroffenen aus der Sicht des Angeklagten grundsätzlich als nach Art. 6 Abs. 2 der DDR-Verfassung/1949 strafbar anzusehen sein mochte, rechtfertigte hier keiner der vom Obersten Gericht festgestellten Sachverhalte auch nur annähernd die verhängte Sanktion. Für diese in die äußere Form von Gerichtsurteilen gekleideten Tötungsverbrechen ist der Angeklagte (mit-)verantwortlich. Ob sich in einem Kollegialgericht ein Richter nur dann der Rechtsbeugung schuldig macht, wenn er für die von ihm als Unrecht erkannte Entscheidung stimmt. (vgl. BGH GA 1958, 241, 242; OGHSt 1, 217, 222), bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Ein entsprechendes Abstimmungsverhalten des Angeklagten ist hier entgegen der Auffassung seiner Revision im angefochtenen Urteil hinreichend und ohne Rechtsfehler festgestellt. Für die rechtliche Bewertung kommt es nicht darauf an, ob die Zustimmung zu einer Kollegialentscheidung ausdrücklich billigend oder schlüssig erfolgt, indem sich ein Richter "stillschweigend dem Votum der beiden anderen Richter" anschließt (UA S. 268 im Fall H. u. a.). In den beiden Fällen der Berufungsverwerfung ist die Zustimmung des Angeklagten aufgrund seiner eigenen Einlassung (UA S. 270) ausdrücklich festgestellt (UA S. 52, 91).
a) Im Fall des zum Tode verurteilten K. T. ergeben die Feststellungen keine "Verbrechen", die - auch aus damaliger Sicht eines DDR-Richters - äußerstes Unrecht und schwerste Schuld des Verfolgten offenbarten und die Verhängung der Todesstrafe nicht als rechtsbeugerisch erscheinen ließen.
aa) T. wurden zum einen Aktivitäten in DDR-feindlichen Gruppierungen seit Herbst 1950 vorgeworfen: Er sei Mitglied der "Vereinigung politischer Ostflüchtlinge" gewesen und habe an verschiedenen Versammlungen dieser Organisation auch als Redner teilgenommen. Später sei er Verbindungsmann zur "Deutschen Freiheitsliga" gewesen. 1951 habe er auf Grenzbahnhöfen zu den östlichen Sektoren Berlins westliche Tageszeitungen und andere "Hetzschriften" (insgesamt mindestens 7.000 Exemplare) verteilt. Er habe Gruppen für den systematischen Vertrieb von "Hetzschriften" in der DDR organisiert und sei dafür verantwortlich gewesen, daß monatlich mehrere tausend "Hetzflugblätter", zum Teil in russischer Sprache, in der DDR abgesetzt worden seien. Diese Gruppen seien auch mit Phosphorampullen (zur Inbrandsetzung von Transparenten und Plakaten), Stinkbomben und Apparaten zur selbständigen Herstellung von Hetzschriften ausgerüstet gewesen. Neben dieser Organisationstätigkeit habe der Betroffene sich ständig mit Gutachten über die Wirksamkeit verschiedener "Hetzschriften" beschäftigt.
Darüber hinaus wurden dem Verfolgten geheimdienstliche Aktivitäten von Frühjahr 1951 bis zu seiner Inhaftierung im Sommer 1954 vorgeworfen: Bis 1952 habe er "Spionageaufträge" und "Kurierdienste" für den französischen Geheimdienst "Surete Nationale" ausgeführt. Er habe während der "Weltspiele der Jugend und Studenten" die Namen französischer Teilnehmer feststellen sollen. Außerdem habe er (nicht näher bezeichnete) Informationen über die FDJ sowie "Stimmungsberichte" geliefert und über das Schulsystem in der DDR berichtet, wozu auch die "Besorgung sämtlicher Schulbücher" gehört habe.
Im Jahre 1951 habe er im Auftrag des Abwehrdienstes der britischen Rheinarmee ein "Spionagenetz" in der DDR aufgebaut mit dem Ziel, "Militärspionage hinsichtlich der sowjetischen Militäreinheiten" zu betreiben. Dieses Spionagenetz habe im Sommer 1952 einen derartigen Umfang angenommen, daß der Betroffene einem britischen Geheimdienstoffizier im Range eines Oberstleutnants unterstellt worden sei; T. sei zweimal monatlich mit einem britischen Flugzeug nach Westdeutschland gebracht worden, um diesem Offizier direkt zu berichten und neue Anweisungen zu empfangen. Dem Verfolgten seien folgende Schwerpunktaufgaben gestellt gewesen: Schaffung eines Agentennetzes, Beschaffung von militärischen Informationen, Grenzgeländeerkundungen zum Einschleusen von Agenten nach Polen sowie Schaffung von Verbindungen zu Institutionen des Staatsapparates der DDR. Da T. nicht gewillt gewesen sei, die Leitung der von ihm geschaffenen Spionageorganisation aus den Händen zu geben, habe der britische Geheimdienst die Verbindungen mit ihm gelöst. Während der zweijährigen Zusammenarbeit mit dem britischen Geheimdienst hätten für den Betroffenen insgesamt etwa 40 Agenten gearbeitet.
Anschließend sei T. "Hauptagent" der "Organisation Gehlen" gewesen. Auch hier habe seine wesentliche Aufgabe in der Militärspionage bestanden. Er sei insgesamt zwei Monate für diese Organisation mit mindestens 25 ständigen Mitarbeitern tätig gewesen und habe in dieser Zeit 42 Berichte über Objekte der sowjetischen Militäreinheiten und der kasernierten Volkspolizei geliefert.
Seit November 1953 habe T. Spionage für den amerikanischen Geheimdienst betrieben; er habe etwa 120 Berichte über verkehrstechnische Einrichtungen und Flugplätze geliefert. Für die Berichte habe er jeweils ein Entgelt von 40 DM erhalten. Darüber hinaus habe er einen Spion mit einer Spezialkamera ausgerüstet, mit welcher dieser Wirtschaftspläne habe fotografieren sollen. Ferner habe der Betroffene ein Tonbandgerät in das "Büro einer wichtigen Verwaltungsdienststelle" der DDR einbauen lassen wollen, wozu es allerdings nicht gekommen sei.
Im April 1954 habe T. einen "größeren Spionageauftrag" des Dänischen Geheimdienstes erhalten; er habe gegen Bezahlung von 500 Westmark etwa 25 Berichte geliefert, wobei er nur zum Teil neue Informationen verwendet habe.
Seit Herbst 1953 habe der Betroffene schließlich Kontakte zum "Landesamt für Verfassungsschutz" in Berlin (West) gesucht; von diesem Amt sei er beauftragt worden, Spionageverbindungen zu Organisationen der DDR herzustellen; in diesem Zusammenhang habe T. durch eine Agenten etwa 25 Berichte über "finanzwirtschaftliche Angelegenheiten" und über "landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften" sowie vier Berichte Über Objekte der kasernierten Volkspolizei erhalten.
bb) Die im Urteil des Bezirksgerichts getroffenen, vom Obersten Gericht unter Mitwirkung des Angeklagten im Berufungsverfahren über prüften Feststellungen zu der von T. entfalteten "Spionagetätigkeit" ergeben zwar nachhaltige Aktivitäten des Betroffenen, welche nach Umfang und Dauer aus damaliger Sicht des Angeklagten als gewichtige, in Anwendung des Art. 6 Abs. 2 der DDR-Verfassung/1949 schwer zu bestrafende Spionagetätigkeiten gewertet werden konnten, ohne daß der Angeklagte sich deshalb bereits wegen Rechtsbeugung strafbar gemacht hätte. Andererseits belegen die Feststellungen keinen die Staatssicherheit wesentlich beeinträchtigenden Geheimnisverrat zum Nachteil der DDR. Vielmehr befaßten sich die weitgehend nicht näher bezeichneten "Berichte", die der Verfolgte verschiedenen westlichen Geheimdiensten zur Verfügung stellte, ersichtlich mit der äußerlichen Beschreibung von Anlagen, die einer Vielzahl von Personen zugänglich waren ("Objekte sowjetischer Militäreinheiten", "verkehrstechnische Einrichtungen", "Flugplätze"), oder lieferten - bereits nach der Bezeichnung in den Urteilen des Bezirksgerichts und des Obersten Gerichts nichtssagend - Informationsmaterial über "finanzwirtschaftliche Angelegenheiten" oder über "landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften". Ein von T. zu verantwortender Verrat relevanter Fakten klingt an keiner Stelle der Urteile an.
