HRRS-Nummer: HRRS 2009 Nr. 1029
Bearbeiter: Ulf Buermeyer
Zitiervorschlag: VerfGH_Berlin, VerfGH 184/07, Beschluss v. 03.11.2009, HRRS 2009 Nr. 1029
Der Beschluss des Kammergerichts vom 25. September 2007 - 2/5 Ws 189/05 Vollz - verletzt den Beschwerdeführer in seiner Menschenwürde (Art. 6 Satz 1 der Verfassung von Berlin). Er wird aufgehoben. Die Sache wird an das Kammergericht zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.
Das Land Berlin hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.
1. Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen die Art und Weise seiner Unterbringung in der Strafhaft, aus der er inzwischen entlassen worden ist.
Der Beschwerdeführer verbüßte eine mehrjährige Gesamtfreiheitsstrafe in den Berliner Justizvollzugsanstalten Moabit, Tegel und Charlottenburg. Dabei wurde er während der Dauer des Einweisungsverfahrens vom 5. Februar bis zum 3. Mai 2004 in der Teilanstalt I der JVA Tegel in einem Einzelhaftraum untergebracht, der mit einer räumlich nicht vom übrigen Haftraum abgetrennten, nicht gesondert entlüfteten Toilette ausgestattet ist.
Nach Angaben der Senatsverwaltung für Justiz hat der Raum eine Bodenfläche von 5,25 m2.
Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 10. August 2004 begehrte der Beschwerdeführer die Feststellung, dass seine Unterbringung in den Justizvollzugsanstalten Tegel und Moabit rechtswidrig gewesen sei, da die Größe des Haftraums nicht den gesetzlichen Erfordernissen einer Mindestbodenfläche von 7 m2 entsprochen habe. Im Hinblick auf seine Unterbringung vom 5. Februar bis zum 3. Mai 2004 in der Teilanstalt I der JVA Tegel trug er vor, dass die Bedingungen der Unterbringung angesichts der Größe des Haftraums und der fehlenden Abtrennung des WC-Bereichs menschenunwürdig gewesen seien. Der Beschwerdeführer beantragte zudem die Feststellung eines Schadensersatzanspruches in Höhe von 5.400 Euro.
In ihrer Stellungnahme führte die JVA Tegel im Hinblick auf die Unterbringung vom 5. Februar bis zum 3. Mai 2004 aus, dass der Beschwerdeführer sein Feststellungsinteresse nicht allein unter Bezugnahme auf eine gerichtliche Entscheidung und durch die marginale Unterschreitung von gewissen Raummaßen begründen könne, zumal die Inhaftierten in der Teilanstalt I als Zugangshaus nur für kurze Zeiträume untergebracht seien.
Das Landgericht Berlin wies den Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit Beschluss vom 7. März 2005 als unzulässig zurück. Im Hinblick auf die Unterbringung vom 5. Februar bis zum 3. Mai 2004 handele es sich bei dem Antrag nicht um einen Fortsetzungsfeststellungsantrag, sondern um einen allgemeinen Feststellungsantrag, für den es an einem allgemeinen Feststellungsinteresse fehle. Ein etwaiger Amtshaftungsprozess wäre nämlich offensichtlich aussichtslos. Eine bestimmte Haftraumgröße sei nach § 144 StVollzG nicht gesetzlich vorgeschrieben, sondern an den Erfordernissen der Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes und an Art. 3 EMRK zu messen. Unter diesem Maßstab sei im Falle einer Einzelunterbringung eine Rechtsverletzung bei einer Haftraumgröße von etwa 5 m2 nicht gegeben, weil die Unterschreitung der erforderlichen Raumgröße nicht erheblich, sondern gerade noch hinnehmbar sei, zumal der Beschwerdeführer sich nicht durchgängig in diesem Haftraum habe aufhalten müssen.
