hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 214

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 254/10, Urteil v. 15.12.2010, HRRS 2011 Nr. 214


BGH 1 StR 254/10 - Urteil vom 15. Dezember 2010 (LG Mannheim)

Anforderungen an einen Freispruch (Grenzen der Revisibilität der Beweiswürdigung; Fall Harry Wörz).

§ 261 StPO

Entscheidungstenor

Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 22. Oktober 2009 werden verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft sowie die dem Angeklagten hierdurch und durch die Revision der Nebenklägerin entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Die Nebenklägerin trägt die Kosten ihres Rechtsmittels.

Die im Revisionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen tragen die Staatskasse und die Nebenklägerin je zur Hälfte.

Gründe

Das Landgericht Karlsruhe hatte den Angeklagten am 16. Januar 1998 wegen versuchten Totschlags zu der Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten verwarf der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 11. August 1998. Nach Wiederaufnahme des Verfahrens hob das Landgericht Mannheim das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 16. Januar 1998 auf und sprach den Angeklagten frei. Dieses Urteil hob der 1 Bundesgerichtshof auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin mit Urteil vom 16. Oktober 2006 wegen rechtsfehlerhafter Beweiswürdigung auf. Nach erneuter Hauptverhandlung hat nunmehr eine andere Strafkammer des Landgerichts Mannheim den Angeklagten mit Urteil vom 22. Oktober 2009 aus tatsächlichen Gründen wiederum freigesprochen. Gegen diesen Freispruch wenden sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin mit Rügen der Verletzung materiellen und formellen Rechts. Den Revisionen bleibt der Erfolg versagt.

I.

Dem Angeklagten wird vorgeworfen, seine Ehefrau A., geborene Z., von der er getrennt lebte, in den frühen Nachtstunden des 29. April 1997 - zwischen 2.00 Uhr und 3.00 Uhr - in deren Wohnung mit einem Schal stranguliert und so versucht zu haben, sie zu töten. Die Strafkammer hat dazu Folgendes festgestellt:

A. W., nach Scheidung der Ehe im Jahre 1999 - und deshalb auch im Folgenden - wieder Z., hatte sich im Januar 1996 in einen Berufskollegen, den Polizeibeamten T. H., verliebt und sich ihm auch zugewandt. Beide versahen ihren Dienst bei einem Polizeirevier in P. Am 7. März 1996 war A. Z. aus der ehelichen Wohnung in G. ausgezogen. Sie wohnte schließlich - seit Februar 1997 - in der Erdgeschosswohnung des elterlichen Reihenhauses in B. Ihr Vater W. Z. übernachtete häufig in der darunter liegenden Einliegerwohnung. Die Wohnungen sind durch die Kellertreppe verbunden.

Im November 1996 hatte A. Z. das Scheidungsverfahren eingeleitet. Der Angeklagte war damit schließlich auch einverstanden. Über das Sorgerecht für das damals zweijährige gemeinsame Kind K. hatten sie sich geeinigt. Meinungsverschiedenheiten bestanden noch über die Ausgestaltung des Umgangsrechts des Angeklagten mit seinem Sohn. Der Angeklagte traf ihn allerdings ohnehin schon zusätzlich zu den mit der Mutter vereinbarten Terminen ohne deren Wissen, wenn K. sich während ihrer Arbeitszeit bei den Großeltern aufhielt.

T. H. war zwischen seiner Familie und seiner Freundin hin und her gerissen und konnte sich nicht entscheiden. Dies führte zu heftigen Auseinandersetzungen mit beiden Frauen. Der Streit mit seiner Ehefrau ging so weit, dass T. H. sie auch ohrfeigte. A. Z. war empört darüber, dass T. H. weiterhin mit seiner Frau intim war. Sie bestand auf einer klaren Trennung und drängte zur Scheidung.