Bei alledem verkennt der Senat nicht, daß strafbare Spionagetätigkeit auch im Verrat nicht geheimer und für sich allein nicht bedeutsamer Erkenntnisse liegen kann, die für einen gegnerischen Geheimdienst in ihrem Zusammenhang, auch mit anderen Erkenntnissen, wesentlich sein können (vgl. BVerfGE 57, 250, 263 f. zu § 99 StGB), und daß der Umfang auch derartiger Spionagetätigkeit so weit gehen kann, daß er die Wertung schwerer Kriminalität gestattet. An schwerster Schuld, die mit Rücksicht auf die angenommene Gemeingefährlichkeit von Spionage für das gegnerische System in der dargestellten Tatzeitsituation des "Kalten Krieges" eine Gleichstellung mit schweren Kapitalverbrechen als nachvollziehbar und damit die Verhängung der Todesstrafe als nicht rechtsbeugerisch erscheinen ließ, fehlte es gleichwohl offensichtlich. Denn es lag eben kein für sich gewichtiger Geheimnisverrat vor und auch andere möglicherweise gleich gewichtige Gründe waren nicht belegt; sie konnten hier auch nicht in der Verstrickung einer Vielzahl von - indes nicht irgendwie besonders verantwortlichen oder qualifizierten - DDR-Bürgern zur Mitwirkung an "feindbegünstigender" Spionage gesehen werden.
Dementsprechend sind der Stil der Rechtsausführungen und die Strafzumessungserwägungen des Obersten Gerichts weithin phrasenhaft; der Angeklagte selbst hat in seiner Einlassung eingeräumt, daß einige Passagen des Urteils, die indes der seinerzeit amtierende Vorsitzende eingefügt habe im "Freisler-Stil" abgefaßt seien (UA S. 271).
Der Einwand T.'s, seine Tätigkeit sei am Ort der Handlung (Westberlin) nicht mit Strafe bedroht gewesen, wird beantwortet mit der Erwägung, das Argument des Angeklagten stelle "nichts anderes als eine unerhörte Anmaßung" dar, die ihn "nur einmal mehr als abgefeimtesten Verbrecher" charakterisiere; er wage es, "für seine ganzen ungeheuerlichen Verbrechen, die sich unmittelbar gegen den Bestand des ersten deutschen Arbeiter- und Bauernstaates und des gesamten Weltfriedenslagers richteten, für seine Person Straflosigkeit zu beanspruchen, nur weil er diese Verbrechen aus dem Hinterhalt von einem vermeintlich sicheren Standort aus durch andere gewissenlose, von ihm gedungene Elemente ausführen ließ" (UA S. 64). T. habe "mit einer kaum zu überbietenden Intensität Verbrechen in einem Ausmaß begangen, die aufgrund ihres Charakters einen beispiellosen Grad an Gesellschaftsgefährlichkeit" aufwiesen (UA S. 65). Ein vom Vorsitzenden eingefügter Satz lautete: "Vor Elementen wie der Angeklagte kann sich die friedliebende Menschheit nur durch deren Austilgung wirksam schützen" (UA S. 68). Hier wird das angesichts des festgestellten tatsächlichen Sachverhalts fehlende Gewicht des von einem Angeklagten verschuldeten Unrechts durch übersteigerte, nur noch propagandistisch zu verstehende Formulierungen überspielt. In einem so begründeten Todesurteil kommen schon in der Wortwahl unmißverständlich der unbedingte Wille zur physischen Vernichtung eines politischen Gegners ohne Rücksicht auf dessen persönliche Schuld und der Wunsch nach genereller Abschreckung auch um den Preis eines Menschenlebens zum Ausdruck. Dies ist willkürliches Töten unter dem Vorwand eines justizförmigen Verfahrens.
b) Die vom Bezirksgericht und vom Obersten Gericht im Verfahren gegen H. F. getroffenen Feststellungen belegen ebenfalls und erst recht keinen Sachverhalt, der auch nur entfernt geeignet wäre, das gegen den Betroffenen verhängte Todesurteil zu rechtfertigen.
aa) F. wurde beschuldigt, von Herbst 1953 bis Sommer 1955 für den britischen Geheimdienst tätig gewesen zu sein.
Bis Mai 1954 habe er Informationen über "sowjetische Objekte und Militäreinheiten" gesammelt; insbesondere habe er Beobachtungen über sowjetische Kraftfahrzeuge und deren Insassen angestellt, die zu einer bestimmten Zeit eine bestimmte Straße passierten und in ein Sperrgebiet fuhren. Monatlich habe der Betroffene zehn bis dreißig solcher Informationen geliefert. Außerdem habe er unter Zuhilfenahme eines Stadtplanes eine Skizze über ein "sowjetisches Objekt" gefertigt. Für diese "staatsfeindlichen Handlungen" habe er monatlich 25 Westmark erhalten.
Seit Mai 1954 habe F. mit einem PKW-Opel, für dessen Erwerb ihm 3.000 DM ausgehändigt worden seien, Kurierfahrten in die DDR durchgeführt und unter anderem "tote Briefkästen" entleert. Hierfür habe er monatlich 50 Westmark bezogen, die zunächst mit dem Geld für den PKW-Erwerb verrechnet worden seien.
Nachdem der Betroffene im Juni 1955 sein Einverständnis erklärt habe, in die kasernierte Volkspolizei einzutreten, sei er nicht weiter mit Kurierfahrten betraut worden, sondern habe eine Deckadresse für die Nachrichtenübermittlung erhalten, um auch ohne Betreten der Westsektoren Berlins Verbindung mit dem britischen, Geheimdienst halten zu können, wozu es später indes nicht gekommen sei.
bb) Die Feststellungen des Obersten Gerichts zur Tätigkeit F.'s zeichnen das Bild eines eher im unteren Bereich der Agentenhierarchie angesiedelten Mannes, der dementsprechend im wesentlichen untergeordnete und unselbständige Dienste auszuführen hatte. Auch nur im Umfeld relevanter Staatsgeheimnisse hat sich F. zu keinem Zeitpunkt bewegt. Irgendwelche Feststellungen zum Inhalt der "toten Briefkästen" sind vom Obersten Gericht der DDR nicht getroffen worden. Ob der Eintritt F.'s in die kasernierte Volkspolizei auf längere Sicht als Bedrohung der Staatssicherheit angesehen werden konnte, mag offenbleiben. Jedenfalls hat der Betroffen - auch wenn er, was ihm angelastet wurde, die Absicht dazu gehabt hatte - bis zu seiner Verhaftung tatsächlich keine Spionage innerhalb dieser Einrichtung betrieben. Vor diesem Hintergrund war die Todesstrafe eine offensichtlich in keinem Verhältnis zum Unrecht der Tat stehende Sanktion. Auch in den Strafzumessungsgründen des Obersten Gerichts finden sich keinerlei sachliche Erwägungen, die das Urteil insoweit nachvollziehbar machen könnten. Die Behauptung, der Betroffene habe "seit dem Jahre 1953 eine intensive, vielseitige und für die Erhaltung des Friedens außerordentlich gefährliche Spionagetätigkeit durchgeführt" und damit "im vollen Bewußtsein des, die ganze friedliebende Menschheit bedrohenden verbrecherischen Charakters seines Verhaltens skrupellos die imperialistischen Kriegstreiber aktiv in ihren volksfeindlichen Bestrebungen unterstützt" (UA S. 100), stellt eine vom Sachverhalt augenfällig nicht gedeckte, verbal überhöhte Bewertung dar. Die Verhängung der Todesstrafe im Fall F. läßt sich nur als willkürlicher Gewaltakt gegenüber einem "Staatsfeind" und als gewollte Schreckensherrschaft zur Unterstützung der staatlichen Machthaber durch massive Abschreckung deuten.