Gegen diesen Beschluss erhob der Beschwerdeführer Rechtsbeschwerde, die er im Laufe des Verfahrens auf seine Unterbringung vom 5. Februar bis zum 3. Mai 2004 in der Teilanstalt I der JVA Tegel beschränkte. Das Kammergericht verwarf die Rechtsbeschwerde mit Beschluss vom 25. September 2007 als unbegründet. Zwar sei die Rechtsbeschwerde zulässig, weil der Beschwerdeführer vor dem Landgericht einen zulässigen Fortsetzungsfeststellungsantrag gestellt habe, bei dem sich das Feststellungsinteresse aus der konkreten Möglichkeit der Verletzung der Menschenwürde ergeben habe. Die Rechtsbeschwerde sei aber unbegründet. Die Unterbringung eines einzelnen Gefangenen in einem etwa 5,3 m2 großen Haftraum verstoße nicht gegen Gesetze, welche die erforderliche Bodenfläche oder den nötigen Mindestluftraum eines Haftraums in Zahlen ausdrücklich und bindend festlegen würden. Seit dem Inkrafttreten des Strafvollzugsgesetzes am 1. Januar 1977 fehle es nämlich an einer Verordnung, die Näheres über Bodenfläche, Luftinhalt und ähnliche Mindestmaße bestimme, so dass es eine gesetzlich festgelegte Mindestgröße nicht gebe. § 144 StVollzG beschreibe nur allgemein, welche Eigenschaften ein Haftraum besitzen solle. Allerdings gebe es Verwaltungsanordnungen, denen Anhaltspunkte entnommen werden könnten, welche Mindestgröße die Landesjustizverwaltungen für erforderlich hielten. Die Allgemeine Verfügung des Senators für Justiz vom 15. Dezember 1976, die die Richtlinie zu Nr. 106 der Dienst- und Vollzugsordnung vom 1. Dezember 1961 übernommen habe, sei im Rahmen der Berliner Verwaltungsreform vom 25. Juni 1985 allerdings außer Kraft getreten und auch nicht wieder erneuert worden.
Zwar entspreche die beanstandete Unterbringung auf keinem Fall dem Standard, den der Gesetzgeber entsprechend der in § 144 Abs. 1 StVollzG vorgenommenen Beschreibung und den das Strafvollzugsgesetz leitenden Prinzipien zur Behandlung und Resozialisierung der Gefangenen für geboten erachtet habe. Aus den allgemein die Erfordernisse eines Haftraums beschreibenden Normen könne der Beschwerdeführer jedoch keinen Anspruch für sich ableiten. § 144 Abs. 1 StVollzG richte sich ausschließlich an die Vollzugsbehörden und verschaffe den Gefangenen unmittelbar keine subjektiven Ansprüche. Die Unterbringung in dem Haftraum unter den konkret dem Landgericht zur Entscheidung gestellten Umständen verstoße auch nicht gegen die Menschenwürde oder Art. 3 EMRK.
Unberücksichtigt müssten zunächst alle Eigenheiten des Haftraums bleiben, die der Beschwerdeführer erst in der Rechtsbeschwerde als belastend vorgetragen habe. Die Rechtsbeschwerde eröffne keinen Tatsachenrechtszug, in dem auf tatsächliches Vorbringen zu ermitteln und Beweis zu erheben wäre. Daher könne der Senat die konkreten Beanstandungen der hygienischen Verhältnisse in dem Haftraum nicht seiner Entscheidung zugrundelegen, sondern nur die Bodenfläche, den Luftraum der Zelle und die integrierte Toilette.
Dass in einem Einzelhaftraum die Toilette nicht abgetrennt sei, verstoße nicht gegen die Menschenwürde. Durch die Zuweisung eines deutlich zu kleinen Einzelhaftraumes sei die Menschenwürde erst dann verletzt, wenn der Gefangene keine Möglichkeit zum Ausschreiten mehr habe oder er sich in dem Raum aufhalten müsse, ohne sich je außerhalb der Freistunde "die Beine vertreten" zu können. Ein derartiger Fall liege vor, wenn der Beschwerdeführer 23 Stunden unter Verschluss sei. Ferner sei zu beachten, ob die Unterbringung unter den beanstandeten außergewöhnlichen Umständen über eine sehr lange Zeit, etwa mehr als ein Jahr, aufrecht erhalten werde, vor allem wenn sie dem Gefangenen unabsehbar erscheinen müsse. Denn das bewirke die Gefahr, dass sich eine die Persönlichkeit zerstörende Hoffnungslosigkeit in dem Menschen einniste.
Der Beschwerdeführer aber habe sich tagsüber etwa sieben Stunden außerhalb des beanstandeten Haftraumes bewegen können. Es sei für ihn auch absehbar gewesen, dass er dort nicht verbleiben würde, da er sich in der Teilanstalt I nur während der Eingangsuntersuchung befunden habe.
2. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 6 Satz 1, Art. 15 Abs. 1 und Abs. 4 sowie Art. 28 Abs. 1 i. V. m. Art. 36 Abs. 1 und 2, Art. 59 Abs. 1 und 4 und Art. 60 Abs. 2 der Verfassung von Berlin (VvB) durch das Landgericht und das Kammergericht. Seine Unterbringung über einen Zeitraum von 93 Tagen unter den engen Bedingungen der genannten Minimalzelle mit integrierter Toilette verstoße gegen seine Menschenwürde. Ein Abweichen von den Standards zur Haftraummindestgröße, die in der Allgemeinen Verfügung der Landesjustizverwaltungen von 1976 enthalten seien, stelle nämlich einen Verstoß gegen die Menschenwürde dar, wenn Faktoren hinzukämen wie eine deutliche Unterschreitung der Raumgröße, die dadurch bedingte mangelnde Bewegungsfreiheit im Raum, eine deutliche Unterschreitung der Fenstergröße, ein schlechter Zustand der Zellen, eine längere Unterbringung als einzelne Tage, Unklarheit bezüglich des Zeitpunkts der Verlegung in angemessenen Haftraum sowie fehlende Betreuung, Zuwendung und Kommunikationsmöglichkeiten.
Diese Bedingungen seien vorliegend im Übermaß gegeben. Die Zellengröße sei zudem seit dem Bau der JVA im Jahr 1896 unverändert.
Zu berücksichtigen sei auch, dass er angesichts der Verschluss- und Aufschlusszeiten an Samstagen jeweils 16 Stunden und an Sonntagen jeweils 20 Stunden in seinem Toiletten-Wohn-Kombinationsraum habe verbringen müssen. Die Freizeitaufschlussmöglichkeiten seien entweder von Versorgungsnotwendigkeiten bestimmt gewesen, hätten dem 60-minütigen Hofgang gedient oder mangels anderer Möglichkeiten auf dem einrichtungslosen Flur oder in der Minimalzelle verbracht werden müssen. Auch sei die Zelle verdreckt und verwohnt gewesen. Aufgrund des herrschenden Belegungsdrucks sei es zu keiner Renovierung und/oder Reinigung der Zelle gekommen. Die Mahlzeiten hätten sämtlich und immer in unmittelbarer Nachbarschaft der stinkenden Toilette eingenommen werden müssen. Zudem habe er mit ungewisser zeitlicher Perspektive in der Zelle der Teilanstalt I der JVA Tegel auf sein Einweisungsverfahren gewartet. Dieses sei kurz vor seiner Verlegung in die JVA Charlottenburg am 3. Mai 2004 durchgeführt worden.
Wann er wohin kommen würde, sei für ihn völlig unabsehbar gewesen. Weder eine Perspektive i. S. d. StVollzG noch Resozialisierungsbemühungen hätten bis dahin entwickelt werden können. Eine Betreuung durch Anstaltsbedienstete habe nicht stattgefunden.
Ebenso wenig sei gesundheitserhaltende Gymnastik möglich gewesen.
In der Zelle habe es nur etwa 1,2 m2 nicht verstellte Fläche zwischen den Möbeln gegeben, und zwar in Form eines etwa 30 cm breiten Wegs von der Tür zum Minifenster. Die Toilette sei nur mit einem Schamvorhang aus Plastik vom übrigen Raum getrennt gewesen.
Aufgrund von Schmutzanhaftungen am Vorhang und einer nicht sauber zu bekommenden Toilette habe es immer für Wohnraumverhältnisse unzumutbar gerochen. Das Zellenfenster habe sich nur schwer öffnen lassen. Körper-, Essensund Toilettengerüche seien nicht wegzubekommen gewesen.
Die dreimonatige Unterbringung habe gleichzeitig gegen den Resozialisierungsanspruch aus Art. 6 Satz 1 i. V. m. Art. 7 VvB verstoßen. Allein schon die persönlichkeitsmissachtende und pure Verwahrung in dem Haftraum über einen subjektiv ungewissen, real drei Monate währenden Zeitraum suspendiere die zentrale Aufgabe des Strafvollzugs nicht nur kurz, sondern behindere sie.