Der Angeklagte befand sich zu Beginn der Tatnacht (vom 28. auf den 29. April 1997) allein in seiner Wohnung in G. und dort nach seiner Einlassung auch durchgehend, bis er um 5.00 Uhr in der Früh aufstand, um zur Arbeit zu gehen.

T. H. war wenige Tage zuvor zu Hause aus- und bei A. Z. eingezogen. Am Tag vor der Tat hatte er sich jedoch zunächst wieder eines anderen besonnen und war in die eheliche Wohnung zurückgekehrt. Diese Entscheidung teilte er A. Z. in einem mehr als halbstündigen Telefongespräch ab 19.34 Uhr aus seiner Wohnung in Bu. mit. Gegen 23.00 Uhr wollte sich T. H. dann doch zu ihr aufmachen. Seine Ehefrau drohte ihm mit der endgültigen Trennung, falls er jetzt wieder seine Freundin aufsuche. Nach "einiger Zeit inneren Kampfes" legte sich T. H. ins Ehebett, das er nach seinen Angaben bis zum Morgen nicht mehr verließ. Seine Ehefrau schlief ihren Angaben zufolge, bis sie nach drei Uhr aufwachte; T. H. lag schlafend neben ihr. A. Z. hatte sich an jenem Abend nach 22.30 Uhr im Schlafzimmer ihrer Erdgeschosswohnung in B. in ihr Bett begeben. Darin schlief auch der damals zwei Jahre und einen Monat alte Sohn K. Ihr Vater W. Z. hatte sich in der darunter befindlichen Einliegerwohnung ebenfalls schlafen gelegt.

Zwischen 22.30 Uhr und 2.18 Uhr betrat eine der Geschädigten bekannte männliche Person die Wohnung. Diese öffnete die Haustür entweder mit einem Schlüssel oder wurde von A. Z. eingelassen. Zwischen beiden kam es zu einem Streit, der eskalierte. Zu diesem Zeitpunkt befanden sie sich im Schlafzimmer. Der Mann drohte laut im regionalen Dialekt: "Ich bringe dich um, ich schlage dich tot". A. Z. entgegnete mit weinerlicher, wimmernder Stimme: "Lass mich doch gehen, ich will doch nichts von dir". Unmittelbar darauf, spätestens ab 2.18 Uhr, drosselte der Mann die Geschädigte mit einem Wollschal, den er in der Wohnung vorgefunden hatte und der K. gehörte. Er schlang den Schal um ihren Hals, überkreuzte die beiden Enden des Schals, zog ihn kräftig zusammen, bis es bei A. Z. nach mindestens zwei und höchstens fünf Minuten aufgrund einer Sauerstoffmangelversorgung zur Bewusstlosigkeit kam. Dabei verlor sie unwillkürlich Urin auf den neben dem Bett liegenden Läufer. Um die Drosselung aufrechtzuerhalten, wickelte der Täter den Schal mindestens noch einmal um ihren Hals und fixierte dessen Enden. Was der Täter in den folgenden Minuten machte, vermochte die Strafkammer nicht mehr festzustellen. Um 2.34 Uhr oder kurz davor ergriff er sein bewusstloses Opfer an den Armen, schleifte es aus dem Schlafzimmer in den Wohnungsflur bis zur Kellertür und legte es dort ab.

Zu derselben Zeit war W. Z. durch die Wecksignale seiner Armbanduhr und durch Geräusche aus der darüber liegenden Erdgeschoßwohnung geweckt worden. Er vermutete, seine Tochter rücke Möbel. Er ging über die Kellertreppe nach oben, um Ruhe anzumahnen. Sein Versuch, die Tür zur Erdgeschosswohnung zu öffnen, scheiterte. Durch einen Spalt sah er die Beine seiner Tochter. Erschrocken rief er nach ihr. Da schlug der Täter unvermittelt die Tür zu und W. Z. ins Gesicht. Die Türe aufzudrücken, verhinderte der Täter, indem er dagegen drückte. Während W. Z. dann nach dem Telefon suchte, entkam der Täter unerkannt durch die Haupteingangstür der Erdgeschosswohnung.