c) Auch im Fall der Verurteilten M. H. und W. R. stehen die Todesurteile in einem unerträglichen Mißverhältnis zu den gegen die Betroffenen erhobenen Vorwürfen, ebenso die Haftstrafe für J. S. (acht Jahre Zuchthaus).
aa) H. und R. wurden beschuldigt, im Auftrag des amerikanischen Geheimdienstes Spionage sowie die Abwerbung von Wissenschaftlern und sonstigen Fachkräften aus der DDR betrieben zu haben.
H. wurde zum einen zur Last gelegt, in den Jahren 1951 bis 1955 bei etwa 100 Zusammentreffen ausführliche Informationen aus den Betrieben, in denen er tätig war und Berichte über gelegentlich beobachtete militärische Objekte weitergegeben zu haben. Er habe auch Zeichnungen, Pläne und Unterlagen aus den Betrieben entnommen, wobei er infolge seiner Fachkenntnisse in der Lage gewesen sei, den Wert der jeweiligen Unterlagen genau zu erkennen. Von Anfang an sei H. auch mit Militärspionage beauftragt gewesen; er habe über den Flugplatz Dessau und die dort stationierten Einheiten der sowjetischen Luftwaffe berichtet. Zum anderen habe er Informationen (Personalien, Arbeitsstelle, Qualifikation, politische Vergangenheit usw.) über insgesamt 90 Wissenschaftler gesammelt, die dem amerikanischen Geheimdienst dazu dienen sollten, die Betreffenden in den Westen abzuwerben. H. habe "für seine verbrecherische Tätigkeit" insgesamt etwa 3.500 Westmark erhalten.
R. wurde zum einen vorgeworfen, Wirtschaftsspionage, namentlich in einem Erfurter Rundfunkwerk, betrieben zu haben. Er habe Produktionsziffern verraten, über Materialschwierigkeiten und Rohstoffengpässe berichtet, Zeichnungen und Muster von Röhren beschafft; er habe in die DDR liefernde westdeutsche Firmen verraten und über den Export nach Polen, China und der Sowjetunion berichtet.
Zum anderen habe R. sich der Militärspionage schuldig gemacht, indem er über Einheiten der sowjetischen Luftwaffe und Manöver der Sowjetarmee berichtet habe. Schließlich habe auch R. dem amerikanischen Geheimdienst zwölf abzuwerbende "Angehörige der technischen Intelligenz" aus dem Erfurter Rundfunkwerk benannt. Für seine "Verbrechen" habe R. insgesamt etwa 4.000 Westmark erhalten.
bb) Der Senat verkennt Umfang und Dauer der den beiden zum Tode Verurteilten angelasteten (Spionage- und "Abwerbe"-)Tätigkeiten nicht. Er sieht sich mit Rücksicht auf die damaligen Wertungen von DDR-Richtern auch nicht in der Lage, die gegen E. H. verhängte lebenslange Zuchthausstrafe als Rechtsbeugung zu werten. Die Frau, deren als strafbar angesehenes Verhalten vom Obersten Gericht ersichtlich als geringer eingestuft wurde als das von H. und R., hatte von 1950 bis 1955 für den RIAS und den amerikanischen Geheimdienst insbesondere Gebäude der Polizei und der Staatssicherheit "ausspioniert" sowie dem amerikanischen Geheimdienst eine Reihe von Wissenschaftlern zum Zwecke der Abwerbung namhaft gemacht.
Zwar ist die gegen Frau H. verhängte massive Sanktion nach rechtsstaatlichen Maßstäben gänzlich unangemessen. Nach diesen Maßstäben darf aber - gleichfalls aufgrund rechtsstaatlicher Gebote - die Strafbarkeit des Angeklagten nicht bewertet werden. Und angesichts von Art, Ausmaß und Dauer des der Betroffenen angelasteten Verhaltens, das immerhin teilweise als besonders sicherheitsrelevant angesehene öffentliche Belange tangierte, vermag der Senat hier noch keine Rechtsbeugung anzunehmen, wenngleich dies namentlich angesichts des Prozeßcharakters (vgl. nur UA S. 105) und mancher Urteilsformulierungen (vgl. nur UA S. 267) nicht unbedenklich ist.
cc) Ungeachtet des, namentlich bei H., gewichtigeren Ausmaßes des als strafbar gewerteten Verhaltens muß die Verhängung von Todesstrafen anders bewertet werden. Wie ausgeführt, fordert die besondere Bedeutung des Rechts auf Leben eine essentiell kritischere Überprüfung der Strafbarkeit eines für ein Todesurteil verantwortlichen Richters. Dabei verkennt der Senat auch das besondere Gewicht der Verhängung gerade lebenslanger Freiheitsstrafe nicht, die ebenfalls nur für schweres Unrecht verhängt werden darf. Kann die Annahme solchen Unrechts mit Rücksicht auf die Betrachtungsweise der DDR-Justiz zur Tatzeit gerade noch hingenommen werden, könnte dies bei der Verhängung eines Todesurteils nur für den Fall vertretbarer Annahme notwendig noch weit schwereren, schwersten Unrechts gelten. Diese Voraussetzungen waren bei H. und R. nach den vom Obersten Gericht der DDR getroffenen Feststellungen nicht erfüllt.
Dies gilt zunächst für die abgeurteilte "Spionage". Der Inhalt der von den Betroffenen H. und R. an den amerikanischen Geheimdienst verratenen Informationen wird allenthalben nur stichwortartig bezeichnet. Im Vordergrund der Unrechtsfeststellung steht die Beschreibung bloßer Gegenstände ("Zeichnungen, Konstruktionserläuterungen, Protokolle usw.") und Handlungen (Berichten, Liefern von Informationen). Eine aus der Jeweiligen Spionagetätigkeit resultierende gewichtige volkswirtschaftliche oder militärische Gefährdung der DDR oder mit ihr verbündeter Staaten wird im Urteil des Obersten Gerichts nicht einmal ansatzweise belegt, versteht sich auch nicht etwa von selbst, erscheint vielmehr nach den Umständen eher fernliegend, weil die ausspionierten Daten und Fakten offensichtlich keinem besonderen Geheimnisschutz unterlagen.