Das Kammergericht habe ferner seinen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz und rechtliches Gehör verletzt, weil es als Rechtsbeschwerdeinstanz seinen neuen Vortrag zu konkreten Bedingungen der Unterbringung für nicht verwertbar erachtet habe, da sie in der Tatsacheninstanz nicht vorgetragen worden seien. Allerdings habe es vor der Kammergerichtsentscheidung keine Entscheidung gegeben, woraus sich die Kriterien, zu denen etwas darzulegen gewesen sei, ergeben hätten. Die Haltung des Gerichts zur Nichtverwertbarkeit des erst nach der Tatsacheninstanz Vorgetragenen hätte zur Zurückweisung der Sache an das Landgericht führen müssen, da das Landgericht zum einen nicht seiner von Amts wegen bestehenden Aufklärungspflicht nachgekommen sei und zum anderen ein Rechtskundiger in der Tatsacheninstanz hätte beigeordnet werden müssen, weil die Sache erkennbar schwierig und er erkennbar nicht in der Lage gewesen sei, das notwendig Darzulegende vorzutragen. Das Kammergericht habe ihm das rechtliche Gehör insofern versagt, als es die verfahrens- und verfassungsrechtlichen Versäumnisse der Vorinstanz unheilbar gemacht habe. Denn dort sei nach Ansicht des Kammergerichts zu wenig vorgetragen worden, und das in der Rechtsbeschwerdeinstanz Vorgetragene müsse leider ungehört bleiben. In der Nichtaufklärung und Nichtbeiordnung eines Rechtskundigen in der Tatsacheninstanz liege auch ein gleichartiger Verfassungsverstoß durch das Landgericht. Auch hätte das Landgericht ihn zu den Umständen des Einzelfalles und zur Dauer seines täglichen Aufenthaltes im Haftraum in konkreter Form anhören und darüber aufklären müssen, dass ihm der Vortrag allein zur Zellengröße nicht maßgeblich erscheine, sondern die Umstände des Einzelfalles.
Schließlich werde er in seinen Grundrechten aus Art. 28 Abs. 1 i. V. m. Art. 36 Abs. 1 und 2, Art. 59 Abs. 1 und 4 und Art. 60 Abs. 2 VvB verletzt. Das Außerkrafttreten der Allgemeinen Verfügung von 1976 stelle eine verfassungswidrige Außerachtlassung vorgeschriebener Gesetzesprozeduren bei Gesetzesänderungen dar. Insbesondere sei das Öffentlichkeitsprinzip durch das klammheimliche Außerkrafttreten der Verfügung verletzt.
Die Vernachlässigung der Pflicht des Berliner Gesetzgebers zu verbindlichen, rechtsschutzbietenden Normierungen zur Zellgröße und -ausstattung im Berliner Strafvollzug verstoße gegen die verfassungsrechtlich vorgegebene Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung des sozialen Daseins auch in Haft.
Den Beteiligten ist gemäß § 53 Abs. 1 und 2 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof (VerfGHG) Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Die Senatsverwaltung für Justiz tritt insbesondere der Darstellung der Einschluss- und Aufschlusszeiten für den Beschwerdeführer für den Zeitraum vom 5. Februar bis 3. Mai 2004 entgegen.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Entscheidung des Landgerichts wendet, denn der Beschwerdeführer rügt insoweit keine weitergehenden Grundrechtsverletzungen als gegenüber der Entscheidung des Kammergerichts.
Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde zulässig.
Der Zulässigkeit steht die zwischenzeitliche Haftentlassung des Beschwerdeführers nicht entgegen. In Verfahren, die - wie hier - die Haftraumunterbringung eines Gefangenen betreffen, entfällt, sofern eine Verletzung der Menschenwürde durch die Art und Weise der Unterbringung möglich erscheint, das Rechtsschutzinteresse nicht mit der Beendigung der beanstandeten Unterbringung (zum Bundesrecht: BVerfG-K 6, 344 <347 f.>).
