HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 378
Bearbeiter: Ulf Buermeyer
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 425/11, Urteil v. 01.03.2012, HRRS 2012 Nr. 378
Die Revisionen der Nebenkläger und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 22. Juli 2011 werden verworfen.
Der Angeklagte und die Nebenkläger haben die Kosten ihres jeweiligen Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zur Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf eine Verfahrensrüge und sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision der Nebenkläger, die die Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes gemäß § 211 StGB erstreben. Der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts. Die Rechtsmittel der Nebenkläger sind zulässig (§ 400 Abs. 1, § 401 Abs. 1 und 2 StPO), aber unbegründet. Auch die Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.
Nach den Feststellungen des Landgerichts tötete der Angeklagte seine Ehefrau am Morgen des 26. Oktober 2010 neben ihrem Pkw mit einem Küchenmesser. Im Einzelnen:
Nach ehelichen Streitigkeiten, die zwar nie zu Tätlichkeiten führten, indes mehrfach zur Folge hatten, dass die Geschädigte zu ihren Eltern zog, nahm diese - ohne Kenntnis des Angeklagten - ein intimes Verhältnis zu einem seiner Bekannten auf und bezog im August 2010 eine eigene Wohnung. Der Angeklagte wurde von diesem Verhalten seiner Ehefrau völlig überrascht.
In den folgenden Wochen kam es mehrfach zu Versöhnungen und erneuten Trennungen der Eheleute. Dabei verhielt sich insbesondere das Opfer sehr wechselhaft, während der Angeklagte zwar in den Trennungsphasen mit einer anderen Frau zusammentraf, aber stets bereit war, die eheliche Gemeinschaft wieder aufzunehmen. Nachdem die Geschädigte am 16. Oktober 2010 ihre Wohnung gekündigt hatte und wieder in die eheliche Wohnung eingezogen war, eröffnete sie dem Angeklagten schon zwei Tage später, wer ihr Liebhaber ist und dass sie diesen liebe. Dieser sei ein besserer Mensch und dem Angeklagten in allem überlegen. Die Geschädigte verließ den Angeklagten sodann endgültig und bezog erneut ihre Wohnung.
In der Folgezeit versuchte der Angeklagte immer wieder seine Ehefrau telefonisch zu erreichen, erschien vor ihrer Wohnung sowie an ihrer Arbeitsstelle und beobachtete sie. Einige Tage vor der Tat verbot die Geschädigte dem Angeklagten, der morgens vor ihrem Haus auf sie gewartet hatte, sie an ihrem Arbeitsplatz und auch bei anderen Gelegenheiten aufzusuchen.
In den Tagen vor der Tat beobachtete der Angeklagte weiterhin die Wohnung seiner Ehefrau auch von einem Baum aus. Er stellte dabei fest, dass das Kraftfahrzeug des neuen Partners seiner Frau in deren Garage stand und seine Tochter mit ihrer Familie einen Abend mit der Geschädigten und deren neuen Partner verbrachte. Am Abend vor der Tat sah der Angeklagte - erneut von einem Baum aus -, dass der neue Partner seiner Ehefrau das Haus betrat und war davon überzeugt zu erkennen, dass es im Wohnzimmer zu sexuellen Handlungen zwischen den beiden kam.