Auch die den zum Tode Verurteilten angelasteten "Abwerbungen" waren nach den getroffenen Feststellungen nicht von einem solchen Gewicht, das die Verhängung der Todesstrafen auch nur annähernd nachvollziehbar erscheinen lassen könnte. Sie belegen im Gegenteil eher das krasse Mißverhältnis zwischen Tat und Strafe, denn bei der Würdigung des als "Kriegs- und Boykotthetze" bezeichneten Verhaltens der Verfolgten heißt es im Urteil des Obersten Gerichts zusammenfassend, die Angeklagten hätten "in starkem Maße daran mitgewirkt, daß eine große Anzahl Wissenschaftler und in folge von lügenhaften Versprechungen, Erpressungen und Hetze die Deutsche Demokratische Republik unter Bruch ihrer Verpflichtungen Verlassen haben" (UA S. 264). Dieser für die Strafzumessung er sichtlich bestimmende Schluß findet in den Feststellungen des Obersten Gerichts keine Stütze. Vielmehr wird aus den mit dem vorliegenden Schauprozeß verbundenen propagandistischen Zwecken her aus ohne weiteres unterstellt, dar die damalige Fluchtbewegung aus der DDR auf sogenannte "Abwerbungen" zurückgehe - was der Angeklagte noch geglaubt haben mag -, insbesondere aber behauptet, daß die zum Tode Verurteilten im großen Umfang daran beteiligt gewesen seien, ob gleich nach den Urteilsfeststellungen allenfalls drei (H., UA S. 258) bzw. sechs (R., UA S. 260) konkrete erfolgreiche "Abwerbungen" belegt werden konnten. Dabei verkennt der Senat nicht, daß in der angenommenen "Abwerbungsbewegung" aus damaliger Sicht der DDR-Justiz ein besonderer Anlaß zu abschreckenden Verurteilungen gesehen worden sein mag. Auch dies vermag indes an der Beurteilung der Rechtsbeugung bei Verhängung von Todesstrafen nichts zu ändern.
dd) Rechtsbeugerisch überhöht ist daneben auch die gegen J. S. verhängte achtjährige Zuchthausstrafe. Diesem Verurteilten wurde angelastet, zwei Arbeitskollegen durch den Hinweis auf ein ihm selbst aus Westdeutschland gemachtes Stellenangebot zur Übersiedelung dorthin veranlaßt und dies bei einer weiteren Kollegin versucht zu haben. Selbst durch gewichtige wirtschaftliche Engpässe infolge der Ausreise von zwei Fachkräften, worauf das Oberste Gericht maßgeblich abgestellt hat, konnte eine achtjährige Zuchthausstrafe - die auch der Angeklagte nach seiner Einlassung als "viel zu hoch" ansah (UA S. 281) - für das dem Verurteilten angelastete Verhalten offensichtlich keine angemessene Sanktion sein. Es handelte sich vielmehr auch insoweit ersichtlich um ein allein oder jedenfalls vorrangig gänzlich überzogener Abschreckung dienendes Signal als Ergebnis eines Schauprozesses, mit dem die seitens des SED - Staats als gefährlich angesehene Abwanderungs- und Abwerbungsbewegung plakativ angeprangert werden sollte. Der Verurteilte S. wurde hierbei rechtsbeugerisch zum Objekt dieses Verfahrens gemacht.
2. Die Feststellungen des Schwurgerichts zur inneren Tatseite tragen die Verurteilungen wegen Rechtsbeugung und damit tateinheitlich zusammentreffender Tötungsdelikte.
Der Tatrichter führt dazu aus, der Angeklagte habe - wie er einräumt - die verhängten Strafen für "nicht schuldangemessen" (Fälle T. sowie H. u. a.) bzw. für "grob unbillig" (Fall F.) gehalten; gleichwohl habe er für die jeweiligen Entscheidungen gestimmt, wobei er mit der Vollstreckung der Todesurteile gerechnet habe. Damit ist hier auch der Vorsatz der Rechtsbeugung hinreichend belegt; und zwar auch, soweit § 244 StGB-DDR als mildestes Zwischengesetz (§ 2 Abs. 3 StGB) über den zur Tatzeit geltenden § 336 StGB hinaus eine "wissentlich" gesetzwidrige Entscheidung und damit direkten Vorsatz voraussetzt. Der unbedingte Rechtsbeugungsvorsatz wird hier auch nicht dadurch in Frage gestellt, daß der Angeklagte bestreitet, wissentlich gesetzwidrig gehandelt, zu haben (UA S. 270). Zwar bedeutet die vom Angeklagten eingeräumte Ansicht, wonach er die verhängten Strafen für "nicht angemessen" gehalten habe, nicht notwendig, daß er die davon abweichende Meinung der anderen Kollegialrichter bereits für rechtsbeugerisch im Sinne einer willkürlichen Menschenrechtsverletzung gehalten halben muß. Die Auffassung des Angeklagten, daß die verhängten Strafen überhöht waren, legt indes den Schluß des Schwurgerichts besonders nahe, daß das, was nach objektiven Maßstäben als offensichtlicher Willkürakt gesetzwidrig war, auch vom Angeklagten so beurteilt wurde. Abgesehen davon wäre auch ohne diese Erwägung der direkte Vorsatz des Angeklagten hier ausreichend belegt.
a) Angesichts der besonders hohen Anforderungen an den objektiven Rechtsbeugungstatbestand, der in Fällen der vorliegenden Art auf offensichtliche schwere Menschenrechtsverletzungen durch unerträgliche Willkürakte beschränkt ist, erscheint es von vornherein kaum vorstellbar, daß einem Berufsrichter die evidente Rechtswidrigkeit seiner Entscheidung verborgen geblieben sein kann. Dies gilt auch in Anbetracht des Werdeganges des Angeklagten und selbst unter Berücksichtigung seiner bloßen Volksrichterausbildung.
b) Für die vom Tatrichter vorgenommene Würdigung, daß der Angeklagte die willkürlichen Unterdrückungsakte gegen die seinerzeit Verfolgten auch subjektiv als solche erkannt hat, sprechen hier als zusätzliche Anzeichen einige Feststellungen des Schwurgerichts zu fragwürdigen Verfahrensabläufen. So gab es im Verfahren gegen T. einige unüberbrückbare Unverträglichkeiten zwischen dem protokollierten Geständnis des Verurteilten und weiterreichenden erstinstanzlichen Urteilsfeststellungen, insbesondere die Ausrüstung seiner Spione betreffend (vgl. UA S. 273 f.). Derartige unbelegte Übertreibungen des als strafbar erachteten Verhaltens eines Angeklagten auch in Randbereichen sind gerade angesichts der dann verhängten Höchststrafe ein deutliches Anzeichen für dessen Herabstufung zum Verfahrensobjekt.
In der Sache H. u. a. war das Verfahren, wenngleich das Schwurgericht die festgestellten rechtsbeugerischen Verfahrensmanipulationen (UA S. 103 ff.) dem Angeklagten mangels nachgewiesener Kenntnis nicht anlastet, nicht frei von für den Angeklagten offensichtlichen Elementen eines Schauprozesses, der vor dem Obersten Gericht der DDR verbunden gegen vier einander nicht bekannte Personen unter nachhaltiger Zurschaustellung des "Abwerbungs"-Problems gegenüber der Öffentlichkeit geführt wurde (UA S. 102 f., 105). Diese Prozeßabläufe weisen darauf hin, daß die Betroffenen Richtern gegenüberstanden, denen es auch subjektiv nicht primär um Gerechtigkeit, sondern um Abschreckung durch Vernichtung von Angeklagten ging.
