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HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 511

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 150/12, Beschluss v. 24.04.2012, HRRS 2012 Nr. 511


BGH 5 StR 150/12 - Beschluss vom 24. April 2012 (LG Berlin)

Anforderungen an die tatrichterliche Auseinandersetzung mit der Befundanalyse eines Sachverständigen bei der Anordnung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgrund von Schizophrenie.

§ 20 StGB; § 63 StGB

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 8. November 2011 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben. Ausgenommen sind die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen; insoweit wird die weitergehende Revision nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten von den Vorwürfen der Vergewaltigung, der versuchten Nötigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, der sexuellen Nötigung, der Sachbeschädigung und des Diebstahls mit Waffen freigesprochen. Es hat jedoch die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Dagegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel ist im Wesentlichen begründet.

1. Frei von Rechtsfehlern sind allerdings die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen; diese (Abschnitt II der Urteilsgründe) können demgemäß aufrechterhalten bleiben.

2. Der Freispruch des Angeklagten und die Anordnung, ihn in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen, haben dagegen keinen Bestand, da die Voraussetzungen der §§ 20, 63 StGB im angefochtenen Urteil nicht hinlänglich dargelegt sind.

a) Das Landgericht hat zur Begründung ausgeführt, der Angeklagte leide seit mehreren Jahren an einer schizophrenen Psychose (ICD 10: F 20). Er unterliege einem religiösen Wahn. Daneben leide er seit vielen Jahren auch an einem Missbrauch von Cannabinoiden (ICD 10: F 13.1). Der Angeklagte habe die Taten jeweils unter dem Einfluss der schizophrenen Psychose begangen, wobei nicht ausgeschlossen werden könne, dass seine Steuerungsfähigkeit bei Begehung der jeweiligen Taten aufgehoben im Sinne des § 20 StGB gewesen sei; mit Sicherheit sei sie jedoch erheblich vermindert im Sinne des § 21 StGB gewesen. Der Cannabisgebrauch habe für die Begehung der Taten eine allenfalls untergeordnete Bedeutung gehabt. Das Landgericht ist dabei, ohne die diagnostische Bewertung näher zu erläutern, den von ihm als überzeugend angesehenen Ausführungen der Sachverständigen gefolgt.

b) Die bloße Wiedergabe der Befundanalyse eines Sachverständigen reicht als Grundlage für die eine Unterbringung nach § 63 StGB tragenden tatrichterlichen Feststellungen nicht aus. Denn sie ermöglicht nicht eine revisionsrechtliche Überprüfung, ob das Tatgericht zutreffend die Voraussetzungen dieser den Angeklagten besonders schwer belastenden Maßregel angenommen hat. Die Urteilsgründe erlauben dem Senat auch unter Berücksichtigung ihres Gesamtzusammenhangs nicht die Nachprüfung, ob das Landgericht eine erhebliche Verminderung oder einen Ausschluss der Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der abgeurteilten Taten, wie für eine Unterbringung nach § 63 StGB erforderlich (BGH, Urteil vom 6. März 1986 - 4 StR 40/86, BGHSt 34, 22, 26), rechtsfehlerfrei positiv festgestellt hat. Die Diagnose einer Schizophrenie führt für sich allein genommen nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Oktober 2007 - 3 StR 412/07, NStZ-RR 2008, 39 und vom 31. August 2010 - 3 StR 260/10). Ob sich der Angeklagte bei Begehung der längere Zeit zurückliegenden Taten jeweils in einem akuten Schub seiner Krankheit befand, zu deren Beginn, Entwicklung und sonstigen Auswirkungen auf das Leben des Angeklagten zudem nichts Genaueres festgestellt ist, ist im Urteil ebenso wenig belegt wie ein spezifischer Zusammenhang zwischen der Psychose und den einzelnen Taten, insbesondere den für die Maßregelanordnung maßgeblichen Sexualverbrechen.

3. Zur Vorbereitung der erforderlichen erneuten im Rahmen der einstweiligen Unterbringung nunmehr leichter möglichen gründlichen Exploration des Angeklagten wird das neue Tatgericht angesichts dessen, dass im Urteil jeder Hinweis auf den Versuch einer bei den gegenständlichen Taten unerlässlichen Sexualanamnese fehlt, die Beauftragung eines anderen Sachverständigen zu erwägen haben.

Bei gleichzeitiger Aufhebung des Freispruchs ist das neue Tatgericht nach § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht gehindert, den Angeklagten zu bestrafen, soweit sich nunmehr eine Schuldunfähigkeit sicher ausschließen lassen sollte.

HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 511

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2012, 239

Bearbeiter: Christian Becker