Die Nacht vor der Tat verbrachte der Angeklagte unruhig, stand gegen fünf Uhr auf und beschloss, nochmals eine Begegnung mit seiner Ehefrau herbeizuführen und mit ihr über ihre Beziehung zu reden. Beim Verlassen seines Hauses nahm er schwarze Lederhandschuhe mit und steckte ein Küchenmesser mit einer 19 cm langen Klinge in seine Jackentasche, um seine Ehefrau zu töten, falls das Gespräch mit ihr "nicht in seinem Sinne" verlaufen werde. Der Angeklagte stellte seinen Pkw auf einem in der Nähe des Wohnhauses seiner Ehefrau gelegenen Parkplatz ab, ging sodann durch ein kleines Wäldchen in Richtung des Hauses und wartete im Schutz der Bäume zunächst darauf, dass das Licht in der Wohnung seiner Frau anging. Als dies der Fall war, begab er sich zu den jenseits der Auffahrt liegenden Garagen, in deren Nähe die Geschädigte ihren Pkw im Freien geparkt hatte. Der Angeklagte versteckte sich in einem Gebüsch und wartete dort auf seine Frau, um sie zu überraschen, weil er befürchtete, dass sie sofort umkehren würde, falls sie ihn entdeckte. Gegen sechs Uhr verließ diese das Haus, ging zu ihrem Fahrzeug, setzte sich auf den Fahrersitz und startete den Motor. Erst in diesem Moment verließ der Angeklagte sein Versteck, lief wenige Meter zum Auto, öffnete die Beifahrertür und setzte sich auf den Beifahrersitz. Seine Frau erschrak zunächst, begann aber - nachdem sie ihren Mann erkannt hatte, von dem sie nichts Gewalttätiges erwartete - eine lautstarke verbale Auseinandersetzung mit ihm. Sie forderte den Angeklagten auf, sie in Ruhe zu lassen, sie liebe ihren neuen Partner und er habe das gefälligst zu akzeptieren. Der Angeklagte verließ das Fahrzeug gleichwohl nicht und die beiden schrien sich gegenseitig an. Am Ende äußerte die Geschädigte: "Verpiss dich aus meinem Leben! Du hast mich nicht verdient! Peter ist tausendmal besser als du und zwar auch im Bett!" Der Angeklagte wurde daraufhin äußerst wütend und schlug seine Ehefrau, die aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen mit ihm (weiterhin) nicht mit einem Angriff rechnete, mit der rechten Faust ins Gesicht. Sie schrie weiter und er schlug mehrfach auf sie ein. Während der Auseinandersetzung zog der beträchtlich affektiv aufgeladene, in seiner Steuerungsfähigkeit aber nicht beeinträchtigte Angeklagte - "in dem sich nunmehr realisierenden Entschluss, sie zu töten" - das Küchenmesser aus der Jackentasche und begann auf seine Frau einzustechen. Sein Opfer versuchte, die Stiche mit den Händen abzuwehren und trug bereits zu diesem Zeitpunkt durch das Messer mindestens eine blutende Verletzung davon. Im weiteren Verlauf gelang es der Geschädigten, die Fahrertür zu öffnen und aus dem Auto zu entkommen. Der Angeklagte folgte ihr indes unmittelbar ebenfalls durch die Fahrertür und brachte seine Frau, die bis dahin im Wesentlichen Blutergüsse am Kopf und einen Nasenbeinbruch erlitten hatte, neben dem Fahrzeug zu Boden. Sodann fügte er seinem Opfer - weiterhin um es zu töten - eine tiefe, bis an die Wirbelsäule heranreichende Schnittverletzung am Hals zu, die dazu führte, dass die Ehefrau des Angeklagten innerhalb kurzer Zeit an Ort und Stelle verblutete.
I. Revision der Nebenkläger
1. Die Verfahrensbeanstandung bleibt aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwaltes ohne Erfolg.
2. Die aufgrund der Sachbeschwerde der Nebenkläger veranlasste Nachprüfung des Urteils zum Schuldspruch hat keinen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten erbracht.
Eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Mordes hat das Landgericht verneint, weil weder eine Tötung aus niedrigen Beweggründen noch eine heimtückische Begehungsweise im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB vorliege.