Im Fall F. begegnet das Verfahren solchen Bedenken nicht. Das Unterlassen der Vernehmung der in der Berufungsverhandlung als Zeugin benannten Ehefrau F.'s für den Zeitpunkt des Erhalts einer "Deckadresse" seines Agentenführers rechtfertigt nicht den Schluß auf rechtsbeugerischen Verfahrensmißbrauch, weil für die gegenteiligen Urteilsfeststellungen frühere Angaben F.'s als tragfähig und durch seine Frau als Zeugin nicht widerlegbar angesehen werden konnten (vgl. § 289 Abs. 3 StPO-DDR vom 2 Oktober 1952, GBl Nr. 142 S. 996), zudem - worauf die Revision des Angeklagten zutreffend hinweist - der Zeitpunkt der Übergabe der Adresse für die Annahme des Erschwerungsumstands F. sei zur Spionage bei der Volkspolizei bereit gewesen, kaum ausschlaggebend war. In diesem Fall ist indes die Unangemessenheit der Todesstrafe für sich ganz besonders deutlich, so daß das Fehlen eines zusätzlichen Indizes gegen den Angeklagten aus der Verfahrensgestaltung seinen Vorsatz nicht etwa in Frage zu stellen vermag.
c) Danach ist hinreichend belegt, daß der Angeklagte, der in Kenntnis aller maßgeblichen Umstände handelte, auch das Bewußtsein hatte, daß die verhängten Todesstrafen in einem krassen Mißverhältnis zur Schuld der Verurteilten standen und deshalb gesetzwidrig waren. Es erscheint lediglich denkbar, daß der Angeklagte diese Rechtsfolgen trotz dieses Bewußtseins letztlich aus Rücksicht auf die Staatsräson für hinnehmbar gehalten hat. Eine solche Fehlbewertung des eigenen Handelns berührt den (auch direkten) Vorsatz der Rechtsbeugung jedoch nicht.
d) Fälle der vorliegenden Art sind allerdings vor dem Hintergrund zu beurteilen, daß die willkürliche Unterdrückung von Regimegegnern im äußeren Gewand eines gerichtlichen Verfahrens in totalitären Systemen nicht auf Einzelfälle beschränkt, sondern weitreichende Praxis einer in der Diktatur herrschenden Unrechtsjustiz ist. Unter rechtsstaatlichen Verhältnissen werden hingegen Verstöße gegen das Verbot übermäßig harten Strafens seltene Ausnahmen sein (vgl. BGH MDR 1952, 693, 694), und dieser Ausnahmecharakter des Willküraktes innerhalb einer an der Wahrung von Menschenrechten orientierten Rechtsprechung wird den Vorsatz und das Unrechtsbewußtsein des Amtsträgers, der sich objektiv eines solchen elementaren Rechtsbruchs schuldig macht, ohne weiteres problemlos indizieren. Demgegenüber mag das Unrechtsbewußtsein, das im Rahmen des Rechtsbeugungstatbestandes regelmäßig Teil des Vorsatzes ist, innerhalb einer von den staatlichen Machthabern gelenkten Justiz weniger geschärft sein. So mag es vor dem Hintergrund der fundamentalen Unterschiede zwischen der DDR Justiz und einer dem Rechtsstaat verpflichteten Dritten Gewalt bei einem das Recht beugenden Richter eine Form der "Verblendung" gegeben haben, bei der dieser Amtsträger ungeachtet seines Wissens um die objektive Rechtslage und einer daraus ohne weiteres folgenden Unrechtseinsicht seine Terrorurteile in erster Linie durch vorrangig verfolgte politische Zielvorstellungen für sich rechtfertigte, in seinem Handeln insbesondere aber durch seine Einbindung in Weisungssysteme kollektive Handlungsschemata bestimmt war. Diese Einordnung in ein Unrechtssystem mag dabei unter Umständen so weit gehen, daß der gesetzwidrig Entscheidende ungeachtet seiner Kenntnis von allen Umständen und Wertungen, welche die Gesetzwidrigkeit ausmachen, sich gleichwohl von rechtsfremden Vorstellungen hat leiten lassen, die er in fehlsamer Subsumtion für "Recht" hält. Dies vermag den (auch direkten) Rechtsbeugungsvorsatz gleichwohl nicht in Frage zu stellen.
aa) Beispiele für die dargestellte Problematik bietet namentlich auch die (insgesamt fehlgeschlagene) Auseinandersetzung mit der NS-Justiz. Die nationalsozialistische Gewaltherrschaft hatte eine "Perversion der Rechtsordnung" bewirkt, wie sie schlimmer kaum vorstellbar war (Spendel, Rechtsbeugung durch Rechtsprechung 1984 S. 3), und die damalige Rechtsprechung ist angesichts exzessiver Verhängung von Todesstrafen nicht zu Unrecht oft als "Blutjustiz" bezeichnet worden, obwohl die Korrumpierung von Justizangehörigem durch die Machthaber des NS-Regimes offenkundig war, haben sich bei der strafrechtlichen Verfolgung des NS-Unrechts auf diesem Gebiet erhebliche Schwierigkeiten ergeben (vgl. Gribbohm NJW 1988, 2842, 2843 ff.). Die vom Volksgerichtshof gefällten Todesurteile sind ungesühnt geblieben, keiner der am Volksgerichtshof tätigen Berufsrichter und Staatsanwälte wurde wegen Rechtsbeugung verurteilt, ebensowenig Richter der Sondergerichte und der Kriegsgerichte. Einen wesentlichen Anteil an dieser Entwicklung hatte nicht zuletzt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl., BGHSt 10, 294; BGH NJW 1968, 1339, 1340; vgl. dazu LG Berlin DRiZ 1967, 390, 393, r. Sp.). Diese Rechtsprechung ist auf erhebliche Kritik gestoßen, die der Senat als berechtigt erachtet. Insgesamt neigt der Senat zu dem Befund, daß das Scheitern der Verfolgung von NS-Richtern vornehmlich durch eine zu weitgehende Einschränkung bei der Auslegung der subjektiven Voraussetzungen des Rechtsbeugungstatbestandes bedingt war (vgl. Spendel aaO S. 13, 69 f.).
bb) Das staatlich verübte Unrecht in der DDR kann mit Rücksicht auf die unterschiedliche Dimension nicht mit dem im nationalsozialistischen Regime begangenen gleichgesetzt werden (vgl. Senatsurteil vom 15. September 1995 - 5 StR 713/94 -). Eine so vollständige Mißachtung, der Ideen von Gerechtigkeit und Menschlichkeit, wie sie das Bild der NS-Justiz prägt, hat es in der DDR-Justiz (vielleicht abgesehen von Verfahren in den "Waldheim-Prozessen") nicht gegeben. Anders als im nationalsozialistischen Führerstaat gab es in der DDR keine Doktrin, wonach der bloße Wille der Inhaber staatlicher Macht Recht schaffen konnte (vgl. BGHSt 39, 1, 24; 40, 30, 35, 40, 113, 116). Der Befund deutet bereits darauf hin, daß das Rechtsbewußtsein der in der DDR tätigen Richterschaft - vielleicht gerade angesichts der schrecklichen Erfahrung mit der Terror-Justiz im überwundenen NS-Staat - nicht gänzlich verstummt gewesen sein kann.
cc) Durch Willfährigkeit gegenüber den politischen Machthabern "abgestumpfte" Täter einer Rechtsbeugung sind hiernach nicht aus subjektiven Gründen straflos. Damit wird zugleich eine schwer erträgliche Besserstellung des Überzeugungstäters gegenüber denjenigen vermieden, die sich - wie der hiesige Angeklagte - nach Vereinnahmung durch eine Unrechtsjustiz letztlich bewußte Skrupel und ein Gefühl für Menschlichkeit erhalten haben. Ein Richter, der in blindem Gehorsam gegenüber staatlichen Machthabern meint, sich auch dann im Einklang mit Recht und Gesetz zu befinden, wenn er über die Grenzen des gesetzlich Zulässigen hinaus den Willen der Staatsführung vollzieht und dabei in der geschilderten Weise Menschenrechte verletzt, unterliegt keinem den Vorsatz berührenden Irrtum. Dasselbe gilt, wenn er auch Motiven der Staatsräson in einer Weise "Recht" spricht, welche die Grenzen aus ihm bekannten grundlegenden unverbrüchlichen Rechtsgrundsätzen offensichtlich überschreitet. Es kann dahinstehen, ob Vorstellungen dieser Art als Verbotsirrtum anzusehen sind; ein solcher wäre jedenfalls weder unvermeidbar noch jemals zur Strafrahmenverschiebung geeignet (vgl. Senatsurteil vom 15. September 1995 - 5 StR 713/94 -).
Soweit der Angeklagte verurteilt worden ist, sind die Einzelstrafaussprüche und der Gesamtstrafausspruch frei von Rechtsfehlern zum Vorteil oder zum Nachteil des Angeklagten, die den Bestand des Rechtsfolgenausspruchs in Frage stellen. Auch insoweit bleibt die Revision des Angeklagten ohne Erfolg; desgleichen das zu seinen Ungunsten eingelegte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft.