W. Z. löste die Strangulierung. Um 2.40 Uhr und nochmals um 2.43 Uhr verständigte er die Notrufzentrale der Polizeidirektion P. Beim zweiten Anruf äußerte er die Vermutung, dass es sich um eine Beziehungstat handeln könnte, für die als Täter T. H. oder der Angeklagte in Betracht kämen. Um 2.47 Uhr trafen die Polizei und kurz darauf der Notarzt ein. Nach ersten Rettungsmaßnahmen veranlasste er die Einlieferung der nach wie vor bewusstlosen Geschädigten in die Intensivstation eines Krankenhauses.

Das Haus in G., in dem der Angeklagte wohnte, wurde ab 2.55 Uhr durch Polizeibeamte observiert. Da in der Wohnung kein Licht brannte und sein Fahrzeug nicht entdeckt wurde, ging die Leitstelle der Polizeidirektion davon aus, dass der Angeklagte nicht zu Hause war. Entgegen dem Vorschlag der Polizeikräfte vor Ort ließ die Direktion daher nicht zu, das Wohnanwesen zu betreten. Die vor dem Haus geparkten Fahrzeuge überprüften die Beamten. Alle waren kalt. Der nicht entdeckte Pkw des Angeklagten war wie üblich etwas abseits abgestellt. Eine Prüfung auf Restwärme an diesem Fahrzeug unterblieb deshalb. Um 5.00 Uhr ging in der Wohnung wider Erwarten Licht an. Der Angeklagte wurde um 5.17 Uhr angerufen, nach unten gebeten und dort festgenommen.

Das Wohnanwesen des T. H. wurde ab ca. 3.40 Uhr überwacht. Die Beamten sahen im Hof die beiden auf ihn zugelassenen Pkw. Ihr Vorschlag, diese auf Restwärme zu überprüfen, wurde von der Polizeidirektion P. ohne Begründung abgelehnt. Die weitere Anregung, das Objekt sofort zu betreten, lehnte die Leitstelle mit Hinweis auf die Kinder, die traumatisiert werden könnten, ebenfalls ab. Erst um 7.15 Uhr klingelten die Einsatzkräfte an der Eingangstür und verbrachten T. H. schließlich zum Polizeipräsidium K. Dort übernahmen ihn Beamte der Polizeidirektion P.

2. Die Strafkammer vermochte sich nicht davon zu überzeugen, dass der Angeklagte der nächtliche Besucher und damit der Täter war.

a) A. Z. konnte zur Aufklärung der Tat nichts beitragen. Sie leidet aufgrund der durch die Tat erfolgten Schädigung des Gehirns im Bereich der höheren Hirnfunktionen unter schwersten Ausfallerscheinungen, insbesondere bezüglich der Wahrnehmung, des sprachlichen Ausdrucks sowie der Planung und Ausführung von Handlungsabläufen. Es liegt eine umfassende Beeinträchtigung kognitiver Funktionen vor. Kommunikation, sei es verbalisiert, schriftlich oder auch nur mimisch, ist mit ihr nicht mehr möglich.

b) Der zur Tatzeit zweijährige Sohn K. vermochte schon zu Beginn der Ermittlungen altersentsprechend keine Angaben zum Tatgeschehen zu machen. Heute hat er aus entwicklungspsychologischen Gründen keine Erinnerung mehr an die damaligen Geschehnisse.

c) In der Tatwohnung wurden am 29. April 1997 zwei Fingerteile von Vinylhandschuhen gefunden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit von zwei Handschuhen unterschiedlicher Größe abgerissen worden waren. Eines dieser Teile lag im Bett der Geschädigten unter der Bettdecke, der andere auf dem Boden des Flurs. An der Außen- und Innenseite der Fingerteile sind lediglich die DNA-Merkmale der Geschädigten vollständig nachweisbar. DNA von T. H. fand sich nicht. Die Mischspuren der Innenseite enthielten auch Teile der DNA des Angeklagten. Aus all dem könne jedoch nicht geschlossen werden, dass die Geschädigte oder der Angeklagte die Handschuhe jemals getragen haben.

