Bearbeiter: Rocco Beck
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 780/94, Urteil v. 31.01.1995, HRRS-Datenbank, Rn. X
Die Revisionen der Angeklagten B. und P. gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 8. Juli 1994 werden verworfen.
Jeder Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
Die Jugendkammer hat die Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit Verstößen gegen waffenrechtliche Bestimmungen sowie wegen Betrugs verurteilt, und zwar den Angeklagten B. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren und drei Monaten, den Angeklagten P. unter Einbeziehung einer anderen Verurteilung zu einer Jugendstrafe von neun Jahren. Ein weiterer Angeklagter wurde als Gehilfe eines Teils der Taten zu vier Jahren und sechs Monaten Jugendstrafe verurteilt. Dessen Revision hat der Senat durch Beschluß von heute gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen.
Auch die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten B. und P. bleiben erfolglos.
1. Der Verurteilung liegt im wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die Angeklagten hatten dem M. wahrheitswidrig die Lieferung von 5 kg Haschisch versprochen und ihn so zu einer Vorauszahlung von 10.000 DM veranlaßt. In der Folgezeit drängte M. wiederholt auf die Übergabe des Rauschgiftes. Obwohl die Angeklagten eine Lieferung an M. "niemals ernsthaft in Erwägungen gezogen" hatten, rechneten sie nicht damit, "daß ihr Betrug... den Strafverfolgungsbehörden bekannt werden würde", da sie davon ausgingen, "daß M. ... sie nicht anzeigen werde, um nicht selbst als Drogendealer eingestuft zu werden". Dennoch "fürchteten (sie) die Reaktion des M., wenn dieser die Gewißheit erlangen würde, daß er 'abgelinkt' worden war". Sie beschlossen daher, M. zu töten, damit "der von ihnen zu seinem Nachteil begangene Betrug unentdeckt und sie damit im Besitz der 10.000 DM bleiben würden".
Dem Angeklagten B. ging es darüberhinaus noch um die Befreiung von anderweitigen Schulden, die er gegenüber M. hatte.
Die Angeklagten lockten M. an einen abseits gelegenen Ort, indem sie ihm vorspiegelten, dort erfolge die Übergabe des Rauschgiftes. Wie zuvor zwischen den Angeklagten verabredet, wurde M., der mit keinem Angriff gegen sich rechnete, dort vom Angeklagten B. mit einer Maschinenpistole erschossen, die P. zuvor erworben und B. zu diesem Zweck zur Verfügung gestellt hatte.
2. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat die Jugendkammer nicht nur bei beiden Angeklagten das Mordmerkmal der Heimtücke - beim Angeklagten B. wegen der anderweitigen Schulden auch das Mordmerkmal der Habgier (vgl. hierzu BGHR StGB § 211 Abs. 2 Habgier 4 m.w.Nachw.) - zutreffend bejaht, sondern auch das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht. Der Annahme der Verdeckungsabsicht steht nicht entgegen, daß die Angeklagten nicht mit einer Strafverfolgung wegen des Betrugs zum Nachteil des M. rechneten.
a) Dem Wortlaut des § 211 StGB ist nicht zu entnehmen, daß in Verdeckungsabsicht nur derjenige handelt, der tötet, um sein vorangegangenes strafbares Tun gegenüber Strafverfolgungsbehörden zu verheimlichen.
b) Eine solche Einengung des Begriffs der Verdeckungsabsicht ist - unbeschadet der Notwendigkeit, dieses Mordmerkmal restriktiv auszulegen (vgl. hierzu BVerfGE 45, 187, 261) - auch nicht geboten:
Mord ist in keiner Begehungsform ein gegen Belange der Rechtspflege gerichtetes Delikt. Qualifikationsgrund der Verdeckungsmodalität ist - wie auch die Jugendkammer zutreffend hervorhebt - vielmehr die Verknüpfung von Unrecht mit weiterem Unrecht durch den Täter (vgl. Jähnke in LK 10. Aufl. § 211 Rdn. 15 m.w.Nachw.). Eine solche Verknüpfung kann auch vorliegen, wenn der Täter einen anderen zur Vermeidung außerstrafrechtlicher Folgen seiner Straftat tötet, etwa um sich, wie hier, im Besitz der Beute zu halten, die ihm durch die Straftat zugeflossen ist (vgl. BVerfGE aaO 267). Um den Erhalt der Beute kann es auch gehen, wenn der Täter zwar weiß, daß der Geschädigte sich zur Rückforderung nicht der durch die Rechtsordnung vorgegebenen Mittel (z.B. Klage vor dem Zivilgericht, Strafanzeige o.ä.) bedienen wird, wohl aber für den Täter von "Unterweltlern... ein Abjagen der Beute zu befürchten ist" (Jähnke aaO; im Ergebnis ebenso schon Fuhrmann JuS 1963, 19).
c) Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht der dargelegten Auslegung des Mordmerkmals der Verdeckungsabsicht nicht entgegen.
Der Senat teilt nicht die Auffassung, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei (ebenso wie die Meinung des überwiegenden Teils des rechtswissenschaftlichen Schrifttums) dahin zusammenzufassen, daß "in Verdeckungsabsicht... der Täter (töte), der sich letztlich der Strafverfolgung entziehen wolle" (so Jähnke aaO).
Die als Beleg hierfür herangezogene Entscheidung BGHSt 15, 291, 296 betrifft, ebenso wie schon die Entscheidung OGH NJW 1950, 195 (vgl. auch BGHSt 7, 287, 290 sowie die Übersichten bei Geilen in Festschrift für Lackner S. 570, 588 ff und bei Eser in Schönke/Schröder, StGB 24. Aufl. § 211 Rdn. 32a) einen Fall, bei dem es auf die hier zu entscheidende Frage der Verdeckungsabsicht aus Furcht vor außerstrafrechtlichen Folgen einer Tat nicht ankam. Wiederholt ging es vielmehr um die Tötung von Polizeibeamten oder Unfallopfern im Zusammenhang mit einem vorangegangenen Verkehrsdelikt oder sonst um Fallgestaltungen, bei denen Vortat und Tötung zeitlich eng zusammenfielen. Soweit z.B. ausgeführt ist, dem Täter ginge es darum, "einer Strafverfolgung zu entgehen" (BGHSt 15, 291, 296), ist dies die Schilderung der in jenen Fällen gegebenen konkreten Situation. Den Entscheidungen läßt sich nichts dafür entnehmen, daß darüberhinaus die - bei den Tätern jener Fälle stets ohne weiteres vorliegende - Absicht, eine Kenntnisnahme durch die Strafverfolgungsbehörden zu verhindern, notwendige Voraussetzung für Verdeckungsabsicht sein soll.
3. Auch im übrigen hat die Überprüfung des Urteils Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten nicht ergeben.
Externe Fundstellen: BGHSt 41, 8; NJW 1995, 1910; StV 1998, 19
Bearbeiter: Rocco Beck