Die Einzelbeanstandungen der Staatsanwaltschaft zeigen nichts für die Annahme auf, das Schwurgericht habe einen notwendig bestimmenden (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) Strafzumessungsumstand unberücksichtigt gelassen. Auch die Einordnung der Taten als minder schwere Fälle des Totschlags (§ 213 StGB, 2. Alt.) ist hier aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Zwar stellt die bewußte Tötung eines Menschen durch einen willkürlichen Richterspruch ein derart gravierendes und offensichtlich mit Bedacht ausgeführtes Verbrechen dar, daß die Annahme eines "minder schweren Falles" sich auf den ersten Blick zu verbieten scheint. Eine gewichtigere Verantwortung eines den Tod eines Menschen vorsätzlich verursachenden Täters als diejenige eines ihn rechtsbeugend zum Tode verurteilenden Richters, der gerade zur Rechtswahrung berufen ist, ist schwerlich denkbar. In einem solchen Fall wird eher, wenn nicht schon Mord vorliegt, an einen besonders schweren Fall des Totschlags (§ 212 Abs. 2 StGB) zu denken sein. Hier liegen indes derart außergewöhnliche Milderungsgründe vor, daß die Heranziehung des Ausnahmestrafrahmens durch den Tatrichter im Ergebnis keinen durchgreifenden Rechtsbedenken unterliegt.
1. Der Angeklagte war in ein Unrechtssystem eingebunden, in dem die Todesstrafen in den abgeurteilten Fällen zum Zwecke vermeintlichen Staatswohls verhängt wurden. So wurde die Zustimmung des Angeklagten zu den Todesurteilen von seinen richterlichen Kollegen, namentlich dem jeweiligen Vorsitzenden, von ihm erwartet; die Staatsanwaltschaft hatte - ihrerseits offensichtlich unter dem Einfluß von Staats- und Parteiorganen - darauf angetragen. Teilweise hatten Vorinstanzen bereits entsprechend entschieden. Unter diesen Voraussetzungen war es für den Angeklagten ungeachtet seiner Richterstellung in allen Fällen viel schwerer, das Recht zu wahren, als es, den massiven äußeren Einflüssen folgend, zu beugen. Rechtmäßiges Verhalten hätte Mut und die Inkaufnahme mindestens von Unannehmlichkeiten, naheliegend jedenfalls von Nachteilen im beruflichen Fortkommen erfordert. All dies vermag an der Schuld des Angeklagten nichts zu ändern. Gleichwohl sind solche Konflikte des rechtsbeugenden Richters nur innerhalb eines Unrechtssystems typisch, für den Straftatbestand seiner Idee nach hingegen untypisch und daher auch gravierend schuldmindernd.
Ferner bemerkt der Generalbundesanwalt zu Recht, daß insbesondere das Eingeständnis des Angeklagten, sein Abstimmungsverhalten betreffend, als überragend gewichtiger Milderungsgrund zu werten war. Sein Aussageverhalten war insoweit als deutliches Zeichen von Verantwortungsbewußtsein hinsichtlich der vor dem Landgericht von ihm bedauerten Taten zu werten (vgl. UA S. 298 f.). Daß der Angeklagte sich im übrigen auch in den Fällen eingestandener Billigung von Todesurteilen gegen den Vorwurf der Rechtsbeugung verteidigt hat, ändert daran nichts.
Das persönliche Schicksal des Angeklagten kennzeichnet ihn als Opfer der NS-Gewaltherrschaft. Jenseits der hier abgeurteilten Taten gelang es dem Angeklagten, der grundsätzlich gegen die Todesstrafe eingestellt war, wiederholt, in erfolgreichem Widerstand gegen ihm entgegengebrachte Erwartungen des Systems Betroffene vor der Verhängung der Todesstrafe und Unschuldige vor ungerechten Verurteilungen zu bewahren (UA S. 5 ff.).
2. Zutreffend hat das Schwurgericht neben den übrigen bedeutenden mildernden Gesichtspunkten in der Persönlichkeit des Angeklagten auf die ungewöhnlich lange Zeit von rund 40 Jahren Bedacht genommen, welche seit Begehung der Taten verstrichen ist (vgl. auch BGH NStZ 1995, 394, 399).
Zu der Zeit, als der Angeklagte die Taten beging, für die er jetzt verurteilt wird, und noch später waren Richter der NS-Justiz, die Todesurteile gefällt hatten, aufgrund der bereits skizzierten überaus einschränkenden Auslegung und Anwendung des § 336 StGB von der bundesdeutschen Justiz nicht zur Verantwortung gezogen worden; sie waren hingegen teilweise sogar weiter in der Justiz tätig, zuweilen konnten sie auch in Staatsämtern Karriere machen (vgl. nur den Katalog zur Ausstellung "Im Namen des Deutschen Volkes" des Bundesministers der Justiz zu Justiz und Nationalsozialismus, 3. Aufl. 1994, S. 307 ff.). Hätte sich die Rechtsprechung schon damals bei der Prüfung richterlicher Verantwortung für Todesurteile an Kriterien orientiert, wie sie der Senat in seiner heutigen Entscheidung für Recht erkennt, hätte eine Vielzahl ehemaliger NS-Richter strafrechtlich wegen Rechtsbeugung in Tateinheit mit Kapitalverbrechen zur Verantwortung gezogen werden müssen. Naheliegend wären viele von ihnen nicht anders, als es dem Angeklagten in diesem Verfahren widerfährt, entsprechend zu verurteilen gewesen, und zwar vielfach, wie die Erkenntnisse über die NS-Justiz erweisen, angesichts des Mißverhältnisses zwischen Todesurteil und abgeurteilter "Tat" wegen noch weit schwererer Fälle. Darin, daß dies nicht geschehen ist, liegt ein folgenschweres Versagen bundesdeutscher Strafjustiz. Dies kann selbstverständlich nicht dazu führen, das Verhalten des Angeklagten nun nach den gleichen zu engen Maßstäben zu beurteilen. Daß ihm gleichwohl eine grundlegend veränderte Haltung der Rechtsprechung, ohne die seine Verurteilung nicht möglich wäre, kaum als gerecht zu vermitteln sein dürfte, liegt nicht fern. Durch diese Umstände bestärkt, sieht der Senat allen Anlaß, die Strafrahmenwahl und die überaus milde Bestrafung hier unbeanstandet zu lassen.
Im übrigen enthält das angefochtene Urteil zur Begründung des Strafausspruchs lediglich - verhältnismäßig geringfügige - Rechtsfehler und Mängel zum Vorteil wie zum Nachteil des Angeklagten, bei denen der Senat durchweg sicher ausschließt, daß der Strafausspruch hierauf beruht.
1. Das Schwurgericht legt den Strafrahmen des § 213 StGB der Einzelstrafbestimmung zugrunde. Es läßt dabei außer acht, daß wegen der höheren Mindeststrafe der Strafrahmen des § 336 StGB zugrunde zu legen gewesen wäre (§ 52 Abs. 2 StGB).
§ 244 StGB-DDR hat insoweit wegen des Grundsatzes strikter Alternativität (vgl. BGH NJW 1995, 2861; Senatsurteil vom 15. September 19915 - 5 StR 642/94 -) außer Betracht zu bleiben.
Indes überschreiten die jeweiligen Einzelstrafen auch die Mindeststrafe des § 336 StGB deutlich. Daß der Tatrichter sie bei zutreffender Erkenntnis über den abweichenden Strafrahmen strenger bemessen hätte, läßt sich daher ausschließen.