Hautschuppen können leicht an andere Gegenstände oder Personen angetragen werden, auch über mehrere Stationen. Auch ist die Eigenschaft, Hautschuppen abzugeben, bei Menschen verschieden und auch nicht konstant. Es sei sogar möglich, dass bei Hautkontakt überhaupt keine Schuppen übertragen werden. Dieser Befund lasse den Schluss auf zwei alternative Möglichkeiten der Tatbegehung zu:

- Der Täter hat bei Begehung der Tat Handschuhe getragen. Die Fingerteile wurden während des Tatgeschehens abgerissen, oder:

- Der Täter hat bei Begehung der Tat keine Handschuhe getragen und anschließend mittels im Tatanwesen vorhandener Handschuhe ein nicht auf ihn als Täter hinweisendes Tatbild zu zeichnen versucht.

Nach den oben geschilderten Feststellungen zum Tatgeschehen ergibt sich nach der Drosselung ein Zeitfenster von wenigen Minuten. Der Tötungsversuch begann im Schlafzimmer unmittelbar nach dem vom Zeugen K., einem Nachbarn, kurz vor 2.18 Uhr vernommenen lauten Wortwechsel ("ich bringe dich um ..."). W. Z. hatte um 2.34 Uhr die durch den Schleifvorgang verursachten Geräusche (Tritte) gehört. So blieb Raum auch für die Umsetzung der zweiten Alternative.

d) In der Wohnung der Geschädigten fand sich nach der Tat eine Plastiktüte der Stadtapotheke P. mit Tüchern, wie sie auch der Angeklagte besaß, mit Gummihandschuhen, zwei Zigarettenschachteln, eine mit Tütchen mit jeweils 1 g Amphetamin. Nach den Feststellungen der Strafkammer sind die Tüte und deren Inhalt der Geschädigten und nicht dem Angeklagten zuzuordnen.

e) Der Umstand, dass zwei bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten am 29. April 1997 in der Badewanne aufgefundene Kleidungsstücke - eine Jogginghose sowie ein ärmelloses T-Shirt - nass waren, lasse nicht darauf schließen, dass der Angeklagte diese Kleidungsstücke in der Tatnacht ausgewaschen hat, um Tatspuren zu beseitigen. Für die Nässe gebe es auch andere Erklärungen, wie die Strafkammer im Einzelnen erläutert.

f) In einem Brief, den der Angeklagte unter Umgehung der Briefkontrolle aus der Vollzugsanstalt zu schmuggeln versuchte, steht unter anderem: "Es kommt nur auf A. an. Wenn sie sagt ich währe es gewesen, bin ich für Jahre im Knast". Dies - so die Strafkammer - entspreche lediglich dem, was ein Ermittlungsbeamter ihm vorgehalten habe. Die Beamten hätten mit ihm vorher wiederholt und ausführlich besprochen, was denn A. Z. möglicherweise sagen könne, wenn sie aufwache. Deshalb komme dem Text kein belastendes Gewicht zu. Die Ermittlungsbeamten seien sich - wie sie in der Hauptverhandlung "einräumten" - der objektiv dünnen Beweislage bewusst gewesen und wollten deshalb ein Geständnis.

g) Der Ermittlungsdruck und insbesondere die wiederholte dringende Aufforderung, doch endlich zu gestehen, erklärten auch die mündlichen (am 13. Mai 1997 mittags) und schriftlichen (am Abend desselben Tages) geständigen Äußerungen des zermürbten Angeklagten. Es habe sich um ein Gefälligkeitsgeständnis gehandelt, zu dem ihm die Mitgefangenen geraten hätten. Auch sein damaliger Verteidiger, dem allerdings noch keine Einsicht in die Ermittlungsakten gewährt worden war, habe ihm geraten zu gestehen. Eine Befragung zu dem Geständnis wurde alsbald wegen Ungereimtheiten in den Angaben des Angeklagten abgebrochen. Die Beamten glaubten ihm nicht.

h) Auch alle sonstigen Indiztatsachen und die Motivlage weisen nach den Feststellungen und Bewertungen der Strafkammer zumindest nicht zweifelsfrei auf den Angeklagten hin, vielmehr eher auf einen anderen Täter.