a) Die Ablehnung niedriger Beweggründe hat das Landgericht im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die Voraussetzungen für die Annahme einer Tötung aus niedrigen Beweggründen im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB aus krankhaft übersteigerter Eifersucht oder zur Verhinderung der Trennung seitens der Partnerin seien nicht erfüllt. Die Kammer sehe hier vielmehr ein facettenreiches Motivbündel. Das Verhältnis des Angeklagten zu seiner Ehefrau habe in den letzten Wochen vor der Tat einer "emotionalen Achterbahnfahrt" geglichen. Die Beziehung zwischen den Eheleuten sei von heftigen Streitigkeiten geprägt gewesen, die mit intensiven Versöhnungen abwechselten. Schließlich hätten die Konflikte in der Eröffnung der Ehefrau gegipfelt, sie habe einen anderen Mann. Der Angeklagte habe mithin begründeten Anlass zur Eifersucht gehabt, verbunden mit der Erkenntnis und der Angst, nunmehr endgültig von seiner Ehefrau verlassen zu werden, sei aber auch enttäuscht und verzweifelt über das unwiderrufliche Ende seiner bisherigen Lebens- und Familienverhältnisse und insbesondere über das Verhalten seiner Tochter gewesen. Diese Beweggründe stünden nach allgemeiner sittlicher Wertung nicht auf tiefster Stufe und würden nicht in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb als besonders verachtenswert erscheinen; vielmehr habe sich der Angeklagte aus einem in gewisser Weise noch emotional nachvollziehbaren Konglomerat aus Eifersucht, Enttäuschung, großer Verzweiflung, narzisstisch geprägter Wut, aber auch aus endgültiger Verlustangst zur Tat entschlossen.
Diese Begründung lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Beweggründe sind niedrig im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind. Die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe zur Tat niedrig sind und - in deutlich weiter reichendem Maße als bei einem Totschlag - als verachtenswert erscheinen, erfordert eine Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 15. Mai 2003 - 3 StR 149/03, NStZ 2004, 34 mwN; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 211 Rn. 15). Gefühlsregungen wie Eifersucht, Wut, Ärger, Hass und Rache kommen nach der Rechtsprechung in der Regel nur dann als niedrige Beweggründe in Betracht, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen, was am ehesten der Fall ist, wenn diese Gefühlsregungen jeglichen nachvollziehbaren Grund entbehren (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 2010 - 4 StR 180/10, NStZ 2011, 35 mwN). Der Täter muss weiterhin die tatsächlichen Umstände, welche die Niedrigkeit der Beweggründe ausmachen, in ihrer Bedeutung für die Tatausführung in sein Bewusstsein aufgenommen und erkannt haben sowie - insbesondere auch bei affektiver Erregung und gefühlsmäßigen oder triebhaften Regungen, wie dies etwa Verärgerung, Wut und Eifersucht sind - in der Lage gewesen sein, sie gedanklich zu beherrschen und willensmäßig zu steuern (st. Rspr.; vgl. Fischer, aaO, Rn. 82 mwN). Beim Vorliegen eines Motivbündels beruht die vorsätzliche Tötung auf niedrigen Beweggründen, wenn das Hauptmotiv, welches der Tat ihr Gepräge gibt, nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe steht und deshalb verwerflich ist (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 2006 - 4 StR 419/06, NStZ-RR 2007, 111; Fischer, aaO, Rn. 19).
Daran gemessen ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen keine Tötung aus niedrigen Beweggründen angenommen hat. Es hat die für die Beurteilung der Tötungsmotive des Angeklagten erforderliche umfassende Gesamtwürdigung angestellt und dabei alle für die Bewertung seiner Handlungsantriebe bedeutsamen Umstände berücksichtigt. Gegen das vom Landgericht auf diese Weise gewonnene Ergebnis, dass die Beweggründe des Angeklagten nach allgemeiner sittlicher Wertung nicht auf tiefster Stufe stehen, nicht in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb nicht als besonders verachtenswert erscheinen, ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.
b) Einen Heimtückemord hat das Landgericht mit folgenden Ausführungen verneint:
Nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen seien bereits die objektiven Voraussetzungen der Heimtücke. Als der Angeklagte sich am Morgen des 26. Oktober 2010 zu seiner Frau in den Pkw gesetzt habe, habe diese sich zwar offensichtlich keines Angriffs versehen. Nach der Einlassung des Angeklagten habe sich die Gesprächssituation im Fahrzeug für die Eheleute nicht als ungewöhnlich dargestellt, so dass sie über das plötzliche Erscheinen ihres Ehemannes lediglich erschrocken und ungehalten gewesen sei, nicht aber mit Gewalttätigkeiten seinerseits gerechnet habe. In diesem Verhalten (des Angeklagten) sei aber noch nicht der Beginn der Tötungshandlung zu sehen. Der Angeklagte habe zwar bereits einen bedingten Tatentschluss gefasst gehabt, als er das Küchenmesser eingesteckt habe, weil lediglich die Tatausführung, nicht aber der (grundsätzliche) Wille zur Tat davon abhängig war, wie das von ihm angestrebte Gespräch mit seiner Frau verlaufen werde. Die Schwelle zum "jetzt geht es los", sei nach seinem Tatplan jedoch erst erreicht gewesen, als der Angeklagte das Messer gezogen habe, nachdem es zu einer heftigen verbalen Auseinandersetzung und Faustschlägen gekommen sei, durch die das Opfer gleichsam vorgewarnt gewesen sei.