2. Es ist ferner auszuschließen, daß das Schwurgericht in Anwendung des StGB-DDR zu einer die verhängte Gesamtstrafe unterschreitenden Hauptstrafe gelangt wäre, wenngleich bei Anwendung des § 113 Abs. 1 Nr. 3 StGB-DDR, die anstelle von § 213 StGB alternativ nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist (vgl. BGHSt 40, 48, 55; 40, 113, 115), i.V.m. §§ 244, 64 StGB-DDR theoretisch eine geringere Mindeststrafe (sechs Monate Freiheitsstrafe) zur Verfügung gestanden hätte. Namentlich angesichts der höheren Höchststrafe (zehn, bei Hauptstrafenerhöhung sogar 15 Jahre) ist sicher auszuschließen, daß das Schwurgericht bei alternativer Anwendung des DDR-Zwischenrechts im Ergebnis zu einer milderen Gesamtbestrafung gelangt wäre, so daß die unterbliebene Erörterung dieser Möglichkeit auf die Revision des Angeklagten keinen Anlaß zur Beanstandung gibt.
3. Da das Gewicht aller drei Taten durch die rechtsbeugerische Verhängung von Todesstrafen bestimmt wird, bleiben die Einzelstrafaussprüche davon unberührt, daß das Schwurgericht in allen drei Fällen unzutreffend Rechtsbeugung auch durch die Verfahrensgestaltung angenommen hat und daß im Fall H. u. a. die Verurteilung von Frau H. nicht als Rechtsbeugung zu bewerten ist.
Die Revision der Staatsanwaltschaft in den Fällen L., K. und F. und die Revision des Nebenklägers bleiben ohne Erfolg. Die Freisprüche haben Bestand. Daß die Anwendung des Art. 6 Abs. 2 der DDR-Verfassung/1949 als Strafnorm trotz der Unbestimmtheit dieser Vorschrift für sich genommen nicht den Vorwurf der Rechtsbeugung begründet, hat der Senat bereits dargelegt (B I 3 a). Aus der ergänzenden Anwendung der Kontrollratsdirektive Nr. 38 vom 12. Oktober 1946 (AmtsBl des Kontrollrats S. 184) ergibt sich offensichtlich nichts anderes (vgl. Abschn. II Art. III A III). Der Ausführung bedarf im übrigen nur folgendes:
Die in den jeweiligen Urteilsgründen des Obersten Gerichts als "Verhaftung" (UA S. 324) oder "Festnahme" (UA S. 341) bezeichnete Verschleppung der Eheleute K. (UA S. 333) und von K. F. (UA S. 337/338) zum Zwecke der Strafverfolgung aus dem Westteil Berlins nach Ostberlin mußte jedenfalls aus der Sicht des Angeklagten kein Verfahrenshindernis darstellen, das eine Verfolgung dieser Betroffenen verbot. Die zwingende Annahme eines Prozeßhindernisses in dem Fall, daß ein Tatverdächtiger unter Verletzung fremder Gebietshoheit in den die Strafverfolgung betreibenden Staat verbracht wird, ist selbst unter den Bedingungen des Rechtsstaats bislang weitgehend nicht anerkannt, und zwar weder im Blick auf das Rechtsstaatsprinzip noch auf Völkerrecht, (vgl. BVerfG - Kammer - NJW 1986, 1427 ff.; 3021 f.; BGH NStZ 1984, 563; 1985, 464). Es kann dahinstehen, ob die Rechtsentwicklung in dieser Frage heute zu einer strengeren Betrachtung Anlaß geben könnte (vgl. hierzu Wilske ZStW 107 - 1995 -, 48 ff.; ders. NStZ 1995, 553 f.). An solchen Auffassungen dürfte das Verhalten des Angeklagten im Tatzeitraum (1955/56) ohnehin nicht gemessen werden.
Angesichts der Einbettung der hier in Rede stehenden Verfahren in die Phase des "Kalten Krieges" (vgl. dazu oben B II 2 b aa) kann die Verurteilung der Betroffenen dem Angeklagten - zumindest subjektiv - auch nicht deshalb als rechtsbeugerisches Hinwegsetzen über ein Prozeßhindernis angelastet werden, weil in den Fällen K. und F. eine Auslieferung der Verfolgten mit Sicherheit ausgeschlossen gewesen wäre. Dieser Umstand unterstreicht zwar die Völkerrechtswidrigkeit der Entführungen. Hieraus wie möglicherweise auch aus Organisation und Durchführung der Entführungen ergeben sich naheliegend wesentliche Unterschiede zu den von der bundesdeutschen Justiz beurteilten Fällen. Gleichwohl mußte dies aus damaliger Sicht der DDR-Justiz in den vorliegenden Fällen nicht zur Annahme einer Verpflichtung führen, das Strafverfahren gegen die Verschleppten abzubrechen und sie nach Westberlin rücküberstellen zu lassen.
Naheliegend ist der Angeklagte als Angehöriger der DDR-Justiz zur Tatzeit der Auffassung gefolgt, die Verfolgung von Straftätern, die "Verbrechen" gegen die DDR verübt hätten, genieße unbedingten Vorrang vor Hoheitsinteressen einer feindlichen Macht, von der aus jene "Verbrechen" organisiert worden seien. Eine solche Auffassung ist, auch wenn die Durchführung der Strafverfahren gegen die Betroffenen nach den Maßstäben des Grundgesetzes offensichtlich rechtsstaatswidrig war, hingegen nicht geeignet, einen Rechtsbeugungsvorsatz zu belegen.
Der Senat hat erwogen, ob im Fall des jetzigen Nebenklägers deshalb Abweichendes zu gelten habe, weil der Verurteilungsgegenstand auch aus Sicht der DDR-Justiz die Annahme eines erheblich geringeren Strafverfolgungsinteresses nahelegt. Da sich der Verurteilungsgegenstand immerhin noch als "Verbrechen" darstellte, der Angeklagte zudem von gewichtigeren Verdachtsmomenten gegen den Betroffenen bei dessen Entführung ausgegangen sein mag, schließt der Senat insoweit auch für diesen Fall eine tragfähige Grundlage für eine Rechtsbeugungsverurteilung des Angeklagten aus.
Eine vom Angeklagten zu verantwortende Rechtsbeugung durch eine Überdehnung des Art. 6 Abs. 2 der DDR-Verfassung/1949, durch ein unerträgliches Mißverhältnis von Strafe und Schuld oder durch die Art und Weise der Verfahrensgestaltung hat das Landgericht in allen Fällen rechtsfehlerfrei ausgeschlossen.
1. Das den Verurteilten als Verbrechen nach Art. 6 Abs. 2 der DDR-Verfassung/1949 zur Last gelegte Verhalten konnte sich dem Angeklagten jeweils als "Spionage" darstellen. R. L. hatte nach den Feststellungen des Obersten Gerichts an einen im Westteil Berlins ansässigen "imperialistischen Geheimdienst" Informationen über Dienststellen der Volkspolizei in Frankenberg und Prenzlau geliefert. Die Eheleute K. hatten nach ihrer Flucht aus der DDR gegenüber dem amerikanischen Geheimdienst wiederholt ausführliche Beschreibungen des "Staatssekretariats für Staatssicherheit" im Bezirk Schwerin, wo sie beruflich tätig gewesen waren, abgegeben. K. F. wurde vorgeworfen, dem Agenten eines westlichen Geheimdienstes zwei Berichte über die Treibstoffproduktion sowie über die Produktion von Lastkraftwagen und Traktoren in der DDR verschafft zu haben. Auch das letztgenannte Verhalten als "Spionage" zu werten, ist ersichtlich nicht willkürlich; die naheliegend geringe Bedeutung des Verratsgegenstandes ändert daran nichts (vgl. dazu oben B III 1 a bb).