Auch hat der Beschwerdeführer gemäß § 49 Abs. 2 Satz 1 VerfGHG den Rechtsweg erschöpft, obwohl er die gerügte Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht zum Gegenstand einer Anhörungsrüge gemäß § 120 Abs. 1 StVollzG i.V.m. § 33a StPO gemacht hat. Nach dem Vortrag des Beschwerdeführers kommt eine Verletzung des grundrechtlichen Anspruchs auf rechtliches Gehör nämlich nicht in Betracht. Die Einlegung des Rechtsbehelfs nach § 120 StVollzG i.V.m. § 33a StPO wäre offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg gewesen. Auf einen offensichtlich aussichtslosen Rechtsbehelf kann der Beschwerdeführer als Voraussetzung der Zulässigkeit seiner Verfassungsbeschwerde aber nicht verwiesen werden (zum Bundesrecht: BVerfGE 70, 180 <187 f.>; 79, 1 <20>; 102, 197 <208>). Dies gilt auch für die Anhörungsrüge (zum Bundesrecht: BVerfGK 9, 390 <394>). Einem Beschwerdeführer kann daher nicht entgegengehalten werden, dass er zunächst eine Anhörungsrüge hätte erheben müssen, wenn seine Berufung auf Art. 15 Abs. 1 VvB offensichtlich allein auf unzutreffenden Annahmen über Inhalt und Grenzen dieses Grundrechts beruht (zum Bundesrecht: BVerfG, EuGRZ 2006, 294 <295 f.>).
Die Rüge des Beschwerdeführers, Art. 15 Abs. 1 VvB sei verletzt, weil das Kammergericht das in der Rechtsbeschwerdeinstanz neu Vorgetragene für nicht verwertbar erachtete, verkennt, dass in dem grundsätzlich auf eine Rechtsprüfung beschränkten, revisionsähnlichen Verfahren neuer Tatsachenvortrag nicht berücksichtigt werden kann (vgl. Arloth, StVollzG, 2. Aufl. 2008, § 119 Rn. 3). Auch soweit sich der Beschwerdeführer dagegen wendet, dass das Kammergericht "die verfahrens- und verfassungsrechtlichen Versäumnisse der Vorinstanz unheilbar" gemacht habe, ist ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht schlüssig dargetan und nicht erkennbar. Nach § 116 Abs. 1 StVollzG ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, "wenn es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen." Das Kammergericht hätte deshalb die gerügten Versäumnisse im Verfahren vor dem Landgericht nicht überprüfen können. Soweit die Rechtsprechung eine Rechtsbeschwerde ausnahmsweise auch dann für statthaft erachtet, wenn die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung so unzureichend sind, dass das Rechtsbeschwerdegericht die ihm nach § 116 Abs. 1 StVollzG obliegende Prüfung nicht vornehmen kann (vgl. Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 11. Aufl. 2008, § 116 Rn. 3 m. w. N.), lag ein solcher Fall hier offenkundig nicht vor. Die Erhebung einer Anhörungsrüge wäre danach offensichtlich aussichtslos gewesen.
2. Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 6 Satz 1 VvB.
a) Die Würde des Menschen zu achten und zu schützen, ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt (Art. 6 Satz 2 VvB). Der öffentlichen Gewalt ist danach jede Behandlung verboten, die die Achtung des Wertes vermissen lässt, der jedem Menschen um seiner selbst willen zukommt (vgl. Beschlüsse vom 12. Januar 1993 - VerfGH 55/92 - LVerfGE 1, 56 <64>, 2. Januar 1994 - VerfGH 134/93 - JR 1994, 343 und 25. April 1994 - VerfGH 8/94 - JR 1995, 13; Nachweise der Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs hier und im Folgenden jeweils auch im Internet unter www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de; zum Bundesrecht: BVerfGE 109, 279 <313>). Die durch das Sozialstaatsprinzip bekräftigte Verpflichtung des Staates zum Schutz der Menschenwürde schließt die Pflicht zu aktiver Gewährleistung der materiellen Mindestvoraussetzungen menschenwürdiger Existenz ein (zum Bundesrecht: BVerfGE 40, 121 <133> und 113, 88 <108 f.>). Für den Strafvollzug bedeutet dies, dass die Voraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins dem Gefangenen auch in der Haft erhalten bleiben müssen und der Staat zu den dafür erforderlichen Leistungen verpflichtet ist (zum Bundesrecht: BVerfGE 45, 187 <228>; BVerfG, EuGRZ 2008, 83).
Kann aufgrund der besonderen Verhältnisse in einer bestimmten Anstalt den Anforderungen, die sich aus der Pflicht zum Schutz der Menschenwürde ergeben, einem Gefangenen gegenüber nicht entsprochen werden, so ist dieser in eine andere Anstalt zu verlegen (zum Bundesrecht: BVerfG, NStZ 1993, S. 404 <406>).