Arglosigkeit des Tatopfers sei allerdings auch dann anzunehmen, wenn der überraschende Angriff zwar zunächst nicht mit Tötungsvorsatz, sondern nur mit Verletzungsvorsatz geführt werde, jedoch der ursprüngliche Verletzungswille derart schnell in Tötungsvorsatz umschlage, dass der Überraschungseffekt bis zu dem Zeitpunkt andauere, in dem der Täter zu dem auf Tötung gerichteten Angriff übergehe. Bestehe die Situation völlig unverändert weiter und bleibe dem Opfer keine Zeit zu irgendwie gearteten Gegenmaßnahmen, nehme die Tat also vom ersten Angriff an ihren ganz ungehemmten und nicht zu hemmenden Fortgang, so sei das Opfer arglos.
Im vorliegenden Fall sei indes nicht sicher festzustellen, wie viel Zeit zwischen dem ersten, auf die Äußerung der Ehefrau hin geführten Faustschlag bis zu dem Moment vergangen sei, als der Angeklagte in Tötungsabsicht das Messer gezogen und damit auf seine Ehefrau eingewirkt habe. Die zahlreichen, von der gerichtsmedizinischen Sachverständigen dargestellten Hämatome an Kopf und Körper sowie der Nasenbeinbruch ließen durchaus auf eine längere Zeitdauer schließen. Dann sei aber möglich, dass die Angegriffene aufgrund der länger andauernden Tätlichkeiten zum Zeitpunkt des ersten Messereinsatzes gerade nicht mehr arglos gewesen sei. Die Abwehrverletzungen sprächen zudem gegen deren Wehrlosigkeit ebenso wie der Umstand, dass es ihr gelungen sei, aus dem Fahrzeug hinauszukommen, auch wenn sie es nicht geschafft habe, dem Angeklagten endgültig zu entrinnen oder in irgendeiner Form mäßigend auf ihn einzuwirken. Dementsprechend könne nicht festgestellt werden, dass das Opfer zu Beginn des mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs noch infolge Arglosigkeit wehrlos gewesen sei.
Diese Begründung hält rechtlicher Prüfung ebenfalls stand. Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zu dessen Tötung ausnutzt. Arglos ist das Tatopfer, wenn es bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs nicht mit einem gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteten schweren oder doch erheblichen Angriff rechnet. Ein bloßer, der Tat vorausgegangener Wortwechsel, eine nur feindselige Atmosphäre oder ein generelles Misstrauen schließen die Heimtücke nicht aus, wenn das Opfer hieraus noch nicht die Gefahr einer Tätlichkeit entnimmt. Erforderlich ist vielmehr für die Beseitigung der Arglosigkeit auch bei einem vorangegangenen Streit, dass das Opfer mit einem tätlichen Angriff rechnet (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2007 - 4 StR 467/06 mwN). Das Opfer muss weiter gerade aufgrund seiner Arglosigkeit wehrlos sein. Arg- und Wehrlosigkeit können aber auch gegeben sein, wenn der Täter zunächst nur mit Körperverletzungsvorsatz handelt, und dann unter bewusster Ausnutzung des Überraschungseffekts unmittelbar zur Tötung übergeht und es dem Opfer infolge des überraschenden Angriffs nicht möglich ist, sich Erfolg versprechend zur Wehr zu setzen, so dass die hierdurch geschaffene Situation bis zur Tötungshandlung fortdauert (vgl. BGH, Urteile 19. Juni 2008 - 1 StR 217/08, NStZ 2009, 29, 30; vom 2. April 2008 - 2 StR 621/07, NStZ-RR 2008, 238; vom 27. Juni 2006 - 1 StR 113/06, NStZ 2006, 502, 503; vom 20. Juli 2004 - 1 StR 20 145/04, juris Rn. 6 sowie vom 22. Januar 2004 - 4 StR 319/03, NStZ-RR 2004, 234; vgl. auch schon BGH, Urteile vom 9. Dezember 1986 - 1 StR 596/86, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3; vom 15. Dezember 1992 - 1 StR 699/92, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 16 und vom 24. Februar 1999 - 3 StR 520/98, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 27).