So hätte T. H. nach den Feststellungen der Strafkammer das Bett und die Wohnung unbemerkt wieder verlassen können, nachdem seine Frau eingeschlafen war, um A. Z. aufzusuchen. Einen Schlüssel zu ihrer Wohnung besaß er. Bis kurz nach 3.00 Uhr konnte er zurück sein und sich wieder hingelegt haben, ehe seine Frau aufwachte.

i) In der Gesamtschau sieht das Landgericht schließlich eine Begehung der Tat durch den Angeklagten zwar als möglich, aber eher als fernliegend an. Eine Täterschaft von T. H. sei nicht auszuschließen, aus Sicht der Strafkammer sogar wahrscheinlich.

II.

1. Die Verfahrensrügen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin sind unbegründet aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 17. Juni 2010 dargelegten Gründen.

Rechtsfehlerfrei ist insbesondere die Ablehnung von Beweisanträgen zur Erhebung weiterer DNA bei bestimmten Personen und auf der Bettdecke wegen Bedeutungslosigkeit. Selbst wenn sich einzelne Zuordnungen hätten vornehmen lassen, wäre dem nach den sonstigen Feststellungen der Strafkammer keine indizielle Bedeutung mehr zugekommen.

2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der von der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin erhobenen Sachrüge deckt keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten auf.

Die Beweiswürdigung ist rechtsfehlerfrei.

Gemäß § 261 StPO entscheidet über das Ergebnis der Beweisaufnahme das Gericht. Es obliegt allein ihm, die für den Urteilsspruch relevanten Tatsachen und Erfahrungssätze festzustellen, in ihrer Beweisbedeutung zu bewerten und sich auf dieser Grundlage eine Überzeugung zu bilden. Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen.

Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders würdigt oder Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten überwunden hätte. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, etwa hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes, wenn sie lückenhaft ist, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (vgl. BGH, Urteil vom 18. März 2009 - 1 StR 549/08, Rn. 20; Urteil vom 2. September 2009 - 2 StR 229/09, NStZ 2010, 102, 103; Beschluss vom 16. Dezember 2008 - 3 StR 453/08, BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 35, Rn. 9; Urteil vom 22. Mai 2007 - 1 StR 582/06, Rn. 18; Urteil vom 11. Januar 2005 - 1 StR 478/04, NStZ-RR 2005, 147).

Das Landgericht hat alle relevanten Umstände in seine Würdigung einbezogen. Die jeweils im Einzelnen wie auch in der Gesamtbetrachtung gezogenen Schlussfolgerungen sind möglich. Zwingend müssen sie nicht sein.