Die Frage nach den Standards, deren Unterschreitung eine Missachtung bedeutet und die Menschenwürde der Betroffenen verletzt, kann dabei, soweit es um die Sicherung eines Minimums an materiellen Voraussetzungen menschenwürdiger Existenz geht, hier wie sonst nicht ohne Berücksichtigung der allgemeinen - auch wirtschaftlichen - Verhältnisse beantwortet werden (zum Bundesrecht: BVerfG, EuGRZ 2008, 83). Zugleich darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Voraussetzungen menschenwürdiger Haftbedingungen auch im Anspruch des Gefangenen auf soziale Achtung und Wahrung seiner persönlichen Identität und Integrität wurzeln (vgl. Herdegen in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 53. Aufl. 2009, Art. 1 Abs. 1 Rn. 11; Höfling, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 4. Aufl. 2007, Art. 1 Rn. 39). Angesichts der besonderen Verantwortung des Staates für Strafgefangene, die der Staatsgewalt unmittelbar unterworfen sind, dürfen auch bei Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse bestimmte Minimalstandards nicht unterschritten werden.
Der Gewährleistungsgehalt der Menschenwürde wird zumeist von dem jeweils in Frage stehenden Verletzungsvorgang her bestimmt (zum Bundesrecht: BVerfGE 109, 279 <311 f.>). Es lässt sich nämlich nicht generell, sondern immer nur in Ansehung des konkreten Falles beurteilen, unter welchen Umständen die Menschenwürde verletzt sein kann (zum Bundesrecht: BVerfGE 30, 1 <25>; 109, 279 <311>; 115, 118 <153>). Im Lichte des absoluten Charakters des Schutzes der Menschenwürde sind dabei strenge Maßstäbe anzulegen, denn nicht jeder im allgemeinen Sprachgebrauch als "unwürdig" bezeichnete Zustand verletzt auch die verfassungsrechtlich geschützte Menschenwürde (Herdegen, a. a. O., Rn. 41; Hillgruber, in: Beck'scher Online-Kommentar, Art. 1 GG [Stand: 15. Juli 2009] Rn. 11).
Auf eine den grundrechtlichen Anforderungen nicht genügende Ausgestaltung des Vollzuges kann es hindeuten, wenn internationale Standards mit Menschenrechtsbezug, wie sie in den im Rahmen der Vereinten Nationen oder von Organen des Europarates beschlossenen einschlägigen Richtlinien und Empfehlungen enthalten sind, nicht beachtet beziehungsweise unterschritten werden (zum Bundesrecht: BVerfGE 116, 69 <90>). Die im Jahr 2006 neu gefassten Europäischen Strafvollzugsgrundsätze (Empfehlung des Ministerkomitees des Europarates vom 11. Januar 2006, Rec(2006)2; in deutscher Übersetzung herausgegeben vom Bundesministerium für Justiz, Berlin, Bundesministerium der Justiz, Wien, Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement, Bern, 2007) sehen vor, dass alle für Gefangene, insbesondere für deren nächtliche Unterbringung, vorgesehenen Räume den Grundsätzen der Menschenwürde zu entsprechen, die Privatsphäre so weit wie möglich zu schützen und den Erfordernissen der Gesundheit und der Hygiene zu entsprechen haben; dabei sind die klimatischen Verhältnisse und insbesondere die Bodenfläche, die Luftmenge sowie die Beleuchtung, Heizung und Belüftung zu berücksichtigen (Nr. 18.1). Gefangene müssen jederzeit Zugang zu sanitären Einrichtungen haben, die hygienisch sind und die Intimsphäre schützen (Nr. 19.3). Vergleichbare Vorgaben enthalten die im Rahmen der Vereinten Nationen erarbeiteten Mindestregeln für die Behandlung der Gefangenen (abgedruckt bei Höynck/Neubacher/Schüler-Springorum, Internationale Menschenrechtsstandards und das Jugendkriminalrecht - Dokumente der Vereinten Nationen und des Europarates - herausgegeben vom Bundesministerium der Justiz in Zusammenarbeit mit der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen e.V., 2001, S. 142 ff. <144>). Ob die Unterbringung in einem Haftraum gegen die Menschenwürde verstößt, ist damit im Rahmen einer Gesamtschau u.a. anhand der konkreten Art der Unterbringung, insbesondere der Größe des Haftraums, der Gestaltung des Sanitärbereichs, aber auch der täglichen Einschlusszeiten und der Dauer der Unterbringung zu beurteilen.