Daran gemessen hat sich das Landgericht mit den Voraussetzungen einer heimtückischen Tötung im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB rechtsfehlerfrei befasst. Zutreffend hat es zunächst angenommen, dass ein von Tötungsvorsatz getragener Angriff nicht schon beim Einsteigen des Angeklagten in das Fahrzeug vorlag, da er zu diesem Zeitpunkt nur einen bedingten Tötungsentschluss gefasst hatte und es noch offen war, ob die Bedingung für dessen tatsächliche Umsetzung eintreten werde. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts ist das Landgericht weiterhin davon ausgegangen, dass der Angeklagte auch bei den zunächst mit Fäusten verübten Tätlichkeiten gegen seine Ehefrau noch mit Verletzungsvorsatz handelte und erst die sich anschließende Verwendung des Messers von Tötungsvorsatz getragen war. Dabei hat es sich auch mit der Möglichkeit des Vorliegens einer heimtückischen Tötung bei einem überraschenden - mit Körperverletzungsvorsatz geführten - Angriff auseinandergesetzt und einen solchen - auf der Grundlage einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung - mit tragfähiger Begründung im Hinblick darauf abgelehnt, dass eine längere Zeitspanne zwischen dem ersten, mit Fäusten geführten Angriff des Angeklagten und dem Hervorholen des Messers verstrichen war und es daher möglich erscheint, dass das Opfer beim ersten mit Tötungsvorsatz ausgeführten Angriff nicht (mehr) arglos und - angesichts der Abwehrhandlungen gegen die ersten Messerangriffe und der sich anschließenden, kurzzeitig erfolgreichen Flucht - auch nicht mehr wehrlos war.
II. Revision des Angeklagten
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung des Angeklagten hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zu dessen Nachteil erbracht. Auch der Strafausspruch hat Bestand. Das Landgericht hat bei der - von der Revision im Einzelnen beanstandeten - Strafrahmenwahl das Vorliegen eines minder schweren Falles des Totschlags gemäß § 213 StGB rechtsfehlerfrei verneint.
1. Die Ablehnung des § 213 Alt. 1 StGB hat es wie folgt begründet:
Nach dieser Vorschrift wäre ein minder schwerer Fall nur gegeben, wenn der Angeklagte ohne eigene Schuld durch eine ihm zugefügte schwere Beleidigung ("Verpiss Dich aus meinem Leben! Du hast mich nicht verdient! Peter ist 1000mal besser als Du - und zwar auch im Bett!") von seiner Frau gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden wäre. Im vorliegenden Fall sei bereits fraglich, ob der Angeklagte ohne eigene Schuld gereizt worden sei, da er sich über das Verbot seiner Frau, mit ihr Kontakt aufzunehmen, hinweggesetzt, sie erneut aufgesucht und so selbst zur Verschärfung der Situation beigetragen habe. Jedenfalls sei er aber durch die Äußerungen seiner Frau nicht auf der Stelle zur Tat "hingerissen" worden. Vielmehr sei er von vornherein auf eine mögliche Konfrontation mit ihr eingestellt gewesen, er habe sie sogar mit dem bedingten Tatentschluss aufgesucht, sie zu töten, wenn das Gespräch nicht in seinem Sinne verlaufe. Bei dieser Sachlage fehle es an dem gebotenen "motivationspsychologischen Zusammenhang" zwischen der Beleidigung und der Tötungshandlung.