Die Strafkammer hat dabei entgegen dem Revisionsvorbringen nicht übersehen, dass bei einem anderen Ablauf der Ereignisse zwischen 2.18 Uhr und 2.38 Uhr (Zeitpunkt der Flucht) keine Zeit mehr geblieben wäre zum Spurenlegen durch den Täter (Abreißen von zwei Fingern der Vinylhandschuhe nach der Tat und deren Deponierung im Schlafzimmer und auf dem Flur). Denn die aus einem anderen Ablauf zwingend folgende Alternative (der Täter trug die Handschuhe, die Finger wurden während des Kampfes abgerissen) war ein wichtiges gegen den Angeklagten sprechendes Indiz, das immer im Raum stand. Der von der Strafkammer festgestellte Ablauf ist in sich stimmig. Die objektive Spurenlage (verschobenes Bett, Urin der Geschädigten auf dem Teppich vor dem Bett) spricht dafür, dass die körperliche Auseinandersetzung und der Drosselungsvorgang im Schlafzimmer stattfanden. Da es sich nach den - auch insoweit - rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen um eine Spontantat handelte, liegt der Schluss nahe, dass die davor liegende Eskalation aus der verbalen Auseinandersetzung sich unmittelbar davor am selben Ort abspielte, zumal die vom Zeugen K. vernommenen Worte so klangen, als setzte der Täter unmittelbar zur Tat an ("ich bringe dich um, ich schlage dich tot"), während A. Z. sich bereits in einer verzweifelten Situation befand (sie entgegnete mit weinerlicher, wimmernder Stimme: "Lass mich doch gehen, ich will doch nichts von dir"). Der von der Strafkammer rechtsfehlerfrei festgestellte Ablauf schließt eine Täterschaft des Angeklagten zwar nicht aus, eröffnet aber den Blick auf mögliche Alternativen.

Der Revision ist zuzugeben, dass sich die Strafkammer überaus intensiv damit befasst hat, weshalb T. H. wahrscheinlich der Täter sei. T. H. wurde als Zeuge gehört. Als Beschuldigter strafprozessual wirksam verteidigen konnte er sich in dieser Position gegen die Feststellung und Bewertung der entsprechenden Indizien seitens der Strafkammer nicht. Die von der Strafkammer insoweit gezogenen Schlüsse sind zwar möglich, aber deswegen noch nicht zwingend. Die Ehefrau von T. H. - von der er auch nicht lassen konnte - hatte ihm um etwa 23.00 Uhr gedroht, wenn er jetzt zu seiner Freundin gehe, sei Schluss. Dass er trotz des Entdeckungsrisikos aus dem Bett schlich, um zu A. Z. zu fahren, und seine Ehefrau dies dann tatsächlich nicht bemerkte, ist jedenfalls nicht ausgeschlossen. Dies genügt, um die durchgreifenden Zweifel, die die Strafkammer an der Täterschaft des Angeklagten hat, revisionsrechtlich nicht in Frage zu stellen. Angesichts der umfassenden Beweiswürdigung kann der Senat ausschließen, dass die Strafkammer sich mit einer Fokussierung auf eine wahrscheinliche Täterschaft von T. H. den Blick darüber hinaus verstellt und den Angeklagten als möglichen Täter in Wirklichkeit von vorneherein ausgeschlossen hat.

Die im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen zu einer möglichen Täterschaft des Zeugen T. H. entfalten keinerlei Wirkung darüber hinaus. Ihnen kommt nicht nur keine Bindungswirkung in anderen behördlichen oder gerichtlichen Verfahren zu. Auf der Grundlage des landgerichtlichen Urteils in diesem Verfahren kann T. H. allgemein eine Schuld nicht vorgehalten werden; hiervor schützt ihn die Unschuldsvermutung (BVerfG, Beschluss vom 3. September 2009 - 2 BvR 2540/04, NJW 2009, 3569, 3570; vgl. auch EGMR, Urteil vom 3. Oktober 2002 - 37568/97, NStZ 2004, 159, 160, Rn. 2).

III.

Da sowohl die Revision der Staatsanwaltschaft als auch die der Nebenklägerin erfolglos geblieben sind, hat die Nebenklägerin außer der Revisionsgebühr auch die Hälfte der gerichtlichen Auslagen zu tragen. Die durch die Rechtsmittel verursachten notwendigen Auslagen des Angeklagten hat allein die Staatskasse zu tragen (§ 473 Abs. 1 und 2 StPO; BGH, Beschluss vom 20. Dezember 1957 - 1 StR 33/57, BGHSt 11, 189; Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 285/10, Rn. 14, mwN).

HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 214

Bearbeiter: Karsten Gaede