Anders als bei der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf das einfache Recht besteht vorliegend Anlass, über den grundsätzlichen Prüfungsumfang hinauszugehen. Denn mangels einer einfachrechtlichen Rechtsgrundlage steht ein unmittelbarer Verfassungsverstoß in Rede. Die Überprüfung der Haftraumbedingungen betrifft die unmittelbare Anwendung der Grundrechtsbestimmung des Art. 6 Satz 1 VvB. Dementsprechend hat der Verfassungsgerichtshof in Bezug auf einen Menschenwürdeverstoß sowohl hinsichtlich des Sachverhaltes selbst als auch seiner rechtlichen Bewertung zu prüfen, ob die tatsächliche und rechtliche Wertung des Gerichts Art. 6 Satz 1 VvB gerecht wird (vgl. zur Asylrechtsprechung im Bundesrecht: BVerfGE 76, 143 <161 f.>).
b) Diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben trägt die angefochtene Entscheidung nicht hinreichend Rechnung. Die Ansicht des Kammergerichts, die Unterbringung in dem Haftraum unter den konkret dem Landgericht zur Entscheidung gestellten Umständen verstoße nicht gegen die Menschenwürde, verkennt die Anforderungen, die die Menschenwürde an die Unterbringung von Strafgefangenen stellt. Nach den dargestellten Grundsätzen verletzt die Unterbringung des Beschwerdeführers für einen Zeitraum von knapp drei Monaten in einem Einzelhaftraum von 5,25 m2 mit räumlich nicht abgetrennter Toilette, in dem er zeitweise zwischen 15 und fast 21 Stunden unter Verschluss war, bei einer Gesamtschau der Umstände sein Recht aus Art. 6 Satz 1 VvB.
Zwar verstößt im Fall der Unterbringung in einem Einzelhaftraum allein die fehlende Abtrennung der Toilette vom übrigen Raum nicht den Anspruch des Gefangenen auf Achtung seiner Menschenwürde, weil anders als im Fall der Mehrfachbelegung eines Raumes mit offener Toilette nicht in die Intimsphäre der Strafgefangenen eingegriffen wird (BVerfG, EuGRZ 2008, 83 <84>). Ob die Art und Weise der Unterbringung eines Strafgefangenen die Menschenwürde verletzt, ist aber auch von den weiteren Umständen, insbesondere der Raumgröße, abhängig.
Nach der Rechtsprechung der Fachgerichte verletzt zwar die Unterbringung in einem 8,32 m2 großen Einzelhaftraum mit einer Toilette, die sich offen im Raum befindet, nicht die Menschenwürde (OLG Hamm, Beschluss vom 13. Juni 2008 - 11 W 43/08 - juris). Im vorliegenden Fall beträgt die Bodenfläche 5,25 m2 und ist damit über 3 m2 kleiner.
Diese Bodenfläche unterschreitet die Mindestgröße von 9 m2, die in den Empfehlungen (3.2.1) für den Bau von Justizvollzugsanstalten vom 03.10.1978 festgelegt ist, erheblich.
Auch Bodenflächen von 6,11 m2, die die Fachgerichtsbarkeit zum Teil als "gerade noch hinnehmbar" gebilligt hat (OLG Frankfurt am Main, NStZ-RR 2004, 29), bzw. 6 bis 7 m2 (BVerfG, ZfStrVO 1994, 377) werden vorliegend noch unterschritten. Folge der geringen Bodenfläche ist zwar keine Beeinträchtigung der Intimsphäre. Aber auch bei der Unterbringung in Einzelräumen muss dem Gefangenen ein ausreichender Raum verbleiben, damit er in der streng fremdbestimmten Welt des Strafvollzugs in seinem persönlichen Lebensbereich ungestört seinen Bedürfnissen nachgehen kann (vgl. Kretschmer, NJW 2009, 2406). Bedenkt man, dass die ohnehin geringe Nutzfläche von 5,25 m2 durch die Möblierung des Haftraums mit einem Bett, einem Schrank, einem Stuhl, einem Tisch, einem Waschbecken und eben der Toilette noch zusätzlich vermindert wird, ist der dem Beschwerdeführer verbleibende Bewegungsfreiraum unangemessen gering.
