HRRS-Nummer: HRRS 2005 Nr. 447
Bearbeiter: Ulf Buermeyer
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 46/05, Beschluss v. 22.04.2005, HRRS 2005 Nr. 447
Der Antrag des Angeklagten, die Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Rissing-van Saan wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird zurückgewiesen.
1. Der Angeklagte hat gegen das Urteil des Landgerichts Trier vom 18. Oktober 2004 Revision eingelegt und die zur Entscheidung über das Rechtsmittel berufene Vorsitzende Richterin des 2. Strafsenats, Frau Dr. Rissing-van Saan, wegen Befangenheit abgelehnt. Der Senat hat in dieser Sache bereits zweimal entschieden und die angefochtenen Urteile jeweils teilweise aufgehoben und das Verfahren insoweit zurückverwiesen. Der Angeklagte macht geltend, daß die abgelehnte Richterin bereits durch das erste Senatsurteil vom 18. Dezember 2002 einen bedeutenden Teil seiner Revision unter Verletzung ihrer Amtsaufklärungspflicht grob fehlerhaft verworfen habe, weil sie gegen ihn voreingenommen sei.
Weiter wirft der Angeklagte der abgelehnten Richterin vor, daß sie ihn auch im zweiten Verfahren vor dem Bundesgerichtshof bewußt benachteiligt habe. Zum einen hätte aufgrund des seinerzeit von ihm gerügten Verfahrensfehlers das ganze landgerichtliche Urteil aufgehoben werden müssen. Zum anderen habe ihm die Vorsitzende zur Hauptverhandlung vor dem Revisionsgericht bewußt eine völlig handlungsunfähige Verteidigerin bestellt. Die Verteidigerin, welche sich die Beiordnung gegen seinen Willen erschlichen habe, habe an der Hauptverhandlung vor dem Landgericht nicht teilgenommen und vor dem Termin keine vollständige Akteneinsicht gehabt; sie sei daher unfähig gewesen, seine Revisionsrügen zu begründen. Obwohl er die Vorsitzende in zwei Schreiben darauf hingewiesen und dringend um Vorführung gebeten habe, weil er als einziger die verfahrensrelevanten Tatsachen vorbringen könne, habe diese nicht reagiert.
2. Das Ablehnungsgesuch ist unbegründet.
a) Die Mitwirkung eines Richters an einer früheren Entscheidung führt im Strafverfahren nur nach Maßgabe der §§ 22 Nr. 4, 23, 148 a Abs. 2 Satz 1 StPO zu seinem Ausschluß kraft Gesetzes. Darüber hinaus stellt die richterliche Vortätigkeit weder einen Ausschlußgrund dar noch vermag sie als solche die Befangenheit eines Richters zu begründen (vgl. BGHSt 21, 334, 341). Auch (vermeintliche) Rechtsfehler bei einer Vorentscheidung können für sich genommen eine Ablehnung nicht rechtfertigen, es sei denn, sie wären so grob, daß sie den Anschein von Willkür erweckten. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor; dem Vortrag des Beschwerdeführers ist schon nicht zu entnehmen, daß die abgelehnte Richterin überhaupt rechtsfehlerhaft gehandelt hat.
b) Der Angeklagte stützt sein Ablehnungsgesuch hinsichtlich der Mitwirkung im ersten Revisionsverfahren im wesentlichen auf seine eigene revisionsrechtlich unhaltbare Rechtsauffassung, daß das Revisionsgericht Verfahrensfehler, welche der Angeklagte für gegeben erachtet, auch dann zu prüfen habe, wenn sie nicht im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ordnungsgemäß gerügt sind. Außerdem behauptet er Fehler in der Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils, wobei er zum Teil Umstände, die sich nicht aus diesem ergeben, in seine eigene Würdigung einbezieht. Aus diesen Darlegungen ergibt sich nichts, was eine Voreingenommenheit der abgelehnten Richterin belegen könnte. Hinsichtlich des zweiten Revisionsverfahrens vertritt der Angeklagte zur Frage des Beruhens des Urteils auf dem von ihm geltend gemachten Verfahrensfehler eine andere Rechtsauffassung als der seinerzeit erkennende Senat. Er leitet auch insoweit sein Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit der damals mitwirkenden Richterin aus der seiner Auffassung nach unrichtigen Vorentscheidung ab, was eine Ablehnung nicht rechtfertigen kann.
c) Auch die Bestellung der Rechtsanwältin K. als Pflichtverteidigerin für die (zweite) Revisionshauptverhandlung läßt entgegen der Auffassung des Angeklagten nicht auf eine Voreingenommenheit der Richterin schließen. Der Umstand, daß Rechtsanwältin K. an der Verhandlung vor dem Landgericht nicht teilgenommen und auch keine vollständige Akteneinsicht hatte, stand einer wirksamen Vertretung des Angeklagten in der Revisionshauptverhandlung nicht entgegen. Das Revisionsgericht prüft nur solche Verfahrensrügen, die innerhalb der Revisionsbegründungsfrist ordnungsgemäß ausgeführt worden sind. Alle den Mangel enthaltenden Tatsachen müssen fristgemäß - im Regelfall Monate vor Durchführung der Revisionshauptverhandlung - mitgeteilt worden sein. Die Verteidigerin war aus Rechtsgründen gehindert, etwa fehlenden Tatsachenvortrag zu Verfahrensrügen nachzuholen. Sie konnte lediglich die geltend gemachten Rügen durch Rechtsausführungen unterstützen, wozu es lediglich der Kenntnis des angefochtenen Urteils und der Revisionsbegründung bedurfte. Aus diesem Grunde war es auch nicht geboten, den Angeklagten selbst zur Revisionshauptverhandlung vorführen zu lassen. Daß hierfür keine Notwendigkeit ersichtlich sei und für eine Entpflichtung der Rechtsanwältin K. kein Anlaß bestehe, weil Gründe, die ein ernsthaft zerrüttetes Vertrauensverhältnis hätten nahelegen können, bisher nicht genannt worden seien, hatte die abgelehnte Richterin dem Angeklagten durch Schreiben vom 19. Februar 2004 mitgeteilt.
d) Umstände, die einem verständigen Angeklagten Anlaß zur Besorgnis geben könnten, die Vorsitzende Richterin sei nicht bereit, die anstehenden Rechtsfragen in dem erneuten Revisionsverfahren unbefangen zu entscheiden, sind danach nicht ersichtlich.
3. Dieser Beschluß ist nicht anfechtbar (§ 304 Abs. 4 Satz 1 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2005 Nr. 447
Bearbeiter: Ulf Buermeyer