Diese Begründung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Zutreffend hat das Landgericht bereits den erforderlichen Motivationszusammenhang zwischen der den Angeklagten zurückweisenden und abwertenden Äußerung und der Tötungshandlung verneint (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 1966 - 2 StR 525/65, BGHSt 21, 14, 17 f. und Beschluss vom 26. Juli 1994 - 1 StR 286/94, NStZ 1995, 83). Außerdem stellt sich das Verhalten der Geschädigten nach den Feststellungen auch nicht als eine Provokation dar, die angesichts der gesamten Umstände ohne eigene Schuld des Angeklagten geschehen wäre: Nach dessen umfangreichen Nachstellungen hatte die Geschädigte dem Angeklagten schließlich kurz vor der Tat untersagt, mit ihr in Kontakt zu treten. Dies hat er am Tattag missachtet und ist dabei in einer Art und Weise vorgegangen, die seine Frau überraschte und erschreckte sowie ihr keine Möglichkeit ließ, der Konfrontation mit ihm zu entgehen. Der Aufforderung der Geschädigten, ihr Fahrzeug zu verlassen, kam er nicht nach. Dass die Geschädigte aufgrund dieser vom Angeklagten geschaffenen, ihr aufgezwungenen Situation erbost war und den Angeklagten anschrie sowie beschimpfte, ist daher maßgeblich auf das rücksichtslose Verhalten des Angeklagten zurückzuführen und stellt bei wertender Betrachtung eine verständliche Reaktion der Geschädigten dar (vgl. BGH, Beschluss vom 9. August 1988 - 4 StR 221/88, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Verschulden 1).
2. Bei der Ablehnung eines sonst minder schweren Falles im Sinne von § 213 Alt. 2 StGB hat sich die Kammer von folgenden Gesichtspunkten leiten lassen:
Einerseits seien der unglückselige Verlauf der Beziehung zwischen den Eheleuten im Vorfeld und die hohe affektive Aufladung des Angeklagten zu berücksichtigen. Darüber hinaus sei zu beachten, dass er sich nach der Tat selbst gestellt und ein Geständnis abgelegt habe, außerdem, dass er nicht vorbestraft sei und Reue für seine Tat bekundet habe, die auch in dem Suizidversuch zu Tage getreten sei. Andererseits falle ganz erheblich ins Gewicht, dass es sich nicht um eine Spontantat gehandelt habe; vielmehr habe der Angeklagte bereits am frühen Morgen den Tatentschluss gefasst und entsprechende Vorbereitungen getroffen. Daneben seien die der beabsichtigten Tötungshandlung vorgelagerten zahlreichen Verletzungen zu sehen, die allerdings keinen eigenständigen Tatbestand erfüllten. Bei Abwägung dieser Umstände sei die Anwendung des Normalstrafrahmens mit Freiheitsstrafe zwischen fünf und fünfzehn Jahren nicht unverhältnismäßig.
Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Bei Annahme oder Ablehnung eines sonst minder schweren Falles im Sinne von § 213 Alt. 2 StGB kommt es auf eine Gesamtbewertung aller bedeutsamen Umstände an (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 2008 - 3 StR 484/08, NStZ-RR 2009, 139; Fischer, aaO, § 213 Rn. 12 ff. mwN). Dies hat das Landgericht beachtet und bei seiner Würdigung keine wesentlichen und bestimmenden Umstände unberücksichtigt gelassen. Auch die Revision des Angeklagten zeigt durchgreifende Rechtsfehler des Landgerichts bei der Strafrahmenwahl nicht auf. Allein die - vom Landgericht berücksichtigte - Äußerung der Geschädigten, dass ihr Liebhaber "auch im Bett" tausendmal besser sei als der Angeklagte, zwingt hier nicht zur Bewertung der Tat als minder schwerer Fall im Sinne von § 213 StGB.
3. Schließlich begegnet auch die Zumessung der konkreten Strafe keinen rechtlichen Bedenken.
HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 378
Externe Fundstellen: NStZ 2012, 691
Bearbeiter: Ulf Buermeyer