In diesem Haftraum musste sich der Beschwerdeführer überwiegend aufhalten. Nach dem Vortrag der Senatsverwaltung für Justiz über die Ein- und Aufschlusszeiten war der Beschwerdeführer nämlich im Zeitraum vom 5. Februar bis zum 10. März 2004 in der Regel zwischen 15 Stunden und 30 Minuten und 18 Stunden, an Donnerstagen sogar fast 21 Stunden in seinem Haftraum eingeschlossen. Vom 11. März bis zum 3. Mai 2004 war der Beschwerdeführer wegen seiner Arbeit in der sog. Wäschetauschstelle zwar unter der Woche überwiegend nur noch 9 Stunden und 55 Minuten eingesperrt, am Donnerstag aber musste der Beschwerdeführer 13 Stunden und 30 Minuten und an Wochenenden wiederum 15 Stunden und 30 Minuten bzw. 18 Stunden und 20 Minuten 14 in dem 5,25 m2 großen möblierten Raum zubringen. Unter diesen Bedingungen stellt es auch eine erhebliche Zumutung dar, wenn der Strafgefangene seine Toilette in demselben Raum hat, in dem er lebt, schläft und isst.
Für die Frage, ob solche Bedingungen der Haft gegen die Menschenwürde des Beschwerdeführers verstoßen, hat das Kammergericht zu Recht auch auf die Dauer der Unterbringung als weiteres Kriterium abgestellt. Das Kammergericht verkennt aber, dass mit zunehmender Dauer der Haft die Belastungen, die sich aus der Unterbringung in einem derartig kleinen Raum mit räumlich nicht abgetrennter Toilette ergeben, wachsen, bis sie so schwerwiegend sind, dass die Schwelle einer Missachtung des Eigenwerts der Person erreicht ist. Während danach die Unterbringung eines Gefangenen in einem vergleichbaren Haftraum für eine von vornherein begrenzte zweiwöchige Übergangszeit zumutbar sein kann (KG, Beschluss vom 4. Mai 2004 - 5 Ws 446/93 Vollz), ist diese Schwelle unter den vorliegenden Bedingungen bei einem Zeitraum von 89 Tagen eindeutig überschritten. So hat es das Kammergericht beispielsweise auch als "lang anhaltenden Eingriff" in die Menschenwürde eines Strafgefangenen bezeichnet, wenn dieser 73 Tage jeweils zusammen mit einem Mithäftling in einem kleinen Haftraum ohne bauliche Abtrennung der Sanitäranlagen untergebracht war (NJW-RR 2005, 1478).
Einen weiteren Anhaltspunkt für eine Verletzung der Menschenwürde hat das Kammergericht zu Recht in der Gefahr gesehen, dass der Strafgefangene in Hoffnungslosigkeit verfällt, wenn die Zeit, die im Haftraum verbracht werden muss, unabsehbar erscheint.
Im vorliegenden Fall hat es aber verkannt, dass aus der maßgeblichen Sicht des Beschwerdeführers für ihn gerade nicht absehbar war, wann die Belastungen enden würden.
Transparente, z.B. gesetzliche Vorgaben für die Dauer des Einweisungsverfahrens finden sich nicht. Während dieses 1997 in vergleichbaren Fällen noch durchschnittlich zwei Monate andauerte (Heß, ZfStrVo 1998, 335 <343>), überschreitet nach Angaben der Senatsverwaltung das Verfahren gegenwärtig "in aller Regel einschließlich des Wartens auf eine Weiterverlegung einen Zeitraum von max. sechs Monaten nicht". Angesichts zunehmender Wartezeiten und fehlender transparenter Regelung war für den Beschwerdeführer nicht absehbar, wann er aus dem kleinen, ihm kaum Bewegungsmöglichkeiten bietenden Raum entlassen würde.
Auf die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Verletzung weiterer Grundrechte kommt es danach nicht mehr an.
Nach § 54 Abs. 3 VerfGHG ist der Beschluss des Kammergerichts aufzuheben und die Sache in entsprechender Anwendung von § 95 Abs. 2 Halbsatz 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes an das Kammergericht zurückzuverweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 33, 34 VerfGHG. Da der Beschwerdeführer mit seiner Verfassungsbeschwerde ganz überwiegend Erfolg hat, erscheint es angebracht, ihm die notwendigen Auslagen in voller Höhe zu erstatten.
Dieser Beschluss ist einstimmig ergangen.
Mit dieser Entscheidung ist das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof abgeschlossen.
HRRS-Nummer: HRRS 2009 Nr. 1029
Bearbeiter: Ulf Buermeyer