2. Die unter Mitwirkung des Angeklagten vom Obersten Gericht jeweils verhängten Strafen erscheinen trotz ihrer augenfälligen Unverhältnismäßigkeit nach rechtsstaatlichen Maßstäben angesichts der vom Tatrichter mit Recht hervorgehobenen Zeitumstände und angesichts eines zur Tatzeit generell höheren Strafenniveaus (vgl. UA S. 314, 347) noch nicht als offensichtlich willkürliche Menschenrechtsverletzungen.
a) Daß der Angeklagte im Fall L. über die Verwerfung des auf Strafschärfung gerichteten Protests der Staatsanwaltschaft hinaus nicht noch auf Herabsetzung der - ohnehin nicht offenkundig rechtsbeugerisch überhöhten - Strafe gedrungen hat, ist ihm ersichtlich nicht als Rechtsbeugung anzulasten.
b) Im Fall F. liegt zwar der Verdacht nicht fern, daß die bei weitem überhöhten Strafe hier nicht den geringfügigen "Spionage"-Aktivitäten, sondern der DDR-kritischen journalistischen Tätigkeit des Betroffenen galt; das liegt gerade angesichts der in dem abgeurteilten Bagatellfall besonders auffälligen Verschleppung F.'s nahe (oben I). Dies zwingt dennoch nicht zu dem objektiv freilich außerordentlich naheliegenden Schluß, mit der Strafe sei ausschließlich oder überwiegend der Zweck verfolgt worden, F. mundtot zu machen; von einem solchen willkürlichen Mißbrauch des Strafverfahrens hat sich das Schwurgericht nicht zu überzeugen vermocht. Die Strafe grenzt angesichts des geringen Gewichts der abgeurteilten "Spionage"-Tätigkeit freilich schon allein ihrer Höhe wegen an einen rechtsstaatswidrigen Willkürakt. Ungeachtet aller Bedenken vermag der Senat Rechtsbeugung für den weit zurückliegenden Tatzeitpunkt noch nicht zu bejahen. Auch der Umstand, daß bei der Strafbemessung der engagierte und öffentlichkeitswirksame berufliche Einsatz des Betroffenen gegen die DDR diesem - auch wenn er für sich nicht strafbar war - erschwerend angelastet wurde, belegt im Blick auf die gebotene Sicht eines damals tätigen DDR-Richters eine Rechtsbeugung.
3. Im Fall der schließlich zum Tode verurteilten und hingerichteten Eheleute K. ist dem Angeklagten, der für eine - mit Blick auf das erhebliche Gewicht des von den Betroffenen, geübten Geheimnisverrats aus damaliger Sicht der DDR-Justiz noch nachvollziehbare und damit nicht gesetzwidrige - lebenslange Freiheitsstrafe gestimmt hatte, dieses (nach den genannten Grundsätzen - vgl. oben B - naheliegend rechtsbeugerische) Todesurteil nicht anzulasten. Den Fragen, ob ein richterlicher Beisitzer bei der Verkündung eines rechtsbeugerischen Urteils schweigend mitwirken und ob er ein solches Urteil mit seiner Unterschrift versehen darf (vgl. Sarstedt in: Festschrift für Ernst Heinitz 1972, S. 427, 433), ob er jedenfalls verstärkte Bemühungen zur Abwendung dies Urteils aufbringen muß, braucht der Senat hier nicht nachzugehen. Denn der Angeklagte hat - was das Landgericht ihm nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ersichtlich abnimmt - unmittelbar nach der Urteilsverkündung eine Stellungnahme für das zu erwartende Gnadengesuch verfaßt und sich für einen Gnadenerweis ausgesprochen; am folgenden Tage erreichte er, daß der Vorsitzende und der andere Beisitzer diese Stellungnahme unterzeichneten (UA S. 332 f.). Dieser letztlich vergeblich gebliebene Versuch, das Leben der Verurteilten zu retten, war den Umständen nach wohl der einzige erfolgversprechende Weg, die Vollstreckung der rechtsbeugerischen Todesurteile abzuwenden. Damit hat der Angeklagte für die Verurteilten mehr getan, als wenn er in der gegebenen Situation mindestens seine berufliche Stellung gefährdende, zudem aussichtslose Abwendungsversuche unternommen und damit zugleich jenen allenfalls noch nicht chancenlosen Versuch, den er anschließend unternahm, von vornherein vereitelt hätte.
4. Eine unerträgliche Menschenrechtsverletzung durch die Art und Weise des Verfahrens ist vom Angeklagten ebenfalls nicht zu verantworten.
a) Eine Hauptverhandlung ohne Mitwirkung eines Verteidigers war bei einem entsprechenden Verzicht des Angeklagten gesetzlich vorgesehen (§ 76 Abs. 3 StPO-DDR vom 2. Oktober 1952, GBl Nr. 142 S. 996). Einen solchen Verzicht hatten die Eheleute K. erklärt (UA S. 316). Daß der Verzicht infolge von Folter oder sonstigem Zwang zustande gekommen ist und daß der Angeklagte davon Kenntnis hatte, ist nicht festgestellt. Die Verhängung von Todesstrafen gegen nicht verteidigte Betroffene erscheint zwar nach rechtsstaatlichen Maßstäben ganz unerträglich. Die Abwesenheit, eines Verteidigers machte die prozessuale Behandlung der Verfolgten jedoch noch nicht willkürlich. Dies gilt insbesondere angesichts der im System der damaligen DDR-Justiz offenkundig ohnedies beschränkten Möglichkeiten eines Verteidigers, auf das Verfahrensergebnis Einfluß zu nehmen; eine anwaltliche Verteidigung konnte hier namentlich in Staatsschutzsachen kaum als Garantie eines die Menschenrechte achtenden Verfahrens dienen.
Im Fall der Eheleute K. ist freilich eine willkürliche Menschenrechtsverletzung durch die Art und Weise des Verfahrens objektiv gegeben, weil die am 4. August 1955 ausgesprochenen Todesurteile gegen die Betroffenen offensichtlich auf einer Vorgabe des Politbüros des Zentralkomitees der SED aus dem Juni 1955 beruhten. Eine Vorlage der "Abteilung Staatliche Organe" an das Politbüro gelangte zu dem Vorschlag der "Todesstrafe gegen beide Verräter". Im Vorgriff auf die Verhandlung des Obersten Gerichts heißt es abschließend: "Das Urteil ist sofort nach der Rechtskraft, und der Versagung des Gnadenerweises durch den Präsidenten der DDR zu vollstrecken" (UA S. 315 f.). Das Landgericht ist indes davon ausgegangen, daß der Angeklagte von dieser Vorlage keine Kenntnis hatte (UA S. 316, 333).
b) Im Fall F. ist es im Ermittlungsverfahren durch unzulässige Vernehmungsmethoden zu offensichtlichen schweren Menschenrechtsverletzungen gekommen. K. F. wurde täglich stundenlang vernommen, wobei die ersten Vernehmungen zur Nachtzeit stattfanden; die übrige Zeit verbrachte er in vollständiger Isolation in einer fensterlosen Zelle. In einer der Nachtvernehmungen räumte er das später seiner Verurteilung zugrunde gelegte Geschehen ein (UA S. 338). Indes hat das Schwurgericht dem Angeklagten eine Kenntnis von jenen Vernehmungsmethoden nicht nachzuweisen vermocht.
c) Es liegt nicht fern, daß der Angeklagte - anders, als er sich vor dem Schwurgericht eingelassen hatte - von der willkürlichen Verfahrensgestaltung in den Fällen sehr wohl wußte. Aus Rechtsgründen kann der Senat die Beweiswürdigung des Schwurgerichts, das hiervon nicht ausgegangen ist und seine rechtlichen Folgerungen auf abweichender Grundlage vorgenommen hat, nicht beanstanden.
Externe Fundstellen: BGHSt 41, 317; NJW 1996, 857; NStZ 1996, 389
Bearbeiter: Rocco Beck